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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 3 B 625/07
Rechtsgebiete: GewO, VwVfG, BGB, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GewO § 68 Abs. 1
GewO § 69b Abs. 2
VwVfG § 48 Abs. 3
BGB § 254
BGB § 839 Abs. 3
VwGO § 111
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
ZPO § 318
1. Ein Erstattungsanspruch i. S. v. § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist ausgeschlossen, wenn es der Betroffene schuldhaft unterlassen hat, den Eintritt des Vermögensnachteils durch Einlegung eines Rechtsbehelfs zu verhindern.

2. Zur Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Erlass eines Endurteils anstatt des angekündigten Grundurteils.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 625/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gewerberechts

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis

am 27. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 - 4 K 1160/02 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 974.070,50 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, ergibt weder das Vorliegen des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch des ergänzend geltend gemachten Zulassungsgrunds eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). 1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat der Zulassungsantrag nicht dargetan. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass der Antrag einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss zu beurteilen ist. Die Antragsbegründung muss sich dabei mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinander setzen und aufzeigen, warum sie aus Sicht des Rechtsmittelführers nicht tragfähig sind (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 26.11.2004 - 3 B 79/03 -; std. Rspr.). Ist das angefochtene Urteil auf mehrere Erwägungen gestützt, die den Urteilsausspruch selbstständig tragen, so ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder diese Erwägungen ein gesetzlicher Zulassungsgrund dargelegt wird und besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.9.1990, NVwZ 1991, 376; SächsOVG, Beschl. v. 28.12.2004 - 3 B 714/02; std. Rspr.).

In dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf Verpflichtung des Rechtsvorgängers des Beklagten (§ 3 Nr. 6 Buchst. a, § 4 Abs. Abs. 1 SächsKrGebNG) gerichtete Klage zur Festsetzung eines auszugleichenden Vermögensnachteils nach § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. m. § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG in Höhe von 974.070,50 € wegen Rücknahme einer Marktfestsetzung mit Bescheid des Rechtsvorgängers des Beklagten vom 30.5.2000 mit der Begründung abgewiesen, dass schon fraglich sei, ob ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf Bestand der Marktfestsetzung gegeben sei. Einem Veranstalter von Märkten wie ihr habe bekannt gewesen sein müssen, dass ein im Wochenabstand stattfindender Trödel- und Antikmarkt, wie zunächst von der Behörde mit Bescheid vom 25.1.2000 nach § 69 i. V. m. § 68 Abs. 1 GewO für ein Jahr genehmigt, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zulässig sei. Jedenfalls stehe der Klägerin der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nicht zu, da sie die ihr gegen den Rücknahmebescheid zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht genutzt habe. Es stelle ein den Ausgleichsanspruch ausschließendes Mitverschulden dar, wenn der Betroffene, wie hier, gegen den ihn belastenden Rücknahmebescheid keinen Rechtsbehelf eingelegt habe.

Soweit der Antrag geltend macht, das Verwaltungsgericht überspanne hinsichtlich der Frage des Vertrauensschutzes die Anforderungen an den Kenntnisstand der Klägerin, da sich die Rechtswidrigkeit der Marktfestsetzung erst aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 68 Abs. 1 GewO ergebe, kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts um entscheidungstragende und damit zulassungsrechtlich relevante Feststellungen handelt. Jedenfalls hat sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der das Urteil selbstständig tragenden Feststellungen zu ihrem anspruchsausschließenden Mitverschulden nach § 254 BGB nicht zu begründen vermocht.

