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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 2 B 685/07
Rechtsgebiete: SächsBG, SächsBVO, BhV, VwGO


Vorschriften:

SächsBG § 102
SächsBG § 102 Halbsatz 2
SächsBVO § 1
SächsBVO § 11
SächsBVO § 12
SächsBVO § 12 Abs. 1
SächsBVO § 12 Abs. 1 Satz 1
SächsBVO § 12 Abs. 2
SächsBVO § 13 Abs. 3
BhV § 2
BhV § 3 Abs. 1 Nr. 2
BhV § 12
BhV § 15
VwGO § 124a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 2 B 685/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gewährung von Beihilfe/Selbstbehalt

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 17. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen zwei Beihilfebescheide des Beklagten, soweit die dort errechnete Beihilfe um einen Selbstbehalt in Höhe von insgesamt 80,- Euro gekürzt wurde.

Die Klägerin steht als Steuerobersekretärin im Dienst des Beklagten. Sie beantragte am 4.10.2004 die Gewährung einer Beihilfe für Krankheitskosten für sich selbst in Höhe von 150,97 Euro und für ihre Tochter in Höhe von 96,03 Euro. Der Beklagte erkannte einen Betrag von 246,45 Euro als beihilfefähig an. Von dem errechneten Beihilfeanspruch in Höhe von 152,04 Euro zog der Beklagte hinsichtlich der Aufwendungen für die Tochter der Klägerin (Belege Nr. 4 bis 6) einen Betrag von 29,93 Euro als Selbstbehalt unter der Rubrik "verrechnete Abschläge" ab und setzte mit Bescheid vom 20.10.2004 die Beihilfe auf 122,11 Euro fest.

Ihren gegen den Abzug des Selbstbehalts gerichteten Widerspruch vom 28.10.2004 begründete die Klägerin damit, dass sie sich derzeit in Elternzeit befinde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1.12.2004 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Rechtsgrundlage der Entscheidung § 102 SächsBG i. V. m. der im Freistaat Sachsen geltenden Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen vom 22.7.2004 (Sächsische Beihilfeverordnung - SächsBVO) sei. Die §§ 1 und 11 dieser Verordnung seien mit Wirkung vom 1.1.2004 in Kraft getreten; im Übrigen sei die Verordnung nach ihrer Verkündung, mithin am 1.9.2004 in Kraft getreten. Nach § 1 SächsBVO sei die allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen nebst den dazu ergangenen Hinweisen in der am 31.12.2003 geltenden Fassung (BhV) entsprechend anzuwenden, soweit in der Sächsischen Beihilfeverordnung nichts anderes bestimmt sei. Gemäß § 12 Abs. 1 SächsBVO werde die nach Anwendung des § 15 BhV verbleibende Beihilfe für jedes Kalenderjahr, in dem beihilfefähige Aufwendungen entstanden sind, um 80,- Euro gekürzt, soweit nicht eine der in § 12 SächsBVO benannten Ausnahmen vorliege.

Mit dieser Verordnung werde einer Entschließung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen, mit der Bund und Länder aufgefordert worden seien, die Be- und Entlastungen des am 1.1.2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) wirkungsgleich in die beamtenrechtliche Krankenfürsorge zu übertragen. Auch Beamte, Richter und Versorgungsempfänger könnten nach den Forderungen des Deutschen Bundestages angemessen an ihren Krankheitsaufwendungen und den gestiegenen Kosten des Gesundheitswesens beteiligt werden, soweit dies nicht zu finanziellen Belastungen führe, die einen amtsangemessenen Lebensunterhalt beeinträchtigen könnten. Dabei seien die Systemunterschiede zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen und der auf der Fürsorgepflicht des Dienstherrn beruhenden beamtenrechtlichen Krankenfürsorge zu berücksichtigen.

