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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.11.2009
Aktenzeichen: 3 B 455/09
Rechtsgebiete: WRV, GG, SächsVerf


Vorschriften:

WRV Art. 139
GG Art. 140
SächsVerf Art. 109 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 455/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gültigkeit einer Rechtsverordnung zum Offenhalten von Verkaufsstellen

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis, den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng

am 9. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag der Antragstellerin wird § 1 der Verordnung der Stadt Freital über die verkaufsoffenen Sonntage im Jahr 2009 vom 8. Mai 2009 am 6. Dezember 2009 (2. Advent) und am 20. Dezember 2009 (4. Advent) bis zur Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag außer Vollzug gesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, die Evangelische Landeskirche Sachsens, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen § 1 der Verordnung der Stadt Freital über die verkaufsoffenen Sonntage im Jahr 2009 (im Folgenden: Verordnung) vom 8. Mai 2009 (Amtsblatt der Großen Kreisstadt Freital Nr. 11 vom 12.6.2009, S. 13). Die Vorschrift erlaubt die Öffnung von Verkaufsstellen im Stadtgebiet an allen vier Adventssonntagen des Jahres 2009 in der Zeit von 12.00 bis 18.00 Uhr.

Die angegriffene Verordnung beruht auf dem Sächsischen Gesetz über die Ladenöffnungszeiten (Sächsisches Ladenöffnungsgesetz - SächsLadÖffG), dessen maßgebliche Bestimmungen wie folgt lauten:

§ 3 Öffnungszeiten

(1) Montags bis sonnabends dürfen Verkaufsstellen von 6 bis 22 Uhr öffnen, am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, nur bis 14 Uhr. (...)

(2) Außerhalb der in Absatz 1 genannten Zeiten sind die Öffnung von Verkaufsstellen und das Anbieten von Waren außerhalb von Verkaufsstellen zum Verkauf an jedermann verboten, soweit nicht durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes etwas anderes bestimmt wird (Ladenschlusszeiten).

§ 8 Verkaufsoffene Sonn- und Feiertage

(1) Abweichend von § 3 Abs. 2 dürfen Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- und Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet sein.

(2) Die Gemeinden werden ermächtigt, die Tage nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Bei der Freigabe kann die Öffnung auf bestimmte Ortsteile und Handelszweige beschränkt werden.

(3) Der Neujahrstag, der Karfreitag, der Ostersonntag, der Ostermontag, der 1. Mai, Christi Himmelfahrt, der Pfingstsonntag, der Pfingstmontag, der Tag der Deutschen Einheit, der Reformationstag, der Buß- und Bettag, der Volkstrauertag, der Totensonntag, der 24. Dezember, soweit er auf einen Sonntag fällt, der 1. und der 2. Weihnachtsfeiertag dürfen nicht freigegeben werden.

Am 1.9.2009 hat die Antragstellerin den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die in § 1 der Verordnung geregelten Ladenöffnungszeiten an den vier Adventssonntagen gestellt. Zu seiner Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Sie sei gemäß § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie die mögliche Verletzung des ihr durch Art. 21 des Evangelischen Kirchenvertrages Sachsen eingeräumten subjektiven Rechts auf Schutz des Sonntags geltend machen könne. Die Ansicht, nach der der in den Landeskirchenverträgen garantierte Schutz der Sonntagsruhe nicht über den in Art. 139 WRV ohnehin garantierten Schutz hinausgehen könne, verkenne, dass die Verfassungsnorm keinen abschließenden Charakter habe und die Regelungen nicht deckungsgleich seien; der qualitative Unterschied der kirchenvertraglichen Garantie bestehe darin, dass sie sich nicht nur auf staatlich anerkannte, sondern auf alle kirchlichen Feiertage beziehe.

