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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2009
Aktenzeichen: 4 A 6/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 60
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 A 6/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerrufs und Ruhens der Approbation

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng, den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt

am 7. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. Oktober 2008 - 5 K 739/04 - wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) ist abzulehnen, weil der Kläger, der sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist zur Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) einzuhalten.

Die 2-Monats-Frist wurde durch die Zustellung des angegriffenen Urteils am 27.11.2008 in Lauf gesetzt und endete am Dienstag, den 27.1.2009. Vor Ablauf der Begründungsfrist, für die § 124a Abs. 4 VwGO keine Möglichkeit der Verlängerung vorsieht, so dass sie gemäß der - eindeutig gefassten - Regelung des § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO nicht verlängert werden darf (siehe etwa Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 124a Rn. 50), hat der Kläger seinen Zulassungsantrag nicht begründet. Die Begründung des Zulassungsantrags ist vielmehr erst am 27.2.2009 erfolgt.

Das Verschulden des Klägers an der Wahrung der Antragsbegründungsfrist scheidet nicht mit der Erwägung aus, die Fristbestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung wichen von jenen anderer Prozessordnungen ab und seien insgesamt "unklar" bzw. "nicht nachvollziehbar" (Schriftsatz des Klägers vom 3.8.2009, Seite 3). Wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, wird die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben; dies gilt namentlich für Rechtsmittelbegründungsfristen im Verwaltungsprozess (BVerwG, Beschl. v. 7.3.1995, NJW 1995, 2122 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. § 60 Rn. 72 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund kann sich ein Rechtsanwalt nicht darauf berufen, die fehlende Möglichkeit einer Fristverlängerung erschließe sich dem "unbefangenen Leser" der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Angesichts der dem Prozessbevollmächtigten bereits am 12.1.2009 übersandten Gerichts- und Behördenakten war der Kläger auch nicht durch eine fehlende oder unzureichende Akteneinsicht an der fristwahrenden Begründung des Zulassungsantrags gehindert. Die urlaubsbedingte mehrtägige Abwesenheit des alleinigen Sachbearbeiters in der vom Kläger beauftragten Anwaltskanzlei im Januar 2009 (Schriftsatz vom 27.1.2009) schließt ein Verschulden ebensowenig aus.

Schließlich steht auch die fehlerhafte Behandlung des am Tag des Fristablaufs (27.1.2009) um 17.48 Uhr per Telefax gestellten Antrags auf Verängerung der Antragsbegründungsfrist durch das Gericht der Annahme eines klägerischen Verschuldens nicht entgegen. Ein Fehler des Gerichts liegt vor, weil der stellvertretende Senatsvorsitzende, dem der Schriftsatz des Klägers vom Abend des 27.1.2009 am Vormittag des folgendes Tag mit einem handschriftlich ausgefüllten Vordruck zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden war, am 28.1.2009 die Frist zur "Begründung der Berufung antragsgemäß bis zum 27.2.2009 verlängert" hat. Diese Fristverlängerung ging ins Leere, weil die Verlängerung einer Berufungsbegründungsfrist nicht beantragt worden war und eine - gesetzeswidrige - Verlängerung der Antragsbegründungsfrist nicht wirksam erfolgen konnte.

Entgegen den Ausführungen des Klägers führte die fehlerhafte Fristverlängerung zu keiner sog. Unterbrechung der Kausalkette mit der Erwägung, dass die Säumnis des Klägers bei wertender Betrachtung nicht auf eigenem Verschulden, sondern maßgeblich auf dem Fehler des Gerichts beruhte (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.2.2008, NJW 2008, 2167 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 11.6.2009 - 5 A 254/08 -, juris; Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 233 Rn. 22 a m. w. N.). Da der Kläger den Antrag auf Fristverlängerung erst am Abend des Fristablaufs (27.1.2009) gestellt hatte, ist die am folgenden Tag - nach Fristablauf - irrtümlich erfolgte Verlängerung der "Berufungsbegründungsfrist" für die Säumnis des Klägers nicht kausal gewesen. Die fehlerhafte Fristverlängerung vom 28.1.2009 kann hinweggedacht werden, ohne dass die Verfristung der Antragsbegründung mit Ablauf des 27.1.2009 entfiele. Dieser fehlende Kausalzusammenhang schließt es aus, die schuldhafte Fristversäumung des Klägers maßgeblich auf den Fehler des Gerichts zurückzuführen. Anders als in dem vom 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts jüngst mit Beschluss vom 11.6.2009 (a. a. O.) entschiedenen Fall der fehlerhaften Verlängerung einer Begründungsfrist zwei Wochen vor Fristablauf konnte der hiesige Kläger angesichts des erst am Abend des Fristablaufs per Telefax gestellten, nach Fristablauf beschiedenen Antrags nicht darauf vertrauen, dass er seinen Zulassungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist werde begründen müssen. Aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 38 Satz 1 SächsVerf oder den Grundsätzen des rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens lässt sich in diesem Zusammenhang nichts anderes ableiten. Ein anwaltlich vertretener Kläger, der einen - nicht etwa telefonisch angekündigten - Fristverlängerungsantrag am Tag des Fristablaufs erst gegen 18.00 Uhr per Telefax übermittelt, muss angesichts der üblichen Geschäftsabläufe der Gerichte damit rechnen, dass der Antrag nicht mehr am selben Tag von der Poststelle zum zuständigen Richter gelangt. Von daher konnte der Kläger auch nicht darauf vertrauen, dass das Gericht ihn noch vor Ablauf der Frist auf die fehlende Möglichkeit der Fristverlängerung hinweist.

Nach alledem ist der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen.

2. Da der Kläger seinen Zulassungsantrag entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet hat - und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann (s. o.) - ist der Zulassungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Ob eine Begründung des Zulassungsantrags ausnahmsweise entbehrlich sein kann, wenn ein Urteil offensichtlich unrichtig ist (Schriftsatz des Klägers vom 3.8.2009, S. 4), mag dahinstehen, weil sich eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit des Urteils hier nicht feststellen lässt.

Eine Berücksichtigung der vom Kläger nachträglich mit Schriftsatz vom 27.2.2009 dargelegten Zulassungsgründe ist dem Senat wegen der Verfristung der Antragsbegründung verwehrt. Ob das Antragsvorbringen des Klägers eine Zulassung der Berufung gerechtfertigt hätte, ist rechtlich unerheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgebend für die Wertberechung im Zulassungsverfahren ist das sich aus dem Antrag ergebende Interesse des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung. Der Zulassungsantrag richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nur insoweit, als die Klage abgewiesen wurde und betrifft damit lediglich die Aufhebung der Anordnung des Ruhens der Approbation. Nachdem sich der Kläger im Zulassungsverfahren zur Höhe des Streitwerts nicht geäußert hat, erscheint angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache ein Streitwert in Höhe von 20.000,00 € angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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