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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.07.2009
Aktenzeichen: 3 B 60/06
Rechtsgebiete: VersammlG


Vorschriften:

VersammlG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 3 B 60/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Auflagen zur Versammlung vom 8.6.2002

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein ohne mündliche Verhandlung

am 28. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 24. November 2005 - 3 K 1386/02 - geändert, soweit die Feststellungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2002 hinsichtlich der Auflagen Nr. 7 (Verbot von mehr als 30 Fahnen und Plakatpappen sowie von Fackeln), Nr. 8 (Verbot des Marschierens in geschlossenen Blöcken, Zügen oder Reihen), Nr. 12, soweit damit das sichtbare Tragen von Emblemen oder Tätowierungen, die "Hass" bedeuten sowie das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften verboten wird, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie "NS", "NSD", "NSDA", "NSDAP", "SS", "SA", "A.C.A.B", "14", "18", "88" ergeben kann, und Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand" verboten wurde, abgewiesen wurde. Es wird festgestellt, dass der Bescheid in diesem Umfang rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit versammlungsrechtlicher Auflagen.

Der Kläger meldete am 11.12.2001 bei der Beklagten für den 8.6.2002 eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel und einen Aufzug unter dem Motto "Ruhm und Ehre den deutschen Wehrmachtsoldaten" für eine erwartete Teilnehmerzahl von 2.000 Personen an.

Mit Bescheid vom 27.5.2001 verfügte die Beklagte zahlreiche Auflagen, gegen die der Kläger teilweise Widerspruch einlegte.

Nach Durchführung der Versammlung hat der Kläger am 27.8.2002 Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24.11.2005 hinsichtlich vier Auflagen (Festlegung des Demonstrationsendes, Mitführen von Seitentransparenten, Redeverbote für zwei Personen, Aufstellen von Toiletten) stattgegeben und die es hinsichtlich der Verbotsauflagen Nr. 6 (Tragen von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischer Kopfbedeckung), Nr. 7 (Mitführen von mehr als 30 Fahnen und Plakatpappen sowie von Fackeln), Nr. 8 (Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen im Gleichschritt), Nr. 12 (sichtbares Tragen bestimmter Embleme oder Tätowierungen, Tragen von Kleidungsstücken mit bestimmten Buchstaben- und Zahlenfolgen) und Nr. 13 (Rufen bestimmter Parolen) im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen hat:

Das Verbot des Tragens von militärischen Kopfbedeckungen, Springerstiefeln und Bomberjacken sei nicht zu beanstanden, da diese Bekleidung, sofern sie durch eine Vielzahl von Versammlungsteilnehmern getragen werde, gegen das in § 3 VersammlG normierte Uniformverbot verstoße. Soweit die Zahl und Art der mitgeführten Fahnen und Plakattafeln beschränkt und Fackeln verboten würden, sei dies im Hinblick auf die konkrete Versammlung rechtmäßig. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, wonach die Begrenzung geboten sei, um keine Erinnerungen an nationalsozialistische Kundgebungen aufkommen zu lassen. Dieser Eindruck könne unabhängig von der Gestaltung der Fahnen durch deren massenweisen Einsatz hervorgerufen werden und sei darüber hinaus geeignet, unbefangene Beobachter zu verängstigen und Gegner der Veranstaltung bis hin zu wechselseitigen Gewalttaten zu provozieren. Ergänzend wird auf die Erinnerung an nationalsozialistische Fackelzüge während des "Dritten Reichs" sowie darauf abgestellt, dass die Verwendung von Fackeln vor allem im Hinblick auf das Versammlungsmotto die Assoziation an den Nationalsozialismus hervorgerufen hätte. Damit habe es sich um eine Modalität der Versammlung mit einer erheblichen Provokationswirkung gehandelt, die geeignet gewesen wäre, das friedliche Zusammenleben der Bürger konkret zu beeinträchtigen. Gleiches gelte für das Verbot des Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen im Gleichschritt. Hierdurch sollten Einschüchterungseffekte durch uniforme Militanz und durch eine sich unmittelbar aufdrängende Assoziation mit Aufmärschen in den dreißiger Jahren verhindert werden. Auch die Untersagung der im Bescheid aufgeführten Parolen ("Ruhm und Ehre der Waffen SS", "Wir sind wieder da" , "Wir kriegen euch", "Wir kriegen euch alle" sowie aller Parolen mit der Wortfolge "Nationaler Widerstand") sei unter dem Aspekt der Störung der öffentlichen Ordnung rechtmäßig. Der kämpferische und in militärische Begriffe abgleitende Sprachgebrauch lege die die konkrete Befürchtung nahe, dass die Versammlungsteilnehmer versuchen würden, der Veranstaltung ein einschüchterndes Gepräge zu verleihen. Das gemeinsame Skandieren dieser Parolen verfolge die Absicht, eine Überlegenheit des Deutschen Volkes im Sinne einer ausschließlichen Blutsgemeinschaft zu propagieren. Auf diese Weise werde eine militante, aggressive und fremdenfeindlichen Stimmung erzeugt, die die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährde. Jedenfalls die Gesamtheit dieser Parolen erwecke bei deren Verwendung durch die Teilnehmer dieser Versammlung den Eindruck, dass an den Nationalsozialismus in all seinen Erscheinungsformen angeknüpft werde.

