Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.11.2004
Aktenzeichen: 3 BS 416/04
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2
AuslG § 55 Abs 2
Zur Glaubhaftmachung eines rechtlichen Abschiebehindernisses aufgrund der Anerkennung der Vaterschaft und gemeinsamer Sorgeerklärung (im Einzelfall hier bejaht).
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

3 BS 416/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausländerrechts; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Pastor und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng am 2. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 2004 - 8 K 1860/04 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Antragsteller am 2. November 2004 abzuschieben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.10.2004, die der Antragsteller mit Kenntniserlangung von seiner für den 2.11.2004 vorgesehenen Abschiebung am selben Tag erhoben hat, ist zulässig und begründet. Unter Berücksichtigung der Zeitnot, die es im Interesse wirksamen Rechtsschutzes gebietet, die Anforderungen an die Darlegung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu überspannen, hat der Antragsteller Gründe vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, dem Antragsgegner die Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen.

Ein Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO war zweifelsfrei gegeben, da der Antragsteller nach Zurücknahme seines im August 2004 gestellten Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig ist und seine vom Antragsgegner auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1.9.2004 betriebene Abschiebung in die Ukraine am 2.11.2004 unmittelbar bevorstand. Der vom Antragsteller behauptete Duldungsanspruch, der im vorliegenden Verfahren inzident zu prüfen ist (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 10.9.2004 - 3 BS 266/04 - und vom 20.10.2004 - 3 BS 285/04), würde durch den Vollzug der Abschiebung vernichtet, so dass es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint, die im vorliegenden Verfahren auch in der Hauptsache begehrte Unterlassung der Abschiebung vorwegzunehmen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller auch glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anordnungsanspruch zur Seite steht. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand spricht Überwiegendes dafür, dass die Abschiebung des Antragstellers wegen eines aus Art. 6 GG folgenden rechtlichen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG unmöglich ist.

Die Verpflichtung des Staates, die Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 GG zu schützen und zu fördern, umfasst auch die Verpflichtung der Ausländerbehörden, bei der Ermessensentscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die grundrechtlich geschützten familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, InfAuslR 2002, 171; BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, BVerwGE 106, 13, jeweils m.w.N.). Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO). Beruft sich der ausländische Vater eines deutschen Kindes auf den von Art. 6 GG erfassten Schutz der Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, so kommt es demnach nicht allein auf die familienrechtliche Sorgeberechtigung, sondern darauf an, dass tatsächlich der Personensorge entsprechende Erziehungs- und Betreuungsbeiträge geleistet werden. Haben die deutsche Mutter und der ausländische Vater von der durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG) vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2942) eröffneten Möglichkeit der Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung Gebrauch gemacht, so begründet dies nach der Rechtsprechung des Senats aber eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge auch tatsächlich übernommen wird (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2000, NVwZ-RR 2001, 689; offen gelassen von BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO). Das Vorstehende gilt unabhängig vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO; BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, aaO). Leben die Familienmitglieder indessen zusammen, so liegt eine familiäre Lebensgemeinschaft ohne Rücksicht darauf vor, ob die Eltern miteinander verheiratet und das Kind ehelich oder unehelich ist. Nur im Falle des Getrenntlebens bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte, um gleichwohl eine familiäre Lebensgemeinschaft annehmen zu können. Solche Anhaltspunkte können im Verhältnis zwischen einem Vater und seinem nichtehelichen Kind etwa in intensiven Kontakten oder der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen. Erschöpft sich der familiäre Kontakt in Besuchen, fehlen also darüber hinausgehende Beistandsleistungen oder andere Formen des familiären Kontakts, handelt es sich um eine bloße Begegnungsgemeinschaft (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, aaO). Bei der stets gebotenen Einzelfallbetrachtung verbietet sich allerdings eine schematische Abgrenzung zwischen aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdiger Lebens- und Erziehungsgemeinschaft einerseits und Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen andererseits (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO; SächsOVG, Beschl. v. 25.6.2003, SächsVBl. 2003, 294 ).

Von diesen Grundsätzen ist - wenngleich in hier nicht einschlägigem Zusammenhang (vgl. dazu unten) - im Ansatz zutreffend auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Zu Unrecht hat es jedoch angenommen, dass die vom Antragsteller gemachten Angaben nicht ausreichen, um tatsächlich die Ausübung der Personensorge zu belegen.