Die Staatsregierung habe von ihrer Verordnungsermächtigung im Sächsischen Beamtengesetz Gebrauch gemacht und Ausnahmen zu den Beihilfevorschriften des Bundes durch Erlass der sächsischen Beihilfeverordnung geregelt. Das GMG werde beim Freistaat Sachsen wirkungsgleich durch Erhebung eines systemgerechten Selbstbehalts je Beihilfeanspruch in Höhe von 80,- Euro umgesetzt, der für jedes Kalenderjahr, in dem Aufwendungen entstanden sind, von der Beihilfe abgezogen werde. Dieser Beitrag zu den Krankheitskosten sei inhaltlich mit der sogenannten "Praxisgebühr" des GMG nicht vergleichbar. Er sei vielmehr ein eigenständiger Kostenbeitrag für alle Beihilfeberechtigten, der auch die übrigen Mehrbelastungen der Gesundheitsreform in pauschalierter Form wirkungsgleich abdecken solle. Neben einem Beitrag für privat(zahn)ärztliche Leistungen seien darin auch Anteile für die erhöhten Abzugsbeträge für Arzneimittel und Fahrkosten, für Eigenanteile an den Aufwendungen für Hilfsmittel, den Unterkunfts- und Verpflegungskosten bei Sanatoriumsbehandlungen und Heilkuren sowie für die Inanspruchnahme allgemeiner Krankenhausleistungen und häuslicher Krankenpflege enthalten. Hierbei sei auch berücksichtigt worden, dass medizinisch notwendige Leistungen (Brillen und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel) nicht aus dem Leistungskatalog der Beihilfe gestrichen worden seien. Der Selbstbehalt sei unabhängig von der Art der Aufwendung, zu der die Beihilfe beantragt werde, zu erheben. Er sei auch bei einem in der Elternzeit befindlichen Beihilfeberechtigten für Aufwendungen vorzunehmen, die bei einem berücksichtigungsfähigen Angehörigen (z. B. einem Kind) entstehen. Eine Befreiung dieses Personenkreises sei nach dem eindeutigen und abschließenden Wortlaut des § 12 Abs. 1 SächsBVO nicht vorgesehen.

Am 22.11.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Beihilfe für Krankheitskosten für sich selbst und für ihre Tochter in Höhe von insgesamt 217,79 Euro. Der Beklagte erkannte einen Betrag von 213,29 Euro als beihilfefähig an. Von dem errechneten Beihilfeanspruch in Höhe von 141,61 Euro zog der Beklagte hinsichtlich der Aufwendungen für die Tochter der Klägerin (Belege 1, 2 und 4) einen Betrag von 50,07 Euro als Selbstbehalt unter der Rubrik "verrechnete Abschläge" ab und setzte mit Bescheid vom 30.11.2004 die Beihilfe auf 91,54 Euro fest. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 27.12.2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.1.2004 zurück.

Die Klägerin erhob am 27.12.2004 Klage gegen den Bescheid vom 20.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2004 und erweiterte die Klage am 31.1.2005 auf den Bescheid vom 30.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.1.2005. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, der Beklagte habe zu Unrecht hinsichtlich der Aufwendungen für ihre Tochter den Selbstbehalt gem. § 12 Abs. 2 SächsBVO abgezogen. Da sich die Klägerin in Elternzeit befinde, entfalle bei ihr der Selbstbehalt; Gleiches gelte auch für die Beihilfeleistungen an die Tochter der Klägerin. Zudem sei es unverhältnismäßig, den vollen Selbstbehalt für das Jahr 2004 zu veranschlagen, da § 12 SächsBVO erst seit dem 1.9.2004 gelte. Schließlich verstoße die Selbstbehaltsregelung gegen Art. 33 Abs. 5 GG und insbesondere gegen das Gebot der beamtenrechtlichen Rücksichtnahme.

Der Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf sein Vorbringen in den Widerspruchsbescheiden entgegen und führte ergänzend aus, dass der Selbstbehalt ausdrücklich nur bei Waisen und Beihilfeberechtigten entfalle, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien und oder sich in Elternzeit befänden. Die Tochter der Klägerin sei keine beihilfeberechtigte Person i. S. d. § 2 BhV, sondern berücksichtigungsfähige Angehörige gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV. Auf diese finde die Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 2 SächsBVO nach ihrem eindeutigen Wortlaut keine Anwendung.

