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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 2 B 776/04
Rechtsgebiete: GG, VwVfG, SächsVerf, SächsFrTrSchulG, SchulG


Vorschriften:

GG Art. 7 Abs. 1
GG Art. 7 Abs. 4
VwVfG § 49 Abs. 2
SächsVerf Art. 103 Abs. 1
SächsFrTrSchulG § 5 Abs. 1 Nr. 1
SächsFrTrSchulG § 5 Abs. 2
SächsFrTrSchulG § 18
SchulG § 58
Das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft enthält keine ausdrückliche Ermächtigung der Schulaufsichtsbehörden zu Eingriffsmaßnahmen gegenüber Trägern von Ersatzschulen im Falle von nach der Erteilung der Ersatzschulgenehmigung eintretenden Veränderungen, die dazu führen, dass die in § 5 SächsFrTrSchulG normierten Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Angesichts dessen fehlt es auch an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung der Schulaufsichtsbehörden zur Befristung bzw. Untersagung des Einsatzes von die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SächsFrTrSchulG nicht erfüllenden Lehrkräften gegenüber dem Schulträger. Eine Ermächtigungsgrundlage zur Untersagung des Einsatzes von Lehrkräften gegenüber dem Schulträger ergibt sich auch nicht aus der Schulaufsicht gemäß § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG i.V.m. § 58 SchulG.

Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Einsatzes von Lehrkräften gegenüber dem Schulträger kommt jedoch § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 VwVfG in Betracht. Die Untersagung stellt sich als die im Vergleich zum Widerruf der Ersatzschulgenehmigung verhältnismäßigere Maßnahme dar.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 2 B 776/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Unterrichtungsuntersagung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Diehl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2006

am 27. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22. Oktober 2003 - 5 K 233/00 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt eine Ersatzschule in freier Trägerschaft. Mit Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) vom 1.8.1995 wurde ihm die Genehmigung erteilt, in Dresden mit Wirkung zum 5.8.1995 die F. , Grundschule, als Ersatzschule zu errichten und zu betreiben. Gemäß Ziff. 6 des Genehmigungsbescheids kann die Genehmigung widerrufen werden, wenn die Schule nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der Bescheid enthält u.a. die als Auflagen bezeichneten Anordnungen: "4.2. Der freie Schulträger wird verpflichtet, genügend qualifizierte Lehrkräfte fachgerecht einzustellen und für diese Unterrichtsgenehmigungen einzuholen. Die Unterrichtsgenehmigungen werden durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus für Lehrkräfte fachgebunden erteilt. Alle Lehrkräfte werden verpflichtet, über den Schulträger folgende Unterlagen an das Sächsische Staatsministerium für Kultus einzureichen ..." sowie "9. Sämtliche Veränderungen der Voraussetzungen, die auf den Bestand der Genehmigung Einfluss nehmen könnten, wie Veränderungen des Lehrkörpers, der Schulleitung und ... sind dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus anzuzeigen."

Am 10.9.1997 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Arbeitsvertrag, gemäß dem die Beigeladene ab dem 15.9.1997 als Lehrerin in die Dienste des Klägers tritt. Die in der Auflage Ziff. 4.2 des Genehmigungsbescheides aufgeführten Personalunterlagen hinsichtlich der Beigeladenen wurden im Jahre 1998 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Anerkennung an das damalige Oberschulamt Dresden übersandt.