Die Klägerin macht geltend, dass ihr entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein Vorgehen durch Rechtsbehelf gegen den Rücknahmebescheid nicht zumutbar gewesen sei. Insbesondere hätte auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht offensichtlich Erfolg gehabt. Es wäre dort günstigstenfalls zu einer gerichtlichen Interessenabwägung gekommen, deren Ausgang offen gewesen wäre. Die Unsicherheit über die Erfolgsaussicht des Verfahrens gehe jedoch zu Lasten des Beklagten. Zudem sei nicht mit einer hinreichend schnellen Entscheidung des Gerichts zu rechnen gewesen. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht das Mitverschulden des Rechtsvorgängers des Beklagten nicht berücksichtigt. Dieser wie auch das Regierungspräsidium Chemnitz hätten auf die Zwecklosigkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Rücknahmebescheid hingewiesen. In dem Rücknahmebescheid habe die Behörde die Klägerin auf das Entschädigungsverfahren verwiesen. Die jetzige Berufung des Beklagten auf das fehlende Rechtsbehelfsverfahren sei daher grob treuwidrig. Hinzu komme, dass die Behörde unter den Händlern durch Weitergabe von Informationen über die beabsichtigte Aufhebung der Marktfestsetzung eine Kündigungswelle ausgelöst habe.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vermag dieser Sachvortrag nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass dem Betroffenen ein Ausgleichsanspruch nach § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht zusteht, wenn er, wie hier die Klägerin, es schuldhaft unterlassen hat, den Eintritt des Vermögensnachteils durch Gebrauch eines Rechtsbehelfs abzuwenden. Dies folgt aus § 254 BGB, der einen allgemeinen, für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht geltenden Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt (vgl. BayVGH, Urt. v. 22.9.1995, BayVBl. 1996, 374; Papier, in: MünchKomm. zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 839, Rn. 329; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 88 ff. zur Amtshaftung, S. 134 zum Aufopferungsanspruch, S. 267 zum enteignungsgleichen Eingriff u. S. 323 zum Folgenbeseitigungsanspruch, jeweils m. w. N.). Die Klägerin selbst zieht die grundsätzliche Anwendbarkeit dieses Mitverschuldensgrundsatzes in dem Erstattungsverfahren nicht in Zweifel. Sie rügt lediglich eine unzutreffende Bejahung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen durch das Verwaltungsgericht. Soweit sie vorträgt, ihr sei die Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht zumutbar gewesen, wobei insbesondere der Ausgang eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO als offen anzusehen sei, was zu Lasten des Beklagten gehe, hat sie weder die Kausalität zwischen ihrem Verhalten und dem Nachteilseintritt in Zweifel zu ziehen vermocht noch ein fehlendes Verschulden an dessen Verursachung dargetan.

a) Bei der Prüfung der Kausalität ist der hypothetische Geschehensablauf zu Grunde zu legen, mithin abzuschätzen, wie sich die Dinge bei Einlegung oder Nichteinlegung des Rechtsbehelfs entwickelt hätten (vgl. Ossenbühl a. a. O., S. 95). Dabei ist vorliegend darauf abzustellen, wie nach Auffassung des über den Ausgleichsanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Zwar ist bei fehlerhaften Ermessenshandlungen, wozu auch der ermessensfehlerhafte Erlass eines Rücknahmebescheides in entsprechender Anwendung von § 69 b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. GewO gehört, grundsätzlich maßgeblich, wie die Behörde bei fehlerfreiem Vorgehen entschieden hätte (vgl. BGH, Urt. v. 30.5.1985 - III ZR 198/84 -, zitiert nach juris). Dieser Grundsatz kann jedoch dann keine Geltung beanspruchen, wenn auf Grund der zeitlichen Umstände, wie hier bei einer verbleibenden Restgültigkeitszeit der Marktfestsetzung von ca. acht Monaten, von der Möglichkeit der Beeinflussung des Kausalverlaufs durch eine Ermessensbetätigung bei Erlass des Widerspruchsbescheids nicht (mehr) ausgegangen werden kann. Hängt auf Grund der Umstände des Einzelfalls der hypothetische Kausalverlauf faktisch allein von der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ab, verbleibt es bei der Anwendung des Regelgrundsatzes, wonach auf die sachlich richtige Entscheidung abzustellen ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 20.2.2003 - III ZR 224/01 -, zitiert nach juris). Danach ist davon auszugehen, dass die Ursächlichkeit des Verhaltens der Klägerin für den Eintritt des Vermögensnachteils gegeben ist. Dies gilt bei den hier gegebenen Besonderheiten des Einzelfalls auch unter der Annahme, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg gehabt hätte.