Auf einen gerichtlichen Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.6.2004, wonach die Beihilfevorschriften des Bundes nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen, führte der Beklagte weiter aus, dass die sächsische Staatsregierung entsprechend der in § 102 SächsBG enthaltenen Verordnungsermächtigung am 22.7.2004 die Sächsische Beihilfeverordnung erlassen habe. Deren § 12 stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Beihilfevorschriften des Bundes, die als Verwaltungsvorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügten. Als landesspezifische (Verordnungs-) Regelung sei die Einführung des Selbstbehalts gerade nicht in der Rechtsform einer Verwaltungsvorschrift erfolgt. Dem sächsischen Verordnungsgeber könne somit nicht vorgeworfen werden, er hätte in Kenntnis der Verfassungswidrigkeit der Beihilfevorschriften des Bundes in der vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Übergangszeit verfassungswidrige Regelungen zu Lasten der Beihilfeberechtigten getroffen. Die weiteren Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.2004, nach denen auch eine Bezugnahme im Landesrecht auf die nicht den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechenden Beihilfevorschriften des Bundes grundgesetzwidrig sei, seien erst nach Inkrafttreten der Sächsischen Beihilfeverordnung am 1.9.2004 ergangen. Im Übrigen billige das Bundesverwaltungsgericht auch den Ländern einen überschaubaren Zeitraum zum Erlass verfassungskonformer Ermächtigungsnormen für beihilferechtliche Regelungen zu. Im Hinblick auf die Rechtslage im Freistaat Sachsen bedeute dies, dass bis zur Änderungen der Ermächtigungsgrundlage in § 102 SächsBG a. F. sowie bis zum Erlass einer umfassenden sächsischen Beihilfeverordnung die derzeitigen Regelungen weiter anzuwenden seien, da diese aus Sicht höherrangigen Rechts hinsichtlich ihres materiellen Inhalts bislang regelmäßig keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben hätten und da andernfalls ein für die Beihilfeberechtigten belastender, regelungsfreier Zustand bestehen würde. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Übergangszeitraum zeitlich nicht näher konkretisiert. Die Änderung des § 102 SächsBG a. F. sei zwischenzeitlich erfolgt; eine Änderung der Sächsischen Beihilfeverordnung sei in Arbeit.

Mit Urteil vom 18.10.2007 hob das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide des Beklagten hinsichtlich des einbehaltenen Selbstbehalts in Höhe insgesamt 80,- Euro auf und verpflichtete den Beklagten zur Leistung einer weiteren Beihilfe in dieser Höhe. Zwar könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass der Selbstbehalt von dem für ihre Tochter beantragten Beihilfeanspruch nicht hätte abgezogen werden dürfen, weil die Klägerin sich zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Aufwendungen in Elternzeit befunden habe. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 2 SächsBVO entfalle der Selbstbehalt nur bei dem Beihilfeberechtigten selbst, der sich in Elternzeit befindet, nicht hingegen bei berücksichtigungsfähigen Angehörigen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV. Jedoch sei die vom Beklagten für die Vornahme des Selbstbehalts herangezogene Rechtsgrundlage, der am 1.9.2004 in Kraft getretene § 12 Abs. 1 SächsBVO, mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage nichtig. Der der genannten Regelung zugrundeliegende § 102 SächsBG i. d. F. der Bekanntmachung vom 14.6.1999 (a. F.) stelle in seiner hier maßgeblichen, bis zum 27.4.2007 geltenden Fassung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage i. S. v. Art. 75 SächsVerf dar. § 102 SächsBG a. F. sei inhaltlich insoweit unbestimmt, als das Ausmaß der Verordnungsermächtigung nicht erkennbar sei, insbesondere keine Regelung zum Ob bzw. Wie der Einführung eines Selbstbehalts durch die Exekutive enthalten sei. Erst mit Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Disziplinarrechts sowie zur Änderung anderer beamtenrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen vom 10.4.2007 habe der sächsische Gesetzgeber in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Beihilfevorschriften des Bundes die Vorschrift des § 102 SächsBG a. F. geändert und die Erhebung "zumutbarer Selbstbehalte" in den Gesetzestext aufgenommen.

