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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.11.2009
Aktenzeichen: 3 B 539/09
Rechtsgebiete: GewO, VwGO


Vorschriften:

GewO § 70 Abs. 3
VwGO § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 539/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Dresdner Striezelmarkt 2009; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis

am 23. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 3. November 2009 - 4 L 594/09 - geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller zum 575. Dresdner Striezelmarkt 2009 in der Zeit vom 26.11. bis 24.12.2009 zuzulassen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.700,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der der Antragsteller primär sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn zum 575. Dresdner Striezelmarkt 2009 in der Zeit vom 26.11. bis 24.12.2009 zuzulassen, ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass sich ein Ermessensfehler der Antragsgegnerin bei der Anwendung der vom Stadtrat am 11.12.2008 beschlossenen Übergangsregelung nicht ausgewirkt habe, gemäß dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO ausreichend in Frage gestellt (1). Der angegriffene Beschluss erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (2).

1. Das Verwaltungsgericht hat einen Ermessensfehler der Antragsgegnerin darin gesehen, dass sie bei der Vergabe der Punkte für das Auswahlkriterium "bekannt" fehlerhaft eine Gesamtbetrachtung aller Spezialmärkte im vorangegangenen Dreijahreszeitraum vorgenommen und die Beurteilung nicht - wie nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen geboten - auf den hier in Rede stehenden Spezialmarkt (Striezelmarkt) beschränkt habe. Der Ermessensfehler habe sich aber nicht ausgewirkt, da ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Aktenauszüge von den 31 bekannten und bewährten Bewerbern in seiner Anbietergruppe 28 Bewerber mit 44 Punkten auch dann eine höhere Punktzahl als der Antragsteller erreicht hätten, wenn bei dem Kriterium "bekannt" nur die Teilnahme an den letzten drei Striezelmärkten berücksichtigt worden wäre. Insofern habe sich zulasten des Antragstellers ausgewirkt, dass er - anders als die Bewerber auf den Plätzen 1 bis 28 und ebenso wie seine im Losentscheid gegen ihn erfolgreiche Mitbewerberin um den letzten Platz 29 - hinsichtlich des Kriteriums "Attraktivität" im Jahr 2008 nicht die Höchstpunktzahl erreicht habe. Diese Ausführungen lassen sich nur dann verstehen, wenn das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass alle 28 Bewerber, die nach der "Zusammenstellung der Bewerber entsprechend der Punktzahl für bekannt/bewährt/neu 34" nebst der "Auswahl nach Bewerbungen ab 2006" (AB 34 - Bl. 1 und 14 ff) zwischen 50 und 44 Punkten (davon jeweils die Höchstzahl von 15 für bewährt und 20 für Attraktivität) erhielten, bei zutreffender Beschränkung auf die letzten drei Striezelmärkte jeweils (3 x 3 =) 9 Punkte für das Kriterium "bekannt" (statt der Höchstzahl von 15 oder weniger nach der Punkteberechnung der Antragsgegnerin) und somit eine Gesamtpunktzahl von 44 (9 für bekannt, 15 für bewährt und 20 für Attraktivität) erreicht hätten. Demgegenüber hat der Antragsteller zutreffend darauf hingewiesen, dass einer der 28 Bewerber (.......) ausweislich der Aktenauszüge (AB 34, Bl. 21) nur an zwei Striezelmärkten (2007 und 2008) teilgenommen hatte. Bei der vom Verwaltungsgericht vertretenen, auf die Teilnahme an Striezelmärkten beschränkten Punktvergabe für das Kriterium "bekannt" hätte dieser Bewerber also nur 41 Punkte (6 für bekannt, 15 für bewährt und 20 für Attraktivität) erzielt, womit der Antragsteller, der an drei Striezelmärkten teilgenommen hatte, ihm mit 42 Punkten (9 für bekannt, 15 für bewährt und 18 für Attraktivität) hätte vorgezogen werden müssen.