Unter der Annahme, dass die Angaben in der Begründung ihres - ausdrücklich auf die Anfechtung der Kostenentscheidung und der Gebührenfestsetzung des Rücknahmebescheids beschränkten - Widerspruchs vom 6.6.2000 zutreffend sind, hätte ein Antrag der Klägerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres Erfolg gehabt. Dort rügt sie die fehlende "Plausibilität" der Ausübung des Rücknahmeermessens im Hinblick auf die "zweifelhaften" tatsächlichen Feststellungen in dem Bescheid. Entgegen den Feststellungen in dem Bescheid habe sie in der Besprechung vom 19.5.2000 nicht mitgeteilt, dass der Mietvertrag mit dem Vermieter gekündigt sei, da dieser zu dem damaligen Zeitpunkt nicht kündbar gewesen sei. Entsprechendes gelte hinsichtlich der in dem Bescheid behaupteten Auflösung der Verträge mit den Beschickern zum Ablauf des Monates Mai 2000. Mit den meisten Marktbeschickern seien Monatsverträge abgeschlossen worden, die ohnehin nicht kündigungsbedürftig gewesen seien. Den Beschickern, die Jahresverträge erhalten hätten, sei die in Aussicht gestellte Rücknahme der Marktfestsetzung lediglich mitgeteilt worden. Eine Kündigung der von der Klägerin abgeschlossenen Verträge vor Erlass der Rücknahmeverfügung wäre im Übrigen auch gar nicht plausibel gewesen. Unter Zugrundelegung dieser Sachverhaltsvariante ist - im Falle einer entsprechenden Antragstellung - von einer (hypothetischen) Anordnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht auszugehen. Die Ausübung des Rücknahmeermessens hätte wegen Zugrundelegung falscher tatsächlicher Voraussetzungen unter erheblichen Fehlern gelitten. Angesichts der bereits zum damaligen Zeitpunkt von der Klägerin vorläufig bezifferbaren Vermögensnachteile in Höhe von ca. 1.000.000,00 DM (vgl. Schreiben der Klägerin v. 11.5.2000) und einer Restdauer der Marktfestsetzung von etwa acht Monaten hätte die für sofort vollziehbar erklärte Aufhebung der Marktfestsetzung einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip bedeutet. Der von dem Rechtsvorgänger des Beklagten in der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs herangezogene Gesichtspunkt der Bekämpfung von Nachahmungen, die er auf eine Mitteilung der IHK Südwestsachsen vom 3.2.2000 gestützt hat, wonach es bereits mehrere Anfragen zur Zulässigkeit solcher Spezialmärkte gegeben habe, hätte einer gerichtlichen Überprüfung ebenso wenig standgehalten. Für derartige, gewissermaßen generalpräventiv intendierte Erwägungen bestand schon deshalb kein Raum, da in keiner Weise die Gefahr eines illegalen Betriebs solcher Märkte bestand, sondern lediglich die Frage ihrer Genehmigungsfähigkeit für andere Standorte im Raume stand. Der (möglicherweise) für die Anordnung des Sofortvollzugs mit ursächlichen Wunsch der Behörde auf Herbeiführung einer gerichtlichen Klärung einer über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage hätte ein öffentliches Vollzugsinteresse ohnehin nicht zu begründen vermocht. Fehl geht auch die Behauptung der Klägerin, rechtzeitiger gerichtlicher Rechtsschutz sei nicht zu erlangen gewesen. Wie dem Senat aus einer Vielzahl anderer besonders eilbedürftiger Verfahren bekannt ist, wäre ihr entgegen ihrer Behauptung der erforderliche vorläufige Rechtsschutz innerhalb kürzester Frist gewährt worden. Die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung einer ununterbrochenen Fortsetzung des Marktes war damit ohne Weiteres gegeben.

