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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 2 BS 91/04
Rechtsgebiete: VwGO, SächsPersVG, SächsDO, SächsBG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3 Satz 1
SächsPersVG § 81 Abs 1 Nr 11
SächsDO § 4 Abs. 1
SächsDO § 27 Abs. 1
SächsDO § 116 Abs. 2
SächsBG § 8 Abs. 2
SächsBG § 42 Nr. 1
SächsBG § 72 Abs. 1 Satz 2
SächsBG § 96
Der wiederholte außerdienstliche Cannabiskonsum eines Polizeivollzugsbeamten auf Probe stellt ein schweres Dienstvergehen dar, das geeignet ist, die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis zu rechtfertigen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 BS 91/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe (LB); Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Enders

am 7. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. Januar 2004 - 6 K 1356/03 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6303,67 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aus den von dem Antragsgegner dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, als unrichtig.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 26.8.2002 entspricht den Erfordernissen an eine Begründung des § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschl. v. 14.8.2000 - 2 BS 221/00 - und Beschl. v. 19.8.2003 - 2 BS 250/03 -) genügt es der formellen Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wenn in dem angegriffenen Bescheid ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung aufgezeigt und der Antragsteller dadurch in die Lage versetzt wird, durch Kenntnis der für die Vollziehungsanordnung maßgeblichen Gründe seine Rechte zu wahren. Hierbei bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2002 - 1 DB 2.02 - und Beschl. v. 18.9.2001 - 1 DB 26.01 -, jeweils zitiert nach Juris). Ob diese Begründung sachlich zutreffend und inhaltlich tragfähig ist, kann dabei dahinstehen. Denn das Verwaltungsgericht hat in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unabhängig von der behördlichen Begründung selbst zu prüfen und zu entscheiden, ob die im öffentlichen Interesse getroffene Vollzugsanordnung gerechtfertigt ist.

Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs vom 26.8.2003. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowohl darauf gestützt, dass dem Antragsteller nach dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens ein Dienstvergehen zur Last zu legen ist, das nach dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens regelmäßig die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gemäß § 42 Nr. 1 SächsBG nach sich zieht. Er hat weiter ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der einschlägigen Disziplinarrechtsprechung bei einem Beamten auf Lebenszeit unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts auf Entfernung aus dem Dienst zu erkennen sei und hat die disziplinarrechtliche Einordnung des Dienstvergehens dargestellt. Was für den Beamten gelte, müsse erst recht für einen Beamten auf Probe gelten. Nachdem der Antragsteller vorliegend mehrfach verbotene Cannabisprodukte konsumiert habe und dies vor dem Hintergrund entsprechender Untersuchungsergebnisse auch eingeräumt habe, sei das Vertrauen des Dienstherrn in die ordnungsgemäße Diensterfüllung des Beamten entweder restlos zerstört oder zumindest im erheblichen Maße beeinträchtigt.

Soweit der Antragsgegner zugleich die sofortige Einstellung der Zahlung der Dienstbezüge des Antragstellers verfügt hat und dies darauf gestützt hat, dass der Antragsteller bei Fortzahlung der Bezüge nicht in der Lage sein wird, diese zurückzuzahlen, weil diese seine Haupteinnahmequelle darstellen, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Fiskalische Gründe, die im Ergebnis dazu führen, dass der Antragsteller während der Verfolgung seines Interesses im Hauptsacheverfahren in seinem Lebensstandard absinkt, weil er möglicherweise auf Unterstützung durch Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe angewiesen wäre, kommen als Ausfluss des Fürsorgegedankens auch bei einem Beamten auf Probe dann nicht in Betracht, wenn sich die Klage nicht schon von vornherein als offensichtlich unbegründet erweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.3.1964 - II C 101/63 - und vom 23.1.1970 - II C 42/69 -). Wenn sich aber - wie nachstehend auszuführen sein wird - nach summarischer Prüfung die Entlassungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig erweist, kann der Dienstherr die Anordnung des Sofortvollzugs auch auf fiskalische Erwägungen stützen.

2. Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gerichtete Antrag des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet, da sich die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 19.8.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2003 gemäß der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

a) Die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide scheitert nicht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, daran, dass die nach § 81 Abs. 1 Nr. 11 SächsPersVG vorgesehene Beteiligung der Personalvertretung nicht bereits vor der Entlassungsverfügung sondern danach, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheides stattgefunden hat. Der 2. Senat hat hierzu mit Urteil vom 26.11.2003 - 2 B 465/03 - ausgeführt:

"Ausnahmsweise kann das Beteiligungsverfahren noch nach Erlass der dem Beteiligungsrecht unterworfenen Maßnahme durchgeführt werden, wenn auch in dem späteren Stadium noch eine echte Einwirkungsmöglichkeit der Personalvertretung gewährt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.1985 - 2 C 23.83, ZBR 1985, 347). Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ist die Willensbildung des Dienstherrn in der Regel noch nicht endgültig abgeschlossen, so dass die Personalvertretung noch ihre Einwände geltend machen kann und auf die abschließende Entscheidung des Dienstherrn Einfluss nehmen kann."