In der Sache macht die Antragstellerin unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 7.7.2009 (3 C 30/08) geltend, dass die Möglichkeit, die Geschäfte an vier Sonntagen in Folge zu öffnen, den Schutzbereich des Art. 139 WRV verletze. Das den Gemeinden nach § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG eingeräumte Verordnungsermessen, vier verkaufsoffene Sonntage zu bestimmen, sei nicht unbeschränkt, sondern an den Zwecken der Ermächtigungsgrundlage auszurichten. Das Ziel der Ermächtigungsgrundlage bestehe darin, von dem grundsätzlichen Verbot der Sonntagsöffnung nur in ganz eng begrenztem Ausmaß und maximal an vier Sonntagen verteilt über das Jahr Ausnahmen zuzulassen. Das nach Art. 140 GG bzw. Art. 109 Abs. 4 SächsVerf i. V. m. § 139 WRV gebotene hinreichende Niveau des Sonntagsschutzes werde bei der Freigabe von vier Sonntagen in Folge nicht gewährleistet, da dadurch der Wochenrhythmus für einen erheblichen Teil des Jahres außer Kraft gesetzt werde. Vor dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Ausnahmeregelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SächsLadÖffG sei der Verordnungsgeber verpflichtet, wenn er mehrere aufeinanderfolgende Sonntage zur Freigabe wählen wolle, neben der Wahrung des in Art. 139 WRV verankerten Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Förderung einer regionalen Tradition als leitenden Ermessenszweck anzustreben. Derartige regionale Belange, wie etwa die Weihnachtstradition in den Erzgebirgsorten darstelle, könne die Antragsgegnerin für sich nicht in Anspruch nehmen.

Darüber hinaus werde die besondere Funktion der Adventssonntage innerhalb des christlichen Jahreskreislaufs als Vorweihnachtszeit nicht berücksichtigt. Die Adventszeit stelle sowohl auf Grund der christlichen Tradition als auch in der gesellschaftlichen Praxis eine besondere Zeit der Besinnung und der familiären Ruhe dar. Somit sprächen bereits die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gleiches ergebe die Analyse der Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge. Denn bei Stattgabe würde lediglich der vom Gesetz ohnehin vorgesehene Regelzustand hergestellt, wonach ein Öffnen an Sonntagen in aller Regel nicht gestattet sei; bei Ablehnung würde hingegen der von der Grundentscheidung des Gesetzgebers abweichende Ausnahmezustand erhalten bleiben. Allein das ökonomische Interesse des Einzelhandels habe kein dem Sonntagsschutz vergleichbaren verfassungsrechtlichen Stellenwert, wobei auch zu beachten sei, dass nicht nachgewiesen sei, ob eine zusätzliche Öffnung überhaupt eine Steigerung der Umsatzzahlen mit sich bringe oder lediglich zu einer Verlagerung der Einkaufszeiten führe. Soweit bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung als wichtige Gründe i. S. des § 47 Abs. 6 VwGO auch die Interessen der Allgemeinheit mit einzubeziehen seien, sei auf den besonderen Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe hinzuweisen, der nicht nur religiös motivierte Ziele, sondern mit der Erhaltung des tradierten kollektiven Wochen- und Arbeitsrhythmus auch eine wichtige sozialpolitische Funktion habe.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 1 der Verordnung der Stadt Freital über die verkaufsoffenen Sonntage im Jahr 2009 vom 8. Mai 2009 bis zur Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, der Antrag sei weder zulässig noch begründet. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt, da ihr durch den Evangelischen Kirchenvertrag Sachsen kein subjektives Klagerecht eingeräumt werde. Während der Kirchenvertrag in Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 4 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art 6, Art. 6 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3 Satz 1 ausdrücklich Ansprüche normiere, sei dies in Art. 21 nicht der Fall.

Sollten tatsächlich Ansprüche der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche verletzt worden sein, so nicht durch ihre in Einklang mit § 8 SächsLadÖffG stehende Verordnung, sondern durch diese Gesetzesbestimmung selbst. Es sei nicht verständlich, weshalb die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes, ggf. durch Richtervorlage, nicht überprüft werde und statt dessen unter Umgehung dieser eigentlichen Kernfrage Einzelurteile gegen Kommunen gefällt würden. Freilich sei § 8 SächsLadÖffG zu ihrer Überzeugung verfassungsgemäß. Denn in den Kernbereich des Sonn- und Feiertagsschutzes werde nicht eingegriffen; zudem stünden die Befristung nach § 15 SächsLadÖffG und die damit vorgesehene Folgenauswertung einer Rechtsverletzung entgegen.

Selbst wenn die Kirche Hüterin des Sonntagsschutzes sei, so würden doch nicht sie selbst, sondern allenfalls öffentliche oder Schutzinteressen der Bürger Freitals durch eine möglicherweise zu weitgehende Ladenöffnungsregelung verletzt. Es gehe nämlich abstrakt um die religiöse und sozialpolitische Dimension des Sonn- und Feiertagsschutzes.

Überdies fehle es an einem schweren Nachteil als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 5 VwGO. Die Ausführungen der Antragstellerin zu religiösen und sozialpolitischen Aspekten des Sonntagsschutzes, denen angeblich nur geringe ökonomische Interessen der Gewerbetreibenden entgegenstünden, ließen den über Jahrzehnten gewachsenen und von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen Wunsch nach verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen, der sich schließlich deutschlandweit in breiten parlamentarischen Mehrheiten niedergeschlagen habe, außer Acht.