Mit Schreiben vom 15.1.1999 leitete das Regionalschulamt Dresden die Unterlagen an das SMK mit einer den Einsatz der Beigeladenen als Lehrerin befürwortenden Stellungnahme weiter. Mit Schreiben an das SMK vom 9.3.1999 teilte es weiter mit, die Beigeladene habe an der Hochschule für Körperkultur in L. den Hochschulabschluss erworben und sei berechtigt die Berufsbezeichnung "Diplomsportlehrer" zu führen. Gemäß ihrer Ausbildung habe sie auch im Grundschulbereich an einer staatlichen Schule gearbeitet. Neben diversen ständigen Fortbildungen habe sie einen 17-tätigen Kurs zur Montessori-Pädagogik, der sich mit Grundlagen auch der Sachkunde, Mathematik und Deutsch beschäftige, belegt. An der Schule des Klägers werde in enger Zusammenarbeit aller vier Pädagogen am Lehrplanziel gearbeitet. Die Beigeladene füge sich mit ihrer Ausbildung als nötige Ergänzung für die allseitige Bildung und Erziehung der Grundschüler in das Pädagogenkollegium der Montessorischule gut ein. Bei mehrfachen Hospitationen sei ein lehrplan- und methodengerechter sowie ein fächerübergreifender, differenzierter Unterricht durch die Beigeladene nachgewiesen worden. Sie arbeite stets grundschulgerecht.

Nach Anhörung des Klägers und der Beigeladenen erließ das SMK gegenüber dem Kläger den angefochtenen Bescheid vom 15.12.1999, gemäß dem die Beigeladene befristet bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 als Lehrkraft an der Schule des Klägers eingesetzt werden kann und der Kläger die auf 50,00 DM festgesetzten Kosten des Verfahrens trägt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anforderungen an die Gleichwertigkeit der Ausbildung gemäß § 5 Abs. 2 SächsFrTrSchulG seien nicht erfüllt. Die Beigeladene verfüge über einen Abschluss als Diplom-Sportlehrerin sowie als Schwimmmeisterin. Weiterhin habe sie ein Zertifikat über die Teilnahme an einem workshop "spontanes und aktives Lernen auf der Basis der Montessori-Pädagogik" vorgelegt. Auf der Grundlage der vorgelegten Zeugnisse wäre ein Einsatz als Lehrkraft im Fach Sport möglich. Für den Einsatz als Grundschullehrerin weise die Beigeladene keine gleichwertige Ausbildung nach. Der Einsatz der Beigeladenen über den Befristungszeitraum hinaus sei nur im Fach Sport sowie bei Teilnahme an einer entsprechenden berufsbegleitenden Weiterbildung an der Mittelschule möglich.

Zur Begründung der am 21.1.2000 erhobenen Klage, mit dem die Aufhebung des Bescheids vom 15.12.1999 begehrt wird, hat der Kläger geltend gemacht, eine Unterrichtsgenehmigung für die Beigeladene nicht beantragt zu haben, weshalb ihm der Beklagte auch keine Kosten auferlegen könne. Der Bescheid sei formell unwirksam, weil keine Eingriffsnorm erkennbar sei. Die Untersagung der Lehrtätigkeit gemäß § 7 SächsFrTrSchulG sei an den Lehrer und nicht an den Schulträger zu richten. Eine Verpflichtung des Schulträgers, den Einsatz seiner Lehrkräfte einzeln genehmigen zu lassen, ergebe sich weder aus § 5 SächsFrTrSchulG noch aus dem Genehmigungsbescheid vom 1.8.1995. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die Vorschriften über die Unterrichtsgenehmigung erlassen hätten, habe sich der Gesetzgeber in Sachsen entschieden, lediglich die Aufnahme des Schulbetriebs und wesentliche Änderungen im Schulbetrieb über ein Genehmigungsverfahren zu kontrollieren. Für die Befristung eines Unterrichtseinsatzes oder andere Einschränkungen bestehe keine gesetzliche Grundlage. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, weil die Ausbildung der Beigeladenen gleichwertig mit der Ausbildung von Lehrkräften an öffentlichen Grundschulen sei. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen des Regionalschulamts und der Fachabteilung. Der Kläger sei im Übrigen durch den Bescheid nur insoweit belastet, als ihm Gebühren auferlegt wurden. Materiell ändere der Bescheid nichts daran, dass der Kläger die erforderliche Genehmigung für den Schulbetrieb besitze und eine Genehmigung für den Einsatz einzelner Lehrkräfte nicht benötige. Regelungen für die Zeit nach dem 31.7.2000 enthalte der Bescheid nicht, er schränke daher auch die Rechte des Klägers nicht ein. Die Beigeladene hat u.a. geltend gemacht, sie sei bis 1992 als Sportlehrerin an der N1 Oberschule (Mittelschule) tätig gewesen. Anschließend habe sie bis 1995 als Schwimm- und Sportlehrerin an der N2 Oberschule (Grundschule) gearbeitet. Dort habe sie über ca. zwei Jahre kranke Lehrerkollegen in den Fächern Mathematik, Deutsch und Schulgarten vertreten.

Der Beklagte machte zur Begründung seines Klageabweisungsantrags geltend, die Klage sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Mit einer erfolgreichen Anfechtung des Genehmigungsbescheides vom 15.12.1999 würde die der Beigeladenen befristet erteilte Unterrichtsgenehmigung entfallen. Diese habe dann mangels einer ihr erteilten Unterrichtsgenehmigung keine Berechtigung mehr, für den Kläger Unterricht zu erteilen. Insgesamt würde sich die Rechtsstellung des Klägers dadurch weder verbessern noch verschlechtern. Die Klage sei auch unbegründet, weil die Ausbildung der Beigeladenen nicht den Anforderungen einer Grundschullehrerausbildung entspreche. Die Ausbildungsgänge des Lehrers für untere Klassen bzw. des Grundschullehrers unterschieden sich zu der Ausbildung des Diplomsportlehrers von den Inhalten her so erheblich, dass eine Gleichwertigkeit nicht gegeben sei. Von der pädagogischen Hochschulausbildung der Beigeladenen im Fach Sport sei die Spezifik des Anfangsunterrichts an Grundschulen nicht erfasst. Der Abschluss Diplomlehrerin für Sport berechtige zum allgemein bildenden Unterricht in den Klassenstufen 5 bis 12. Das SächsFrTrSchulG enthalte keine Vorschrift, die es ermögliche, formelle Qualifikationen durch pädagogische Erfahrung zu ersetzen. Auch durch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen habe die Beigeladene die fachlichen Anforderungen für einen Unterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik an der Grundschule nicht nachträglich erworben.

