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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 4 A 486/08
Rechtsgebiete: EKC, SächsVerf, SächsGemO


Vorschriften:

EKC Art. 7 Abs. 2
SächsVerf Art. 89 Abs. 1
SächsGemO § 21
SächsGemO § 114
1. Auch die Kommunalaufsicht hat zu beachten, dass das Recht der Gemeinde, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze zu regeln, nicht beliebig gesetzlich ausgestaltet und geformt werden kann.

2. Die Gemeinde kann in Ausübung ihres im Rahmen von § 21 Abs. 2 SächsGemO bestehenden eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraumes die Staffelung einer Aufwandsentschädigung festsetzen, die an einem typisierten Aufwandsumfang orientiert.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 A 486/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beanstandung einer Satzung

hier: Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 26. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. April 2006 - 12 K 1750/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer rechtsaufsichtlichen Beanstandung eines Beschlusses über die Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit von Stadträtinnen und Stadträten.

Der Stadtrat der Klägerin hat am 16.10.2003 eine Satzung über die Entschädigung ehrenamtlich Tätiger - Entschädigungssatzung - beschlossen. In § 2 Entschädigungssatzung wird die die Entschädigung von Stadträtinnen und Stadträten geregelt. Die Absätze 1 bis 4 enthalten Regelungen über einen Grundbetrag sowie ein nach Art und Dauer der Sitzung in der Höhe gestaffeltes Sitzungsgeld: Nach Absatz 1 erhalten die Stadträtinnen und Stadträte als Aufwandsentschädigung einen monatlichen Grundbetrag in Höhe von 400,00 € zuzüglich einer Parkkarte oder Abonnementkarte der ....... Verkehrsbetriebe AG. In Absatz 2 ist geregelt, dass sie ein nach Art und Dauer der Sitzung in der Höhe gestaffeltes Sitzungsgeld erhalten. Das Sitzungsgeld beträgt etwa für eine Stadtratssitzung bis zu einer Dauer von vier Stunden 32,50 €, für weitere vier Stunden 17,50 € und für eine darüber hinaus gehende Dauer 25,00 €. Absatz 3 enthält eine Regelung für ein erhöhtes Sitzungsgeld von beruflich Selbstständigen und unselbständig Tätigen. Sofern ein entsprechender Verdienstausfall nachgewiesen ist, erhöht sich für diesen Personenkreis das Sitzungsgeld etwa für Stadtratssitzungen mit einer Dauer bis zu vier Stunden auf 90,00 €, für weitere vier Stunden auf 35,00 € und für die darüber hinausgehende Dauer auf 25,00 €. Absatz 4 regelt schließlich ein erhöhtes Sitzungsgeld für Hausfrauen und Hausmänner. Diese erhalten etwa für Stadtratssitzungen mit einer Dauer bis zu vier Stunden 50,00 €, für weitere vier Stunden 35,00 € und für die darüber hinausgehende Dauer 25,00 €.

Bereits vor der Beschlussfassung teilte das damalige Regierungspräsidium Dresden der Klägerin auch im Hinblick auf frühere Entschädigungssatzungen mit, dass die Regelungen rechtswidrig seien. Nachdem die Klägerin letztmals mit Schreiben vom 19.1.2005 mitteilte, dass sie an ihrer bisherigen - gegenteiligen - Rechtsauffassung festhalte, beanstandete das Regierungspräsidium den Stadtratsbeschluss über das erhöhte Sitzungsgeld in § 2 Abs. 3 und 4 der Entschädigungssatzung mit Bescheid vom 28.2.2005.

Zur Begründung der mit dem Bescheid getroffenen Feststellung zur Rechtswidrigkeit und der Aufforderung zur Aufhebung des Beschlusses wird im Wesentlichen dargelegt, dass die angesprochenen Regelungen gegen § 21 SächsGemO verstoßen würden und gleichheitswidrig seien. Nach § 21 SächsGemO könnten ehrenamtlich Tätige entweder Ersatz ihrer notwendigen Auslagen und ihres Verdienstausfalles beanspruchen oder durch Satzung bestimmt werden, dass sie eine Aufwandsentschädigung erhielten. Nicht möglich sei, dass sowohl eine Aufwandsentschädigung geleistet wie der Verdienstausfall ersetzt werde. Mit der Regelung zu einem erhöhten Sitzungsgeld bei Nachweis eines Verdienstausfalles von beruflich Selbständigen und unselbständig Tätigen in § 2 Abs. 3 der Entschädigungsatzung würde diese Personengruppe jedoch sowohl die in § 2 Abs. 1 der Entschädigungssatzung angesprochene Aufwandsentschädigung erhalten wie auch den Verdienstausfall ersetzt bekommen. Des Weiteren sei es gleichheitswidrig, wenn Hausmänner und Hausfrauen ein erhöhtes Sitzungsgeld erhielten; dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Hausfrauen und Hausmänner hätten keinen größeren Aufwand für Sitzungen als ein sonstiger Stadtrat.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 4.3.2005 zugestellten Bescheid mit Schreiben vom 23.3.2005 am 29.3.2005 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 13.7.2005 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 22.7.2005 zugestellt.

