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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: 3 B 581/01
Rechtsgebiete: RuStAG v. 22.7.1913, StAngRegG


Vorschriften:

RuStAG v. 22.7.1913 § 4
StAngRegG § 1 Abs. 1 Ziff. d
Eine durch Aufnahme in die Deutsche Volksliste erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nach der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die Deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4.3.1941 kann wegen einer Wehrmachtszugehörigkeit nur in Rede stehen, wenn die Einberufung zur Wehrmacht nach dem 2.10.1942 erfolgte
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 581/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler und den Richter am Verwaltungsgericht Grau

am 27. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21. Juni 2001 - 3 K 1117/97 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 8.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der nach § 124 a Abs. 1 VwGO in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21.6.2001 ist nicht begründet. Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises gerichtete Klage des Klägers abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine deutsche Staatsangehörigkeit des am 11.3.1967 in Polen geborenen Klägers nicht anzunehmen sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Staatsangehörigkeit durch Geburt (§ 4 RuStAG vom 22. Juli 1913) von seinem Vater erworben habe, da dieser die deutsche Staatsangehörigkeit wiederum nicht von dessen Vater erworben haben könne; hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der am 16.6.1912 in Kamin/Polen geborene Großvater des Klägers deutscher Staatsangehöriger gewesen sei, lägen nicht vor. Im Klageverfahren und in einem von dem Kläger des Weiteren betriebenen Verfahren nach dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz hatte dieser den Geburtsort des Großvaters u. a. mit "Kamin/Krs Kalisch" angegeben und damit die nordöstlich der Stadt Kalisch gelegene Ortschaft Kamin (Kamien) angesprochen, die im Jahre 1912 zum damaligen - und in Personalunion mit Russland bestehenden - Königreich Polen gehörte. Während des 2. Weltkrieges wurde diese Ortschaft Teil der nach Abschluss des deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrages vom 28.9.1939 (RGBl. 1940, II, III) eingegliederten Ostgebiete.

Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ein, dass wegen der Wehrmachtszugehörigkeit seines Großvaters - der zudem Offizier gewesen sei - der erste Anschein dafür spreche, dass dieser in die Deutsche Volksliste in den eingegliederten Ostgebieten vom 4.3.1941 eingetragen worden sei und damit die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich wegen dieser - und den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzenden - Erwägung nicht. Bei der gegebenen Sachlage kann wegen der Wehrmachtszugehörigkeit des Großvaters nicht angenommen werden, dass dieser rechtswirksam die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat; ein typischer Sachverhalt, bei dem erfahrungsgemäß eine deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen wäre, liegt ersichtlich nicht vor.

Zunächst ist zu bemerken, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Aufnahme in die Deutsche Volksliste (sh. dazu: § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die Deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4.3.1941; abgedruckt in: von Schenckendorff, Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsrecht, C 20.1.3.6) - die deutsche Besatzung in Polen betrieb eine aktive Eindeutschungspolitik und teilte zu diesem Zweck die Bevölkerung in der genannten Volksliste in vier Abteilungen ein - nur dann als rechtswirksam anerkannt werden könnte, wenn die Staatsangehörigkeit zum einen durch Aufnahme in diese Volksliste von deutschen Volkszugehörigen erworben und des Weiteren diese Staatsangehörigkeit nicht ausgeschlagen wurde. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Ziff. d des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.2.1955 (StAnGRegG). Danach sind deutsche Volkszugehörige, die in die Deutsche Volksliste eingetragen wurden, Deutsche Staatsangehörige geworden, es sei denn, dass sie diese Staatsangehörigkeit durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlagen haben oder noch ausschlagen. Durch diese Regelung wird demnach nicht nachträglich die deutsche Staatsangehörigkeit an Personen verliehen, die in die Deutsche Volksliste eingetragen wurden, sondern deklaratorisch festgestellt, dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen eine durch die Aufnahme in die Volksliste erworbene Staatsangehörigkeit als rechtswirksam anerkannt wird.

Diese Voraussetzungen für einen rechtswirksamen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die vom Kläger angesprochene Wehrmachtszugehörigkeit seines Großvaters kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme ist, dass dieser zuvor durch Aufnahme in die Deutsche Volksliste deutscher Staatsangehöriger geworden war. Dies ergibt sich deshalb, weil keine Erkenntnisse darüber vorliegen, zu welchem Zeitpunkt die entsprechende Einberufung zur Wehrmacht erfolgte.