Von einer Weitergeltung des somit nichtigen § 12 SächsBVO für einen Übergangszeitraum sei nicht auszugehen, da die Notwendigkeit solcher Übergangsfristen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich anerkannt worden sei, um eine sonst eintretende Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen zu vermeiden, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der bisherige Zustand. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, nachdem in Sachsen auch ohne die Selbstbehaltsregelung ein funktionierendes Beihilfesystem zur Verfügung stehe. Die Einbehaltung von Beihilfeleistungen durch den Beklagten erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als (teilweise) rechtmäßig; insbesondere könne der Beklagte nicht die zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Beihilfevorschriften des Bundes zum Abzug eines Eigenbehalts (§ 12 Abs. 2 BhV) anwenden. Denn entsprechend der Ermächtigung in § 102 SächsBG a. F. habe der sächsische Gesetzgeber mit § 1 SächsBVO i. d. F. vom 22.7.2004 die Anwendung des Beihilferechts des Bundes in der am 31.12.2003 geltenden Fassung festgeschrieben (statische Verweisung), also gerade ohne die Änderungen der 27. und 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Änderung der Beihilfevorschriften, durch die zum 1.1.2004 mit § 12 BHV eine Eigenbehaltsregelung eingeführt wurde. Demnach könne dahinstehen, ob die Einführung von Kostendämpfungspauschalen, Selbstbehalten oder Eigenbehalten bzw. deren Anwendung generell oder in konkreten Einzelfällen gegen das Gebot der beamtenrechtlichen Rücksichtnahme verstoße oder Art. 33 Abs. 5 GG verletze. Das Verwaltungsgericht ließ die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Zur Begründung der am 29.11.2007 eingelegten Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach § 102 SächsBG a. F. eine hinreichende Legitimation des Landesgesetzgebers für von der Beihilfeverordnung des Bundes abweichende landesspezifische Regelungen, speziell zum Selbstbehalt, darstelle. Folglich sei § 12 SächsBVO rechtmäßig und im Falle der Klägerin anzuwenden. Die Anwendung einer derartigen Kostendämpfungspauschale verstoße auch nicht gegen den Alimentationsgrundsatz. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.7.2003.

Der Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Dresden vom 18. Oktober 2007 - 3 K 3095/04 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass auch nach Auffassung des Beklagten § 102 SächsBG a. F. keine hinreichende Verordnungsermächtigung für eine Selbstbehaltsregelung dargestellt habe; aus diesem Grund habe der Landtag die Vorschrift § 102 SächsBG zwischenzeitlich durch Gesetz vom 10.4.2007 erheblich verändert. Auf die vom Bundesverwaltungsgericht als grundgesetzwidrig gerügte Bezugnahme von Landesrecht auf die Beihilfevorschriften des Bundes komme es nicht an, da in Sachsen Rechtsgrundlage des Selbstbehaltes gerade § 12 SächsBVO, nicht aber § 12 BhV sein sollte. Die weitere Anwendung des § 12 SächsBVO für einen Übergangszeitraum verbiete sich hier, da auch mehr als 3 1/4 Jahre nach den fraglichen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes noch keine neue Beihilfeverordnung vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegende Verwaltungsakte, die Akte des Verwaltungsgerichts sowie die Gerichtsakten zum Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da die Klägerin Anspruch auf die Gewährung der vollen Beihilfe ohne Abzug eines Selbstbehalts i. H. v. 80,- Euro hat.

Der Beihilfeanspruch der Klägerin beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 - 2 C 35/04 - m. w. N., zit. nach juris). Da die Klägerin krankheitsbedingte Aufwendungen für ihre Tochter für die Monate September bis November 2004 geltend macht, ist auf die zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtslage abzustellen.