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist vielmehr zulässig (a) und begründet (b).

a) Dem Antrag fehlt insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil die Kapazität von 29 Standplätzen bereits ausgeschöpft ist. Der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes fordert eine inhaltliche Kontrolle der Vergabeentscheidung. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Zuteilung eines Standplatzes darf nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil alle Standplätze vergeben sind. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, die angegriffene Vergabeentscheidung zumindest einer summarischen inhaltlichen Prüfung zu unterziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.8.2002, NJW 2002, 3691).

b) Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Der Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung, ist gegeben, da der Striezelmarkt 2009 am 26.11.2009 beginnt und Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht mehr rechtzeitig erlangt werden kann. Der Antragsteller hat auch den Zulassungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Die Versagung der begehrten Zulassung ist ermessensfehlerhaft erfolgt, und bei der gebotenen summarischen Prüfung ist es überwiegend wahrscheinlich, dass das der Antragsgegnerin zustehende Ermessen auf Null reduziert ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Vorwegnahme der Hauptsache zulässig.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin ihre durch § 70 Abs. 3 GewO eingeräumte Ausschlussbefugnis ermessensfehlerhaft ausgeübt hat und über den zu Unrecht abgelehnten Zulassungsantrag des Antragstellers ermessensfehlerfrei nur zu seinen Gunsten entscheiden kann.

Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen durch die Richtlinie zur Regelung des Auswahlverfahrens für die Zulassung zu Spezialmärkten der Landeshauptstadt Dresden vom 11.12.2008 - soweit hier von Belang - antizipierend auf Null dahin reduziert, dass sich die Vergabe der Standplätze nach dem Höchstpunktzahl- ggf. in Kombination mit dem Losprinzip, richtet. Danach erfolgt die Zuweisung unter Berücksichtigung der Anzahl der für die Anbietergruppe und die jeweiligen Kategorien festgelegten Standplätze in der Reihenfolge der erreichten Punktzahl, bis die vergebenen Standplätze vergeben sind. Für den Fall, dass mehrere Bewerber dieselbe Punktzahl in der jeweiligen Anbietergruppe erreichen und nicht ausreichend Standplätze zur Verfügung stehen, entscheidet das Los über die Teilnahme. In Anwendung dieses Prinzips hätte der Antragsteller nicht um den 29. (letzten) Platz am Losverfahren partizipieren müssen. Vielmehr hätte er dem Mitbewerber ....... - wie die Ausführungen unter 1. zeigen - vorgezogen werden müssen. Gleiches gilt im Übrigen im Verhältnis zu einer weiteren Mitbewerberin (.................), die anders als der Antragsteller nur an zwei Striezelmärkten (2006 und 2008) teilgenommen hatte und ihm deshalb bei der vom Verwaltungsgericht vertretenen Beschränkung ebenfalls mit 41 Punkten (6 für bekannt, 15 für bewährt und 20 für Attraktivität) unterlegen gewesen wäre.

Ein anderes Ergebnis ist nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, dass es bei der Vergabe der Punkte für das Auswahlkriterium "bekannt" allein auf den konkreten Spezialmarkt ankommt, erst ab 2012 Rechnung tragen und in Anwendung der Übergangsregelung zur bisher bestehenden Zulassungsrichtlinie vom 11.12.2008 die bislang für die Teilnahme an Spezialmärkten jedweder Art erworbenen Punkte (in Bezug auf das Kriterium "bekannt": jeweils 3, maximal 15) jeweils für die letzten drei Jahre bis einschließlich 2011 aus Gründen des Vertrauensschutzes fortführen will. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, es sei der Antragsgegnerin unbenommen, ihre Verwaltungspraxis aus sachgerechten Gründen zu ändern. Das etwaige Vertrauen anderer Bewerber auf eine Verwaltungspraxis, deren Rechtswidrigkeit spätestens seit der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 18.9.2008 - 1 L 474/08 - bekannt sei, möge allenfalls im Verhältnis zu Bewerbern, die sich im Vertrauen auf eine für sie günstige Auswahlentscheidung in den vergangenen Jahren auch an weniger attraktiven Spezialmärkten beteiligt hätten, zu berücksichtigen sein, wobei offen sei, ob dies zu einer Zulassung dieser Bewerber außerhalb der Kapazität oder allein zu Sekundäransprüchen führen könne. Das (möglicherweise) schutzwürdige Vertrauen anderer Bewerber könne jedoch nicht eine rechtswidrige Auswahlentscheidung zulasten derjenigen Marktbeschicker rechtfertigen, die in nicht zu beanstandender Weise von ihrer Unternehmensfreiheit, nur an einem bestimmten Spezialmarkt teilzunehmen, Gebrauch gemacht hätten. Der Senat sieht keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, zumal die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung pauschal auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses Bezug nimmt und damit dieser Auffassung selbst nicht mehr entgegentritt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung der Vorinstanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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