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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: 3 D 17/09
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 13 Abs. 2 S. 2
AufenthG § 14 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG § 15 Abs. 1
AufenthG § 15 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 D 17/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zurückweisung

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 10. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Januar 2009 - 3 K 544/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts zu bewilligen, da die Klage gegen ihre Zurückweisung entgegen § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die primär erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig, weil sich der am 20.11.2007 an der Grenzübergangsstelle in der schriftlichen Form der "Einreiseverweigerung" erlassene, im Widerspruchsbescheid als Zurückweisung bezeichnete Verwaltungsakt erledigt hat, so dass seine Aufhebung nicht mehr in Betracht kommt. Zwar ist die Erledigung unter den Umständen des Streitfalls nicht bereits durch unmittelbaren Vollzug der Zurückweisung an der Grenzübergangsstelle eingetreten. Die Zurückweisung wurde nämlich - wie der Antrag der Beklagten auf Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückweisung (Zurückweisungshaft) gemäß § 15 Abs. 5 AufenthG zeigt - nicht unmittelbar vollzogen. Erledigt hat sich die Zurückweisung aber am 27.12.2007, als die Beklagte nach der Haftentlassung der Klägerin die Kontrolle ihres Aufenthalts ablehnte. Ein Ausländer, den die Behörde zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck die Grenze hat passieren lassen, gilt kraft der gesetzlichen Fiktion in § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erst in dem Zeitpunkt als eingereist, in dem die Behörde seinen Aufenthalt nicht mehr kontrollieren kann. Da die Ablehnung der weiteren Kontrolle des Aufenthalts der Klägerin mithin kraft Gesetzes zu deren Einreise führte, hatte die Beklagte hierdurch eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie am weiteren Vollzug der am 20.11.2007 verfügten Zurückweisung in Form der zwangsweisen Durchsetzung der Verweigerung der Einreise endgültig kein Interesse mehr hatte.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gehen nach der Aufgabe des Vollzugs der Zurückweisung von dieser selbst auch keine sie belastenden Rechtswirkungen mehr aus. An die Zurückweisung sind (anders als an die Abschiebung) nicht die in § 11 AufenthG geregelten Rechtsfolgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots geknüpft. Die Zurückweisung kann auch nicht mehr als Anknüpfungspunkt für eine gerichtliche Anordnung von Zurückweisungshaft gemäß § 15 Abs. 5 AufenthG dienen, nachdem die amtsgerichtliche Anordnung von "Sicherungshaft" durch das Landgericht Görlitz aufgehoben und nach der Zurückverweisung an das Amtsgericht nach dem Vortrag der Klägerin keine Zurückweisungshaft mehr angeordnet worden ist. Schließlich ist die Befürchtung der Klägerin, sie könne sich als (mittelbare) Folge der Zurückweisung am 27.12.2007 der vollendeten unerlaubten Einreise strafbar gemacht haben, unbegründet. Es liegt nämlich auf der Hand, dass zwischen ihrem Einreiseversuch am 20.11.2007 und der durch die Aufgabe der Aufenthaltskontrolle im Anschluss an die Haftentlassung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG fingierten Einreise kein objektiver Zurechnungszusammenhang besteht. Die Einreise am 27.12.2007 stellt sich im Hinblick auf den Einreiseversuch am 20.11.2007 nicht als Tatbestandserfolg dar, da der Versuch durch die Einreiseverweigerung am 20.11.2007 endgültig gescheitert war. Im Hinblick auf die kraft Gesetzes fingierte Einreise am 27.12.2007 fehlt es an einem erneuten Tatentschluss der Klägerin. Die Einreise im Anschluss an die Haftentlassung war nicht von ihrem Vorsatz gedeckt, da sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten wollte, sondern umgehend ausgereist ist. Demnach hat sie den subjektiven Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) AufenthG am 27.12.2007 zweifelsfrei nicht verwirklicht.

Auch die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist mangels eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Nach allgemeiner Auffassung kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Dies kann der Fall sein bei Wiederholungsgefahr oder bei einem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, z. B. bei diskriminierenden Verwaltungsakten, die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigten, oder zur Vorbereitung der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet darüber hinaus, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung auch in Fällen tiefgreifender, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der ein Betroffener eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kommt insbesondere bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Betracht, und ist für den Fall einer Erledigung durch Entlassung aus der (vollzogenen) Abschiebungshaft ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.1997, BVerfGE 96, 27, BVerfG, Beschl. v. 5.12.2001, BVerfGE 104, 220). Nach diesen Grundsätzen ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin nicht ersichtlich.

Von der auf gerichtliche Anordnung erlittenen Haft ist der Verwaltungsakt der Zurückweisung zu trennen. Soweit nach Auffassung der Klägerin "Folgenbeseitigung in Betracht" kommt, könnte sich diese allenfalls wegen der Haft, nicht aber wegen der Zurückweisung ergeben. Die Verwaltungsgerichte sind weder für die Feststellung, dass die Haft rechtswidrig war, noch für die Entscheidung über Haftentschädigungsansprüche zuständig. Rehabilitierung wegen der Zurückweisung selbst ist nicht geboten, da es sich nicht um einen diskriminierenden, insbesondere nicht in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin oder besonders gewichtig in sonstige Grundrechte eingreifenden Verwaltungsakt handelt. Eine Wiederholungsgefahr wegen erneuter Einreiseabsichten macht die Klägerin selbst nicht geltend. Ihre Hauptsorge, sich am 27.12.2007 wegen unerlaubter Einreise strafbar gemacht zu haben, wenn nicht die Rechtswidrigkeit der Zurückweisung festgestellt würde, ist - wie oben dargelegt - unbegründet.

Der weitere Hilfsantrag, gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin vom 20.12.2007 durch Rücknahme der angefochtenen Verfügung am 27.12.2007 abgeholfen hat, muss ebenfalls erfolglos bleiben. Die Beklagte hat keine Abhilfeentscheidung getroffen, sondern am 27.12.2007 von der weiteren (zwangsweisen) Vollziehung der Zurückweisung abgesehen und in der Folge den Widerspruch gegen die Zurückweisung mit Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008 zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 5502 des Kostenverzeichnisses lediglich eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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