Als Rechtsgrundlage wurde vom Beklagten die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SächsBVO vom 22.7.2004 herangezogen, die gemäß § 13 Abs. 3 SächsBVO zum 1.9.2004 in Kraft getreten ist. Hiernach wird die nach Anwendung des § 15 BhV verbleibende Beihilfe für jedes Kalenderjahr, in dem beihilfefähige Aufwendungen entstanden sind, um 80,- Euro gekürzt. Nach § 12 Abs. 2 SächsBVO entfällt der Selbstbehalt (nur) bei dem Beilhilfeberechtigten selbst, der sich in Elternzeit befindet; für die Tochter der Klägerin als berücksichtigungsfähige Angehörige nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV verbleibt es demnach bei der Selbstbehaltsregelung des § 12 Abs. 1 SächsBVO. § 12 SächsBVO ist als Sonderregelung gegenüber § 1 SächsBVO konzipiert, der für die Gewährung von Beihilfen allgemein auf die Beihilfevorschriften (BhV) des Bundes in der am 31.12.2003 geltenden Fassung verweist, "soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist". Die Errechnung des hier nach § 15 BhV zu leistenden Betrags ist zwischen den Beteiligten unstreitig und nicht Gegenstand des Verfahrens.

Der Abzug des Selbstbehalts von 80,- Euro ist indessen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn die als Rechtsgrundlage herangezogene Bestimmung des § 12 SächsBVO beruht ihrerseits nicht auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und ist deshalb nichtig. Im Beihilferecht ist dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes Rechnung zu tragen (dazu sogleich unter a). Die hierzu herangezogene Ermächtigungsgrundlage entspricht allerdings nicht den Anforderungen des Art. 75 SächsVerf (dazu unter b). Eine Heilung des demzufolge nichtigen § 12 SächsBVO ist auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht erfolgt (dazu unter c).

a) Der erkennende Senat folgt der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung, wonach für Eingriffe in die Ausgestaltung des vorhandenen Beihilfesystems der Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.2004, BVerwGE 121, 103; BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, DVBl. 2005, 509; BVerwG, Urt. v. 20.3.2008 - 2 C 49/07 -, zit. nach juris). Nach diesem Grundsatz, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen System des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 80 Abs. 1 GG) ergibt, sind die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Regelungsbereichen durch Parlamentsgesetz zu treffen. Dies gilt aufgrund des Homogenitätsgebots gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die Landesgesetzgebung, für die Art. 80 Abs. 1 GG nicht unmittelbar anwendbar ist (BVerfG, Beschl. v. 27.1.1976, BVerfGE 41, 251). Im Übrigen folgt dies auch aus Art. 75 Abs. 1 SächsVerf.

Zwar gehört die gegenwärtige Ausgestaltung der Fürsorge mittels Beihilfeleistungen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, so dass eine Änderung erfolgen kann, ohne dass Art. 33 Abs. 5 GG berührt wird. Hiervon hängt indessen die Gewichtung des Regelungsbereiches der Beihilfe als wesentlich im Sinne des Parlamentsvorbehalts nicht ab: Der Umfang der Beihilfen bestimmt die Qualität der Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie den Umfang der Eigenvorsorge. Bei der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, der Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auch bei Pflegebedürftigkeit sowie der Wahrung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts trotz laufender Aufwendungen für die Risikovorsorge oder besonderer Belastungen wegen Krankheit und Hilflosigkeit handelt es sich um Schutzgüter mit Verfassungsrang (BVerwG, Urt. v. 17.6.2004 a. a. O.).

Neben der hierdurch begründeten hohen Bedeutung der Beihilfe ist ihr Wechselbezug zu den Besoldungs- und Versorgungsbezügen zu beachten; jedenfalls die Gesetzesbindung der Besoldung berührt das Alimentationsprinzip als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG (BVerwG, Urt. v. 28.4.2005, BVerwGE 123, 308). Angesichts des dem Dienstherrn unter Berücksichtigung seiner Fürsorgepflicht und der Wechselbezüglichkeit von Alimentation und Beihilfe verbleibenden Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung des Beihilfesystems erscheint es deshalb geboten, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen der vorhandenen Beihilfe- und Vorsorgestandards übernimmt, wie sie die von Bund und Ländern eingeführten "Kostendämpfungsmaßnahmen" im weitesten Sinn darstellen. Eine Regelung der Beihilfegewährung durch Parlamentsgesetz ist schließlich auch erforderlich, um die Transparenz im demokratischen Willensbildungsprozess, die Abwägung mit anderen Gesetzgebungsentscheidungen "in einer Hand" und die Kontinuität des einmal gewählten Systems zu gewährleisten (BVerwG, Urt. v. 17.6.2004 a. a. O.).