Mit Urteil vom 22.10.2003 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des SMK vom 15.12.1999 auf. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei klagebefugt, da durch die Regelungen des angefochtenen Bescheides möglicherweise in dessen schutzwürdige Belange eingegriffen werde. Dem Kläger werde nicht nur die Zahlung einer Verwaltungsgebühr auferlegt, sondern mittelbar auch vorgeschrieben, dass er die Beigeladene über den im Bescheid genannten Zeitpunkt hinaus nicht mehr beschäftigen dürfe. Würde der angefochtene Bescheid unanfechtbar, wäre der Kläger der Gefahr des Widerrufs der erteilten Genehmigung zum Betrieb der Schule ausgesetzt, wenn er die Beigeladene dennoch weiter beschäftigt. Die Klage sei auch begründet. Weder § 5 SächsFrTrSchulG noch sonstigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen lasse sich entnehmen, dass der Einsatz einzelner Lehrer an einer Ersatzschule einer vom Beklagten zu erteilenden Unterrichtsgenehmigung bedürfe. Deshalb sei auch ein aufgrund behördlicher Anordnung befristeter Einsatz solcher Lehrer nicht möglich. Das Erfordernis einer Unterrichtsgenehmigung lasse sich nicht aus der Charakterisierung des Genehmigungsbescheides vom 1.8.1995 als Dauerverwaltungsakt herleiten. Lägen die Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr vor, könne die Genehmigung allerdings nur insgesamt widerrufen werden. Aus der Charakterisierung des Genehmigungsbescheides als Dauerverwaltungsakt lasse sich jedenfalls nicht die Berechtigung des Beklagten herleiten, für einzelne Lehrer die Vorlage von Unterrichtsgenehmigungen zu verlangen oder ihre Tätigkeit zu befristen. Die Berechtigung hierzu lasse sich auch nicht mit dem Argument herleiten, das Erfordernis der Vorlage von Unterrichtsgenehmigungen sei ein gegenüber dem Widerruf der Schulgenehmigung milderes Mittel. Dies möge zwar zutreffen, ändere aber nichts daran, dass es an einer landesrechtlichen Regelung zu Einforderung von Unterrichtsgenehmigungen fehle. Die Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen der Schulaufsicht die kontinuierliche Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen zu überwachen, dürfe gemäß § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG i.V.m. § 59 Abs. 3 SchulG nur innerhalb des durch Art. 7 GG und dem Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft gezogenen Rahmens geschehen. Die Berechtigung, die Vorlage von Unterrichtsgenehmigungen zu verlangen, lasse sich auch nicht aus § 7 SächsFrTrSchulG herleiten. Schließlich könne das Erfordernis einer Unterrichtsgenehmigung auch nicht auf die als Auflage bezeichnete Regelung im Genehmigungsbescheid vom 1.8.1995 gestützt werden, da einem Verwaltungsakt wegen des Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes nicht die Qualität einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zukomme. Der angefochtene Bescheid wäre zudem auch dann rechtswidrig, wenn die Regelung des Genehmigungsbescheides eine hinreichende Grundlage für die Verpflichtung, eine Unterrichtsgenehmigung einzuholen, darstellen sollte. Ausweislich der Feststellungen des Regionalschulamtes Dresden im Schreiben vom 9.3.1999 bestünden keine Bedenken gegen die fachliche Eignung der Beigeladenen. Von Bedeutung sei insbesondere, dass die Beigeladene gemäß ihren Angaben an staatlichen Schulen nicht nur Sportunterricht erteilt, sondern auch erkrankte Lehrer über längere Zeit im Unterricht u.a. in den Fächern Mathematik und Deutsch im Grundschulbereich vertreten habe.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 7.9.2004 - 2 B 34/04 - die Berufung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, es sei mit § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG i.V.m. § 58 Abs. 2, 3 SchulG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dafür vorhanden, Lehrkräften an Ersatzschulen die Unterrichtung zu untersagen oder ihre Tätigkeit zu befristen. Grundsätzlich lege zwar Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG das Grundrecht der Freiheit der Privatschulen und damit das Recht auf freie Lehrerauswahl fest. Das Privatschulwesen sei allerdings auch ein Teil des in Art. 7 Abs. 1 GG angesprochenen gesamten Schulwesens und unterstehe mithin der Aufsicht des Staates. Es unterliege der dem Staat zustehenden Gestaltungsbefugnis, deren Rahmen wiederum Art. 7 Abs. 4 und 5 GG bildeten. Das Recht auf freie Lehrerauswahl gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG habe dort seine Grenzen, wo durch die Verwendung ungeeigneter Lehrkräfte das Leistungsniveau der Ersatzschule in dem Bereich, in dem sie ihre Ersatzfunktion wahrnimmt, unter das Niveau öffentlicher Schulen gleichen Typs sinken würde. Die Schulaufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft gemäß § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG richte sich nach §§ 58 und 59 SchulG insgesamt. Der