In diesem Zusammenhang sei zu hinterfragen, warum der Rhythmus des Sonntagsempfindens überhaupt und gerade durch die Freitaler Verordnung so erheblich gestört werden solle. Es sei eine willkürliche Behauptung, dass vier über das Jahr verteilte Sonntage weniger in den Schutz des Sonntags eingreifen würden als vier aufeinanderfolgende Sonntage im November/Dezember eines Jahres. Umgekehrt könne ebenso gut argumentiert werden, dass der von der Antragstellerin reklamierte Schutz gerade deswegen erhalten bleibe, weil an elf Monaten im Jahr der Wochenrhythmus der grundsätzlichen sonntäglichen Ruhe nicht gestört werde. Willkürlich sei es ferner, gerade die Freitaler Verordnung herauszugreifen. Im benachbarten Dresden gebe es im Dezember drei verkaufsoffene Sonntage, von denen die Freitaler Bevölkerung erfahre und die sie infolge der hohen Mobilität nutzen werde. So könne es schon von der Grundentscheidung des Gesetzgebers her, den Kommunen bis zur Obergrenze von vier Sonntagen die Ladenöffnung zu gestatten, kaum noch ein einheitliches, rhythmisiertes Gefühl der Sonntagsruhe geben.

Der einzige schwere Nachteil, der sich bei Suspendierung der Verordnung ergebe, trete bei den Freitaler Gewerbetreibenden ein. Denn die Einkaufswilligen würden die naheliegenden Einkaufsmöglichkeiten insbesondere im unmittelbar angrenzenden Dresden nutzen, das mit seiner Oberzentrumsfunktion ohnehin schon viel Kaufkraft absauge. Damit sei der Sonntagsruhe auch nicht gedient. Ein schwerer Nachteil für den Sonntagsschutz sei ferner deshalb nicht ersichtlich, weil auch 2007 und 2008 Freitaler Gewerbetreibende die Möglichkeit der Ladenöffnung an vier Adventssonntagen genutzt hätten, ohne dass dies dem Empfinden des besonderen Charakters des Sonntags geschadet habe.

Am 1. Adventswochenende 2009 (28. und 29.11.2009) werde das traditionelle Kleinbahnfest der Weißeritzbahn durchgeführt, diesjährig zum elften Mal. Es finde neben und auf dem Gelände des Weißeritzparks statt, eines Einkaufszentrums, das an den Sonntagen öffnen wolle. Hier würde eine Schließung vielfältige Unannehmlichkeiten hervorrufen. Am 2. Adventswochenende finde der soziale Weihnachtsmarkt in Freital statt, der seit 2005 vorrangig für sozial Bedürftige durchgeführt werde; auch hier bestehe von verschiedenen Gewerbetreibenden großes Interesse an einer gleichzeitigen Öffnung. Am 3. Adventswochenende werde der seit Jahrzehnten durchgeführte Freitaler Weihnachtsmarkt veranstaltet. Und am 4. Advent (20.12.2009) erwarteten die Händler den größten Umsatz im Weihnachtsgeschäft, weil interessierte Kunden besonders dann Bedarf hätten, Geschenke zu erwerben.

Schließlich könne von Erfolgsaussichten der Hauptsache schon deshalb nicht gesprochen werden, weil eine Hauptsache noch gar nicht anhängig sei.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (1) und hat in dem tenorierten Umfang Erfolg (2).

1. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die Zulässigkeitsvoraussetzung auch für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO ist, sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urt. v. 26.2.1999, NVwZ 2000, 197). Die Antragstellerin hat ihrer Darlegungslast in Bezug auf die Antragsbefugnis mit dem hinreichend substanziierten Vortrag genügt, dass durch die beanstandete Verordnung in den Sonntagsschutz eingegriffen werde, auf den sie sich gegenüber der Antragsgegnerin wegen der Gewährleistung in Art. 21 des Vertrages des Freistaates Sachsen mit den evangelischen Landeskirchen im Freistaat Sachsen (Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen) vom 24.3.1994 berufen könne. Der Vertrag hat durch das Zustimmungsgesetz vom 24.6.1994 (SächsGVBl. S. 1252) den Rang eines auch die Antragsgegnerin bindenden Landesgesetzes erlangt. Nach Art. 21 Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen wird der Schutz des Sonntags und der kirchlichen Feiertage gewährleistet. Damit wird der in Art. 140 GG bzw. 109 Abs. 4 SächsVerf i. V. m. Art. 139 Weimarer Verfassung verankerte Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung, der lediglich eine objektivrechtliche Institutsgarantie ohne subjektive Berechtigung darstellt (BVerfG, Beschl. v. 18.9.1995, NJW 1995, 3378), nicht einfach inhaltsgleich in den Vertrag aufgenommen. Vielmehr erfolgt dies mit der spezifisch religionsfördernden Zielrichtung, dass der Staat den Sonntagsschutz sowie den Schutz der - kirchlichen - Feiertage zu Gunsten der evangelischen Landeskirchen garantiert (vgl. SächsOVG, Urt. v. 7.7.2009 - 3 C 30/08 - und SächsOVG, Beschl. v. 8.5.2008, SächsVBl. 2008, 272 im Anschluss an OVG M-V, Beschl. v. 22.12.1999, NVwZ 2000, 948 zu entsprechenden in Landesrecht transformierten Kirchenvertragsbestimmungen; Westphal, Die Garantie der Sonn- und Feiertage als Grundlage subjektiver Rechte, Diss., Tübingen 2003, S. 182 ff.). Hiernach kann es nicht zweifelhaft sein, dass sich die Antragstellerin auf den Sonntagsschutz als subjektives Recht aus dem Kirchenvertrag berufen kann. Da eine Verletzung durch die mit der Verordnung geschaffenen Sonderöffnungszeiten an Sonntagen auch zumindest möglich ist, ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin für den einstweiligen Rechtsschutzantrag zu bejahen.

Der Einwand der Antragsgegnerin, in anderen Normen des Kirchenvertrags seien Ansprüche oder Rechte der Kirche ausdrücklich benannt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Unterschieden in den Formulierungen kommt lediglich redaktionelle Bedeutung zu. Wenn Art. 21 Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen nicht explizit als Anspruchsnorm formuliert ist, so erklärt sich dies mit der Anlehnung an den Wortlaut des in der Verfassung verankerten Sonn- und Feiertagsschutzes. Gleichwohl handelt es sich der Sache nach um eine Anspruchsnorm, weil der Freistaat die Gewährleistung des Schutzes des Sonntags ohne Einschränkung sowie der Feiertage, soweit es sich um kirchliche handelt, als Vertragspartner der Kirchen übernommen hat. Damit ist der Freistaat und, soweit er die Kommunen zu Regelungen ermächtigt, die den Sonntag berühren, auch diese zu dessen Schutz nicht allein von Verfassungs wegen im öffentlichen Interesse verpflichtet; vielmehr haben sie hierfür zusätzlich in den durch den Kirchenvertrag geregelten Beziehungen zu den Kirchen einzustehen.

Die Erklärung zu Art. 21 Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen, die laut dessen Schlussprotokoll einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bildet, hindert die Annahme der kirchlichen Antragsbefugnis ebenfalls nicht. Die Erklärung bezieht sich nicht auf den Sonntagsschutz, sondern betrifft nur die durch Landesgesetz zu treffende Festlegung gesetzlicher und kirchlicher Feiertage, bei deren Nichtkoinzidenz sie einen besonderen Schutz lediglich der Hauptgottesdienstzeiten vorsieht. Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass es den evangelischen Landeskirchen verwehrt sein soll, sich auf den in Art. 21 des Kirchenvertrags geregelten Sonntagsschutz ohne diese Beschränkung zu berufen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Zulässigkeit schließlich nicht entgegen, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch nicht gestellt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 47 Rn. 156 m. w. N.). Erscheint es nicht realistisch, dass bis zum Außer-Kraft-Treten der angegriffenen Verordnung, hier bis 31.12.2009 (vgl. § 3 der Verordnung), eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen werden kann, so erfordert es Art. 19 Abs. 4 GG, effektiven Rechtschutz im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu gewähren.

2. Der Antrag ist teilweise begründet.

Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der Verordnung der Antragsgegnerin vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut der Vorschrift an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze (BVerfG, Beschl. v. 8.11.1985, BVerfGE 71, 158 [161]; BVerfG, Beschl. v. 8.11.1994; BVerfGE 91, 252 [257 f.]; st. Rspr.) auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Bei der Prüfung, ob die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm dringend geboten ist, muss deshalb ein besonders strenger Maßstab angelegt werden (VGH BW, Beschl. v. 18.12.2000, NVwZ 2001, 827 f.). Danach sind - sofern sich die Hauptsache nicht ausnahmsweise von vornherein als unzulässig oder offensichtlich begründet oder offensichtlich unbegründet erweist - grundsätzlich allein die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen wäre (Senatsbeschl. v. 29.11.2008, SächsVBl. 2008, 71).