Bei (alternativer) Zugrundelegung der Fehlerfreiheit der tatsächlichen Feststellungen in dem Rücknahmebescheid, wonach die entsprechenden Verträge der Klägerin mit ihren Geschäftspartnern bereits vor Erlass der Rücknahmeverfügung aufgelöst worden waren, wäre zwar die Erfolgsaussicht eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen einer bereits (möglicherweise) unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten faktisch unumkehrbar in Gang gesetzten Auflösung des Marktes und der damit einhergehenden Nutzlosigkeit einer gerichtlichen Anordnungsentscheidung für die Klägerin zweifelhaft gewesen. Auch in diesem Fall, für dessen Vorliegen im Übrigen die Datierung einzelner Forderungsschreiben von ihren Vertragspartnern auf Zeitpunkte vor Bekanntgabe der Aufhebungsverfügung wie auch ihr Inhalt spricht, müsste jedoch von einem den Erstattungsanspruch ausschließenden Mitverschulden der Klägerin ausgegangen werden. Die Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs beruhte nämlich dann auf von ihr selbst gesetzten Ursachen, da sie von sich aus schon vorab einer erst noch zu erlassenden Rücknahmeverfügung Folge geleistet hätte. Es spielt bei der Anwendung des in § 254 BGB zum Ausdruck kommenden Mitverschuldensgrundsatzes keine Rolle, ob die unterbliebene Nachteilsminderung unmittelbar auf der Unterlassung der Einlegung des Rechtsbehelfs selbst oder nur mittelbar auf vom Betroffenen selbst herbeigeführten Umständen beruht, die zur Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs führen. Beiden Fällen ist gemeinsam, dass jeweils der Betroffene den entscheidenden Ursachenbeitrag für die fehlende Abwendung des Vermögensnachteils geliefert hat.

b) Von einem Verschulden der Klägerin an der Verursachung ist ebenfalls auszugehen. Sie verfügte schon während des behördlichen Anhörungsverfahrens, jedenfalls spätestens seit dem 11.5.2000, wie sich aus der auf diesen Tag datierten Vertretungsanzeige ergibt, über anwaltlichen Rechtsbeistand. Soweit sie möglicherweise bereits vorher - nach Mitteilung der beabsichtigten Schließung des Marktes durch die Behörde im April 2000 - ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung die Entscheidung zur Lösung der einzelnen Verträge bzw. Geschäftsbeziehungen und damit - unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise - vorzeitig unumkehrbare Maßnahmen zur Beendigung des Marktes in Gang gesetzt haben sollte, steht dies der Annahme ihres Verschuldens an der Ursachensetzung nicht entgegen. Angesichts der hohen Investitionssummen und der in Betracht kommenden erheblichen Schadenssummen bei einer vorzeitigen Abwicklung des Marktes hätte sich ihr unter Berücksichtigung der Geschäftserfahrung ihres Geschäftsführers die Notwendigkeit der frühzeitigen Einholung rechtskundigen Rates aufdrängen müssen, bevor sie eine derartig folgenschwere Entscheidung trifft. Frühzeitig eingeholter Rechtsrat hätte ihr die Erkenntnis vermittelt, dass der Grundsatz "Dulde und liquidiere", an dem sich die durch einen niederländischen Geschäftsführer vertretene Klägerin möglicherweise orientiert hat, nach deutschem Recht bei Ansprüchen in Zusammenhang mit rechtswidrigem Handeln des Staates nicht gilt. Dem Betroffenen soll gerade die Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitseingriff mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln abzuwehren oder dafür zu liquidieren (vgl. Papier a. a. O., § 839, Rn. 330 m. w. N.). Eine etwaige Rechtsunkenntnis der Klägerin stellt so kein das Mitverschulden ausschließendes Hindernis dar.

c) Soweit die Klägerin rügt, dass Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft ein Mitverschulden des Rechtsvorgängers des Beklagten, das in seinem Hinweis auf die Aussichtslosigkeit eines Rechtsbehelfs sowie in dem Verweis auf Schadensersatzansprüche in dem Rücknahmebescheid vom 30.5.2000 zu sehen sei, nicht berücksichtigt, hat sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ebenfalls nicht zu begründen vermocht. Behördlich geäußerte und möglicherweise auch fehlerhafte Prognosen über die Erfolgsaussichten von Rechtsbehelfen stellen als solche noch keinen Grund dafür dar, von der Einlegung des Rechtsbehelfs abzusehen. Sie hindern den Betroffenen nicht daran, durch Anstrengung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Klärung gerade solcher zwischen dem Betroffenen und der Behörde strittiger Tat- und Rechtsfragen herbeizuführen. Besondere Umstände, aufgrund derer eine Berufung des Beklagten auf das fehlende Rechtsbehelfsverfahren ausnahmsweise als treuwidrig anzusehen sein könnten, sind dem Antrag nicht zu entnehmen. Einen solchen Umstand stellt insbesondere auch nicht der Hinweis auf die Fristenregelung des § 48 Abs. 3 Satz 5 VwVfG in dem Rücknahmebescheid dar. Nach dieser Regelung beginnt die Jahresfrist, innerhalb derer der Anspruch geltend zu machen ist, zu laufen, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat. Die Behörde hat insofern für den Betroffenen erkennbar ihrer gesetzlichen Hinweispflicht nachkommen wollen. Eine Verwirkung des Rechts der Behörde, sich auf ein Mitverschulden des Betroffenen wegen unterlassener Einlegung eines Rechtsbehelfs zu berufen, kann hieraus nicht hergeleitet werden.