Am 12.8.2005 hat sie Klage gegen den Bescheid vom 28.2.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 13.7.2005 erhoben und deren Aufhebung beantragt. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten im Wesentlichen vorgebracht, dass die fraglichen Regelungen mit § 21 SächsGemO vereinbar seien.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.

Mit Urteil vom 13.4.2006 - 12 K 1750/05 - hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine rechtsaufsichtliche Beanstandung hätten nicht vorgelegen. Das erhöhte Sitzungsgeld bei einem Verdienstausfall sei mit § 21 Abs. 2 SächsGemO vereinbar; die Aufwandsentschädigung schließe den Ersatz notwendiger Auslagen und den Verdienstausfall mit ein. Die Satzung gewähre nicht eine unzulässige doppelte Entschädigung des Verdienstausfalles nach § 21 Abs. 1 SächsGemO und des Aufwands nach § 21 Abs. 2 SächsGemO. Die Differenzierung in der Höhe des Sitzungsgeldes sei ein geeignetes Kriterium für eine unterschiedliche Leistungsgewährung. Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 SächsGemO könne eine Entschädigung für den Zeitaufwand gewährt werden, wenn - wie bei Hausfrauen und Hausmännern - kein Verdienstausfall gegeben sei.

Auf den Zulassungsantrag des Beklagten vom 7.6.2006 gegen das am 8.5.2006 zugestellte Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 14.8.2008 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte unter Bekräftigung seiner bislang vorgebrachten Erwägungen im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend dargelegt, dass der umfassendere Anspruch nach § 21 Abs. 2 SächsGemO es ausschließe, neben einer Aufwandsentschädigung Ansprüche nach § 21 Abs. 1 SächsGemO geltend zu machen. In Widerspruch hierzu habe das Gericht jedoch eine Differenzierung der Höhe des Sitzungsgeldes nach dem Verdienstausfall als zulässig angenommen. Das erhöhte Sitzungsgeld für Hausfrauen und Hausmänner sei rechtswidrig, weil der Satzungsgeber nicht neben der Aufwandsentschädigung nach § 21 Abs. 2 SächsGemO eine Entschädigung für den Zeitaufwand nach § 21 Abs. 1 Satz 3 SächsGemO gewähren könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. April 2006 - 12 K 1750/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die in ihre Selbstverwaltungsgarantie eingreifende Beanstandungsverfügung rechtswidrig sei. Die Aufwandsentschädigung könne in eine monatliche Grundpauschale und Sitzungsgelder aufgesplittet werden und müsse auch nicht für alle Stadtratsmitglieder gleich hoch sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten zu den Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (4 B 370/06; 4 A 486/08) und dem Verwaltungsgericht (12 K 1750/05) sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Beanstandungsbescheid zu Recht aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Beanstandung des Beschlusses nach § 114 Abs. 1 SächsGemO (sh. 1.) nicht vorliegen. Der Beschluss des Stadtrates zur Regelung eines erhöhten Sitzungsgelds in § 2 Abs. 3 und 4 der Entschädigungssatzung ist rechtmäßig (sh. 2.).

1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO kann die Rechtsaufsichtsbehörde Beschlüsse und Anordnungen der Gemeinde, die das Gesetz verletzen, beanstanden und verlangen, dass sie von der Gemeinde binnen einer angemessenen Frist aufgehoben oder abgeändert werden. Das Beanstandungsrecht wegen eines Gesetzesverstoßes dient als Maßnahme der Kommunalaufsicht (§§ 111 ff. SächsGemO) der Überwachung der Gesetzmäßigkeit der Kommunalverwaltung (Art. 89 Abs. 1 SächsVerf). Für die Kommunalaufsicht gilt, dass sie die Rechte der Kommunen zu schützen und deren Entschlusskraft und Verantwortungsfreude zu fördern hat (§ 111 Abs. 3 SächsGemO); die Kommunalaufsicht darf sich nicht zu einer "Einmischungsaufsicht" entwickeln (BVerfG, Beschl. v. 21.6.1988, BVerfGE 78, 331). Als Korrelat zu der im Rahmen der Gesetze gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung ist sie auf die Sicherung dieser Gesetzesbindung begrenzt.

Dabei hat auch die Kommunalaufsicht zu beachten, dass das Recht der Gemeinde, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze zu regeln, nicht beliebig gesetzlich ausgestaltet und geformt werden kann. Die verfassungsrechtlich gewährleistete kommunale Selbstverwaltung enthält ein Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft: Hat die Aufgabe einen örtlichen Bezug, so ist sie an sich der kommunalen Selbstverwaltung zuzuordnen; eine Beschränkung oder ein Entzug durch eine gesetzliche Regelung ist nur zulässig, wenn Gründe vorliegen, die das mit der kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck gebrachte Aufgabenverteilungsprinzip zugunsten der örtlichen Gemeinschaft überwiegen (BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, BVerfGE 79, 127 ff.).

2. Davon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die angefochtene Maßnahme der Kommunalaufsicht nicht vor. Der Beschluss des Stadtrates zur Gewährung eines erhöhten Sitzungsgelds nach § 2 Abs. 3 und 4 Entschädigungssatzung ist rechtmäßig. Die Aufwandsentschädigung nach § 21 Abs. 2 SächsGemO kann als Pauschalbetrag und Sitzungsgeld, das nach typisiertem Aufwandsumfang pauschal gestaffelt ist, festgesetzt werden.

2.1. Nach § 21 Abs. 1 SächsGemO haben ehrenamtlich Tätige einen Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen und ihres Verdienstausfalls (Satz 1), wobei Höchstsätze und Durchschnittssätze festgesetzt werden können (Satz 2) und durch Satzung bestimmt werden kann, dass eine Entschädigung für den Zeitaufwand gewährt wird, soweit kein Verdienstausfall entsteht (Satz 3). Für die in § 21 Abs. 2 SächsGemO angesprochenen ehrenamtlich Tätigen, wie etwa die Gemeinderäte, kann durch Satzung die Gewährung einer Aufwandsentschädigung bestimmt werden.

Die Regelungen gehen davon aus, dass der ehrenamtlich Tätige durch seine unbesoldete Tätigkeit keinen finanziellen Schaden erleiden soll. Er erhält nicht, wie etwa Berufspolitiker auf Bundes- oder Landesebene (Art. 48 Abs. 3 GG, Art. 42 Abs. 3 SächsVerf), eine Alimentation. Das kommunale Ehrenamt ist nach wie vor ein Dienst für die kommunale Gemeinschaft, der unentgeltlich und nicht berufsmäßig geleistet wird. Den ehrenamtlich Tätigen wird allerdings nicht zugemutet, wegen ihres kommunalen Engagements finanzielle Nachteile zu erleiden. Die mit der Mandatswahrnehmung verbundenen Einbußen sollen durch die Entschädigungsansprüche nach § 21 Abs. 1 und 2 SächsGemO ausgeglichen werden. Eine Entschädigung für gewählte Kommunalvertreter ist darüber hinaus in Art. 7 Abs. 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung - EKC - angesprochen (zur Anwendbarkeit der Charta: Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 224 ff). Danach muss eine angemessene Entschädigung für Kosten und gegebenenfalls eine Entschädigung für Verdienstausfälle oder ein Entgelt mit entsprechender sozialer Absicherung ermöglicht werden. Art. 7 Abs. 2 EKC sieht damit für gewählte Kommunalvertreter über den Nachteilsausgleich hinaus gehend - wenngleich nur alternativ - auch die Möglichkeit einer alimentationsartigen Vergütung vor. Art. 7 Abs. 2 EKC bezweckt, dass sich Bürger ungeachtet ihrer finanziellen Situation zur Wahl als Kommunalvertreter stellen und eine Kandidatur nicht aus pekunären Erwägungen unterbleibt (Schaffarzik, a. a. O., S. 497).

Bei der Festlegung der Aufwandsentschädigung hat die Gemeinde einen Entscheidungsspielraum; die Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich Tätige gehört zum Kernbereich örtlicher Angelegenheiten (BayVGH, Beschl. v. 3.4.2008, BayVBl 2008,664; OVG LSA, Urt. v. 3.4.2007 - 4 L 116/06 -, zitiert nach juris).

2.2. Die Entschädigung nach § 21 Abs. 2 SächsGemO ist eine pauschalierte Form des Ausgleichs für den mit der Tätigkeit verbundenen Aufwand. Sie erfasst auch den in § 21 Abs. 1 SächsGemO angesprochenen Aufwand des Verdienstausfalls, der Auslagen und an Zeit.

Der Wortlaut der Norm enthält keine Einschränkung, dass nur ein bestimmter durch das Ehrenamt verursachter Aufwand von der Regelung gemeint sein könnte. Begrifflich ist eine Aufwandsentschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit eine Ersatzleistung für die mit der Tätigkeit verbundenen Einbußen. Sofern von dieser Ersatzleistung nicht bestimmte Arten des Aufwands ausdrücklich ausgenommen sind oder sie darauf beschränkt ist (so etwa: § 27 Abs. 3 HessGO; § 29 Abs. 2 NdsGO; § 1 Abs. 2 EntschVO S-H; § 2 EntschVO M-V), wird durch sie ein umfassender Nachteilsausgleich bewirkt. § 21 Abs. 2 SächsGemO eröffnet der Gemeinde eine Ermessensentscheidung, kommunalen Mandatsträgern durch die Festsetzung einer Aufwandsentschädigung einen über den Auslagen- und Verdienstausfall hinausgehenden Ausgleich für alle finanziellen und sonstigen Aufwendungen zu gewähren.

2.3. Die in § 2 Entschädigungssatzung geregelte Entschädigung durch Festsetzung eines Grundbetrages sowie eines gestaffelten Sitzungsgeldes ist eine Aufwandsentschädigung i. S. v. § 21 Abs. 2 SächsGemO.

Die Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich Tätige setzt sich nach § 2 Entschädigungssatzung aus dem Grundbetrag und dem Sitzungsgeld zusammen. Zwar wird in § 2 Abs. 1 Entschädigungssatzung für die Aufwandsentschädigung nur der Grundbetrag und nicht das - in den Abs. 2 bis 4 geregelte - Sitzungsgeld angesprochen. Daraus folgt nicht, dass nach § 2 Entschädigungssatzung neben einer Aufwandsentschädigung nach § 21 Abs. 2 SächsGemO zusätzlich noch eine Entschädigung in Form eines Sitzungsgeldes festgesetzt worden sein könnte. Mit der Bezeichnung als Grundbetrag in § 2 Abs. 1 Entschädigungssatzung wird begrifflich die von allen Stadträtinnen und Stadträten zu beanspruchende Monatspauschale, gleichsam als grundlegender Teil der Aufwandsentschädigung, angesprochen. Das in § 2 Abs. 2 bis 4 Entschädigungssatzung geregelte Sitzungsgeld ergänzt den Grundbetrag; die pauschalierte Aufwandsentschädigung wird als monatlicher Grundbetrag und gestaffeltes Sitzungsgeld gewährt.

2.3. Die Gemeinde kann in Ausübung ihres im Rahmen von § 21 Abs. 2 SächsGemO bestehenden eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraums die Staffelung einer Aufwandsentschädigung festsetzen, die an einem typisierten Aufwandsumfang orientiert ist.

2.3.1. § 21 Abs. 2 SächsGemO enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Art und Form, nach der die Aufwandsentschädigung festzusetzen ist. Grenzen ergeben sich aus dem Zweck von § 21 SächsGemO. Da durch eine Entschädigung keine verdeckte Alimentation geleistet werden darf, muss die Aufwandsentschädigung auf den Nachteilsausgleich beschränkt bleiben. Demzufolge dürfen Nachteile nicht kumulativ entschädigt werden. Weder darf die Entschädigung in ihrer Höhe einer besoldungsgleichen Alimentation entsprechen noch kann neben der Entschädigung ein damit pauschal abgegoltener Aufwand nochmals ausgeglichen werden. Der Beklagte hat insoweit zu Recht darauf abgehoben, dass die Entschädigung eines Verdienstausfalls nach § 21 Abs. 1 SächsGemO nicht möglich sei, wenn der Verdienstausfall bereits durch eine pauschale Aufwandsentschädigung erfasst wäre.

2.3.2. Die aus dem Zweck der Regelung folgenden Grenzen zur Festsetzung einer Aufwandsentschädigung werden nicht verletzt, wenn die Gemeinde die Höhe einer Aufwandsentschädigung nach einem typisierten Umfang des Aufwands staffelt.

Typisierte und pauschalierende Festsetzungen für - ungleiche - Sachverhalte können aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt sein. Die Typisierung bezieht sich auf die Zusammenfassung von Sachverhalten, die Pauschalierung auf die Rechtsfolge, denen die Sachverhalte unterworfen werden. Unterscheiden sich typisierte Sachverhaltskomplexe, dann kann eine an den Unterschieden orientierte differenzierte Rechtsfolge sachgerecht sein (dazu etwa: OVG LSA, Urt. v. 24.1.2007 - 1 K 349/05 -, zitiert nach juris). Eine solche Sachgerechtigkeit liegt hier vor.

Die Festsetzung eines erhöhten Sitzungsgeldes für Berufstätige nach § 2 Abs. 3 Entschädigungssatzung knüpft an einen für diesen Personenkreis typischerweise durch die Wahrnehmung der ehrenamtlichen Tätigkeit entstehenden Verdienstausfall an, der durch die Erhöhung pauschal ausgeglichen werden soll. Die Festsetzung eines erhöhten Sitzungsgeldes für Hausfrauen und Hausmänner nach § 2 Abs. 4 Entschädigungssatzung orientiert sich an dem erhöhten Aufwand, der für den Personenkreis aufgrund der mandatsbedingten Verhinderung zur Hausarbeit entsteht.

Hausarbeit und Erwerbstätigkeit sind gleichwertig. Frühere Regelungen, wonach etwa die Frau zur unentgeltlichen Hausarbeit verpflichtet war (§ 1356 BGB a.F.) und mangels Nachweis eines Vermögensschadens keinen eigenen Schadenersatzanspruch geltend machen konnte, wenn ihre Fähigkeit zur Hausarbeit durch eine unerlaubte Handlung beeinträchtigt wurde, sind im Zuge veränderter sozialer und gesellschaftlicher Anschauungen aufgehoben worden. Die Hausarbeit eines Haushaltsmitglieds unterscheidet sich von der Erwerbstätigkeit eines anderen Haushaltsmitglieds dadurch, dass sich die Verwertung der eigenen Arbeitskraft nicht in einer entgeltlichen Gegenleistung niederschlägt. Dass für die Hausarbeit kein messbares Entgelt geleistet wird, bedeutet nicht, dass sie keinen geldwerten Charakter hat. Der geldwerte Charakter der Hausarbeit zeigt sich darin, dass nicht andere Haushaltsmitglieder oder Dritte gegen Entgelt die Hausarbeit erledigen müssen. Mit dem erhöhten Sitzungsgeld soll daher der Nachteil ausgeglichen werden, der entsteht, wenn Hausarbeit wegen der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht geleistet werden kann und nachgeholt oder von Dritten - entgeltlich - geleistet werden muss (sh. dazu: Christner, Nachteilsausgleich in kommunalen Vertretungskörperschaften, DVBl. 1992, 943).

Das erhöhte Sitzungsgeld für Hausfrauen und Hausmänner ist nicht deshalb gleichheitswidrig weil - wie der Beklagte vorbringt - auch erwerbstätige Stadträte außerhalb ihrer Erwerbstätigkeit ebenfalls Hausarbeit zu erledigen hätten (zum Gleichheitssatz als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip: BVerfG, Beschl. v. 8.11.1972, BVerfGE 34, 139, 146). Durch das erhöhte Sitzungsgeld soll der Nachteil ausgeglichen werden, der entsteht, wenn eine Haushaltstätigkeit mit einem Arbeitsaufwand, der über den hinausgeht, der von Erwerbstätigen gemeinhin zu bewältigen ist, nicht geleistet werden kann. Ein Nachteilsausgleich i. S. v. § 2 Abs. 4 Entschädigungssatzung wegen versäumter Haushaltstätigkeit hat daher zur Voraussetzung, dass die häusliche Tätigkeit eine der Erwerbstätigkeit vergleichbare, wirtschaftlich ins Gewicht fallende Arbeitsleistung ist. Dies wird etwa der Fall sein, wenn ein Haushalt, dem zumindest noch eine weitere Person angehört, ganz oder zu einem nicht unwesentlichen Teil versorgt wird (sh. dazu: Christner, a. a. O.). Da somit der angefochtene Beschluss des Stadtrates rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für eine Beanstandung nach § 114 SächsGemO nicht vorliegen, hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Beanstandungsverfügung aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 26. Mai 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 52 Abs. 1 GKG auf 15.000,00 € festgesetzt (sh. dazu auch: Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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