Beklagte sei mithin zu schulaufsichtlichen Maßnahmen im Rahmen von Art. 7 Abs. 4 GG auch gemäß § 58 Abs. 2 SchulG berechtigt. Zur Schulaufsicht zähle auch, Lehrkräften an Ersatzschulen, die die an sie gestellten Anforderungen für eine Unterrichtung nicht erfüllen, die Unterrichtung zu untersagen oder ihre Tätigkeit zu befristen. Damit solle das Ausbildungsniveau an Ersatzschulen gegenüber entsprechenden öffentlichen Schulen sichergestellt werden. Gemäß Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 GG gehöre es zur Schulaufsichtspflicht des Beklagten, die kontinuierliche Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 5 SächsFrTrSchulG zu überwachen. Diese Vorschrift sei nicht nur im Zeitpunkt der Genehmigung einer Ersatzschule zu prüfen, da sich die staatliche Schulaufsicht sonst ausschließlich auf das Genehmigungsverfahren reduziere. Ohne eine Schulaufsicht hinsichtlich der neu einzusetzenden Lehrer würde der Normzweck des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, dass der Unterricht an Ersatzschulen dem Gleichwertigkeitspostulat genügen müsse, nicht mehr erfüllt. Die Ausübung der staatlichen Schulaufsichtspflicht wäre dem Beklagten abgeschnitten, wenn er keine Unterrichtsgenehmigungen mehr erteilen könnte. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass alle genehmigten Ersatzschulen im Freistaat künftig Entscheidungen hinsichtlich ihrer Lehrkräfte gänzlich eigenständig und völlig losgelöst von der Schulaufsicht des Beklagten treffen könnten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22. Oktober 2003 - 5 K 233/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei sachlich und rechtlich zutreffend. Richtig an der Argumentation des Beklagten sei lediglich, dass die Überprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 5 SächsFrTrSchulG eine Daueraufgabe sei, weil es sich bei der Schulgenehmigung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele. Dieser könne mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die vom Beklagten angegebenen Vorschriften (§ 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG, § 58 Abs. 2 und 3 SchulG und Art. 7 Abs. 1 GG) enthielten keine Hinweise darauf, dass dem Schulträger der Einsatz von Lehrkräften für bestimmte Unterrichtsfächer erlaubt oder untersagt werden könne. Aus § 7 SächsFrTrSchulG lasse sich im Gegenteil ableiten, dass der Gesetzgeber die Untersagung des Unterrichts nur gegenüber der Lehrkraft habe zulassen wollen, wenn entsprechende Gründe vorliegen. Vorschriften anderer Bundesländer, die ausdrücklich die Erteilung von Unterrichtsgenehmigungen regeln, seien dem Gesetzgeber in Sachsen schon 1992 bekannt gewesen, spätestens aber bei den darauffolgenden Überarbeitungen der sächsischen Gesetze. Die entsprechenden Regelungen hätten leicht übernommen werden können, der Gesetzgeber habe sich aber dagegen entschieden. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass die Schulaufsichtspflicht der Behörden nur erfüllt werden könne, wenn es die Möglichkeit zur Erteilung und Verweigerung von Unterrichtsgenehmigungen gibt. In Hamburg würden seit jeher keine Unterrichtsgenehmigungen erteilt, ohne dass die Kontrolldichte darunter gelitten hätte. In Niedersachsen sei die Erteilung von Unterrichtsgenehmigungen vor kurzem abgeschafft worden, ohne dass die Aufsichtsbehörden bislang über fehlende Kontrollmöglichkeiten geklagt hätten.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Dem Senat liegen die Behördenakten des Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Dresden im Verfahren 5 K 233/00 vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten im Berufungs- und im Zulassungsverfahren wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus vom 15.12.1999 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Denn dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig. Dem Kläger fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Anfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid, gemäß dem die Beigeladene befristet bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 als Lehrkraft an der Grundschule des Klägers eingesetzt werden kann, vorgeschrieben wird, dass er die Beigeladene über den im Bescheid genannten Zeitpunkt hinaus nicht mehr beschäftigen darf. Insofern handelt es sich um einen Eingriffsverwaltungsakt. An der Aufhebung des so verstandenen Bescheides hat der Kläger auch ein Rechtsschutzinteresse, da die Aufhebung seine Rechtsstellung verbessert. Würde der Bescheid bestandskräftig, könnte die verfügte Verpflichtung des Klägers, die Beigeladene nicht mehr als Lehrkraft an seiner Grundschule einzusetzen, im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchgesetzt werden. Ob der Kläger die Beigeladene nur im Falle einer vom Beklagten zu erteilenden Unterrichtungsgenehmigung als Lehrerin einsetzen darf, ist insoweit unerheblich.

2. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

a) Das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft enthält keine ausdrückliche Ermächtigung der Schulaufsichtsbehörden zu Eingriffsmaßnahmen gegenüber Trägern von Ersatzschulen im Falle von nach der Erteilung der Ersatzschulgenehmigung eintretenden Veränderungen, die dazu führen, dass die in § 5 SächsFrTrSchulG normierten Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Angesichts dessen fehlt es auch an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung der Schulaufsichtsbehörden zur Befristung bzw. Untersagung des Einsatzes von die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SächsFrTrSchulG nicht erfüllenden Lehrkräften gegenüber dem Schulträger.

Eine Ermächtigungsgrundlage zur Untersagung des Einsatzes von Lehrkräften gegenüber dem Schulträger ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der Schulaufsicht gemäß § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG i.V.m. § 58 SchulG. Angesichts der vorliegenden Anfechtungssituation verweist § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG auf die im Jahre 1999 geltende Fassung des § 58 SchulG, also die Fassung vor der Änderung durch Art. 1 Nr. 54 Buchst. c) des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des besseren Schulkonzepts vom 19.2.2004 (SächsGVBl. S. 52). Nach § 58 Abs. 3 SchulG a.F. wird der Umfang der Schulaufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft nach Art. 7 GG und nach dem Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft bestimmt. Das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft enthält aber gerade keine Ermächtigungsgrundlage für eine Unterrichtungsuntersagung gegenüber dem Schulträger. Auch unter Berücksichtigung der Verweisung auf Art. 7 GG ergibt sich keine Ermächtigungsgrundlage. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG normiert die Gleichwertigkeit der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte lediglich als Genehmigungsvoraussetzung, nicht als Eingriffsgrundlage für spätere Änderungen. Auch Art. 7 Abs. 1 GG, wonach das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht, macht eine konkrete Eingriffsgrundlage für Eingriffe in die durch Art. 7 Abs. 4 GG grundrechtlich geschützte Privatschulfreiheit nicht entbehrlich. Die Schulaufsicht ist im Bereich der Privatschulfreiheit zwar zu allen Maßnahmen befugt, die geeignet, erforderlich und im Einzelfall verhältnismäßig sind, um beim Betrieb der Ersatzschule die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen zu gewährleisten (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 7 RdNr. 30). Die Konkretisierung der Aufsichtsbefugnisse obliegt aber dem Landesgesetzgeber (vgl. zum Vorbehalt des Gesetzes im Schulverhältnis Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG, 4. Aufl., Art. 7 RdNr. 9). Dem Landesgesetzgeber bleibt bei der Gestaltung des Rechts der Ersatzschulen ein nicht unbeträchtlicher Spielraum. Er hat u.a. festzulegen, was zu gelten hat, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen später wegfallen (vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 7 RdNr. 79). Eine Ermächtigungsgrundlage ergibt sich auch nicht daraus, dass § 18 Abs. 1 SächsFrTrSchulG pauschal auf die §§ 58 und 59 und nicht nur auf § 58 Abs. 3 SchulG a.F. verweist. Im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Privatschulfreiheit kommt den Schulaufsichtsbehörden lediglich eine Rechtsaufsicht zu (vgl. Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Aufl. S. 222 sowie Trute, in: Degenhart/Meissner, Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, § 8 RdNr. 57 f.). Konkrete rechtsaufsichtliche Eingriffsbefugnisse gegenüber den Trägern von Ersatzschulen werden in § 58 Abs. 1 und 2 SchulG, der die Fachaufsicht über die öffentlichen Schulen regelt, nicht normiert.

b) Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Einsatzes der Beigeladenen kommt jedoch § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG in Betracht. Die Untersagung des Einsatzes der Beigeladenen stellt sich als die im Vergleich zum Widerruf der Ersatzschulgenehmigung verhältnismäßigere Maßnahme dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.11.1969 - VII CB 63.68 -, DÖV 1970, 566), weshalb auch sie auf § 49 Abs. 2 VwVfG gestützt werden kann.