Das Verwaltungsgericht führt insoweit aus, die von der deutschen Kindesmutter vorgelegte "eidesstattliche Versicherung" entspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften, weshalb schon aus diesem Grunde keine Glaubhaftmachung erfolgt sei. Hierzu genüge der Sachvortrag auch dann nicht, wenn die Vaterschaft des Antragstellers unter Zurückstellung von Zweifeln zu dessen Gunsten unterstellt werde. Der Antragsteller lebe mit dem Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft. Er sei am 4.6.1998 abgeschoben worden und nach eigenen Angaben im November 2003 erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er könne damit wohl erstmals zu diesem Zeitpunkt mit dem schon über vier Jahre alten Kind zusammengetroffen sein. Am 16.6.2004 sei er in Dresden in Untersuchungshaft genommen worden und habe sich nach Entlassung aus der anschließenden Sicherungshaft am 5.10.2004 weisungsgemäß in die Zentrale Aufnahmestelle in Chemnitz begeben. Von dem behaupteten jahrelangen Umgang mit dem Kind könne daher nicht die Rede sein. Selbst wenn sich der Antragsteller vor seiner Verhaftung entsprechend den Angaben der Mutter um das Kind gekümmert habe, könne eine vertiefte Vater-Kind-Beziehung nicht angenommen werden. Im Hinblick auf die zeitliche und räumliche Trennung sei nicht ersichtlich, inwiefern er Betreuungsleistungen habe erbringen können, um zur Entwicklung und Erziehung des Kindes beizutragen. Das Vorbringen der Kindesmutter sei zu pauschal und enthalte auch keine Ausführungen dazu, wie sich der Antragsteller bei seinem derzeitigen Aufenthalt in Chemnitz um das bei ihr in Dresden lebende Kind bemühe.

Demgegenüber beruft sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung auf die Urkunden des Jugendamtes der Antragsgegnerin vom 12. und 14.10.2004 über die Anerkennung der Vaterschaft nach § 1595 BGB und über die Sorgeerklärung nach § 1595 BGB. Ferner trägt er unter Festhaltung an den im erstinstanzlichen Verfahren "eidesstattlich" erklärten Angaben der Kindesmutter vor, dass er mit dieser in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebe und gemeinsam mit ihr die elterliche Verantwortung wahrnehme. Die Verneinung einer vertieften Vater-Kind-Beziehung durch das Verwaltungsgericht sei nicht nachvollziehbar. Die tatsächlich existierende Lebensgemeinschaft mit seinem Kind unterliege dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Angesichts der bestehenden engen Bindung und der rasch fortschreitenden Kindesentwicklung sei selbst eine vorübergehende Trennung nicht zumutbar.

Obgleich der Antragsteller mit diesem Vortrag nicht im Einzelnen auf die vom Verwaltungsgericht beanstandeten Mängel der "eidesstattlich" versicherten Angaben der Kindesmutter eingeht, setzt er sich mit der Bezugnahme auf ihre Details unter Berücksichtigung der eingangs geschilderten Zeitnot bei der Beschwerdeerhebung in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (noch) entsprechenden Weise mit der angefochtenen Entscheidung auseinander. Auch der Sache nach erweist sich die Beschwerde aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen als begründet:

Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist zunächst von der Vaterschaft und dem Sorgerecht des Antragstellers für sein Kind auszugehen. Die Echtheit der Urkunden vom 12. und 14.10.2004 begegnet keinen Bedenken. Als öffentliche Urkunden im Sinne von § 415 ZPO begründen sie den vollen Beweis darüber, dass der Antragsteller die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2, § 1595 Abs. 1 BGB) und beide erklärt haben, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zweifel an der Wirksamkeit der Anerkennung und in der Folge an der Vaterschaft sowie dem Sorgerecht des Antragstellers wären nur dann angebracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Vaterschaft eines anderen Mannes sprechen würden (vgl. § 1594 Abs. 2 BGB). Dafür dürfte die Geburt des Kindes 13 Monate nach der Abschiebung des Antragstellers für sich allein genommen nicht ausreichen; anders läge es dann, wenn zugleich Anlass für den Verdacht bestehen würde, dass der Antragsteller und die Kindesmutter jeglichen Besuchskontakt im Zwischenzeitraum vermieden hätten. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts geben dafür nichts her. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand lässt sich ferner nicht beurteilen, ob Zweifel an der Vaterschaft des Antragstellers mit Blick auf den unbekannten Zeitpunkt der Scheidung der Kindesmutter berechtigt sind; wegen dieses vom Antragsgegner geltend gemachten Umstandes ist ggf. im Verfahren zur Erteilung einer Duldung zu klären, ob die Kindesmutter im Zeitpunkt der Geburt noch mit einem anderen Mann verheiratet war, dessen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft des Antragstellers nach § 1592 Abs. 2 BGB entgegenstehen würde.

Was die Glaubhaftmachung der Personensorge anbetrifft, so hindert der Umstand, dass die Kindesmutter keine förmliche eidesstattliche Versicherung vorgelegt hat, den Senat nicht, die Glaubhaftigkeit ihrer diesbezüglichen Angaben zu überprüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter den Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren ohne anwaltlichen Beistand vertreten hat und ihr nach ihrem Bildungsstand als Altenpflegerin kaum die gesetzlichen Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung bekannt gewesen sein dürften. Von einer Vorlage im Beschwerdeverfahren, die an sich in Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beschluss gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlich gewesen wäre, hat der Senat mit Blick auf die Zeitnot und die nachfolgenden Erwägungen abgesehen.

Soweit das Verwaltungsgericht eine besondere Darlegung des Umfangs der väterlichen Betreuung deshalb für erforderlich gehalten hat, weil es das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft seit dem Zeitpunkt der Inhaftierung des Antragstellers im Juni 2004 verneint hat, übersieht es, dass dieser Zeitraum erzwungener Trennung, zu dem auch der im Anschluss an die Sicherungshaft nicht freiwillig, sondern weisungsgemäß genommene Aufenthalt in der Zentralen Aufnahmestelle des Antragsgegners gehört, dem Antragsteller billigerweise nicht entgegen gehalten werden kann. Im Hinblick auf den Zeitraum vor der Inhaftierung vermag der Senat nur diejenigen Zweifel des Verwaltungsgerichts nachzuvollziehen, die daraus resultieren, dass die "eidesstattliche Versicherung" der Kindesmutter, der Antragsteller übe die Personensorge "mehrere Jahre" aus, in zeitlicher Hinsicht zumindest ungenau ist und mit dem vom Antragsteller im Asylverfahren angegebenen Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet im November 2003 nicht übereinstimmt. Gleichwohl hält der Senat den Sachvortrag angesichts der detaillierten Schilderung der vom Antragsteller übernommenen Erziehungs- und Betreuungsleistungen und des Hintergrundes der Lebensverhältnisse nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für unglaubhaft. Die Kindesmutter hat vorgetragen, sie lebe mit dem Antragsteller in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen; während sie Schichtdienst habe, betreue er ihren Sohn; er hole ihn vom Kindergarten ab, gehe mit ihm ins Kino (Märchenfilme), auf den Spielplatz und ins Schwimmbad, male mit ihm, lerne mit ihm russische und deutsche Buchstaben, er bade ihn und bringe ihn ins Bett. Sie und der Antragsteller würden sich von Jugend an kennen; damals habe sie noch in Odessa gelebt; es habe Unterbrechungen und Schwierigkeiten in ihren Beziehungen gegeben; sie hätten sich aber nunmehr entschlossen zu heiraten, zumal ein Leben ohne Vater für ihr Kind nicht vorstellbar sei. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Erziehungs- und Betreuungsbeiträge, wenn sie so, wie von der Kindesmutter geschildert, erbracht werden, zu einer intensivierten Vater-Kind-Beziehung führen. Zwar vermag inhaltlicher Detailreichtum zeitliche Unbestimmtheit im Rahmen der Glaubhaftmachung nicht zu kompensieren. Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass entweder der Antragsteller im Asylverfahren keinen zu langen illegalen Aufenthalt einräumen wollte oder aber die Kindesmutter befürchtete, die Angabe eines nicht bereits über mehrere Jahre andauernden Zeitraums könne der Annahme schutzwürdiger familiärer Bindungen entgegenstehen. Hinzu kommt, dass seit Oktober 2004 die gemeinsame Sorgeerklärung eine tatsächliche Vermutung für den Willen zur Ausübung des Sorgerechts begründet, welche nicht durch im gegenwärtigen Verhalten der Beteiligten begründete Zweifel widerlegt wird. Unter diesen Umständen spricht bei summarischer Prüfung - weitere Sachaufklärung muss auch insoweit dem Duldungsverfahren vorbehalten bleiben - mehr für als gegen ein Zusammenleben der Familienmitglieder in dem Zeitraum von mindestens November 2003 bis Juni 2004. Aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht den Sachvortrag zu den Betreuungs- und Erziehungsbeiträgen des Antragstellers auch für diesen Fall als zu pauschal angesehen hat, um eine familiäre Lebensgemeinschaft zu belegen, erschließt sich dagegen nicht.

Bei der danach gebotenen Interessengewichtung ist zu beachten, dass die staatliche Pflicht zum Schutz der Familie einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurückdrängt, wenn die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und einem von ihm als Vater anerkannten deutschen Kind nur in der Bundesrepublik stattfinden kann, weil dem deutschen Kind - wie hier - wegen dessen Beziehung zu seiner deutschen Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist (BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO). Besondere Gründe, wie z.B. gravierende Straffälligkeit, die das legitime öffentliche Interesse an der Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im vorliegenden Fall steigern würden, sind im erstinstanzlichen Verfahren weder vorgetragen worden, noch sind sie gegenwärtig erkennbar. Des Weiteren wird das Gewicht der grundrechtlich geschützten familiären Bindungen zwischen dem Antragsteller und seinem Kind nicht entscheidend dadurch gemindert, dass er im Jahre 1995 ausgewiesen wurde und nach eigenen Angaben im November 2003 unerlaubt wieder eingereist ist. Dass allein wegen eines Verstoßes gegen Einreisebestimmungen die familiären Interessen der Beteiligten nicht grundsätzlich zurückzustehen haben, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002, aaO). Ferner liegt auf der Hand, dass die familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem 1999 geborenen Kind im Ausweisungszeitpunkt noch nicht berücksichtigt werden konnte. Zwar wäre an sich zwecks Vermeidung eines Wertungswiderspruchs im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob eine hypothetische Ausweisung mit Bezug auf die aktuelle Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Familienschutzes Bestand haben könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 2.5.2000, InfAuslR 2000, 395). An dieser Prüfung ist der Senat indes aus Zeitgründen gehindert, zumal sich der seinerzeitige Ausweisungsgrund der Aktenlage nicht entnehmen lässt. Jedenfalls muss sich der Antragsteller nicht darauf verweisen lassen, die Befristung der Ausweisung vom Ausland aus zu beantragen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG). Dies wäre nämlich mit einem Verlassen der Bundesrepublik auf unbestimmte Dauer verbunden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann jedoch schon eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit mit Blick auf die rasch fortschreitende Entwicklung eines kleinen Kindes unzumutbar lang sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.1999, InfAuslR 2000, 67). Erst recht muss dies hier bei einer Trennung des Antragstellers von seinem inzwischen fünfjährigen Sohn über einen ungewissen Zeitraum gelten. Aus dem gleichen Grund kann dem Antragsteller auch nicht zugemutet werden, den unter Verstoß gegen die Einreisebestimmungen zustande gekommenen Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden und die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom Ausland aus zu betreiben. Anders verhielte es sich bloß dann, wenn eine Trennung von vorneherein auf einen nur vorübergehenden und angemessen kurzen Zeitraum von wenigen Monaten begrenzt werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.1999, aaO). Der Senat kann offen lassen, ob dazu grundsätzlich erforderlich ist, dass die Ausländerbehörde bereits vor der Ausreise alle Erklärungen abgibt, die für die umgehende Visumserteilung benötigt werden, so dass diese jedenfalls nicht an ihr scheitern kann (so OVG Schl.-H., Beschl. v. 1.3.2004, InfAuslR 2004, 342). Angesichts der vorliegend schon seit Juni 2004 erzwungenen Trennung wäre deren Verlängerung um die für die Erteilung eines Visums erforderliche Dauer keinesfalls mehr verhältnismäßig.

Die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage der Passivlegitimation des Antragsgegners ist zu bejahen, da dieser nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO für die Abschiebung zuständig ist (vgl. dazu die Senatsbeschlüsse vom 10.9.2004 und vom 20.10.2004, aaO). Abschließend sei darauf hingewiesen, dass in einstweiligen Rechtsschutzverfahren der vorliegenden Art ausschließlich die inzidente Prüfung eines Duldungsgrundes im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 GG in Betracht kommt, bei dessen Vorliegen nicht der Antragsgegner, sondern die untere Ausländerbehörde gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 AAZuVO zur Erteilung einer Duldung zwecks Vorbereitung einer Aufenthaltsgestattung gemäß § 30 Abs. 3 bis 5 AuslG verpflichtet ist. Eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG, deren Voraussetzungen das Verwaltungsgericht inzident geprüft hat, scheidet vorliegend nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG schon wegen des Verstoßes gegen die Einreisebestimmungen aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

Zurück