Aus diesen Erwägungen sind aufgrund des Gesetzesvorbehalts zumindest die tragenden Strukturprinzipien der Beihilfegewährung gesetzlich zu regeln. Der Gesetzgeber hat dabei das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheiten und Pflegebedürftigkeit bietet, er hat festzulegen, welche Risiken erfasst werden, für welche Personen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben (so BVerwG, Urt. v. 17.6.2004 a. a. O.). Zur Überzeugung des erkennenden Senats zählt zu den durch Parlamentsgesetz zu regelnden Tatbeständen nach dieser Definition auch eine Beihilfekürzung in Form eines Selbstbehaltes, wie sie § 12 SächsBVO normiert, da es sich hierbei um einen Unterfall des Leistungsausschlusses handelt. Dies entspricht auch der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.3.2008 (a. a. O.), wonach es nahe liege, Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen (in Form von Sockelbeträgen für einzelne Besoldungsgruppen) unmittelbar durch Gesetz zu regeln, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten. Jedenfalls über das "Ob" eines Selbstbehaltes muss der parlamentarische Gesetzgeber entscheiden.

b) Das vorliegend als Ermächtigungsgrundlage herangezogene parlamentarische Gesetz entspricht indessen nicht den Anforderungen des Art. 75 SächsVerf. Die ihrem wesentlichen Inhalt nach zum 1.9.2004 in Kraft getretene Sächsische Beihilfeverordnung vom 22.7.2004 wurde gemäß ihrer Präambel aufgrund von § 102 SächsBG i. d. F. der Bekanntmachung vom 14.6.1999 (im Weiteren: a. F.) erlassen. Der Wortlaut dieser Bestimmung, die durch das Sächsische Verwaltungsmodernisierungsgesetz (SächsVwModG) vom 5.5.2004 keine Änderung erfuhr, lautete zu diesem Zeitpunkt:

"Für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen an Beamte, Richter, Ruhestandsbeamte und Richter im Ruhestand, deren versorgungsberechtigte Hinterbliebene sowie Dienstanfänger gelten die Beihilfevorschriften des Bundes in ihrer jeweiligen Fassung entsprechend, soweit nicht durch Rechtsverordnung der Staatsregierung etwas anderes bestimmt wird."

Diese Vorschrift stellt zur Überzeugung des Senats keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Sinne von Art. 75 Abs. 1 SächsVerf dar. Hiernach kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Art. 75 SächsVerf ist Art. 80 Abs. 1 GG nachgebildet. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen allgemeine Grundsätze zur Auslegung dieser Verfassungsnorm entwickelt (Beschl. v. 11.1.1966, BVerfGE 19, 354).

Danach fehlt es jedenfalls "dann an der nötigen Beschränkung, wenn die Ermächtigung so unbestimmt ist, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können" (BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, BVerfGE 1, 14; vgl. auch Beschl. v. 10.6.1953, BVerfGE 2, 307; Beschl. v. 11.2.1958, BVerfGE 7, 267; Urt. v. 15.12.1959, BVerfGE 10, 251; Beschl. v. 27.11.1962, BVerfGE 15, 153; Beschl. v. 2.6.1964, BVerfGE 18, 52). Der Gesetzgeber hat also selbst die Entscheidung zu treffen, dass bestimmte Fragen geregelt werden sollen; er muss die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll (BVerfG, Beschl. v. 10.6.1953 und v. 27.11.1962 a. a. O.). Das Gesetz muss mithin selbst schon etwas bedacht und etwas gewollt haben (BVerfG, Beschl. v. 10.6.1953 a. a. O., Urt. v. 5.3.1958, BVerfGE 7, 282) und dem Verordnungsgeber ein "Programm" setzen, das durch die Verordnung erreicht werden soll (BVerfG, Beschl. v. 13.6.1956, BVerfGE 5, 71; Beschl. v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274). Hierdurch soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft bewusst werden und Teile seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive nur dann übertragen können, wenn es die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen hat, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschl. v. 20.10.1981, BVerfGE 58, 257 m. w. N.). Dabei braucht der Gesetzgeber allerdings Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des Gesetzes zu bestimmen. "Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden" (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 a. a. O.; vgl. auch Beschl. v. 27.11.1962 a. a. O.)