Gegen den klageabweisenden Teil des dem Kläger am 13.1.2006 zugestellten Urteils hat der Kläger am 17.1.2006 die durch das Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:

Das Tragen militärischer Kopfbedeckungen sowie von Bomberjacken und Springerstiefeln verstoße nicht gegen das Uniformverbot der §§ 3, 28 VersammlG. Es könne sich zwar um Uniformteile handeln, zwingend und im Streitfall sei dem aber nicht so. Viele Teilnehmer verfügten über keine anderen Kleidungsstücke. Die Jacken und Stiefel seien zudem der englischen und amerikanischen Militärkleidung, nicht jedoch Uniformen aus der Zeit des Dritten Reiches nachgebildet. Auch fehle die totale Gleichförmigkeit der Kleidung, wie sie für nationalsozialistische Aufmärsche kennzeichnend gewesen sei. Er sei im Übrigen damit verstanden, wenn die Auflage dahin beschränkt würde, dass Bomberjacken mit dem Futter nach außen und Springerstiefel nur unter den Hosenbeinen getragen werden dürften. Die verbotene Anzahl von mehr als 30 Fahnen und Plakatpappen führe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dazu, dass die Versammlung wie ein nationalsozialistischer Aufmarsch aussehen würde. Derartige Aufmärsche hätten sich durch gleichförmige Regie des Hebens und Senkens der hundertfach mitgeführten Hakenkreuzfahnen ausgezeichnet; demonstrationsübliche Plakatpappen seien nicht gezeigt worden. Bei den Versammlungen des Klägers gebe es weder eine einheitliche Regie noch einheitliche Fahnen, sondern ein buntes Fahnenmeer, bestehend aus der Deutschlandfahne, den Fahnen der Bundesländer, schwarzen und sonstigen Fahnen. Die konkrete Versammlung habe aus etwa 2.000 Teilnehmern bestanden. Damit hätten nur 60 Personen eine Fahne oder ein Plakat zeigen dürfen, die große Masse aber nicht. Dafür gebe es keinen sachgerechten Grund, zumal bei anderen Versammlungen, etwa von gewerkschaftlichen Veranstaltern, massenweise Gewerkschaftsfahnen getragen würden. Fackeln seien ebenfalls keine typisch nationalsozialistischen Symbole oder Riten, sondern würde bei allen feierlichen Anlässen oder zu Versammlungen bei (anbrechender) Dunkelheit getragen und versinnbildlichten häufig - und hier auch passend zum Versammlungsmotto - den Tod. Für das Verbot des Marschierens in Blöcken, Zügen und Reihen im Gleichschritt gebe es keine Rechtsgrundlage. Es erhebe sich die Frage, wie bei einer Demonstration anders als in unter Polizeischutz geformten Blöcken gelaufen werden solle; teilweiser Gleichschritt lasse sich bei 2.000 Personen nicht vermeiden. Zudem sei nochmals zu betonen, dass der Kläger nicht vorhabe, der Versammlung ein militärisches Gepräge zu verleihen, indem er Gleichschritt anordne oder kommandiere. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht ferner der Auffassung, dass Embleme oder Tätowierungen, die "Hass" bedeuteten, wie Totenköpfe und das Wort "Hass", oder Buchstabenkombinationen und Zahlenfolgen, sie NS, NSD, NSDA, NSDAP, SS, SA, ACAB, 14, 18 und 88 der Versammlung eine einschüchternde Wirkung verleihen würden. Diese Verbotsauflage sei zudem unbestimmt. Die Zahlenfolgen 88 und 14 seien mehrdeutig. Dass man Hass auf etwas haben könne, z. B. auf Lügen mancher Politiker oder die Verteufelung der eigenen Vorfahren, sei eine Äußerung, die unter die Meinungsfreiheit falle. Auch die verbotenen Parolen hätten keine einschüchternde, militante Wirkung und sprächen nicht die Überlegenheit des deutschen Volkes in Anknüpfung an den Nationalsozialismus aus. Nationaler Widerstand sei etwas Passives und nichts Aktives. Mit dieser Parole werde nur gezeigt, dass die eigenen Anhänger standhaft bleiben sollten, an andere Personen sei diese unter die Meinungsfreiheit fallende Parole nicht gerichtet. "Wir sind wieder da" bedeute lediglich, dass trotz zahlreicher Strafverfahren und Verbote der Kläger wiederum demonstriere und sich durch diese Verfahren nicht von seinen Auftritten in der Öffentlichkeit abhalten lasse. "Wir kriegen euch alle" sei eine mehrdeutige, ebenfalls von der Meinungsfreiheit geschützte Aussage. Sie könne als Verfolgung gemeint sein, könne aber auch bedeuten, dass die Teilnehmer der Versammlung alle anderen, die noch nicht bei ihrer Versammlung mitmachten, demnächst als Anhänger gewinnen oder "kriegen" würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 24.11.2005 abzuändern und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 27.5.2002 hinsichtlich der Auflagen Nr. 6 (Verbot von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischer Kopfbedeckung), Nr. 7 - Satz 2 (Begrenzung der Anzahl der Fahnen und Plakatpappen auf 30 Stück), Nr. 8 (Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen im Gleichschritt), Nr. I.12 (sichtbares Tragen bestimmter Embleme oder Tätowierungen, Tragen von Kleidungsstücken mit bestimmten Buchstaben- und Zahlenfolgen), Nr. 12 (Verbot von Emblemen und Tätowierungen) und Nr. 13 (Verbot von Parolen) rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, seit den neunziger Jahren habe sich die NPD zur Verfolgung einer aktionistischeren Linie bewusst für Skinheads geöffnet und dadurch ihre Struktur und Bedeutung im Freistaat Sachsen ausgebaut. Sie bediene sich des Gewaltbereitschaft signalisierenden Gestus der Skinhead-Bewegung. Das politische Selbstverständnis der NPD drücke sich vor allem durch eine positive Bezugnahme auf die nationalsozialistische Diktatur aus. Das Tragen von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischen Kopfbedeckungen stelle daher eine bewusste Uniformierung dar, die der Versammlung ein paramilitärisches und einschüchternde Gepräge verliehen. Das Tragen von Fahnen oder Plakaten sei zwar an sich unbedenklich, würde hier aber wegen der politischen Wirkung eines Aufmarsches der NPD der Versammlung in ihrer Gesamtheit einen das friedliche Zusammenleben der Bürger bedrohenden Charakter annehmen, da Assoziationen an den Nationalsozialismus geweckt würden, der von einem Klima der geistigen Gleichschaltung geprägt gewesen sei und Meinungen Andersdenkender zum Anlass für Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung genommen habe. Eine Versammlung, von deren Gesamtcharakter die Missachtung der Menschenwürde ausgehe, sei auch bei Beachtung der Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit nicht mehr durch Art. 8 GG geschützt. Zur Rechtmäßigkeit des Verbots von Fackeln werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen. In der Gesamtschau der Versammlung, namentlich vor dem Hintergrund, dass sich die NPD für die Überwindung der Bundesrepublik Deutschland einsetze und an deren Stelle eine autoritär geführte Volksgemeinschaft setzen wolle, gehe von einer im einzelnen zulässigen Meinungsäußerung und unbedenklichen Verhaltensweisen, wie Marschieren in Blöcken, ein drohender Charakter für die schutzfähigen Anschauungen über ein friedliches Zusammenleben der Bürger aus. Auch das Verbot, während der Versammlung bestimmte Buchstabenfolgen oder Zahlenreihen zu verwenden, sei im Zusammenhang mit den anderen Begleitumständen geeignet, die von der Versammlung konkret zu erwartenden Verstöße gegen strafrechtliche Normen sowie eine einschüchternde Wirkung und damit einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Schließlich sei auch das Verbot bestimmter Parolen in der Gesamtschau der Auflagen zu betrachten. Das Skandieren der untersagten Parolen, die selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus hätten, verliehe der Versammlung ein militantes Gepräge, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten des Senats und des Verwaltungsgerichts sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (1 Heftung) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten über die Berufung ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse zutreffend unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr bejaht, die Klage aber hinsichtlich eines Teils der im Berufungsverfahren noch streitgegegenständlichen Auflagen zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Auflagen Nr. 7 (Verbot von mehr als 30 Fahnen und Plakatpappen sowie von Fackeln), Nr. 8 (Verbot des Marschierens in geschlossenen Blöcken, Zügen oder Reihen), Nr. 12, soweit damit das sichtbare Tragen von Emblemen oder Tätowierungen, die "Hass" bedeuten sowie das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften verboten wird, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie "NS", "NSD", "NSDA", "NSDAP", "SS", "SA", "A.C.A.B", "14", "18", "88" ergeben kann, und Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand" verboten wurde, rechtswidrig waren (1). Hinsichtlich der weiteren noch streitbefangenen Auflagen Nr. 6 (Verbot von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischen Kopfbedeckungen) und Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir kriegen euch" und "Wir kriegen euch alle" verboten wurde, hat das Verwaltungsgericht die Klage hingegen zu Recht abgewiesen, da diese rechtmäßig waren (2).

1. Die Klage hat im Hinblick auf die nachfolgend genannten Auflagen Erfolg. Denn diese Auflagen dienten nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen nicht der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung und waren damit nicht von § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage gedeckt. Im Einzelnen:

a) Auflage Nr. 7 (Verbot von mehr als 30 Fahnen und Plakatpappen sowie von Fackeln)

Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Verwendung einer größeren als der zugelassenen Anzahl von Plakatpappen und Fahnen sowie durch das Mitführen von Fackeln war nicht erkennbar und wird von der Beklagten selbst nicht geltend gemacht. Es erschließt sich auch nicht, warum hierdurch die öffentliche Ordnung unmittelbar hätte gefährdet sein können. Unter öffentlicher Ordnung wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung kann beispielsweise bestehen bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer, durch das ein Klima potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird, oder wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken der vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, NVwZ 2008, 671; BVerfG, Beschl. v. 5.9.2003, NVwZ 2004, 90). Vorliegend hat die zahlenmäßige Begrenzung von Plakatpappen und Fahnen sowie das Verbot des Mitführens von Fackeln nicht der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung gedient, die in diesem Sinne aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgten.

Hinsichtlich der zahlenmäßigen Begrenzung der Plakatpappen folgt dies bereits daraus, dass es an jeglicher Begründung im angefochtenen Bescheid fehlt. Das Mitführen von Plakaten ist eine versammlungstypische Form gemeinsamer Meinungskundgabe, aus der allein nicht jene versammlungsspezifischen Wirkungen abgeleitet werden können, die zu der bloßen Äußerung bestimmter Meinungsinhalte hinzutreten müssen, um Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a. a. O.). Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung vorträgt, bei dem Tragen von Plakaten - sowie auch von Fahnen - gehe es um einzelne je für sich unbedenkliche Verhaltensweisen, die in ihrer Gesamtheit der Versammlung einen die schutzfähigen Anschauungen über ein friedliches Zusammenleben der Bürger bedrohenden Charakter geben würden, da Assoziationen an den Nationalsozialismus geweckt würden, ergibt sich daraus keine nachvollziehbare Begründung für die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Die Auffassung, mehr als jeweils 30 Plakate und Fahnen könnten unabhängig von ihrem Inhalt und ihrem nicht verbotenen Charakter Assoziationen zum Nationalsozialismus hervorrufen, ist ohne Bezug auf spezifische mit der Art und Weise der Durchführung der Versammlung verbundene Gefahrenmomente schon im Ansatz nicht verständlich. Einschüchternde, aggressive oder sonst unfriedliche Begleitumstände, die die Gefahrenprognose der Beklagten tragen könnten, wurden insoweit nicht festgestellt. Sie lassen sich jedenfalls nicht allein daraus ableiten, dass es eine rechtsextremistische, aber durch das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärte Partei ist, die eine größere Anzahl von Plakaten und Fahnen mitführen will.

Die Rechtswidrigkeit des Verbots des Mitführens von Fackeln hat der Senat in seinem Urteil vom 4.6.2009 (3 B 59/06 - als Anlage für die Beklagte beigefügt) eingehend und im Wesentlichen damit begründet, dass ihnen ein spezifisch nationalsozialistischer Symbolgehalt nicht zugeordnet werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf vollumfänglich Bezug genommen. Auch soweit das Verwaltungsgericht ergänzend auf das Motto der Versammlung ("Ruhm und Ehre den deutschen Wehrmachtsoldaten") abgestellt hat, ist eine abweichende Beurteilung nicht gerechtfertigt. Denn der Kläger verstand die Fackel als ein Sinnbild des Todes und wünschte ihren Einsatz mit Bezug auf das Motto zum Gedenken an die Wehrmachtsoldaten, namentlich den im Krieg Gefallenen. Darin kann kein Ritus oder Symbol der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gesehen werden.

b) Rechtswidrig war auch die Auflage Nr. 8 (Verbot des Marschierens in geschlossenen Blöcken, Zügen oder Reihen). Zur Begründung wird in vollem Umfang auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13.7.2009 (3 B 137/06) verwiesen. Die Berufungserwiderung der Beklagten gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.?

c) Die Auflage Nr. 12, mit der - soweit angegriffen - das sichtbare Tragen von Emblemen oder Tätowierungen, die "Hass" bedeuten (wie z. B.: Bilder von Totenköpfen, Schriftzug Hass usw.) sowie das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften verboten wird, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie "NS", "NSD", "NSDA", "NSDAP", "SS", "SA", "A.C.A.B", "14", "18", "88" ergeben kann, ist ebenfalls nicht von der Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 1 VersammlG gedeckt.

aa) Was Embleme oder Tätowierungen mit der Bedeutung "Hass" anbetrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Auflage Nr. 12 nicht angegriffen hat, soweit dadurch das sichtbare Tragen von Emblemen oder Tätowierungen untersagt wurde, "die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stehen". Da dieser erste Teil der Auflage bereits die gegen § 86a Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB verstoßende Verwendung des Totenkopfs erfasst, der das Emblem der Waffen-SS auf der Schirmmütze darstellt oder ihm zum Verwechseln ähnlich ist, ist der allein angegriffene weitere Teil der Auflage dahin zu verstehen, dass mit ihm das sichtbare Tragen aller anderen Totenkopfembleme verboten werden soll. Soweit damit der Totenkopf als Kennzeichen einer unanfechtbar verbotenen Vereinigung, etwa der verbotenen Hells Angels Vereine in Hamburg oder Düsseldorf, erfasst wird, kommt eine versammlungsrechtliche Auflage, die seine Verwendung untersagt, grundsätzlich zur Abwehr einer Verletzung der öffentlichen Sicherheit in Form des Verstoßes gegen § 86a Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Betracht. Vorliegend fehlt es aber an der weiteren Voraussetzung des § 15 Abs. 1 VersammlG, dass konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Gefahrenlage sprachen. Der angefochtene Bescheid enthält hierzu ebenso wenig eine Begründung wie die Berufungserwiderung. Feststellungen zu konkreten Umständen, die die Annahme nahelegten, dass Versammlungsteilnehmer die Absicht hatten, die Kennzeichen verbotener Vereinigungen oder ihnen zum Verwechseln ähnelnde Embleme zu tragen, wurden nicht getroffen. Soweit die Verwendung anderer Totenkopf- und Hasszeichen untersagt werden sollten, ist unterhalb der Schwelle eines Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Insbesondere dann, wenn die Versammlungsteilnehmer beabsichtigt hätten, durch das massenhaft sichtbare Tragen dieser Zeichen aggressiv und provokativ aufzutreten, die Bürger einzuschüchtern oder Gewaltbereitschaft zu erzeugen, wäre eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung anzunehmen. Tragen Teilnehmer einer größeren Versammlung derartige Zeichen dagegen nur vereinzelt oder als Ausdruck diffusen Hasses, ohne damit ein Klima der Gewaltdemonstration signalisieren zu wollen, so dürfte eine die öffentliche Ordnung gefährdende einschüchternde Wirkung auf Unbeteiligte eher nicht zu gewärtigen sein. Konkrete Umstände, die ersteres erkennen ließen, waren jedoch im Zeitpunkt der Erteilung der Auflage weder festgestellt noch erkennbar.

bb) Zur Rechtswidrigkeit des Verbots des Tragens von Bekleidungsstücken mit den Zahlenfolgen 14, 18 oder 88 hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Berufungserwiderung der Beklagten an seiner im Urteil vom 13.7.2009 (3 B 137/06) begründeten Auffassung fest, dass die Verwendung dieser Zahlencodes weder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit noch zum Schutz der öffentlichen Ordnung nach § 15 Abs. 1 VersammlG untersagt werden konnte. Namentlich erfüllen diese Zahlenfolgen weder einen Straftatbestand nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 2 StGB, noch ist ihr Tragen auf Kleidungsstücken geeignet, die öffentliche Ordnung zu verletzen, da dies voraussetzen würde, dass derartige Zeichen von einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt dem Nationalsozialismus zugeordnet werden, was nicht der Fall ist.

cc) Auch das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstabenfolgen wie "NS", "NSD", "NSDA", "NSDAP", "SS", "SA" und A.C.A.B. ergeben kann, durfte nicht auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützt werden. In dieser Fassung ist die Auflage kein angemessenes Mittel, um der Gefahr der Verwirklichung von Straftatbeständen vorzubeugen. Allerdings erfüllt das sichtbare Tragen nationalsozialistischer Kennzeichen in einer Versammlung den Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Ebenso ist das sichtbare Tragen der Abkürzung A.C.A.B. als Beleidigung (§ 185 StGB) strafbar, wenn sie für die Parole "all cops are bastards" verwendet wird und damit speziell ein oder mehrere der die Versammlung sichernden Polizeibeamten der verunglimpften Personengruppe zugeordnet werden sollen (vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.6.2008, NStZ-RR 2009, 50). Die Auflage verbietet jedoch weder das Tragen von Bekleidungsstücken mit derartigen isolierten Aufschriften noch das durch teilweises Überdecken anderer Aufschriften erfolgende Offenlegen der verbotenen bzw. strafbaren Abkürzungen. Vielmehr untersagt sie ein ohne dieses weitere Zutun erlaubtes Verhalten (vgl. zur fehlenden Strafbarkeit etwa des Tragens von Bekleidungsstücken der Marke CONSDAPLE: OLG Hamm, Beschl. v. 8.10.2003, NStZ-RR 2004, 12). Soweit - was offen bleiben kann - genügende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine erhebliche Anzahl von Teilnehmern der Versammlung Bekleidungsstücke in der beschriebenen Art tragen wollten, mag die Untersagung schon des Tragens ein geeignetes und besonders effektives Mittel zur Vorbeugung von Straftaten gewesen sein. Im Interesse derjenigen Versammlungsteilnehmer, die eine strafbare Verwendung derartiger Bekleidungstücke nicht beabsichtigten, hätte die Beklagte das Verbot aber auf die die Strafbarkeit erst auslösende Handlung des Überdeckens beschränken müssen.

d) Schließlich war die Auflage Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand" verboten wurde, rechtswidrig. Bei beiden Parolen handelt es sich um Meinungsäußerungen, deren Inhalt nicht im Rahmen von Art. 5 GG unterbunden und mit dem daher eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden kann (vgl. zur Parole "Nationaler Widerstand": BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a. a. O.). Im Ansatz zutreffend hat daher das Verwaltungsgericht die in § 15 Abs. 1 VersammlG vorausgesetzte Gefahr für die öffentliche Ordnung nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung abzuleiten gesucht. Es hat jedoch zu Unrecht hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Gefahrenlage bejaht. Das Skandieren von Parolen ist eine versammlungstypische Ausdrucksform und gestattet es für sich genommen nicht, auf jene versammlungsspezifischen Wirkungen zu schließen, die zu der bloßen Äußerung bestimmter Meinungsinhalte hinzutreten müssen, um Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen. Soweit die Beklagte annimmt, dass die untersagten Parolen selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus hätten und ihr Skandieren der Versammlung ein militantes Gepräge verliehe, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke, folgt dem der Senat für die Parolen "Wir kriegen euch" und "Wir kriegen euch alle" (siehe nachfolgend unter 2.b), nicht aber für die Parolen "Wir sind wieder da" und "Nationaler Widerstand".

Die Auffassung der Beklagten und ihr folgend des Verwaltungsgerichts, die Parole "Nationaler Widerstand" sei gerechtfertigt, weil das rechtsextreme politische Spektrum in der Vergangenheit hierunter die Überlegenheit des deutschen Volkes als eine Art ausschließlicher Blutsgemeinschaft propagiert habe, stellt auf den Inhalt der Aussage ab. Eine nachvollziehbare Begründung für die weitere Annahme, dass durch das Skandieren eine besonders militante, aggressive und fremdenfeindliche Stimmung erzeugt werde, fehlt. Wenn die Parole bei vergleichbaren Veranstaltungen laut skandiert worden ist, hätte die Prüfung nahe gelegen, ob und warum Gefahren seinerzeit eingetreten waren und ob die jetzige Prognose damit auf hinreichende Tatsachen gegründet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a. a. O.).

Die Parole "Wir sind wieder da!" soll nach dem angegriffenen Bescheid eine der Losungen der 1972 in den USA gegründeten NSDAP/AO sein, deren Ziel es sei, die Wiederzulassung der NSDAP in der Bundesrepublik Deutschland zu verfolgen. Nach dem Verständnis des Klägers soll die Parole lediglich bedeuten, dass er trotz zahlreicher Strafverfahren und Verbote wiederum demonstriere und sich durch diese Verfahren nicht von seinen Auftritten in der Öffentlichkeit abhalten lasse. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass die Parole in dieser inhaltlichen Bedeutung nicht untersagt werden kann. Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Skandieren der Parole mit der von der Beklagten angenommenen Bedeutung kann ebenfalls nicht angenommen werden. Die Annahme scheitert - ebenso wie bei der Verwendung der untersagten Zahlenfolgen (s. o. unter c)bb) - daran, dass diese Bedeutung der Parole in der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist und schon gar nicht dem Nationalsozialismus zugeordnet wird.

2. Die Klage hat im Hinblick auf folgende Auflagen keinen Erfolg:

a) Die Auflage Nr. 6 (Verbot von Springerstiefeln, Bomberjacken und militärischen Kopfbedeckungen) war rechtmäßig. Das Tragen dieser Kleidungsstücke verstößt gegen das in § 3 Abs. 1 VersammlG normierte Uniformverbot. Zur Begründung wird vollumfänglich auf das Senatsurteil vom 4.6.2009 (3 B 59/06 - zu Bomberjacken und Springerstiefeln) verwiesen. Für militärische Kopfbedeckungen gilt Entsprechendes.

b) Die Auflage Nr. 13, soweit damit das Skandieren der Parolen "Wir kriegen euch" und "Wir kriegen euch alle" untersagt wird, war ebenfalls rechtmäßig. Entgegen den Ausführungen des Klägers ist diese Parole bei lebensnahem Verständnis nicht mehrdeutig. Das Brüllen dieser Parolen wirkt offensichtlich aggressiv und einschüchternd; es schürt ein Klima der Gewaltbereitschaft und wird von Unbeteiligten mitnichten als Ausdruck der Hoffnung der Skandierenden verstanden, sie als künftige Anhänger zu gewinnen. Es konnte folglich zum Schutz der öffentlichen Ordnung untersagt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.

Beschluss vom 28. Juli 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 47 GKG), wobei der Senat die pauschalierende Zugrundelegung des Auffangwertes für alle im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Auflagen als angemessen erachtet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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