Im Streitfall erweist sich der - noch zu stellende - Normenkontrollantrag in der Hauptsache weder als offensichtlich begründet noch als offensichtlich unbegründet. Auf der Grundlage seiner den Beteiligten bekannten Rechtsprechung, an der der Senat auch in Ansehung der Kritik der Antragsgegnerin festhält, überwiegen zwar die Erfolgsaussichten des Antrags (a). Da die maßgebliche Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Freigabe von vier aufeinander folgenden Sonntagen zur Ladenöffnung aber höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ist die Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung zu treffen (b).

a) Es spricht viel dafür, dass die in § 1 der Verordnung getroffene Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, für ihr Stadtgebiet von der durch § 8 Abs. 1 und 2 SächsLadÖffG eröffneten Möglichkeit durch Freigabe der vier Adventssonntage des Jahres 2009 Gebrauch zu machen, fehlerhaft ist. Die Regelung dürfte der Bedeutung des verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsschutzes nicht gerecht werden, keinen verhältnismäßigen Ausgleich mit mindestens gleichrangigen Verfassungsgütern enthalten und auch nicht vollumfänglich einer regionalen Tradition dienen.

aa) Nach § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG dürfen Verkaufsstellen abweichend von § 3 Abs. 1 an jährlich bis zu vier Sonn- oder Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet sein. § 8 Abs. 2 Satz 1 SächsLadÖffG ermächtigt die Gemeinden, diese Tage durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Das der Antragsgegnerin hiernach eingeräumte Verordnungsermessen ist indes nicht unbeschränkt. Es ist auszurichten an den Zwecken der Ermächtigungsgrundlage, mithin in erster Linie an dem Ziel, von dem in § 3 Abs. 2 SächsLadÖffG zum Schutz des Sonntags festgelegten grundsätzlichen Verbot der Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen nur eng begrenzte, namentlich auf maximal vier Sonntage im Jahr beschränkte Ausnahmen zuzulassen. Daraus ergeben sich für die Ausübung des Ermessens folgende Maßstäbe:

(1) Die in Art. 139 WRV enthaltene Garantie des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung genießt aufgrund ihrer Inkorporation durch Art. 140 in das Grundgesetz und durch Art. 109 Abs. 4 in die Sächsische Verfassung selbst Verfassungsrang. Lediglich Art und Ausmaß des Schutzes bedürfen der gesetzlichen Ausgestaltung. Dabei kann der Gesetzgeber - von einem unantastbaren Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe abgesehen - andere Belange als den Schutz der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zur Geltung bringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Schutz des Art. 139 WRV in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt des Sonntags beschränkt. Neben der Möglichkeit der Religionsausübung zielt die Regelung auch auf die Verfolgung weltlicher Ziele wie der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll jedoch grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Ausnahmeregelungen sind von Verfassungs wegen nur zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich. Lässt der Gesetzgeber Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit zu, so ist ihm im Rahmen seines Gestaltungsermessens aufgegeben, dem Auftrag des Art. 139 WRV Rechnung zu tragen und einen Ausgleich mit den anderen durch die Verfassung geschützten Rechtsgütern unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes herzustellen. Dabei kann der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, wie z. B. Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Im Falle der Arbeit für den Sonn- und Feiertag kann die Abwägung zwischen den Freizeitbelangen der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitnehmer durch Arbeit eher zum Zurücktreten des Sonn- und Feiertagsschutzes der betreffenden Arbeitnehmer führen als bei der Arbeit trotz Sonn- und Feiertag. Stets aber muss ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewahrt bleiben (vgl. zu allem BVerfG, Urt. v. 9.6.2004, BVerfGE 111, 10; BVerwG, Urt. v. 25.8.1992, BVerwGE 90, 337 und Urt. v. 15.3.1988, BVerwGE 79, 118).