Der bestandskräftige Genehmigungsbescheid vom 1.8.1995 enthält einen Widerrufsvorbehalt, wonach die Genehmigung widerrufen werden kann, wenn die Schule nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der Widerrufsvorbehalt ist auch wirksam. Zwar spricht Überwiegendes dafür, dass dieser rechtswidrig ist. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG kommt als Ermächtigungsgrundlage für den Widerrufsvorbehalt nicht in Betracht, da es sich bei der Ersatzschulgenehmigung um eine gebundene Entscheidung handelt. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden, dürften nicht vorliegen, da der Widerrufsvorbehalt nicht der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen dient, sondern die Aufhebung der Genehmigung im Falle der Nichterfüllung ermöglicht. Der Widerrufsvorbehalt ist aber nicht gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, da ein etwaiger Fehler jedenfalls nicht besonders schwerwiegend und auch nicht offensichtlich ist.

Im Hinblick darauf, dass der Widerrufsvorbehalt das Nichtvorliegen der gesetzlichen Anforderungen erfordert, kann nicht an die gemäß der Auflage Ziff. 4.2 des Genehmigungsbescheides erforderliche und nicht vorhandene Unterrichtsgenehmigung angeknüpft werden. Die Schule des Klägers entspricht nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen, wenn die in § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SächsFrTrSchulG normierten Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr eingehalten werden. Ob dies zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses im Jahre 1999 der Fall war, die wissenschaftliche Ausbildung der Beigeladenen also hinter derjenigen der Lehrer an öffentlichen Schulen zurückstand, kann hier jedoch dahinstehen, da der Widerruf gemäß § 49 Abs. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde steht und diese das ihr zukommende Ermessen nicht ausgeübt hat. Der Beklagte hat nicht erkannt, dass die Entscheidung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht, weil im Bescheid nicht von § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG oder einer anderen ein Ermessen eröffnenden Norm als Ermächtigungsgrundlage ausgegangen wird. Es liegt deshalb ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensausfalls vor. Das Ermessen der Behörde war auch nicht gemäß Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 SächsVerf auf null reduziert. Wie oben bereits ausgeführt, bleibt dem Landesgesetzgeber bei der Gestaltung des Rechts der Ersatzschulen ein nicht unbeträchtlicher Spielraum. Er hat u.a. festzulegen, was zu gelten hat, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen später wegfallen. Es ist also von Verfassungs wegen im Falle des späteren Wegfalls der Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur eine Handlungsalternative möglich. Angesichts dessen ist auch das in § 49 Abs. 1 VwVfG eröffnete Ermessen nicht im Sinne einer Eingriffspflicht auf null reduziert.

c) Schließlich enthält der Genehmigungsbescheid vom 1.8.1995 keine Befugnis des Beklagten zur Untersagung des Unterrichtseinsatzes eines Lehrers im Falle des Nichtvorliegens einer Unterrichtsgenehmigung.

Gemäß der Auflage Ziff. 4.2 des Genehmigungsbescheides ist der Kläger verpflichtet, für neu einzustellende Lehrkräfte Unterrichtsgenehmigungen einzuholen, die durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus fachgebunden erteilt werden. Auch diese Nebenbestimmung ist wirksam. Es kann hier dahinstehen, ob § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Auflage darstellt. Mangels besonderer Schwere und Offensichtlichkeit eines etwaigen Fehlers ist die Auflage jedenfalls nicht gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig. Die Nichterfüllung der Auflage zur Einholung einer Unterrichtsgenehmigung und die fehlende Unterrichtsgenehmigung haben jedoch nicht zur Rechtsfolge, dass dem Kläger der Einsatz der entsprechenden Lehrkraft untersagt werden darf. Rechtsfolge der Nichteinhaltung einer Auflage, also einer Nebenbestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun - so hier -, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), ist die selbständige Erzwingbarkeit (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 36 RdNr. 29). Es kann also die Verpflichtung zur Einholung der Unterrichtsgenehmigung erzwungen werden. Weitere Rechtsfolgen ergeben sich hieraus jedoch nicht. 3. Die Berufung war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da sich die Beigeladene nicht durch eigene Antragstellung dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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