Nach diesen Maßstäben genügt § 102 SächsBG a. F. nicht den Anforderungen des Art. 75 Abs. 1 SächsVerf. Zwar liegt eine Erteilung der Verordnungsermächtigung in Form eines parlamentarischen Gesetzes vor. Auch ist die Rechtsgrundlage der Sächsischen Beihilfeverordnung in der Präambel der Verordnung ausdrücklich genannt. Allerdings enthält § 102 SächsBG a. F. keine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigung. In ihrer hier maßgeblichen, bis zum 27.4.2007 geltenden Fassung verweist die Vorschrift hinsichtlich der Gewährung von Beihilfen grundsätzlich auf die Beihilfevorschriften des Bundes, soweit nicht der Verordnungsgeber etwas anderes bestimmt. Hierdurch erfolgt lediglich eine inhaltliche Festlegung des Verordnungsgebers derart, dass abweichende Regelungen auf dem Gebiet der Beihilfe zulässig sind. Zu welchem Zweck bzw. innerhalb welcher Grenzen der Verordnungsgeber indessen von den Beihilfevorschriften des Bundes soll abweichen dürfen, ist in der Ermächtigungsnorm nicht geregelt. So bleibt insbesondere offen, ob und in welcher Weise der Verordnungsgeber einen Selbstbehalt einführen darf. Damit ist für den Verordnungsgeber nicht erkennbar, welche Regelungen gegenüber dem Adressaten der Verordnung zulässig sein sollen; es fehlt die Vorgabe eines durch die Exekutive auszufüllenden "Programms". Auch eine Auslegung der Ermächtigungsnorm führt nicht weiter, da sich weder dem Wortlaut, noch der Gesetzessystematik des § 102 SächsBG a. F. Anhaltspunkte für den objektiven Willen des Landesgesetzgebers betreffend Zweck und Ausmaß der Ermächtigung entnehmen lassen. Die Heranziehung der Entstehungsgeschichte des § 102 SächsBG a. F. hilft bei der Auslegung nicht weiter, da sich aus den Gesetzesmaterialien kein Hinweis darauf ergibt, dass sich der sächsische Gesetzgeber vor dem Jahr 2007 mit der Einführung eines Selbstbehalts befasst hätte. Eine Entscheidung von solcher Tragweite darf indessen nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht der Exekutive überlassen werden.

Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht nicht zuletzt die zwischenzeitlich erfolgte detaillierte Neuregelung des § 102 SächsBG durch das Gesetz vom 10.4.2007 zur Neuordnung des Disziplinarrechts sowie zur Änderung anderer beamtenrechtlicher Vorschriften im Freistaats Sachsen, dort Art. 2 Ziff. 13. Die Bestimmung des § 102 SächsBG in der aktuellen Fassung lautet:

"Den Beamten und Ruhestandsbeamten sowie deren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen werden Beihilfen zu Aufwendungen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen, zur Gesundheitsvorsorge und Früherkennung von Krankheiten sowie zum Schwangerschaftsabbruch und zur Sterilisation gewährt, wenn und solange ihnen laufende Besoldungs- und Versorgungsbezüge zustehen. Beihilfen werden auch zu Aufwendungen für Ehegatten und Kinder der in Satz 1 genannten Personen gewährt. Das Nähere regelt die Staatsregierung durch Rechtsverordnung. Dabei ist insbesondere zu bestimmen,

1. welche Personen beihilfeberechtigt oder berücksichtigungsfähig sind,

2. unter welchen Voraussetzungen Beihilfen gewährt werden und welche Aufwendungen beihilfefähig sind,