Dabei hat der Senat im Anschluss an Mosbacher (Sonntagsschutz und Ladenschluss, Diss., Berlin 2007, S. 202 ff.) und Morlok/Heinig (NVwZ 2001, 846 f.) Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG und Art. 109 Abs. 4 SächsVerf den Grundsatz entnommen, dass der Sonntagsschutz in Bezug auf den Sieben-Tages-Rhythmus garantiert und bei der Freigabe von vier aufeinander folgenden Sonntagen zur Ladenöffnung nicht mehr hinreichend gewahrt ist (vgl. Senats- urt. v. 7.7.2009 - 3 C 30/08, mit dem wegen dieser Frage die Grundsatzrevision zugelassen wurde). Danach gebieten die Verfassungsnormen grundsätzlich die Einhaltung dieses Wochenrhythmus und gestatten es nicht, den verfassungsrechtlichen Schutz des Sonntags für einige Wochen gleichsam zu suspendieren. Daraus ergibt sich ferner das Gebot, bei geringerem Schutz mehrerer Sonntage durch ihre Freigabe zur Ladenöffnung zwischen weniger geschützten und mehr geschützten Sonntagen abzuwechseln. Zwar sind die Vorgaben des Art. 139 WRV nicht derart eng zu verstehen, dass der Gesetzgeber einem weniger geschützten Sonntag zwingend einen mehr geschützten Sonntag folgen lassen muss. Dem Grundgedanken der Rhythmisierung, der sich im Ladenschlussrecht auch zu Gunsten der Arbeitnehmer findet (vgl. § 10 Abs. 4 SächsLadÖffG bzw. § 17 Abs. 3 LadSchlG zur Beschäftigungsfreiheit an jedem dritten Sonntag), wird aber jedenfalls die Freigabe von vier aufeinander folgenden Sonntagen in aller Regel nicht mehr gerecht. Der hiergegen gerichtete Einwand der Antragsgegnerin, es lasse sich ebenso gut argumentieren, dem Schutz des Sonntags sei über elf Monate hinweg besser gedient, wenn er über einen Monat zurückgestellt werde, würde nur dann verfangen, wenn es zulässig wäre, den Zeitraum von einem Jahr als quantitativen Bezugsrahmen für den Sonntagsschutz zu wählen. Weder der Verfassung noch dem Kirchenvertrag lässt sich aber eine derartige Beschränkung entnehmen. Vielmehr gewährleisten beide den Sonntag losgelöst von der Betrachtung über einen Jahreszeitraum als siebten Tag der Ruhe, womit allein der Wochenrhythmus angesprochen ist.

(2) Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zum Ladenöffnungsgesetz (LT-Drs. 4/6839) ist es vorrangiges Ziel des Gesetzes, neben dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage die Beschäftigten vor überlangen und sozial ungünstigen Arbeitszeiten zu schützen. Das Gesetz soll einen Ausgleich zwischen den Interessen der Verkaufsstelleninhaber, den im Einzelhandel Beschäftigten und den Verbrauchern herstellen. Dieser Interessenausgleich soll in erster Linie dadurch erreicht werden, dass die bisherigen Ladenöffnungszeiten an Werktagen erweitert werden. Den damit angesprochenen verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Ladeninhaber (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Verbraucher (Art. 2 Abs. 1 GG) soll nach dem Willen des Gesetzgebers zwar auch bei der Freigabe von Sonntagen Rechnung getragen werden. Dabei sollen aber "Ausnahmen nur in engen Grenzen möglich" sein. Zu den Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Ladenöffnung an Sonntagen möglich sein soll, soll zwar nicht mehr die bisher in § 14 Abs. 2 LadSchlG als Tatbestandsmerkmal geregelte Anlassbezogenheit ("aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen") zählen, da diese nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspreche. Ausdrücklich benennt der Gesetzentwurf aber als Zweck der Ermächtigungsgrundlage zur ausnahmsweisen Freigabe von bis zu vier Sonn- oder Feiertagen, regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen (LT-Drs. 4/6839, S. 6). Der untergesetzliche Normgeber ist hiernach verpflichtet, von dem ihm eingeräumten Verordnungsermessen nur zum Zwecke der Berücksichtigung eines spezifischen örtlichen Bedarfs Gebrauch zu machen. Dabei kann er etwa eine unter den ansässigen Verbrauchern und Händlern besonders hohe Akzeptanz der ausnahmsweisen Sonntagsöffnung berücksichtigen oder auf besondere regionale Traditionen abstellen.