So liegt es hier. In zutreffender Weise hat das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass Anhaltspunkte dafür, dass die Willensbildung der Entlassungsbehörde vor Erlass des Widerspruchsbescheids bereits abgeschlossen gewesen war, nicht ersichtlich sind. Vorliegend kam hinzu, dass der Antragsteller am 21.8.2002 das 27. Lebensjahr vollendet hat und damit eine wesentliche Voraussetzung für seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SächsBG erfüllte. Soweit der Antragsgegner ansonsten von einer Bewährung des Antragstellers in der Probezeit ausgegangen ist, wäre bei einem weiteren Zuwarten die Situation entstanden, dass der Antragsteller nach § 8 Abs. 2 SächsBG einen Umwandlungsanspruch seines Beamtenverhältnisses auf Probe in ein solches auf Lebenszeit hätte geltend machen können. Das hätte zu dem sinnwidrigen Ergebnis geführt, dass der Beamte, da ein förmliches Disziplinarverfahren mit der Entfernung aus dem Dienst nicht möglich ist, zunächst in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit hätte berufen werden müssen, um ihn dann im Wege des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernen zu können (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 23.3.2004 - 2 BS 350/03 -, m.w.N.). Dass der Antragsgegner im Hinblick auf diese Situation nicht weiter zugewartet hat, rechtfertigt die spätere Beteiligung der Personalvertretung.

b) Die angefochtenen Bescheide halten, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, auch materiell einer Überprüfung stand.

Nach § 42 Nr. 1 SächsBG kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er eine Handlung begeht, die bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden kann.

Entlassungsgrund ist ein Dienstvergehen i.S.d. § 96 SächsBG, begangen durch den Beamten auf Probe, das so schwer wiegt, dass gegen einen Beamten auf Lebenszeit eine nur im förmlichen Disziplinarverfahren zulässige Disziplinarmaßnahme zu verhängen wäre. Nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 SächsDO können gegen Beamte auf Lebenszeit im Freistaat Sachsen lediglich die Disziplinarmaßnahmen "Versetzung in ein anderes Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt und Entfernung aus dem Dienst" im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden. § 4 SächsDO sieht abweichend von der bis zum In-Kraft-Treten der Sächsischen Disziplinarordnung am 28.2.1994 übergangsweise geltenden Regelung der Bundesdisziplinarordnung und in Abweichung zu den Disziplinarregelungen anderer Länder die Gehaltskürzung als Disziplinarmaßnahme nicht mehr vor. Durch den Wegfall der Gehaltskürzung als eine dem förmlichen Disziplinarverfahren vorbehaltene Disziplinarmaßnahme wird die rechtliche Tragweite des Entlassungstatbestands des § 42 Nr. 1 SächsBG erheblich reduziert. Da den förmlichen Disziplinarverfahren gegen aktive Beamte nur die schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen mit statusrechtlicher Wirkung vorbehalten sind, kommt auch eine Entlassung nach § 42 Nr. 1 SächsBG nur bei schwerwiegenden Dienstvergehen in Betracht. Im Freistaat Sachsen bestehen daher für die Entlassung eines Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens höhere Anforderungen als beim Bund und in den anderen Ländern (vgl. Woydera/Summer/Zängl, SächsBG, § 42 Nr. 7e). Da wegen des in der Probezeit begangenen Dienstvergehens kein förmliches Disziplinarverfahren stattfinden kann, ist im Rahmen des beamtenrechtlichen Entlassungsverfahrens eine hypothetische Feststellung zu treffen, welche Disziplinarmaßnahme zu verhängen wäre, wenn sich der Beamte bereits im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit befinden würde. Die hypothetische Feststellung ist darauf gerichtet, wie das zuständige Verwaltungsgericht in einem förmlichen Disziplinarverfahren entschieden hätte, nicht darauf, wie die Entlassungsbehörde oder das die Entlassungsverfügung überprüfende Verwaltungsgericht entscheiden würde. Es muss mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass in einem förmlichen Disziplinarverfahren eine derartige Maßnahme verhängt werden würde (vgl. Woydera/Summer/Zängl, a.a.O., m.w.N.).

Nach Sinn und Zweck der hypothetischen Maßnahmefeststellung reicht es aus, dass das Dienstvergehen - bei Vorliegen der statusmäßigen Voraussetzung - zur Degradierung geführt hätte. Der Entlassung nach § 42 Nr. 1 SächsBG steht nicht entgegen, dass bei Beamten auf Probe eine Degradierung regelmäßig schon daran scheitern würde, dass sich der Beamte noch in einer dem Eingangsamt entsprechenden Besoldungsgruppe befindet. Anknüpfungspunkt für die Entlassung ist die Schwere des Dienstvergehens, nicht die von weiteren Anforderungen abhängige disziplinarrechtliche Reaktion (vgl. Woydera/Summer/Zängl, SächsBG, § 42 Nr. 7e)). Das bedeutet, dass für die Ermittlung der hypothetischen disziplinarrechtlichen Maßnahme zunächst eine abstrakte Betrachtungsweise anzustellen ist. Vorliegen muss ein Dienstvergehen, das eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte. Das bedeutet nicht, dass die vollständige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegeben sein muss. Auch eine mindere Maßnahme, etwa eine Degradierung reicht aus, um im Ergebnis die Entlassung des Beamten auf Probe zu rechtfertigen.

Ausgehend von diesem Maßstab sind die Erwägungen des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat in seiner Entlassungsverfügung vom 19.8.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2003 alle Überlegungen eingestellt, die in diesem Zusammenhang erforderlich sind. Er hat zunächst darauf abgestellt, dass der Beamte gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SächsBG zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verpflichtet ist. Dies umfasse insbesondere Integrität und Ansehen des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit, die nicht beeinträchtigt werden dürfen. Der Konsum von verbotenen Betäubungsmitteln gerade als Polizeivollzugsbeamter sei geeignet, auch als außerdienstliches Dienstvergehen nach § 96 Abs. 1 Satz 2 SächsBG im besonderen Maße die Achtung und das Vertrauen in das Ansehen des Berufsbeamtentums zu beeinträchtigen. Insbesondere die Feststellung, dass der mehrfache Konsum von Cannabinoiden über einen Zeitraum von zehn Monaten (was nicht bedeutet, dass der Konsum durchgehend stattgefunden haben muss) ein schweres Dienstvergehen darstellt, ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Als zutreffende Überlegung hat der Antragsgegner darauf abgestellt, dass ein Polizeibeamter, der gerade das verhindern solle, was er selbst tue, zwangsläufig durch seinen Konsum auch den Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz - BtMG - Vorschub leiste, auch wenn dies außerdienstlich geschehe. Damit werde das Ansehen des Beamtentums, insbesondere der Polizei in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Hierzu hat der Antragsgegner auf die Entscheidung des Sächsischen Disziplinarsenats beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht vom 10.4.2002, - D 6 B 798/01 - und die Beschlüsse vom 25.1.2002 - D 6 B 706/00 - und vom 9.4.2002 - D 6 B 703/00 - hingewiesen. Auch der Umstand, dass der Antragsteller zumindest in dem Dienstgespräch mit seinem Vorgesetzten am 24.1.2000 angegeben hat, er habe kein Drogenproblem mehr, obwohl die Untersuchungsergebnisse aus diesem Zeitraum (Untersuchungen vom: 2.2.2000, 23.2.2000 und 7.3.2000) einen Cannabinoidkonsum aufwiesen, ist zutreffend bei der Bewertung des Vorliegens eines schweren Dienstvergehens eingestellt worden. Soweit er dies auch im Mitarbeitergespräch vom 4.3.2002 geäußert hat, sich aber aufgrund der Aussagekraft der Untersuchung vom 7.3.2000 der fortgesetzte Cannabinoidkonsum nicht sicher nachweisen lässt, fällt dies gegenüber dem sicher festzustellenden Umstand der vorherigen wahrheitswidrigen Aussage trotz wiederholten Konsums gegenüber seinem Vorgesetzten für die Beurteilung seines Verhaltens nicht weiter ins Gewicht.

Der Antragsgegner hat in seinem Widerspruchsbescheid auch Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.19.1983, AZ: 1 D 37/83 - DÖD 1984, 88-90), des OVG Nordrhein-Westfalen vom 6.12.1998, Az: 6 d A 4674/97.o, DÖD 1999, 158 bis 160, des OVG Berlin, Urt. v. 16.2.1992, Az: 4 S 11/92 und des VG Würzburg, Beschl. v. 30.11.1994, Az: W 9 S 94.1246, zitiert nach Juris) in seine Prognoseentscheidung mit eingestellt.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 42 Nr. 1 SächsBG - wie hier - erfüllt, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Ernennungsbehörde, die Entlassung deswegen auszusprechen (vgl. Fürst, GKÖD I, K § 31 Rdziff. 21). Bei Vorliegen des Entlassungsgrundes bildet die Entlassung die vom Gesetzgeber gewollte Regelfolge. Ein Belassen im Beamtenverhältnis, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Entlassung erfüllt sind, ist nur dann ermessensgerecht, wenn besondere Umstände vorliegen. Deshalb besteht hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Entlassungsbehörde nur eine eingeschränkte Kontrolldichte des Verwaltungsgerichts. Nach ständiger Rechtsprechung wird jedenfalls bei Dienstvergehen im Beamtenverhältnis auf Probe die Entlassung als die vom Gesetzgeber gewollte und nicht näher begründungsbedürftige und damit grundsätzlich ermessensgerechte Entscheidung gewertet. Für eine gezielte Ermessenskontrolle besteht daher nur dann Veranlassung, wenn besondere Umstände vorliegen, die es ausnahmsweise als ermessensgerecht erscheinen lassen, von der Entlassung abzusehen (zum Ganzen: Woydera/Summer/Zängl, § 42 Nr. 1, 7e), 10e) m.w.N.).

Besondere Umstände, die ein solches ausnahmsweises Absehen von der Entlassung rechtfertigen würden, hat der Antragsgegner zutreffend nicht angenommen.

Der Antragsgegner hat die Untragbarkeit des Antragstellers für die Öffentlichkeit herausgestellt und dessen Interesse an einem weiteren Verbleib im öffentlichen Dienst auch während des Disziplinarverfahrens als weniger schwerwiegend angesehen (vgl. hierzu SächsOVG, Beschl. v. 3.8.2000 - D 6 E 30/00 -). Auch die weiteren von dem Antragsgegner angestellten Erwägungen, dass sich der Antragsteller nicht auf seine negative Lebensphase berufen könne, wenn diese über einen Zeitraum von zehn Monaten angedauert habe, es sich vielmehr nicht um einen schockartigen psychischen Ausnahmezustand gehandelt habe, sind nicht zu beanstanden. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass der Polizeivollzugsbeamte täglich mit Sachverhalten konfrontiert werde, die psychische Probleme hervorrufen könnten. Von ihm müsse aber erwartet werden können, dass er in der Lage sei, diese Probleme auch ohne die Einnahme verbotener Betäubungsmittel zu bewältigen. Anhand des vorgenannten Maßstabs kann auch nicht durchgreifen, dass der Dienstvorgesetzte des Antragstellers im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 26.2.2001 durch den Untersuchungsführer geäußert hat, egal was passiert sei, solche Beamten, die jung und dynamisch seien und mitdenken (wie der Antragsteller) könne "die Polizei" gut gebrauchen. Diese Aussage bildet keinen "besonderen Umstand" im Sinne des anzulegenden Maßstabs, der geeignet wäre, das Verbleiben des Antragsteller im Dienst zu rechtfertigen.