3. wie die Beihilfen zu bemessen sind. Sie sollen zusammen mit den aus demselben Anlass gewährten Leistungen Dritter und anderer Ansprüche die entstandenen Aufwendungen nicht übersteigen und die notwendigen und angemessenen Aufwendungen unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge und zumutbarer Selbstbehalte decken. In der Regel umfasst die zumutbare Eigenvorsorge beim Beihilfeberechtigten 50 Prozent, beim wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten sowie bei Versorgungsempfängern 30 Prozent und bei den Kindern 20 Prozent dieser Aufwendungen."

Zur Begründung der Neufassung führt der Gesetzentwurf (LT-Drs. 4/5064) aus:

"Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.6.2004 - 2 C 50/02 - genügen die Beihilfevorschriften des Bundes (BhV), auf die derzeit in § 102 Halbsatz 2 SächsBG in Verbindung mit § 1 SächsBVO vom 22. Juli 2004 (SächsGVBl. S. 397) verwiesen wird, in Form von Verwaltungsvorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes. Wegen ihrer außergewöhnlichen Bedeutung seien zumindest die tragenden Strukturprinzipien zur Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall und bei der Pflegebedürftigkeit vom Gesetzgeber zu treffen. Dazu gehöre auch die Höhe der zumutbaren Eigenvorsorge (BVerwG DÖV 2005, 24 f.)."

Da § 102 SächsBG a. F. den Anforderungen des Art. 75 Abs. 1 SächsVerf wegen mangelnder Bestimmtheit nicht genügt, stellt diese Bestimmung - auch nach Auffassung des sächsischen Gesetzgebers - keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für § 12 SächsBVO dar. Mangels Ermächtigungsgrundlage war § 12 SächsBVO von Beginn an und damit auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, dem Entstehen der Aufwendungen in den Monaten September bis November 2004, nichtig.

c) Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass eine Heilung der nichtigen Bestimmung des § 12 SächsBVO auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob durch die Neufassung des § 102 SächsBG vom 10.4.2007 eine gemäß Art. 75 Abs. 1 SächsVerf hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einführung eines Selbstbehalts geschaffen wurde, wofür vieles spricht. Die bloße Einführung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage führt jedoch nicht dazu, dass die nichtige Bestimmung über den Selbstbehalt nunmehr nachträglich wirksam würde. Die Gültigkeit einer Rechtsverordnung darf nicht von Umständen abhängen, die weder aus ihr selbst noch aus der ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung ersichtlich sind (BGH, Urt. v. 15.2.1979 - III ZR 172/77 -, zit. nach juris). Eine aufgrund einer nicht ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung muss deshalb, um wirksam zu werden, nach dem Inkrafttreten der vervollständigten gesetzlichen Grundlage erneut verkündet werden (Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 80 Rn. 26; Brenner, in: von Mangoldt/Klein, Grundgesetz, 5. Aufl., Art. 80 Rn. 76, 78 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu et al., Grundgesetz, 11 Aufl., Art. 80 Rn. 54 sowie Handbuch der Rechtsförmlichkeit Rn. 784; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 17.12.1953, BVerfGE 3, 255; Urt. v. 26.7.1972, BVerfGE 34, 9).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage einer "Fortgeltung" des § 12 SächsBVO trotz Nichtigkeit für einen Übergangszeitraum vorliegend nicht (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 17.6.2004 a. a. O. für die Beihilfevorschriften des Bundes). Die Bestimmung des § 12 SächsBVO war wie ausgeführt von Beginn an (1.9.2004) nichtig, so dass eine "Fortgeltung" zur Gewährleistung von Rechtssicherheit ausscheidet. Es trifft auch keine Belastung durch einen "regelungslosen" Zustand ein, da nichtig lediglich die Bestimmung über den Selbstbehalt ist, deren Nichtanwendbarkeit keinen Einfluss auf die Ermittlung und Gewährung der Beihilfe im Übrigen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht ist zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 29.9.2008

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80,- € festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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