Soweit nach dem oben (1) Ausgeführten überhaupt die Freigabe mehrerer aufeinander folgender Sonntage möglich ist, gewinnt der besondere regionale Bedarf bei der Ausübung des dem Verordnungsgeber eingeräumten Freigabeermessens ein gesteigertes Gewicht. Das ist der Entstehungsgeschichte des Ladenöffnungsgesetzes zu entnehmen. Der Gesetzgeber hatte, soweit mehrere aufeinander folgende Sonntage für die Freigabe in Betracht kommen, die Adventszeit im Blick und wollte diese nicht mehr, wie bisher in § 14 Abs. 3 LadSchlG geregelt, von der Freigabemöglichkeit ausnehmen. Damit sollte der Landtagsbeschluss vom 22.9.2005 zum Thema "Ladenöffnung an Adventssonntagen im Rahmen traditioneller Weihnachtsmärkte insbesondere im Erzgebirge" (LT-Drs 4/2485; PlPr 4/28) umgesetzt werden, nach dem "die Staatsregierung alles unternehmen soll, damit in den Innenstädten des Weihnachtslandes Erzgebirge Ausnahmen zur Ladenöffnung an den Adventssonntagen ermöglicht werden" (LT-Drs. 4/6839, S. 6). Dementsprechend sollte durch die Ermächtigungsgrundlage vor allem den Gemeinden im Erzgebirge wieder die Möglichkeit eröffnet werden, "gemäß ihrer regionalen Tradition, an den Sonntagen im Advent die Läden aus Anlass von traditionellen Weihnachtsmärkten oder Bergparaden zu öffnen." In der Begründung des vom Landtag einstimmig beschlossenen Antrags werden des Weiteren der Gemeinwohlbelang der Wirtschaftsförderung im eher strukturschwachen Erzgebirge sowie die Interessen derjenigen Händler hervorgehoben, die sich - auch ohne ein eigens auf den Fremdenverkehr zugeschnittenes Warenangebot zu führen - in das örtliche Gesamtkonzept erheblich einbringen. Beide Belange sind insoweit jedoch nicht losgelöst, sondern nur mit der spezifischen Blickrichtung auf die regionale Weihnachtsmarkttradition zu beachten. Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund ist der Verordnungsgeber verpflichtet, wenn er mehrere aufeinander folgende Sonntage zur Freigabe wählen will, neben der Wahrung des in Art. 139 WRV verankerten Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Förderung einer regionalen Tradition als leitenden Ermessenszweck anzustreben.

(3) Schließlich kann bei der Freigabe die Öffnung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 SächsLadÖffG auf bestimmte Ortsteile und Handelszweige beschränkt werden. Daraus folgt, dass der Verordnungsgeber bei der Freigabeentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen auch darüber zu befinden hat, ob ein Interessenausgleich schon durch diese Beschränkung herbeigeführt werden kann. Ist das der Fall, wäre eine weitergehende Öffnung nicht erforderlich und damit nicht verhältnismäßig.

bb) Gemessen an diesen Maßstäben dürfte die Antragsgegnerin die Grenzen des ihr durch § 8 Abs. 1 und 2 SächsLadÖffG eingeräumten Normsetzungsermessens überschritten haben. Indem sie mit § 1 der angefochtenen Verordnung alle vier Adventssonntage des Jahres 2009 in ihrem Stadtgebiet zur Ladenöffnung freigegeben hat, wird das nach Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG bzw. Art. 109 Abs. 4 SächsVerf gebotene hinreichende Niveau des Sonntagsschutzes voraussichtlich nicht mehr gewahrt. Das gilt ohne Weiteres, wenn - wie die Begründung der Verordnung nahelegt - ausschließlich Wünsche von Interessenvertretungen der Freitaler Händler für die Entscheidung maßgeblich waren. Denn der Zweck der Umsatzförderung ist für sich genommen nicht gewichtig genug, um den Sonntagsschutz über den Zeitraum von vier aufeinander folgenden Sonntagen zurückzustellen. Ein angemessener Interessenausgleich dürfte auch nicht in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Förderung einer regionalen Tradition anzunehmen sein, wenn zusätzlich die Erläuterungen in der Antragserwiderung herangezogen werden. Die Antragsgegnerin verfügt schon nicht über einen traditionell an allen Adventssonntagen abgehaltenen Weihnachtsmarkt; dass der erst seit 2005 für sozial Bedürftige am zweiten Adventswochenende und der seit Jahrzehnten am dritten Adventswochenende stattfindende Freitaler Weihnachtsmarkt besondere Besucherströme aus dem Umland anziehen würden, die im Unterschied zu Kunden aus der eigenen Bevölkerung nicht nur zu einer Umsatzverlagerung, sondern zu einer für die regionale Wirtschaftsförderung bedeutsamen Umsatzsteigerung führen würden, hat sie selbst nicht vorgetragen. Allenfalls das traditionelle Kleinbahnfest der Weißeritztalbahn, das diesjährig am ersten Adventswochenende stattfindet, lässt insoweit wohl einen anderen Schluss zu. Selbst wenn das auch für den traditionellen Freitaler Weihnachtsmarkt am dritten Adventswochenende gelten sollte, wäre die durch § 1 der Verordnung eröffnete Freigabe jedenfalls nicht an allen vier Adventssonntagen gerechtfertigt.

