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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 2 B 97/05
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17 a
ZPO § 606
ZPO § 621
1. Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, verweist das angerufene Gericht die Klage gemäß § 17 a Abs. 2 und 4 GVG durch Beschluss an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Es prüft nicht, ob die Klage wegen der Anrufung des unzuständigen Gerichts rechtsmissbräuchlich ist.

2. Hat das Gericht die Klage gleichwohl durch Urteil als unzulässig abgewiesen, kann der Kläger nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung hierwegen wahlweise die Beschwerde einlegen oder einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Wählt er letzteres, entscheidet das Berufungsgericht durch Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtsweges. § 17 a Abs. 5 GVG steht dem nicht entgegen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

2 B 97/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ehescheidung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Ackermand am 15. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10.11.2004 - 12 K 2460/04 - wird geändert.

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Dippoldiswalde verwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Verweisung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat am 7.10.2004 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und die Scheidung ihrer mit dem Beklagten am 13.2.1995 geschlossenen Ehe sowie die Feststellung, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, beantragt. Auf einen richterlichen Hinweis hat die Klägerin beantragt, die Sache wegen der Unzulässigkeit des gewählten Rechtswegs an das Amtsgericht - Familiengericht - Dippoldiswalde zu verweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die durch eine Fachanwältin für Familienrecht erhobene Klage sei unzulässig, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich zum Verwaltungsgericht erhoben worden sei. Einer Verweisung bedürfe es ausnahmsweise nicht, weil das Verweisungsverfahren in rechtsmissbräuchlicher Weise zur bewussten Umgehung der sich z. B. aus § 1587 a Abs. 2 BGB ergebenden Regeln des Familienrechts benutzt und dadurch die gesetzgeberische Absicht, dem rechtssuchenden Bürger mit den durch §§ 17 ff. GVG geschaffenen Möglichkeiten den Zugang zu verschiedenen Gerichtsbarkeiten zu erleichtern, konterkariert werde.

Gegen das ihr am 7.12.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, den sie im Wesentlichen mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils begründet. Die Abweisung der Klage als unzulässig sei fehlerhaft. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht die Unzulässigkeit des Rechtswegs feststellen und an das sachlich zuständige Familiengericht verweisen müssen. Im Berufungsverfahren werde sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an das zuständige Familiengericht zu verweisen.

II.

Das Begehren der Klägerin hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, hat das angerufene Verwaltungsgericht dies nach Maßgabe des § 17 a Abs. 2 GVG durch Beschluss auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Gegen diesen Beschluss ist als statthafter Rechtsbehelf die Beschwerde vorgesehen (§ 17 a Abs. 4 GVG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 5.2.2001, NJW 2001, 1513; Beschl. v. 22.2.1998, Buchholz 300 § 17 a GVG Nr. 14), der sich der Senat anschließt, steht dem angerufenen Gericht in diesem Fall grundsätzlich nicht die Befugnis zu, über die Zulässigkeit der Klage im Übrigen zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn die Klage wegen der Anrufung des unzuständigen Gerichts möglicherweise rechtsmissbräuchlich ist. Einen solchen Rechtsmissbrauch festzustellen und ggf. zu sanktionieren ist Aufgabe des gesetzlichen Richters. Dessen Erkenntnisse können nicht durch das Verwaltungsgericht durch Abweisung der Klage als unzulässig gleichsam vorweggenommen werden.

Obwohl das Verwaltungsgericht die Klage danach sowohl in der Form als auch nach dem Inhalt verfahrensfehlerhaft entschieden hat, hat die Klägerin nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 5.9.1991, BVerwGE 89, 27 ff. m. w. Nw.) statthaft und zulässig das sich aus der Form der anzufechtenden Entscheidung ergebende Rechtsmittel eingelegt. Aus prozessökonomischen Gründen sowie Gründen der Verfahrensbeschleunigung kommen die Zulassung der Berufung und die anschließende Durchführung eines Berufungsverfahrens gleichwohl nicht in Betracht.

Der Grundsatz der Meistbegünstigung, der allein den Zweck hat, den Beteiligten die Anfechtung mit dem durch die unrichtige Form der Entscheidung vorgezeichneten Rechtsmittel zu ermöglichen, gebietet dem Rechtsmittelgericht nicht, auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weiterzugehen. Es darf das Verfahren vielmehr in die Bahn lenken, in die es bei richtiger Entscheidung der Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel gelangt wäre (BAG, Urt. v. 26.3.1992, NZA 1992, 954 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 5.2.1993, NVwZ-RR 1993, 668 f.). Das Rechtsmittel richtet sich demgemäß inhaltlich nach dem materiellen Gehalt der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.1965, MDR 1966, 232; Beschl.v. 10.4.1978, NJW 1979, 43 ff.; BAG, Urt. v. 26.3.1992, a.a.O.; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 5.2.1993, a.a.O.). Deshalb hat der Senat - wie in einem Vorabentscheidungsverfahren nach § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG im Rahmen einer Beschwerde - über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Dass hierbei gegebenenfalls durch Beschluss ein vorinstanzliches Urteil abgeändert werden muss, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG, Urt. v. 26.3.1992, a.a.O., m. w. N.).

Auch § 17 a Abs. 5 GVG hindert den Senat nicht an einer eigenen Prüfung des Rechtswegs, denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Beschl. v. 22.11.1997, DVBl. 1998, 603 m. w. Nw.) und des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Urt. v. 18.11.1998, NJW 1999, 651 f. m. w. Nw.), der der Senat folgt, setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass das Gericht der Vorinstanz das in § 17 a Abs. 2 und 3 GVG vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat. Anderenfalls würde die in § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG vorgesehene Möglichkeit, die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs im Beschwerderechtszug zu prüfen, durch einen Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts abgeschnitten.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe muss der Senat durch Beschluss die Unzulässigkeit des Rechtswegs feststellen, da für Verfahren auf Scheidung einer Ehe gemäß § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO und in Familiensachen, die den Versorgungsausgleich betreffen, gemäß § 621 Nr. 6 ZPO ausschließlich das Familiengericht zuständig ist. Gleichzeitig ist der Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 2 GVG an das gemäß § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO örtlich zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Dippoldiswalde zu verweisen.

Eine Entscheidung über die Kosten ist nicht zu treffen. Gemäß § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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