Auch die Dauer des Verfahrens kann nicht zu einer anderen Entscheidung als der getroffenen führen. Der zeitliche Ablauf führt trotz der dreijährigen Dauer des Verfahrens zu keinem Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Antragstellers. Dies ergibt sich bereits daraus, dass gegenüber dem Antragsteller mit Verfügung vom 26.6.2000 das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 149 Abs. 1 SächsBG ausgesprochen wurde. Seitdem hat der Antragsteller seine Dienstgeschäfte nicht mehr aufgenommen. Damit war offensichtlich, dass eine Wiederaufnahme des Dienstes, umgekehrt ein Absehen von einer Entlassung, nicht nahelag. Mit Bekanntwerden des wiederholten Cannabiskonsums nach Vorlage der Untersuchungsergebnisse des leitenden Polizeiarztes vom 15.6.2000 erfolgte umgehend das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte durch den Antragsgegner. Hiergegen erhob der Antragsteller am 7.7.2000 Widerspruch. Am 24.8.2000 erfolgte die Anhörung zu dem beabsichtigten Untersuchungsverfahren nach § 116 Abs. 2 SächsDO. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.9.2000 räumte der Antragsteller seinen wiederholten Cannabiskonsum auch ein. Am 6.10.2000 erging die Anordnung der Durchführung des Untersuchungsverfahrens nach § 116 Abs. 2 SächsDO. Unter dem 11.12.2000 wurde der Untersuchungführer bestellt. Dieser bemühte sich in der Folgezeit sehr zeitnah die Aussagegenehmigungen bzw. Entbindungserklärung von der Schweigepflicht vom Polizeiarzt und dem ehemaligen Dienstvorgesetzten des Antragstellers einzuholen. Nach Vorlage und Klärung diverser Nachfragen hinsichtlich des Umfangs der Aussagepflicht erfolgte am 26.2.2001 die Vernehmung des Antragstellers sowie des Polizeiarztes und des Dienstvorgesetzten. Zu dem Ergebnis der Vernehmung wurde mit Schreiben vom 6.3.2001 angehört. Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers äußerten sich hierzu am 22.3.2001. Der Untersuchungsführer holte in der Folge Auskünfte bei den Datenbanken PASS, Inpol und SIS ein, die negative Auskünfte ergaben. Er legte am 6.4.2001 seinen Abschlussbericht vor. Mit Schreiben des Polizeipräsidiums Chemnitz vom 15.7.2002 wurden die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu dessen beabsichtigter Entlassung gehört. Am 18.7.2002 wurde seitens des Antragsgegners die Beteiligung des Bezirkspersonalrats beantragt. Diese erbat sich Fristverlängerung bis 23.8.2002. Die Entlassungsverfügung erging am 26.8.2002. Am 30.8.2002 teilte der Bezirkspersonalrat dem Antragsgegner mit, dass der Entlassung nicht zugestimmt werde. Daraufhin wandte sich der Antragsgegner an das Sächsische Staatsministerium des Innern - SMI - wegen Anrufung und Beteiligung der Stufenvertretung gemäß § 79 Abs. 3 SächsPersVG. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.9.2002 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen seine Entlassungsverfügung. Mit Beschluss vom 16.2.2003 versagte auch der Polizei-Hauptpersonalrat seine Zustimmung zur Entlassung des Antragstellers, nachdem die Einigungsstelle zuvor in ihrer Sitzung vom 9.1.2003 die Empfehlung gegeben hatte, den Antragsteller nicht zu entlassen. Mit Schreiben vom 14.4.2003 unterrichtete der Antragsgegner die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers von der Entscheidung der Einigungsstelle. Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bereits am 28.3.2003 Akteneinsicht genommen hatten, erfolgte am 29.4.2003 die Begründung des Widerspruchs. Am 9.5.2003 erging der versagende Widerspruchsbescheid.

Zusammenfassend lässt sich zur Dauer des Verfahrens Folgendes feststellen: Seit Bekanntwerden des mehrfachen Cannabiskonsums des Antragstellers bis zum Abschluss des Untersuchungsberichts am 6.4.2001 wurde das Verfahren, insbesondere das Untersuchungsverfahren, sehr zeitnah durchgeführt. Weshalb sich dann bis zur Beteiligung des Personalrats am 18.7.2002 eine zeitliche Verzögerung von ca. 15 Monaten ergab, hat der Antragsgegner mit der zum damaligen Zeitpunkt für den Freistaat Sachsen noch bestehenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich der disziplinarischen Bewertung des Fehlverhaltens von Polizeivollzugsbeamten erklärt. Man habe angekündigte Entscheidungen des Disziplinarsenats zur Rechtslage abwarten wollen, die sich mit einer Fragestellung wie der hier zu beurteilenden beschäftigten. Diese seinen zunächst für Anfang Juni 2001 bzw. Ende Oktober 2001 angekündigt worden. Tatsächlich habe man jedoch erst im Februar und April 2002 von den Entscheidungen des Disziplinarsenats Kenntnis erlangt.

Erst zu diesem Zeitpunkt konnte der Antragsgegner aus seiner Sicht vertretbar von einem gefestigten Standpunkt der Disziplinarrechtsprechung im Freistaat Sachsen ausgehen, wie er für die hypothetische Maßnahmezuweisung erforderlich ist. Auch wenn der Antragsgegner den Antragsteller über die Verzögerung des Verfahrens und die dafür maßgeblichen Gründe in Kenntnis hätte setzen können und sollen, kann der Antragsteller allein deswegen unter Ermessensgesichtspunkten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein schützenswertes Vertrauen herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b) GKG. Der Hauptsachestreitwert nach § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b) GKG war im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weiter zu halbieren. Bei der Höhe des Streitwertes hat das Gericht entsprechend die Anlage IX der Zweiten Besoldungsübergangsverordnung, (Stand: 1. Juli 2003) für die Besoldungsgruppe A7 berücksichtigt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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