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, sie habe sich strikt an die Vorgaben des § 8 Abs. 1 SächsLadÖffG gehalten, berücksichtigt sie nicht, dass mit dem ausdrücklichen Verzicht auf die bisherige Anlassbezogenheit nicht zugleich auch das Erfordernis eines regionales Bedürfnisses für die Sonntagsöffnung aufgegeben wurde, ohne welches der parlamentarische Gesetzgeber keinen Anlass gehabt hätte, eigene Gestaltungsfreiräume an den örtlichen Normgeber weiterzuleiten. Fehlt es an einem solchen Bedürfnis, verstößt es gegen das in Art. 139 WRV verankerte und vom Gesetzgeber mit § 3 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 und 2 SächsLadÖffG normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis des Sonntagsschutzes, dass in dem angegriffenen Umfang Ausnahmen zugelassen wurden. Schließlich sei im Hinblick auf die Antragserwiderung noch angemerkt, dass der Senat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage hat, weswegen kein Raum für die von der Antragsgegnerin angeregte Richtervorlage nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 3 SächsVerf i. V. m. Art. 100 Abs. 1 GG ist.

b) Nach allem erweist sich der noch zu erhebende Normenkontrollantrag zwar nicht als offensichtlich begründet, da die für die Ermessensüberprüfung maßgebliche Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG bzw. Art. 109 Abs. 4 SächsVerf die Freigabe von vier aufeinander folgenden Sonntagen zulassen, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Ungeachtet dessen ergibt sich aus den dargelegten überwiegenden Erfolgsaussichten aber ein wesentlicher Gesichtspunkt für die danach anzustellende Folgenabwägung.

Die Beurteilung der Folgen, die eintreten würden, wenn die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung nicht erginge, die Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn sie erlassen würde, dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen wäre, führt den Senat zu der Einschätzung, dass die in § 1 der Verordnung enthaltenen Sonntagregelungen nicht in vollem Umfang, sondern lediglich am zweiten und vierten Adventswochenende außer Vollzug zu setzen sind. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, hätte die Hauptsache aber Erfolg, so wäre zu Unrecht in den Schutz aller Adventssonntage des Jahres 2009 eingegriffen worden. Der Schutzzweck, eine Atmosphäre zu schaffen, in welcher nicht allein religiöse Betätigung ermöglicht, sondern auch ein dem Gottesdienst und der sonstigen seelischen Erhebung günstiges Umfeld der äußeren und inneren Ruhe - frei von Hetze und Geschäftigkeit - gewährleistet werden soll, liefe somit für einen vollständigen Monat leer. Es kommt hinzu, dass die Verordnung bereits zum Ende des Jahres außer Kraft tritt, so dass sich aus einer nachträglich festgestellten Rechtswidrigkeit der Verordnung keine Konsequenzen ergäben. Würde die einstweilige Anordnung erlassen, wäre dem Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen, so träte der Nachteil ein, dass es den Ladenbetrieben an den vorgesehenen Öffnungszeiten zu Unrecht versagt worden wäre, mit Kundschaft in Kontakt zu treten, Waren zu verkaufen und Umsatz zu erzielen, was insoweit auch vom Schutzbereich des Art. 12 und 14 GG bzw. Art. 28 und 31 SächsVerf umfasst ist. In die Betrachtung wird man zudem einzustellen haben, dass dann möglicherweise auch Kundeninteressen nachteilig betroffen wären. Dem Senat erscheint es in Anbetracht dieser Ausgangslage mit den bezeichneten widerstreitenden Interessen angemessen, einen sachgerechten Ausgleich herbeizuführen, der darin liegt, dass § 1 der Verordnung am 6. und 20. Dezember vorläufig außer Vollzug gesetzt wird mit der Folge, dass nur der erste Adventssonntag am 29. November 2009 und der dritte Adventssonntag am 13. Dezember 2009 - wie nach der Verordnung vorgesehen - verkaufsoffen bleiben, die dazwischen liegenden Sonntage aber nicht. Damit ist den Händlerinteressen, die mutmaßlich an den traditionellen Veranstaltungen des Kleinbahnfestes und des Freitaler Weihnachtsmarkts am stärksten betroffen sind, in hinreichendem Umfang Rechnung getragen. Auch wird es Ladeninhabern hierdurch noch ermöglicht, sich rechtzeitig auf die veränderte Situation einzustellen und hinsichtlich der getroffenen Vorbereitungen umzudisponieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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