Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 2 F 1/04
Rechtsgebiete: VwGO, OWiG, StPO


Vorschriften:

VwGO § 33
VwGO § 63
VwGO § 67 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 3
VwGO § 147 Abs. 1
VwGO § 154
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 467
StPO § 473 Abs. 4 analog
Die Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung eines ehrenamtlichen Richters nach § 33 Abs. 1 VwGO unterliegt nicht dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO.

Wird die Ordnungsgeldfestsetzung im Beschwerdeverfahren aufgehoben, können die (notwendigen) außergerichtlichen Kosten des ehrenamtlichen Richters der Staatskasse auferlegt werden.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 F 1/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Festsetzung von Ordnungsgeld

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Enders

am 20. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. November 2003 wird die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

1. Der Antragsteller hat die Beschwerde innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO erhoben. Die Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung ist auch ohne anwaltliche Vertretung zulässig (OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 25.6.2002, Az: 2 P 6/02, 2 O 47/02; a.A. OVG Bad.-Württ., Beschl. v. 18.11.2002, Az: 12 S 2217/02, beide zitiert nach juris). Sie unterliegt nicht dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO, wonach jeder Beteiligte vor dem Oberverwaltungsgericht , soweit er einen Antrag stellt, sich vertreten lassen muss. Bei einem ehrenamtlichen Richter handelt es sich nicht um einen Beteiligten i.S.d. § 67 Abs. 1 VwGO. Die am Verfahren Beteiligten werden in § 63 VwGO aufgezählt, die ehrenamtlichen Richter sind dabei nicht aufgeführt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Aufzählung in § 63 VwGO abschließend ist. Bei den ehrenamtlichen Richtern handelt es sich vielmehr um "sonst von der Entscheidung Betroffene", denen gemäß § 146 Abs. 1 VwGO die Beschwerde zusteht. Die Beschwerde ist auch unabhängig von dem Betrag, um den es geht, zulässig, da § 146 Abs. 3 VwGO nicht anwendbar ist (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 25.6.2002, Az: 2 P 6/02, 2 O 47/02; a.A. OVG Bad.-Württ., Beschl. v. 18.11.2002, Az: 12 S 2217/02, a.a.O.)

2. Die zulässige Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung ist auch begründet. Die von dem Antragsteller auf das Anhörungsschreiben des Verwaltungsgerichts abgegebene Stellungnahme vom 21.11.2003 enthält die Aussage, dass "diese wichtige Korrespondenz des Verwaltungsgerichts Chemnitz nicht vorgefunden wurde". Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob der Antragsteller seinen Briefkasten nur in unregelmäßigen Abständen geleert hat und ob, wie er selbst eingeräumt hat, der Leerung des Briefkastens durch seine Person oder durch seine Familienangehörigen nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Denn seine Einlassung, er habe die Terminsladung nicht vorgefunden, ist jedenfalls nicht widerleglich, da die Ladung zur Sitzung der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Chemnitz an ihn am 8.10.2003 gegen Empfangsbekenntnis und nicht mit Postzustellungsurkunde versandt worden war. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes C. vom 27. 10.2003 war der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch unter seiner bisherigen Anschrift wohnhaft. Da der Antragsteller jedenfalls nicht widerlegbar nach seinem Vortrag die Terminsladung nicht erhalten hat, ist er für sein Fernbleiben an der Sitzung der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Chemnitz am 29.10.2003 genügend entschuldigt im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Antragsteller zugleich nicht auf dem von ihm früher angegebenen Handyanschluss mit der Nummer ( ) erreichbar war. Auch wenn die zuständige Justizangestellte, Frau S. , in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 9.2.2004 versichert hat, sie habe auf der oben genannten Nummer dem Antragsteller zweimal, nämlich am 24.10.2003 und 27.10.2003, eine Nachricht auf dessen Mail-Box mit der Bitte um dringenden Rückruf wegen des Termins am 29.10.2003 hinterlassen und den Antragsteller neben diesen beiden Anrufen noch etliche Male angerufen, es sich aber nach längerem Klingeln stets die Mail-Box eingeschaltet habe, lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, der Antragsteller sei unentschuldigt zur Sitzung der 2. Kammer nicht erschienen. Denn nach Angaben von Frau S. wurde der Name des Angerufenen auf der Mailbox nicht genannt. Des Weiteren teilt Frau S. auch mit, dass sie beim Anfertigen der Stellungnahme nach gründlicher Recherche auf eine längst überholte Liste gestoßen sei, auf der die Handynummer, die sie angewählt habe, durchgestrichen und statt dessen eine andere Handynummer ( ) eingetragen war, die der Beschwerdeführer im Übrigen in seinen Schriftsätzen verwendet. Auf den später erstellten Listen sei jedoch immer nur die alte Handynummer aufgetaucht, die für sie auch die aktuelle Telefonnummer dargestellt habe. In der Akte, die von jedem ehrenamtlichen Richter geführt werde, habe ebenfalls weder eine Mitteilung noch ein Vermerk über diese Änderung existiert. Nach diesen Angaben ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragsteller über sein Handy nicht erreichbar war, er gegebenenfalls über zwei Handynummern verfügt, vielleicht auch seine Mail-Box nicht abgehört hat oder, wie er sich einlässt, gar keine Mail-Box geschaltet war. Diese Umstände, die sich letztendlich nicht mit Sicherheit aufklären lassen, können nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden, auch wenn an die Erreichbarkeit eines ehrenamtlichen Richters wegen der ihm übertragenen besonderen staatsbürgerlichen Pflichten besondere Anforderungen zu stellen sind.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (vgl. Anlage 1, Teil 2., V. 2504 zu § 11 Abs. 1 GKG). Hinsichtlich der (notwendigen) außergerichtlichen Kosten erweist sich die gesetzliche Regelung des § 154 VwGO als unvollständig, weil es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt. Der mit seiner Beschwerde erfolgreiche Antragsteller hat kein prozessuales Gegenüber, und damit keinen unterliegenden Kostenpflichtigen im Sinne des § 154 Abs. 1 VwGO. Auch aus den Regelungen des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter - EhrRiEG - lässt sich kein Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers herleiten. Die Regelungen der §§ 1, 5 EhrRiEG sehen lediglich die Erstattung von "notwendigen Auslagen" im Rahmen der Amtsausübung des ehrenamtlichen Richters vor. Nach Auffassung des Senats ist diese Regelungslücke unter Heranziehung der Rechtsgedanken des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. den §§ 467, 473 Abs. 4 StPO zu schließen und dem Antragsteller ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse zuzusprechen (vgl. zu Beschwerden gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld gegenüber Zeugen: BFH, Beschl. v. 10.1.1986, Az: IX B 5/85 m.w.N.; BFH, Beschl.v.4.8.1993, Az: II B 25/93; OLG Hamm, Beschl.v.9.6.1992, Az: 1 Ws 215/92; LSG NW, Beschl. v. 23.3.1982, Az: L 5 S 36/81; a.A. OLG Köln, Beschl.v.2.5.2001, Az: 2 W 56/01; sämtliche zitiert nach juris).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs.1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück