Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.07.2009
Aktenzeichen: 3 B 137/06
Rechtsgebiete: GG, VersammlG


Vorschriften:

GG Art. 5
GG Art. 8
VersammlG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 3 B 137/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Versammlung am 03.10.2002

hier: Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis ohne mündliche Verhandlung

am 13. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird Nr. 1 Satz 3 des Tenors des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 24. November 2005 - 3 K 1721/02 - geändert.

Es wird festgestellt, dass die Auflagen Nr. I. 8 - Untersagung des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt - und Nr. I. 11 Satz 2 - Untersagung des Tragens von Bekleidungsstücken mit den Zahlenfolgen 14, 18 und 88 - des Bescheides der Beklagten vom 25. September 2002 rechtswidrig waren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 1/4 und die Beklagte 3/4 der Kosten des Verfahrens erster Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit versammlungsrechtlicher Auflagen.

Der Kläger meldete am 4.4.2002 bei der Beklagten für den 3.10.2002 unter dem Motto "Weg mit der Mauer in den Köpfen!" eine Versammlung unter freiem Himmel an.

Mit Bescheid vom 25.9.2002 verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zahlreiche Auflagen, gegen die der Kläger teilweise Widerspruch einlegte. Auf Antrag von Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2.10.2002 - 3 K 1535/02 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Auflagen Nr. I. 1 (Zeitliche Beschränkung der Demonstration), Nr. I. 2 (Einschränkung der Wegstrecke) und Nr. I. 17 Satz 3 (Begrenzung des Lärmpegels) wieder her. Hinsichtlich der weiteren angefochtenen Auflagen lehnte es den Antrag ab. Die von der Beklagten bezüglich der Auflage Nr. I. 2 (Einschränkung der Wegstrecke) eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 2.10.2002 - 3 BS 390/02 -).

Der Kläger hat am 23.10.2002 Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsklage erhoben und sie wie folgt begründet:

Das für die Fortsetzungsfeststellungklage erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich sowohl aus der Wiederholungsgefahr als auch aus dem Rehabilitationsinteresse des Klägers. Die Wiederholungsgefahr sei evident. Das Rehabilitationsinteresse gründe sich darauf, dass regelmäßig im Vorfeld oder auch im Nachhinein über vom Kläger in Leipzig veranstaltete Demonstrationen in Medien berichtet werde, dass diese unter strengen Auflagen zugelassen worden seien. Dies sei geeignet, sein Renommee anzugreifen.

Die Auflage Nr. I. 7 (Benutzung von Fahnen u. a.) habe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestanden, soweit sie schwarze Fahnen betreffe. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche nur das massenhafte Mitführen von Hakenkreuzfahnen nationalsozialistischen Symbolen, nicht jedoch das Mitführen sonstiger Fahnen. Die Auflage Nr. I. 8 (Untersagung des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt) sei rechtswidrig gewesen, da das Gehen in Blöcken und Zügen zu den Eigenarten großer Demonstrationen gehöre und insbesondere auch nicht strafrechtlich untersagt sei. Die Auflage Nr. I. 9 (Verpflichtung zur Vorlage von Liedtexten bis eine Stunde vor deren Vortrag) habe gegen die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Kunstfreiheit i. S. v. Art. 5 GG verstoßen. Die Folge einer solchen Auflage sei gewesen, dass die Künstler keine anderen als die vorher eingereichten Texte gesangesmäßig hätten vortragen dürfen. Andernfalls hätte sich der Anmelder wegen Verstoßes gegen die Auflage strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Die Auflage Nr. I. 11 (Untersagung des Tragens von Kleidungsstücken mit den Zahlen 14, 18 und 88) sei rechtswidrig gewesen, da die von der Beklagten angeführte Verletzung der öffentlichen Ordnung schon wegen der Klandestinität (Verschlüsselung) dieser Zeichen nicht habe gegeben sein können. Die Zahl 88 werde zudem vielfältig in anderer Weise benutzt. Die die Untersagung von Versammlungsreden, Sprechchören und Transparenten mit verharmlosenden Aussagen zum NS-Regime und seinen Organisationen betreffende Auflage Nr. I. 12 sei wegen Verstoßes gegen das allgemeine Willkürverbot rechtswidrig gewesen. Die die Begrenzung der Lautstärke der Auftritte der Musikbands bzw. Liedermacher regelnde Auflage Nr. I. 17 Satz 3 sei ebenfalls rechtswidrig gewesen, was bereits in den in den Eilverfahren ergangenen Beschlüssen festgestellt worden sei.

Des Weiteren sei auf Grund der Feststellungsklage gerichtlich festzustellen, dass es rechtswidrig gewesen sei, das Weiterführen der Demonstration über den zugelassenen Scheitelpunkt hinaus bis zum Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal und das dortige Abhalten einer Zwischenkundgebung zu untersagen. Der Grund für die Beschränkung der Wegstrecke habe während der Versammlung nicht mehr bestanden, da die Gegendemonstration dort gar nicht stattgefunden habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Auflagenbescheid der Beklagten vom 25.9.2002 hinsichtlich der vom Kläger für den 3.10.2002 angemeldeten Demonstration ("Weg mit der Mauer in den Köpfen") hinsichtlich der Auflagen Nr. I. 7, Nr. I. 8 teilweise, Nr. I. 9 teilweise, Nr. I. 11 teilweise, Nr. I. 12, Nr. I. 15 teilweise und Nr. I. 17 rechtswidrig war und festzustellen, dass die Beklagte insoweit rechtswidrig gehandelt hat, als sie am 3.10.2002 untersagt hat, dass die Demonstration über den nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 2.10.2002 hinaus zugelassenen Scheitelpunkt hinaus bis zum Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal geführt und dort eine weitere Zwischenkundgebung abgehalten wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Untersagung der Verwendung bestimmter Fahnen (Auflage Nr. I. 7) und die das geschlossene Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt verbietende Auflage Nr. I. 8 erforderlich gewesen seien, um dem Eindruck militärischen Auftretens zu begegnen. Die die Liedtexte betreffende Vorlagepflicht (Auflage Nr. I. 9) habe der Vermeidung der Aufführung von Liedern strafbaren Inhalts gedient. Die auch verschlüsselte Symbole mit Bezug zum Nationalsozialismus betreffende Auflage Nr. I. 11 habe der öffentlichen Sicherheit gedient. Die das Verbot des Mitführens von Hunden bestimmter Rassen und den Leinen- und Maulkorbzwang für sonstige mitgeführte Hunde regelnde Auflage Nr. I. 15 sei nach § 15 Abs. 1 VersammlG gerechtfertigt gewesen, da das Leitbild des Versammlungsgesetzes eine Versammlung friedlichen Antlitzes sei. Dem widerspreche das aggressive Auftreten durch das Mitführen von Hunden. Die die Lärmpegelbegrenzung für die Auftritte der Musikbands bzw. Liedermacher regelnde Auflage Nr. I. 17 Satz 3 habe dem Umstand Rechnung getragen, dass auch die Ruhe der Anwohner zu berücksichtigen gewesen sei.

Mit Urteil vom 24.11.2005 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflagen Nr. I. 7 und Nr. I. 17 Satz 3 des Bescheides der Beklagten vom 25.9.2002 rechtswidrig waren und es rechtswidrig war, den Aufzug des Klägers am 3.10.2002 nicht bis zum Völkerschlachtdenkmal weiterführen zu lassen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Fortsetzungsfeststellungklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig sei. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr. Seine Absicht, in Zukunft weitere Versammlungen abzuhalten, sei gerichtsbekannt. Die Beklagte habe mit ihrer Klageerwiderung zum Ausdruck gebracht, dass sie es für künftige Verfahren nicht ausschließe, Auflagen gleichen Inhalts zu erlassen. Die Klage sei auch teilweise begründet. Die unter Nr. I. 7 verfügte Auflage, wonach das Mitführen aller Fahnen außer der Bundesfahne und der Fahnen der deutschen Bundesländer untersagt sei, habe offensichtlich gegen Art. 8 Abs. 1 GG verstoßen, wobei auch Art. 5 GG mit heranzuziehen sei. Die die Begrenzung des Lärmpegels während der Auftritte der Musikbands bzw. der Liedermacher regelnde Auflage Nr. I. 17 Satz 3 habe ebenfalls gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstoßen, da die hiermit verbundenen Lärmimmissionen von den Anwohnern hinzunehmen gewesen seien. Ebenso habe der Kläger einen Anspruch auf die Feststellung, dass es rechtswidrig gewesen sei, dass der Aufzug nach Wegfall des Untersagungsgrundes nicht wie geplant bis vor den Platz am Völkerschlachtdenkmal habe geführt werden können, da mit dem Wegfall der konkurrierenden Versammlung der Grund für die Wegstreckenbeschränkung entfallen sei.

Rechtmäßig gewesen sei dagegen die Auflage Nr. I. 8 (Untersagung des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt). Sie habe der zulässigen Abwehr der Gefährdung der öffentlichen Ordnung i. S. v. § 15 Abs. 1 VersammlG gedient, da von einer derartigen Form der Fortbewegung des Demonstrationszuges einschüchternde uniforme Militanz ausgehe. Durch das Verbot des Gleichschritts sei gewährleistet worden, dass kein Einschüchterungseffekt durch eine sich unmittelbar aufdrängende Assoziation mit Aufmärschen in den 30er Jahren habe entstehen können. Die Auflage Nr. I. 9 (Verpflichtung zur Vorlage von Liedtexten bis eine Stunde vor deren Vortrag) sei ebenfalls gerechtfertigt gewesen. Sie habe im Zusammenhang mit dem ersten nicht streitgegenständlichen Teil der Auflage gestanden, mit der der Versammlungsleiter aufgefordert worden sei, eine namentliche Benennung der Musikbands und Liedermacher bis eine Stunde vor deren Vortrag einzureichen. Letztere Auflage sei erforderlich gewesen, da unstreitig eine namentliche Benennung der Musikbands und Liedermacher bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nicht erfolgt sei. Daher sei es der Beklagten aus nicht von ihr zu verantwortenden Gründen nicht möglich gewesen zu prüfen, ob eine konkrete Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei einem Auftritt eines bestimmten Liedermachers bzw. einer bestimmten Band vorgelegen habe und entsprechende Maßnahmen zu treffen gewesen seien. Für den Fall, dass die Liedermacher und Musikbands im Vorfeld bereits benannt worden wären, wäre die angefochtene Auflage rechtswidrig gewesen, denn das Versammlungsrecht regele keine entsprechende Verpflichtung. Ebenso wenig sei das in der Auflage Nr. I. 11 verfügte Verbot des Tragens von Bekleidungsstücken mit den Aufschriften der Zahlen 14 ("FAMOUS 14 WORDS" - "We must secure the existence of our race and a future for white children"), 18 (Adolf Hilter) und 88 (Heil Hitler) zu beanstanden. Diese Zahlen würden in der rechtsextremistischen Szene als Grußformel verwandt und als Kampfaufruf verstanden. Sie seien keine der Kommunikation dienende Elemente, sondern Symbole, durch die der gewaltsame Abbruch von Kommunikation signalisiert werde und die nicht durch Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG gedeckt seien. Da ein anderer Bedeutungsgehalt unter den hier gegebenen Umständen verständlicherweise nicht in Betracht gekommen sei, habe die konkrete Gefahr bestanden, dass diese Zahlen von den Teilnehmern des Aufzugs als symbolischer Aufruf zur Begehung von Straftaten verstanden worden wären. Auch die die Untersagung von Parolen mit Bezug zum Nationalsozialismus regelnde Auflage Nr. I. 12 sei unter dem Aspekt des Schutzes der öffentlichen Ordnung rechtmäßig gewesen. Auf Grund des kämpferischen und in militärische Begriffe abgleitenden Sprachgebrauchs habe die konkrete Befürchtung nahe gelegen, dass die Versammlungsteilnehmer versuchen würden, der Veranstaltung ein einschüchterndes Gepräge zu verleihen, was zu einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung geführt hätte. Das gemeinsame Skandieren dieser Parolen verfolge nämlich die Absicht, eine Überlegenheit des deutschen Volkes i. S. einer ausschließlichen Blutsgemeinschaft zu propagieren. Die Rechtmäßigkeit der das Mitführen von Hunden betreffenden Auflage Nr. I. 15 sei bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt worden.

Gegen den klageabwesenden Teil des Urteils wendet sich der Kläger mit seiner am 3.3.2006 eingelegten, durch das Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung.

Zur Begründung führt er hinsichtlich der Auflage Nr. I. 8 (Untersagung des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt) aus, dass eine Assoziation zu nationalsozialistischen Aufmärschen aus der Zeit der Weimarer Republik nicht gegeben sei, da die SA uniformiert gewesen sei, wobei die Uniformen sie eindeutig als paramilitärische Formation ausgewiesen hätten. Das liege insbesondere daran, dass die SA nicht nur Stiefel, braune Hosen und braune Hemden, sondern auch ein militärisches Koppel, einen Sturmriemen und eine militärischen Uniformen zumindest nachempfundene Kopfbedeckung getragen habe. All dies sei bei den Versammlungsteilnehmern nicht der Fall. Zudem sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts lebensfremd. Andere Versammlungen würden sich auch in Blöcken bewegen. Auch habe bei der streitgegenständlichen Demonstration eine engumschließende Zugbegleitung durch die Polizei stattgefunden (sog. "Wanderkessel"). Die Auflage Nr. I. 9 (Vorlage der Liedtexte bis eine Stunde vor Versammlungsbeginn) habe eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG dargestellt. Trotz des vereinzelten Spielens von Liedern mit strafbarem Inhalt in der Vergangenheit hätte ein solches die öffentliche Sicherheit gefährdendes Verhalten auch anderweitig unterbunden werden können, beispielsweise durch eine Auflage des Inhaltes, dass die auftretenden Musiker keine Lieder strafbaren Inhaltes oder keine indizierten Lieder hätten spielen bzw. singen dürfen. Wenn nämlich der Veranstalter verpflichtet werde, die Liedtexte vorher vorzulegen, sei daraus zu schließen, dass seine Interpreten keine anderen Liedtexte verwenden dürften. Rechtswidrig sei ebenfalls die Auflage Nr. I. 11 (Verbot des Tragens von Kleidungsstücken mit den Zahlen 14, 18 und 88) gewesen. Die von den Sicherheitsbehörden behaupteten "klandestinen Codes" seien einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt und könnten schon deshalb keine Gefährdung für die öffentliche Ordnung darstellen. Zudem sei David Lane US-Amerikaner, der unter "Weißer Rasse" "Kaukasier" verstehe, wozu z. B. auch ein Türke gehöre. Eine Übertragung dieser US-amerikanischen Maßstäbe auf die Bundesrepublik Deutschland sei nicht möglich. Soweit das Verwaltungsgericht meine, dass der klandestine Code 14 die öffentliche Sicherheit habe gefährden können, weil er von den Teilnehmern als symbolischer Aufruf zur Begehung von Straftaten habe verstanden werden können, habe es sich um bloße Vermutungen gehandelt, die keine "Umstände" nach § 15 VersammlG gewesen seien. Rechtswidrig sei ebenfalls die Auflage Nr. I. 12 (Untersagung diverser einzelner Parolen, namentlich "Ruhm und Ehre der Waffen-SS") gewesen. Das Rufen dieser Parolen verstoße nicht gegen die öffentliche Sicherheit. Das Rufen der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" sei nicht strafbar. Die öffentliche Ordnung, der ein amorpher Begriff sei, werde nicht verletzt. Schon der Umstand, dass die Zahl von Gegendemonstranten bei den verschiedenen Versammlungen teilweise gewaltigen Schwankungen unterlegen habe, belege, dass die öffentliche Meinung sehr variabel sei. Die das Mitführen von Hunden betreffende Auflage Nr. I. 15 sei ebenfalls rechtswidrig gewesen. Der Kläger sei im Umgang mit Hunden erfahren. Es gäbe keine nachvollziehbaren Argumente gegen das Mitführen bestimmter Hunderassen und ebenso wenig für die Maulkorbpflicht für alle anderen Hunde.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 24.11.2005 festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 25.9.2002 hinsichtlich der Auflagen Nr. I. 8 teilweise, Nr. I. 9 teilweise, Nr. I. 11 teilweise, Nr. I. 12 und Nr. I. 15 teilweise rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und macht ergänzend geltend, dass entgegen der Behauptung des Klägers es sehr wohl möglich gewesen sei, dass der Aufzug sich anders als in Blöcken habe bewegen können. Zudem sei die Polizei auch bei der Vollziehung von Auflagen und bei Vollstreckungsmaßnahmen im Fall von Auflagenverstößen an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden. Was die Ausführungen des Klägers bezüglich der Strafbarkeit der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" im Zeitpunkt der Demonstration anbelange, sei zu berücksichtigen, dass das die Straflosigkeit des Rufens dieser Parole feststellende Urteil des 3. Strafsenates des Bundesgerichtshofs vom 28.7.2005 - 3 Str 60/05 - erst nach der Demonstration ergangen sei. Bei der damaligen Einschätzung der Gefahrenlage habe sich der Beklagten die Strafbarkeit und damit der Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung geradezu aufgedrängt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten des Senats und des Verwaltungsgerichts sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (eine Heftung) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten über die Berufung ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage zu Unrecht abgewiesen, soweit sie die Nebenbestimmungen der Untersagung des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt (Nr. I. 8) und des Tragens von Kleidungsstücken mit den Zahlenfolgen 14, 18 und 88 (Nr. I. 11 Satz 2) betrifft, da diese rechtswidrig waren und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Im Übrigen hat es die Klage zu Recht abgewiesen.

1. a. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ausgegangen, soweit sie die Auflagen Nrn. I. 8, I. 9, I. 11 und I. 12 - teilweise (Untersagung der Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS") - des Bescheides betrifft. Zutreffend hat es insoweit das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bejaht. Zwar ist dieses Interesse, wie noch vom Verwaltungsgericht angenommen, nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, nachdem der Kläger am 22.7.2007 öffentlich im Internet mitgeteilt hat, dass er die von ihm vorsorglich gegenüber der Versammlungsbehörde bis 2014 zweimal jährlich angemeldeten Demonstrationen abgesagt habe, und zugleich erklärt hat, dass die 17. Demonstration am 21.7.2007 für ihn persönlich die letzte in Leipzig gewesen sei. Jedoch ist insoweit das Feststellungsinteresse in Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht für die Fortsetzungsfeststellungsklage in versammlungsrechtlichen Verfahren entwickelten Grundsätze gegeben. Dieses ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit im Fall der Durchführung einer Versammlung unter Auflagen dann zu bejahen, wenn durch diese Auflagen die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens der Versammlung wesentlich erschwert wird und die Abweichungen nicht nur bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, BVerfGE 110, 77, 89 ff.). Dies ist bei den Auflagen Nrn. I. 8 (geschlossenes Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen oder im Gleichschritt), I. 9 (Vorlage der Liedtexte bis eine Stunde vor Versammlungsbeginn), I. 11 (Verbot des Tragens von Kleidungsstücken mit den Zahlen 14, 18 und 88) und - teilweise - I. 12 (Untersagung der Losung " Ruhm und Ehre der Waffen - SS") der Fall.

b. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist dagegen unzulässig, soweit sie sich gegen die Auflage Nr. I. 15 (Leinen- und Maulkorbzwang für die mitgeführten Hunde sowie das Verbot des Mitführens bestimmter Hunde) richtet. Insofern, wie ausgeführt, eine Wiederholungsgefahr nach der Erklärung des Klägers vom 22.7.2007 nicht (mehr) angenommen werden kann, setzt das Bestehen des erforderlichen Feststellungsinteresse die wesentliche Erschwerung des kommunikativen Zwecks der Versammlung durch die Auflage voraus. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass das Mitführen dieser Tiere der gemeinschaftlichen Erörterung und der Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gedient hätte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01 - und 1 BvQ 30/01, NJW 2001, 2459, 2460; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007 a. a. O.). Diese Voraussetzung war ersichtlich nicht erfüllt. Das verfügte Verbot des Mitführens von Hunden bestimmter Rassen und der angeordnete Leinen - und Maulkorbzwang für die sonstigen Hunde stand in keinem Zusammenhang mit dem Motto der Versammlung. Dies wird auch vom Kläger, der sich lediglich auf die Unverhältnismäßigkeit der Auflage beruft, nicht behauptet. Ein Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG scheidet damit, wie auch das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auflage festgestellt hat (vgl. Beschl. v. 2.10.2002 - 3 K 1535/02 -), von vornherein aus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 13.10.2003 - 24 ZB 03.1711 - Rn. 22, zitiert nach juris). Da auch ein Rehabilitierungsinteresse des Klägers nicht erkennbar ist, der allgemeinen Sicherheitsinteressen und dem Tierschutz dienenden Auflage insbesondere kein diskriminierender Charakter zukommt und sie ihn auch nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, fehlt es insoweit an dem für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse.

2.a. Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat Erfolg, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung Nr. I. 8 (Untersagung des Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt) begehrt, da sie rechtswidrig war.

Durch die Auflage wird in Art. 8 Abs. 1 GG eingegriffen. Der Schutzbereich dieser Grundrechtsnorm ist nicht nur im Fall des Verbots oder der Auflösung der Versammlung berührt, sondern auch, wenn ihr verboten wird, in bestimmter Weise Meinungsinhalte zu artikulieren. Hierdurch wird sie in ihrer, zugleich auch durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Möglichkeit beschränkt, in einer selbst bestimmten Weise an der öffentlichen Meinungsbildung durch gemeinschaftliche Erörterung oder Kundgebung teilzuhaben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, NVwZ 2008, 671, 672). Hierzu gehören auch nonverbale, suggestive Formen der Kommunikation (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.4.1982, MDR 1983, 22). Damit ist auch die Wahl einer bestimmten äußeren Form des Versammlungszugs, wie sie vorliegend Gegenstand der Auflage ist, durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt.

Eingriffe in dieses Grundrecht können nur zum Schutz von Rechtsgütern, die der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG zumindest gleichwertig sind, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, BVerfGE 69, 315, 352 ff.). Insofern die in der Auflage bezeichneten Formen der Fortbewegungsweise des Demonstrationszuges nicht strafrechtlich oder sonst wie gesetzlich untersagt sind, ist sie nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung zulässig. Die öffentliche Ordnung, d. h. ungeschriebene Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird, scheidet als Schutzgut für eine Einschränkung des Versammlungsrechts unterhalb der Schwelle eines Versammlungsverbots zwar nicht grundsätzlich aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.2001, NJW 2001, 1409, 1410). Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung kann beispielsweise bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 a. a. O.). Sie kann ebenfalls betroffen sein, wenn einem bestimmten Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Aufführung eines Aufzugs an diesem Tag in einer Weise aufgegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.2001 a. a. O. zum 27. Januar als offizieller Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus) oder wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.9.2003 - 1 BvQ - Rn. 24, zitiert nach juris). Dabei ist jedoch zu beachten, dass den versammlungsrechtlichen Auflagen die Aufgabe zukommt, den gefährdeten Rechtsgütern Dritter Rechnung zu tragen und praktische Konkordanz zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Gut der Versammlungsfreiheit sowie anderen ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten und schutzbedürftigen Rechtsgütern herzustellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.9.2003 a. a. O. Rn. 29).

Nach diesen Maßstäben war die Auflage des Verbots des geschlossenen Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen und im Gleichschritt zu Unrecht verfügt worden. Der Senat folgt insoweit der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschl. v. 3.5.2002 - 6 TG 1227/02 - ). Keine der o. g. Voraussetzungen für die Annahme einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung war nämlich erfüllt. Insbesondere vermag der Senat nicht zu erkennen, dass durch die von der Auflage erfassten Formen der Fortbewegung die Versammlung eine Außenwirkung mit suggestiv-militanten Effekten in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz hätten auslösen können, die den Erlass einer derartigen Auflage hätten rechtfertigen können. Hiergegen sprachen bereits die konkreten Umstände der Durchführung der Versammlung. Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass die vom Kläger angemeldete Versammlung unter einer engen polizeilichen Zugbegleitung (sog. "Wanderkessel") erfolgte, was zum einen bereits die Spielräume bei der Wahl der Form des Demonstrationszuges stark eingeschränkt und zudem die äußere Wahrnehmbarkeit und damit auch eine etwaige einschüchternde Wirkung der Versammlung auf Dritte deutlich vermindert hat. Vor dem Hintergrund des bereits in dem Bescheid unter Nr. I. 6 verfügten weitgefassten Uniformverbots, das auch das Tragen von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischer Kopfbedeckung umfasste und so bereits entscheidend der Vermeidung der Auslösung der oben beschriebenen psychologischen Effekte im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 23.4.1982 a. a. O.) bewirkt hat, war der Erlass einer derartigen Auflage nicht noch zusätzlich erforderlich. Der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch besonders provokative Formen des Marschierens, etwa durch Wahrung einer strengen militärischen Marschordnung in dem Demonstrationszug, wofür hier jedoch keine konkreten Anhaltspunkte bestanden haben, kann ggf. durch besondere Auflagen Rechnung getragen werden.

b. Rechtswidrig war auch die in dem Bescheid unter Nr. I. 11 Satz 2 verfügte Auflage, soweit den Versammlungsteilnehmern das Tragen von Bekleidungsstücken mit den Zahlenfolgen 14,18 oder 88 untersagt worden ist.

Der Senat geht dabei aufgrund der Berufungsschrift davon aus, dass diese Auflage jedenfalls im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlich ist, soweit die Verwendung dieser sog. "klandestinen" Zahlencodes, nicht jedoch das ebenfalls untersagte Zeigen bestimmter Buchstabenfolgen betroffen ist.

Die Versammlungsbehörde wie auch das Verwaltungsgericht haben hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zahlenkombination 18 in der Skinheadszene den ersten und den achten Buchstaben (Adolf Hitler) und die Kombination 88 jeweils den achten Buchstaben des Alphabets (Heil Hitler) kennzeichne. Die Zahl 14 stehe für die die Losung des US-amerikanischen Rechtsextremisten David Lane der sog. "fourteen words" ("We must secure the existence of our race and a future for white children"). Nach Auffassung der Beklagten hätte das sichtbare Tragen derartiger Kleidungsstücke bei der Demonstration gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Dem Verwaltungsgericht zufolge habe die konkrete Gefahr bestanden, dass die Zahl 14 von den Teilnehmern des Aufzuges als symbolischer Aufruf zur Begehung von Straftaten verstanden worden wäre.

Weder unter dem - vom Verwaltungsgericht angeführten - Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Sicherheit noch unter dem der - von der Beklagten als Untersagungsgrund herangezogenen - öffentlichen Ordnung erweist sich dieser Auflagenteil als rechtmäßig.

Entgegen der (wohl) vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung fällt auch das sichtbare Tragen derartiger verschlüsselter Zeichen in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, diese Zeichen seien keine der Kommunikation dienenden Elemente, sondern Symbole, durch die der gewaltsame Abbruch von Kommunikation signalisiert werde, wird dem dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu Grunde liegenden Kommunikationsbegriff nicht gerecht. Unter diesen fällt nämlich auch die Benutzung von verschlüsselten Zeichen, deren Bedeutung sich einer breiteren Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres erschließt. War der Schutzbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit damit eröffnet, war ein Verbot des sichtbaren Tragens dieser Zeichen nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 VersammlG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen zulässig.

Die Voraussetzungen für die ein solches Verbot rechtfertigende unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit waren nicht gegeben. Dieser Begriff umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Dabei wird in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (vgl. BVerfGE 69, 315, 352). Hiervon konnte die Versammlungsbehörde - bei Berücksichtigung der ohne Weiteres zugänglichen strafgerichtlichen Rechtsprechung - nicht ausgehen. Insbesondere fehlte es an einer Strafbarkeit der Verwendung dieser Zeichen nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie scheitert bereits daran, dass die Zahlenfolgen 14, 18 und 88 keine Kennzeichen oder Symbole einer nationalsozialistischen Organisation waren. Auch handelt es sich nicht um Kennzeichen, die einem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB sehen. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn es aus Sicht eines nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters die typischen Merkmale aufweist, welche das äußere Erscheinungsbild des Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen, und dadurch dessen Symbolgehalt vermittelt (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2002, NJW 2002, 3186). Dies ist bei den genannten Zahlenfolgen nicht der Fall (vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 21.4.2005 - 10 KLs 46/03 - m. w. N.). Ob eine Strafbarkeit nach der Regelung des § 130 Abs. 4 StGB n. F. gegeben ist, bedarf keiner Feststellung, da diese Strafnorm erst mit Art. 2 des Gesetzes vom 24.3.2005 (BGBl. I S. 969) in das Strafgesetzbuch eingefügt worden ist. Soweit das Verwaltungsgericht eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darin erblickt, dass die Verwendung der Zahl 14 von den Teilnehmern des Aufzuges als Aufruf zur Begehung von Straftaten hätte verstanden werden können, vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Der Sinn und Zweck der Verwendung derartiger verschlüsselter Zeichen auf der Versammlung bestand ja gerade darin, die Verwirklichung von Straftatbeständen durch Verwendung nicht strafbarer, jedoch im rechtsextremistischen Spektrum beliebter Zeichen bzw. Botschaften zu vermeiden. Ihre Verwendung ist so vielmehr Ausdruck des Willens der Versammlungsteilnehmer, die Verwirklichung von Straftatbeständen zu verhindern. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefährdungsprognose fehlt es so an tragfähigem Prognosematerial.

Ebenso wenig zulässig war eine Untersagung des Tragens von Kleidungsstücken mit diesen Ziffernfolgen zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Es ist nicht erkennbar, dass durch deren sichtbares Tragen die grundlegenden sozialen und ethischen Anschauungen in erheblicher Weise verletzt worden waren. Dies setzt zunächst voraus, dass derartige Zeichen von einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt dem historischen Nationalsozialismus zugeordnet werden können. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die durch die Zahlen 1 und 8 erfolgte verschlüsselte Verweisung auf den ersten und achten Buchstaben des Alphabets war und ist für einen großen Teil der Öffentlichkeit nicht erkennbar. Dies gilt erst Recht für Zahl 14. Den darin enthaltenen Verweis auf die sog. "14 WORDS" des amerikanischen Rechtsextremisten David Lane sowie deren Bedeutung ist nur Personenkreisen bekannt, die über eine besondere Sachkunde verfügen, weil sie sich entweder intensiv mit dem Rechtsextremismus befassen oder selber der rechtsextremen Szene zugehörig sind. Damit wird eine Untersagung des sichtbaren Tragens dieser Zeichen nur bei Vorliegen besonderer Ausnahmetatbestände möglich sein. Die oben dargelegte verfassungsrechtliche Schwelle, bei deren Überschreiten die Zulässigkeit eines Verbot des Tragens dieser Zahlenfolgen zum Schutz der öffentlichen Ordnung angenommen werden könnte, war bei der hier vergleichsweise geringen kommunikativen Wirkung und Intensität des Tragens dieser Zeichen jedenfalls noch nicht berührt. Gefährdungen der öffentlichen Ordnung durch besonders provokative Formen des Tragens dieser Zahlen, etwa in Übergröße, kann gegebenenfalls durch entsprechende Auflagen Rechnung getragen werden. Die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das (sichtbare) Tragen von Kleidungsstücken mit diesen Zahlenfolgen in einer öffentlichen Versammlung scheidet damit aus.

c. Zu Recht abgewiesen hat das Verwaltungsgericht die Klage, soweit sie sich gegen die unter Nr. I. 9 verfügte Auflage richtet, wonach die Liedtexte bis eine Stunde vor deren Vortrag einzureichen sind. Diese erweist sich als rechtmäßig. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, welches von der Erforderlichkeit dieser Auflage ausgegangen ist, da seitens des Klägers unstreitig eine namentliche Benennung der Musikbands und Liedermacher bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nicht erfolgt war. Auch im Berufungsverfahren wurde diese tatsächliche Feststellung des Gerichts nicht bestritten. Bei dieser Sachlage war es der Beklagten nicht möglich, in die erforderliche Prüfung einzutreten, ob eine konkrete Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewärtigen war. Grundsätzlich erforderlich für die Zulässigkeit einer derartigen Auflage ist das Vorliegen einer konkreten Gefährdungslage i. S. v. § 15 Abs. 1 VersammlG (vgl. Beschl. des Senats v. 4.4.2002, SächsVBl. 2002, 216; OVG LSA, Beschl. v. 3.8.2007 - 2 M 236/07 -, zitiert nach juris). Eine solche Gefährdungslage kann zwar grundsätzlich nur angenommen werden, wenn hinsichtlich der jeweiligen Gruppe bzw. des jeweiligen Sängers konkrete Hinweise für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bzw. öffentlichen Ordnung vorliegen. Handelt es sich jedoch bei dem Anmelder der Versammlung bzw. deren Teilnehmern um Personen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, ist der Anmelder vor dem Hintergrund von bereits bei anderen von Rechtsextremisten angemeldeten Versammlungen in diesem Zusammenhang begangenen Straftaten (vgl. hierzu die Feststellung in OVG LSA a. a. O.) und aufgrund der vor diesem Hintergrund gegenüber der Versammlungsbehörde gesteigerten Kooperationspflicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, BVerfGE 69, 315, 357) zunächst zur Benennung der auftretenden Musikgruppen und Einzelsänger verpflichtet, um so der Behörde eine Einschätzung der Gefahrenlage zu ermöglichen. Kommt er, wie hier, dieser Verpflichtung nicht nach, verstößt es angesichts des dann für Versammlungsbehörde bestehenden Anlasses zu einer eingehenderen Prüfung der Sachlage nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn sie sich nicht auf die Aufforderung der Benennung der Gruppen und Sänger beschränkt, sondern vom Anmelder auch die Vorlage der Liedtexte binnen angemessener, d. h. noch einhaltbarer Frist vor dem Vortrag der Liedtexte verlangt. Da bei einer solchen Konstellation nicht von vornherein auszuschließen ist, dass auch Gruppen und Liedermacher auftreten werden, die (möglicherweise) volksverhetzende Liedtexte in ihrem Repertoire haben, muss es der Behörde möglich sein, innerhalb kürzester Zeit die Untersagung des Vortrages einzelner Liedtexte zu prüfen, ohne zugleich auf ein Auftrittsverbot zurückgreifen zu müssen. Die Auflage hat so im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip dem Umstand Rechnung getragen, dass - anders als bei einer rechtzeitigen Benennung der Vortragenden durch den Anmelder - keine Zeit mehr für gegebenenfalls erforderliche Nachermittlungen seitens der Versammlungsbehörde bestanden hatte. Da vorliegend für den Kläger noch hinreichend, d. h. nach Erlass des Bescheides noch mehrere Tage Zeit verblieb, der Behörde die Texte vorzulegen, begegnet der (angefochtene) Teil der Auflage keinen Bedenken.

d. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die in dem Bescheid unter Nr. I. 12 Satz 2 verfügte Auflage richtet, wonach das Rufen diverser Parolen, unter anderem der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" untersagt worden ist.

Die Klage ist in diesem Punkt bereits unzulässig, soweit sie andere als die sich auf die Waffen-SS beziehende Parolen betrifft. Der Kläger hat diesbezüglich das Feststellungsinteresse nicht dargetan. Dies erfordert, wie festgestellt, im Fall der Durchführung einer Versammlung die Darlegung einer wesentlichen Erschwerung des kommunikativen Anliegens durch die Untersagung der jeweiligen Losung bzw. Wortfolge. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht Genüge getan. Während er in der Begründung seines Widerspruchs noch ausgeführt hatte, dass sich die Anfechtung der Auflage nur gegen das Verbot der Wortfolge "Deutscher Widerstand" (ggf. auch "Freier Deutscher Widerstand") sowie die Parole "Zionisten - Mörder und Faschisten" richte, enthält die Klageschrift keine konkreten Ausführungen zu den einzelnen Losungen und Wortfolgen. Im Berufungsverfahren wird konkret nur die Untersagung der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" in Zusammenhang mit ihrer strafrechtlichen Zulässigkeit erwähnt. Damit ist - von der zuletzt genannten Losung abgesehen - nicht dargetan, durch welche Teile der Auflage die Versammlung sonst noch konkret in ihren kommunikativen Belangen beeinträchtigt worden ist.

Zulässig ist damit die Fortsetzungsfeststellungsklage nur, soweit sie sich gegen die Untersagung der Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" richtet. Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass diese Losung vom Kläger im Widerspruchsverfahren nicht angefochten worden ist. Insofern sich die Auflage noch vor Eintritt ihrer Bestandskraft mit der Durchführung der Versammlung am 3.10.2002 erledigt hatte, war die Klage nicht an die für die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage vorgesehene Frist des § 74 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.1999, BVerwGE 109, 203, 206). Damit konnte diese Parole noch nachträglich, ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens in die Fortsetzungsfeststellungsklage einbezogen werden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zwar ist, worauf der Kläger zutreffend hinweist, das Rufen dieser Parole nicht nach § 86 a StGB strafbar. Sie ist weder der Parole der Waffen-SS ("Meine/unsere Ehre heißt Treue") noch derjenigen der Hitlerjugend ("Blut und Ehre") zum Verwechseln ähnlich und erfüllt damit nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - Rn. 5ff., zitiert nach juris). Ob das Rufen dieser Parole den mit Art. 2 des Gesetzes vom 24.3.2005 (BGBl. I S. 969) neu geschaffenen Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB verwirklicht, bedarf keiner Feststellung, da diese Strafnorm seinerzeit noch nicht in Kraft war. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht jedoch ausgeführt, dass die Untersagung deshalb rechtmäßig war, weil sie zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung geboten war. Das Rufen einer derartigen Parole, mit der eine Organisation des nationalsozialistischen Regimes in dieser Form idealisiert und verherrlicht wird, stößt auf allgemeine Empörung und verletzt insbesondere die Angehörigen von Opfern in ihren Gefühlen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 6). Da ein Aufzug, in dem eine derartige die Waffen-SS verherrlichende Parole gerufen wird, zugleich den Eindruck einer Identifikation mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erweckt und durch das hiermit verbundene Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.9.2003 a. a. O.), war entgegen der Auffassung des Klägers von einer die Auflage rechtfertigenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat erachtet es für angemessen, die durch die Berufung angegriffenen Auflagen zu gleichen Teilen zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass die Parteien die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen haben. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind den Beteiligten entsprechend den sich aus dem Tenor ergebenden Quoten aufzuerlegen, da die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufhebung der Kosten des Verfahrens angesichts der fehlenden anwaltlichen Vertretung des Klägers in der ersten Instanz der Sache nach eine Kostenteilung darstellt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.

Beschluss vom 13. Juli 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 47 GKG), wobei der Senat die pauschalierende Zugrundelegung des Auffangwertes für alle im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Auflagen als angemessen erachtet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück