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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2004
Aktenzeichen: 3 B 608/01
Rechtsgebiete: FlHG, Richtlinie 85/73/EWG, Ratsentscheidung 88/408/EWG


Vorschriften:

FlHG § 24 Abs 2 (a.F.)
Richtlinie 85/73/EWG (a.F.)
Ratsentscheidung 88/408/EWG
1. Zur Gemeinschaftswidrigkeit einer Satzungsgebühr für fleischbakteriologische Untersuchungen von Rindern (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 30.5.2002, DVBl. 2002, 1108).

2. Zur Abgrenzung von Teil- und Gesamtnichtigkeit von Satzungsregelungen, hier: Die Nichtigkeit der unter 1. genannten Gebühr wirkt sich wesentlich auf die Kalkulationsgrundlagen einer Gebührenregelung für allgemeine Fleischuntersuchungen aus.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 608/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Fleischhygienerecht

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und die Richterin am Verwaltungsgericht Behler

am 26. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 18. Juni 2001 - 13 K 780/01 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 51.480,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Beklagten, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, ergibt nicht, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO vorliegen.

1. Der Beklagte will die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Begründung erreichen, das Verwaltungsgericht habe die streitgegenständlichen Bescheide, mit denen Gebühren für allgemeine Schlachttier- und Fleischuntersuchungen von Rindern festgesetzt wurden, zu Unrecht wegen Nichtigkeit der zugrunde liegenden Satzung des Beklagten vom 8.7.1993 über die Erhebung von Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen im Vollzug fleischhygienerechtlicher Vorschriften (Fleischhygienegebührensatzung) aufgehoben. Die Satzung sei trotz ausstehender Genehmigung durch das Regierungspräsidium Dresden am 28.7.1993 ordnungsgemäß am 21.7.1993 bekanntgemacht worden, weil der hier interessierende Inhalt vorab durch Runderlass des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 23.3.1993 genehmigt worden sei; im Übrigen finde § 6 Sächsisches Ausführungsgesetz zum Fleischhygienegesetz (SächsFlHGAG) vom 18.3.1999 (SächsGVBl. S. 118) Anwendung, wodurch die Genehmigungsbedürftigkeit der Satzung rückwirkend zum 6.2.1993 beseitigt worden sei. Der Beklagte wendet sich ferner gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung keine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation vorgelegen habe und nach den in das Verfahren eingeführten Kalkulationsunterlagen von einem Verstoß gegen die Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.12.1993 (ABl. Nr. L 340 v. 31.12.1993, S. 15) auszugehen sei.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Denn das Urteil erweist sich als richtig, ohne dass es auf die vom Beklagten vorgebrachten Gründe ankommt:

Die auf § 3 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anl. 1 Nr. 1 der Fleischhygienegebührensatzung gestützten Gebührenbescheide sind rechtswidrig. Die genannte Rechtsgrundlage verstößt gegen § 24 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes (FlHG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.7.1993 (BGBl. I S. 1189), wonach die den Ländern erteilte Ermächtigung zur Festlegung der kostenpflichtigen Tatbestände und der Gebühren für die Fleischüberwachung mit der bundesrechtlichen Vorgabe versehen war, die Gebühren nach Maßgabe der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29.1.1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (ABl. Nr. L 32 v. 5.2.1985, S. 14) und der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft zu bemessen. Zu letzteren gehörte die Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15.6.1988 über die Beträge der für die Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (ABl. Nr. L 194 v. 22.7.1988, S. 24). Diese Vorschriften galten im Zeitpunkt der Beschlussfassung und des In-Kraft-Tretens der Satzung und waren unmittelbar anzuwenden. Das folgt für die Richtlinie 85/73/EWG aus dem Ablauf der Umsetzungsfrist bis 31.12.1990 (vgl. Art. 6 der Richtlinie 88/409/EWG des Rates vom 15.6.1988 - ABl. Nr. L 194 v. 22.7.1988, S. 28) und ihrer - im hier maßgeblichen Umfang - offensichtlich unbedingten und hinreichend genauen Fassung. Für die gem. Art. 2 der Richtlinie 93/118/EG erst mit Wirkung zum 1.1.1994 aufgehobene Ratsentscheidung 88/408/EWG ergibt sich Gleiches aus dem Anwendungsbefehl in Art. 11.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.8.1996, BVerwGE 102, 39 [41]; Urt. v. 27.4.2000, DVBl. 2000, 1620 [1622]) musste das Land nach § 24 Abs. 2 FlHG durch Rechtssatz festlegen, ob von den in Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG genannten "durchschnittlichen Pauschalbeträgen" für Leistungen bei der Fleischbeschau abgewichen werden soll, ob die Voraussetzungen für eine Abweichung erfüllt sind (Art. 2 Abs. 2) und wie ggf. höhere Beträge berechnet werden (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. dem Anhang der Ratsentscheidung über die Abweichung vom Gemeinschaftsdurchschnitt). Dabei ließ das Gemeinschaftsrecht im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Satzung die Erhebung einer besonderen Gebühr für fleischbakteriologische Untersuchungen nicht zu. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 30.5.2002 (DVBl. 2002, 1108 [1110]) auf Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 27.4.2000, Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 20) entschieden hat, musste vielmehr jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung der Gebühr für die Untersuchung von frischem Fleisch den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen. Damit nicht in Einklang steht die in § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anl. 1 Nr. 5 der Fleischhygienegebührensatzung gesondert geregelte Gebühr für fleischbakteriologische Untersuchungen (zur Gemeinschaftswidrigkeit einer selbstständig erhobenen Gebühr für fleischbakteriologische Untersuchungen vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.10.2002, NVwZ 2003, 345). Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Nichtigkeit dieser Gebührenregelung auch die Nichtigkeit der hier in Rede stehenden allgemeinen Schlachttier- und Fleischuntersuchungsgebühr für Rinder nach § 3 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anl. 1 Nr. 1 der Satzung des Beklagten zur Folge. Eine Teilnichtigkeit der Satzung wegen Gemeinschaftswidrigkeit des § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anl. 1 Nr. 5 ohne Auswirkung auf die Regelung der allgemeinen Untersuchungsgebühr scheidet aus. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Teilnichtigkeit von Satzungsnormen führt ein Rechtsmangel dann nicht zur Gesamtnichtigkeit, wenn erstens die übrigen Regelungen, für sich betrachtet, noch ein mit höherrangigem Recht vereinbares sinnvolles Ganzes bilden und wenn zweitens der Satzungsgeber im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte, wobei hinreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Willen des Satzungsgebers erforderlich sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.1.1997, DVBl. 1997, 1062 [1063]). Gemessen daran bedingt die Nichtigkeit der gesonderten Gebührenregelung für die fleischbakteriologische Untersuchung die Nichtigkeit der allgemeinen Gebührenregelung in § 3 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anl. 1 Nr. 1 der Satzung jedenfalls deswegen, weil nicht angenommen werden kann, dass letztere in gleicher Höhe auch in Kenntnis der Nichtigkeit des § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anl. 1 Nr. 5 beschlossen worden wäre. Das folgt daraus, dass sich der Satzungsgeber in Einklang mit der gem. Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes vom 18.3.1999 (SächsGVBl. S. 118) rückwirkend zum 6.2.1993 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 2 SächsFlHGAG und § 3 der aufgrund § 6 Abs. 6 dieses Gesetzes erlassenen und gem. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vom 9.2.2000 (SächsGVBl. S. 133) rückwirkend zum 15.4.1993 geltenden Verordnung über Verwaltungskosten für amtliche Untersuchungen nach dem Fleischhygienegesetz (SächsGVBl. aaO) gegen die Erhebung der EG-Pauschalbeträge i.S. des Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG (4,5 ECU/Tier für ausgewachsene Rinder; 2,5 ECU/Tier für Jungrinder) und für die Erhebung kostendeckender höherer Gebühren (12,- DM für Rinder; 7,- DM für Kälber) entschieden hat. Hätte der Satzungsgeber die Nichtigkeit der gesonderten Gebührenregelung erkannt, so spricht sein Wille, gemäß dem Kostendeckungsgrundsatz zu verfahren, dafür, dass er die Kosten fleischbakteriologischer Untersuchungen durch eine Anhebung der allgemeinen Gebühr berücksichtigt hätte. Es ist daher - wie auch der Beklagte einräumt - davon auszugehen, dass die Kalkulationsgrundlagen der allgemeinen Gebühr von dem Fehlen besonderer Gebührenerhebung für bakteriologische Fleischuntersuchung wesentlich beeinflusst wurden. Angesichts der erheblichen Auswirkung der mangelhaften Regelung auf das allgemeine Gebührengefüge kann dann aber ein hypothetischer Wille des Normgebers, dieses gleichwohl unverändert zu beschließen, nicht unterstellt werden (im Erg. ebenso: BayVGH, Beschl. v. 16.4.2003, BayVBl. 2003, 564 [566]).

Gegen den daraus zu ziehenden Nichtigkeitschluss wendet der Beklagte ein, er sei bei Erlass der Fleischhygienegebührenregelung zwingend an den Runderlass des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 23.3.1993 zur Anwendung des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Fleischhygienegesetz gebunden gewesen, dessen Anlage 2 eine Rahmenregelung für die Bemessung der Gebühren enthalte. Die tatsächlichen und durch den einzigen im Gebiet des Beklagten ansässigen Schlachthof des Klägers verursachten Kosten einer Schlachttier- und Fleischuntersuchung seien auch ohne Einbeziehung der Kosten für fleischbakteriologische Untersuchungen so hoch gewesen, dass sie den Gebührenrahmen des Runderlasses überschritten hätten. Dessen Anwendung habe daher zu einer Kappung geführt mit der Folge, dass die allgemeine Gebührenregelung auch ohne die gesonderte Teilregelung nicht höher beschlossen worden wäre. Der Einwand muss bereits deshalb ohne Erfolg bleiben, weil der in Anlage 2 Nr. 1 des Runderlasses enthaltene Gebührenrahmen für die allgemeine Schlachttier- und Fleischuntersuchung gemäß Ziffer 5 des Erlasses "lediglich als Hilfestellung und Orientierung anzusehen", jedoch im Gegensatz zu den hier nicht einschlägigen Regelungen in Anl. 2 Nr. 3 und 4.2 nicht verbindlich vorgeschrieben war. Unter diesen Umständen kann dahin stehen, ob eine Kappung überhaupt mit der vom Beklagten gewählten Alternative der Anhebung der Pauschalbeträge i.S. des Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG vereinbar wäre, gemäß deren Anhang 2, letzter Satz die Höhe der Aufschläge von der Höhe der zu deckenden Kosten abhängen, ohne dass eine Kappungsgrenze vorgesehen ist.

Die hier vertretene Erstreckung der Nichtigkeit auf die allgemeine Gebührenregelung belässt dem Satzungsgeber grundsätzlich die Möglichkeit, seinen tatsächlichen Kostenaufwand durch eine gemeinschaftskonforme Neukalkulation, die die Kosten der bakteriologischen Fleischuntersuchung einschließt, geltend zu machen. Dagegen würde die Annahme einer Teilnichtigkeit die kalkulatorische Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im vorliegenden Fall eher einschränken (im Erg. ebenso BayVGH, Beschl. v. 16.4.2000, aaO, S. 565).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die vom Beklagten im ersten Absatz unter Pkt. II des Zulassungsantrags genannten Tatsachen und Rechtsfragen sind nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich.

Die aus höherrangigem Recht folgenden Anforderungen an die Ausführung des Fleischhygienerechts sind - soweit hier von Belang - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bereits geklärt. Auf Fragen rückwirkender Anwendung der sächsischen Ausführungsregelungen kommt es für die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils nicht an, weil die Satzung nicht wegen Verletzung sächsischen Landesrechts beanstandet wurde. Auch insoweit kann auf die Begründung zu 1. verwiesen werden.

3. Die Zulassung der Berufung kommt schließlich nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Betracht, weil der Beklagte im Wege der Verfahrenrüge beanstandet, in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils hätten von ihm in der mündlichen Verhandlung vom 18.6.2001 gegebene Erläuterungen zur Gebührenkalkulation keine Berücksichtigung gefunden. Dieser Mangel ist im Zulassungsantrag nicht in einer den Anforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Weise dargelegt worden. Der Beklagte hätte ausführen müssen, was er im Einzelnen erläutert hat und in der Begründung des erstinstanzlichen Urteils vermisst. Daran fehlt es im Zusammenhang mit der Verfahrensrüge (Pkt. III des Zulassungsantrags) vollständig. Auch in anderem Zusammenhang beschränkt sich der Beklagte auf die Hinweise, dass er alle "in den Entscheidungsgründen angesprochenen offenen Fragestellungen (z.B. der Kostenfaktor Schlachtlinie)" gegenüber dem Verwaltungsgericht erläutert und deutlich gemacht habe, dass "die Kalkulation auf Kostenfaktoren (Personal-/Sachkosten) beruht", die bei Ausführung des Fleischhygienegesetzes unvermeidlich seien. In dieser Allgemeinheit ist nicht nachprüfbar, was das Verwaltungsgericht, das sich mit der Gebührenkalkulation ausführlich befasst hat, nicht berücksichtigt haben soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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