d) Soweit die Klägerin meint, ein sie treffendes Mitverschulden könne allenfalls zu einer Minderung, nicht jedoch zu einem gänzlichen Ausschluss des Erstattungsanspruchs führen, verkennt sie, dass zwar die Regelung des § 254 BGB einer quotenmäßigen Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Behörde nicht von vornherein entgegensteht, dieses jedoch auch nicht gebietet. Konnte, wie vorliegend, die Fortsetzung des Marktes im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes bei Unterlassen von vorzeitigen Beendigungen der Vertrags- bzw. Geschäftsbeziehungen für den verbleibenden Zeitraum der Marktfestsetzung von ca. acht Monaten in vollem Umfang erstritten werden, ist für die Annahme eines - zu einem verminderten Erstattungsanspruch führenden - Mitverschuldens des Rechtsvorgängers des Beklagten kein Raum. Zu dem gleichen Ergebnis führt die Anwendung des mit dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens nahe verwandten Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB, wonach der Ausgleichsanspruch nicht entsteht, wenn der Betroffene es schuldhaft unterlassen hat, den Eintritt des Nachteils durch Gebrauch eines Rechtsbehelfs abzuwenden. Dieser beansprucht im öffentlichen Recht allgemein Geltung und lässt für eine Verschuldensbegrenzung keinen Raum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.5.2003 - 6 B 25/03 -, Rn. 6 m. w. N., zitiert nach juris).

e) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vermag die Klägerin schließlich ebenfalls nicht mit dem Sachvortrag zu begründen, der Rechtsvorgänger des Beklagten habe durch Weitergabe von Informationen zu der beabsichtigten Rücknahme der Marktfestsetzung eine Kündigungswelle unter den Händlern ausgelöst. Der Antrag genügt vor dem Hintergrund der während des Verfahrens zu Tage getretenen Ungereimtheiten nicht den Anforderungen an einen hinreichend substanziierten Sachvortrag. Während sie nämlich noch in dem die Kosten- und Gebührenverfügung betreffenden Widerspruchsverfahren vorgetragen hatte, dass es von ihrer Seite zu keiner Kündigung von Verträgen gekommen sei und eine von ihren Vertragspartnern ausgehende Kündigungswelle dort keine Erwähnung gefunden hat, behauptet sie nun, dass viele Verträge durch Kündigung seitens ihrer Vertragspartner aufgelöst worden seien. Hinzu kommt, dass die dem Senat vorliegenden Unterlagen eher für von Seiten der Klägerin beendete Geschäftsbeziehungen sprechen (vgl. z. B. Fa. Reisecenter , R. v. 25.5.2000, Fa. , R. v. 26.5.2005). Diese Ungereimtheiten hätte die Klägerin von sich aus durch konkrete, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben beseitigen müssen. Da dem Antrag somit bereits wegen Fehlens eines tragfähigen Tatsachenvortrags der Erfolg versagt bleiben muss, kann offen bleiben, ob Schäden, die auf der Weitergabe von Informationen durch die Behörde schon vor Erlass des Rücknahmebescheides beruhen, Gegenstand eines Ausgleichsanspruchs nach § 48 Abs. 3 VwVfG sein können.

2. Ebenso wenig Erfolg hat der Antrag, soweit er sich auf den Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beruft.

Ein Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan wird (vgl. zum Revisionszulassungsrecht BVerwG, Beschl. v. 10.11.1992, Buchholz 303 § 314 Nr. 5). Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Abstimmung mit allen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht über die Klage mit Grund -, sondern mit Endurteil entschieden, ohne vorher noch einen Hinweis zu erteilen, dass ein Grundurteil nicht ergehen werde, hat die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Sie macht geltend, dass ihr auf Grund der Entscheidung durch Endurteil möglicherweise weiterer Sachvortrag hinsichtlich der Höhe des Schadens in dem Berufungsverfahren abgeschnitten werde. Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass sie durch die Verfahrensweise des Gerichts von weiterem Sachvortrag zur Schadenshöhe abgehalten worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat sie dem Gericht den Vorschlag unterbreitet, über den Grund durch Grundurteil zu entscheiden, damit sie im Falle des Bestehens einer Entschädigungspflicht noch später zur Entschädigungssumme substanziiert vortragen könne. Hieraufhin haben sowohl der Rechtsvorgänger des Beklagten wie auch das Gericht geäußert, dass keine Einwände gegen diese Vorgehensweise bestünden. Die gerichtliche Äußerung stellt einen Hinweis dar, auf Grund dessen die Klägerin ohne erneuten Hinweis nicht mit dem Erlass eines Endurteils rechnen musste. Ein Verfahrensmangel in Gestalt einer Gehörsverletzung ist dem Antrag dennoch nicht zu entnehmen.

Das Unterlassen rechtlicher Hinweise verstößt nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.7.1997 - 1 BvR 960/93 -, Rn. 3, zitiert nach juris). Einen Gesichtspunkt, auf den das Verwaltungsgericht ihrer Ansicht nach überraschender Weise abgestellt haben sollte, hat die Klägerin jedoch nicht dargetan. Dieses hat vielmehr zur Betragshöhe keine entscheidungstragenden Feststellungen getroffen. Sie verkennt die im Verwaltungsprozess geltenden Besonderheiten, auf Grund derer der Erlass eines Grundurteils nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig ist. Die hier einschlägige Spezialregelung des § 111 Satz 1 VwGO ermöglicht das Ergehen eines Zwischenurteils über den Grund nur im Fall einer Leistungsklage im engeren Sinn, d. h. einer Klage, die unmittelbar auf Zahlung gerichtet ist. Keine Anwendung findet sie dagegen im hier gegebenen Fall einer auf den Erlass eines Leistungsbescheids gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO. Ein Rückgriff auf § 304 ZPO über die Verweisungsnorm des § 173 VwGO scheidet hier aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.7.1994, NVwZ 1996, 175, 176 m. w. N.). Im Übrigen liegt die rechtliche Bedeutung eines Grundurteils gemäß der nach § 173 VwGO entsprechend anzuwendenden Regelung des § 318 ZPO (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.12.1996, NJW 1997, 2897, 2898) in der Beschränkung seiner Bindungswirkung auf die von ihm bejahte oder verneinte Rechtsfolge (vgl. Klose, MDR 2007,1351,1354). Die hiermit im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich verbundene Beschränkung der Beschwer auf die Entscheidung über den Grund (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2005 - XI ZR 66/05 -, zitiert nach juris) besteht im Fall der vom Verwaltungsgericht zutreffend gewählten Entscheidung über die Klage durch Endurteil gerade nicht. Dieses betrifft den Verwaltungsakt als Leistungsbescheid, der auch die Betragshöhe umfasst. Entgegen ihrer Auffassung wäre die Klägerin deshalb im Falle einer - hier aus anderen Gründen nicht erfolgten - Zulassung der Berufung mit weiterem Sachvortrag zur Anspruchshöhe nicht ausgeschlossen gewesen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Urt. v. 27.10.1983, BayVBl. 1984, 369) die Verfahrensrüge nicht zu tragen vermag. Sie betrifft den Fall einer Verletzung der gerichtlichen Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife durch Erlass eines Bescheidungsurteils, der mit der hier geltend gemachten Gehörsrüge in keinem sachlichen Zusammenhang steht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die der Festsetzung erster Instanz folgende Streitwertfestsetzung ergibt sich § 47, § 52 Abs. 3 GKG. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch findet bei der Streitwertfestsetzung nach § 43 Abs. 1 GKG keine Berücksichtigung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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