Eine Aufnahme des Großvaters in die deutsche Volksliste könnte wegen dessen Wehrmachtszugehörigkeit nur dann angenommen werden, wenn dieser nach dem 2.10.1942 einberufen worden wäre. Denn erst ab diesem Zeitpunkt wurden nur deutsche Staatsangehörige einberufen, nachdem zuvor auch fremde Staatsangehörige zur Wehrmacht eingezogen wurden. Dies folgt aus dem Erlass des Reichsministers des Innern vom 24.10.1942 (abgedruckt in: von Schenckendorff, aaO, C 20.1.3.6; im Folgenden: Erlass v. 24.10.1942) und dem Erlass des Oberkommandos der Wehrmacht vom 2.10.1942 (abgedruckt in: von Schenkendorff, aaO, C 21.5.60; im Folgenden: Erlass v. 2.10.1942). In dem Erlass v. 24.10.1942 wird u. a. ausgeführt, dass vielfach ehemals polnische und Danziger Staatsangehörige zur Wehrmacht eingezogen worden seien, bevor über deren Aufnahme in die Deutsche Volksliste entschieden worden sei. Zur Vermeidung der sich daraus ergebenden "Unzuträglichkeiten" sei daher durch Erlass v. 2.10.1942 angeordnet worden, dass eine Einziehung von ehemals polnischen und Danziger Staatsangehörigen erst erfolgen könne, wenn in den eingegliederten Ostgebieten die Betreffenden in die Abteilungen 1 bis 3 der Deutschen Volksliste aufgenommen worden wären. Daraus wird ersichtlich, dass zunächst auch Personen zur Wehrmacht eingezogen wurden, die nicht deutsche Staatsangehörige waren, und erst nach dem 2.10.1942 eine Einberufung nur von deutschen Staatsangehörigen erfolgte (BVerwG, Urt. v. 12.12.1995, NJW 1996, 2111). Wegen der hier in Rede stehenden Wehrmachtszugehörigkeit des Großvaters des Klägers könnte demzufolge eine von ihm durch die Aufnahme in die Volksliste erworbene deutsche Staatsangehörigkeit angenommen werden, wenn sein Eintritt in die Wehrmacht nach dem 2.10.1942 erfolgt wäre. Dafür sprechende Anhaltspunkte hat der Kläger jedoch weder vorgebracht, noch sind diese ansonsten ersichtlich. Der Kläger hat lediglich geltend gemacht, dass sein Großvater Wehrmachtszugehöriger gewesen sei, ohne hierzu weiter auszuführen. Anfragen des Beklagten bei der deutschen Dienststelle - Wehrmachtsauskunftsstelle -, dem Bundesverwaltungsamt und dem Bundesarchiv erbrachten ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse.

Liegen damit keine Anhaltspunkte vor, wonach der Großvater nach dem 2.10.1942 zur Wehrmacht einberufen wurde, ist die in Rede stehende Wehrmachtszugehörigkeit bereits kein hinreichender Umstand, wegen dessen eine Aufnahme in die Volksliste anzunehmen wäre.

Von einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wegen der Wehrmachtszugehörigkeit kann auch nicht wegen des Vorbringens des Klägers ausgegangen werden, wonach sich aus der von ihm vorgelegten Fotografie seines Großvaters in Wehrmachtsuniform ergebe, dass dieser Offizier gewesen sei. Es bedarf insoweit keiner weiteren Prüfung, ob - wie der Kläger meint - nur deutsche Staatsangehörige den Rang eines Offiziers in der Wehrmacht erreichen konnten (sh. dazu etwa: § 1 Satz 2 des Erlasses über die Zulassung deutscher Volkszugehöriger zum freiwilligen Eintritt in die deutsche Wehrmacht vom 19.4.1940 des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, wonach deutschen Volkszugehörigen - und damit auch fremden Staatsangehörigen - im Generalgouvernement auch in wehrpolitischer Hinsicht die gleichen Rechte und Ehren wie den deutschen Reichsangehörigen zugesprochen wurden; abgedruckt in: von Schenckendorff, aaO, C 21.5.10). Eine weitere Erörterung hierzu ist entbehrlich, weil die vom Kläger vorgelegte Fotografie keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme bietet, dass der Großvater Offizier gewesen ist, da darauf keine Offiziersuniform abgebildet sein dürfte. Zum einen ist auf der abgebildeten Schirmmütze keine für Offiziersmützen kennzeichnende Kordel angebracht. Des Weiteren entsprechen auch weder die Schulterklappen noch die Kragenabzeichen der abgebildeten Jacke den Merkmalen einer Offiziersuniform. Bei der abgebildeten Uniform dürfte es sich allem Anschein nach um eine Ausgehuniform des Mannschaftsdienstgrades der Infanterie bis zum Rang eines Feldwebels handeln.

Die vom Kläger vorgebrachte Wehrmachtszugehörigkeit ist damit kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme einer - durch Eintragung in die Volksliste erworbenen oder ansonsten bestehenden - deutschen Staatsangehörigkeit seines Großvaters, weshalb sich aufgrund dieser Erwägung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben und der Zulassungsantrag abzulehnen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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