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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 4 B 428/09
Rechtsgebiete: GG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 14
VwGO § 146 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 428/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Folgenbeseitigungsanspruchs; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 15. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. Juli 2009 - 2 L 235/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die den Prüfungsumfang des Senats begrenzen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zur beantragten Änderung des angefochtenen Eilbeschlusses.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur "sofortigen Herstellung einer (notfalls zunächst provisorischen) Ersatzbrücke" über den........... zur Anbindung des antragstellerischen Grundstücks an das öffentliche Verkehrswegenetz mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch auf Wiederherstellung der abgerissenen Brücke, die nicht in seinem Eigentum gestanden habe. Ein Anspruch auf die Wiederherstellung der Brücke auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. ergebe sich weder aus dem dinglich gesicherten Geh- und Fahrrecht noch aus dem - nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten - Anliegergebrauch des Antragstellers. Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins sei das Grundstück des Antragstellers faktisch für Kraftfahrzeuge über eine gemeindliche Brücke (sog. Eisenbahnbrücke) erreichbar; eine fußläufige Zugangsmöglichkeit zum Grundstück des Antragstellers sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich gewährleistet. Ein Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung der wegen Einsturzgefahr abgerissenen Brücke scheide aus, da sich - insoweit unstreitig - die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort wesentlich geändert hätten. Am bisherigen Standort könne nach Durchführung des dazu erforderlichen wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens allenfalls eine neu dimensionierte, wesentlich geänderte Brücke errichtet werden. Eine solche Brücke stelle gegenüber der alten Brücke ein sog. aliud dar, was eine Folgenbeseitigung im rechtlichen Sinne ausschließe. Da das Grundstück des Antragstellers bis zum Abriss der einsturzgefährdeten Brücke nicht gewerblich genutzt worden sei, könne der Antragsteller nicht geltend machen, eine gewerbliche Grundstücksnutzung setze eine uneingeschränkte Zufahrtsmöglichkeit voraus. Im Übrigen sei anzumerken, dass sowohl die auf § 92 SächsWG gestützte Anordnung zur Beseitigung der Brücke als auch die entsprechenden Duldungsanordnungen im Bescheid des damaligen Landkreises Annaberg vom 2.8.2007 sofort vollziehbar gewesen seien und den im Wege der Ersatzvornahme vollzogenen Abriss der Brücke legalisiert hätten. Die Auswirkungen der nachträglichen Aufhebung des Bescheids vom 2.8.2007 durch den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 4.3.2009 seien nur in einem eventuellen Hauptsacheverfahren zu klären.

1.1. Mit seinem Beschwerdevorbringen macht der Antragsteller demgegenüber geltend, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen des Anordnungsanspruches verkannt. Der Antragsteller habe einen Folgebeseitigungsanspruch auf Wiederherstellung des Zustands vor dem Abriss der Brücke. Eine Zufahrt zu seinem Grundstück müsse zumindest provisorisch gewährleistet werden. Die Nutzung der Brücke als Grundstückszufahrt sei schon mit Blick auf das als Grunddienstbarkeit eingetragene Fahr- und Wegerecht eigentumsrechtlich (Art. 14 GG) geschützt und vermittle eine wehrfähige Rechtsposition des Antragstellers in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO. Rechtlich geschützt sei auch der Anliegergebrauch. Der auf gravierende Planungsmängel bei der umgestalteten Abwasserkanalisation zurückzuführende Abriss der jahrzehntelang standfesten Bachbrücke schließe eine gewerbliche Grundstücksnutzung aus. In einem Notfall könnten weder Feuerwehr- noch Rettungsfahrzeuge das Grundstück des Antragstellers erreichen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Brücke könne nur an einem anderen Standort errichtet werden, sei unzutreffend. Die im Widerspruchsverfahren rückwirkend aufgehobene Beseitigungsanordnung habe den Brückenabriss nicht legalisieren können. Angesichts der offenkundigen Rechtswidrigkeit der Beseitigungsanordnung und Duldungsverfügung hätte der Rechtsvorgänger des Antragsgegners die Brücke nicht ersatzlos beseitigen dürfen; von einem Mitverschulden des Antragstellers könne keine Rede sein.

1.2. Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Eilbeschluss. Die Beigeladene zu 2 führt aus, der Antragsteller könne die in ihrem Eigentum stehende, nicht als Verkehrsweg gewidmete Eisenbahnbrücke kostenlos, aber auf eigene Gefahr und unter Ausschluss jeglicher Haftung als nutzen. Die Beigeladene zu 1. hat sich nicht geäußert.

2. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Mit seinem Antrag auf "sofortige Herstellung einer (notfalls zunächst provisorischen), mit Pkw befahrbaren Ersatzbrücke" begehrt der Antragsteller eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache. Der Erlass einer solchen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht oder einem Antragsteller besonders schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (siehe Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 14 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Beim derzeitigen Stand des Verfahrens ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass eine Zufahrt zum Grundstück des Antragstellers vorläufig über die sog. Eisenbahnbrücke erfolgen kann. Da die Beigeladene zu 2. als Eigentümerin der Brücke und des sich anschließenden Flurstücks dem Antragsteller die Nutzung dieser Zufahrtsmöglichkeit ausdrücklich gestattet hat (zuletzt im Schriftsatz vom 14.9.2009), ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht zur Abwehr außergewöhnlich schwerer Nachteile des Antragstellers erforderlich.

Eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs mit dem vom Antragsteller geltend gemachten Inhalt lässt sich ebenso wenig feststellen. Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass durch hoheitlichen Eingriff ein subjektives Recht verletzt und ein fortdauernder rechtswidriger Zustand geschaffen wurde. Der Anspruch ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtet, soweit dies tatsächlich möglich und rechtlich zulässig ist sowie mit zumutbarem Aufwand erfolgen kann (siehe etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 30 Rn. 7 ff. m. w. N.).

Selbst wenn mit dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers von der Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts durch den Brückenabriss ausgegangen werden müsste, lässt sich die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

In rechtlicher Hinsicht dürfte die Errichtung einer neuen Brücke nach den nunmehr geltenden Vorschriften insbesondere des Sächsischen Wassergesetzes zu beurteilen sein. Ob eine Brücke am alten Standort nach derzeitigem Recht noch in rechtlich zulässiger Weise errichtet werden könnte, erscheint fraglich. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 2 der Niederschrift des Erörterungstermins vom 14.7.2009 sind die Ufermauern im Bereich der abgetragenen Brücke zwischenzeitlich befestigt worden; schon dies deutet auf wesentliche Veränderungen der für einen Brückenbau maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse im Bereich des früheren Standorts hin. Angesichts der vom Antragsteller eingehend dargelegten Änderungen im Bereich der Abwasserkanalisation, die aufgrund der unzureichenden Kapazität des Geyersbachs zu Überflutungen auf den streitigen Grundstücken geführt haben sollen, dürfte die Wiederherstellung einer als "akutes Ablaufhindernis" bezeichneten Brücke (Beschwerdebegründung vom 19.8.2009, S. 4) in ihrer bisherigen Form und am bisherigen Standort wohl von vornherein ausscheiden. Ob die Errichtung einer anderweitigen Ersatzbrücke noch von dem - ausschließlich geltend gemachten - Folgenbeseitigungsanspruch umfasst sein kann, erscheint zweifelhaft.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht vor.

Dementsprechend ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt und dadurch ein Kostenrisiko vermieden haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Bei der Streitwertfestsetzung §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG orientiert sich der Senat an der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die Einwendungen nicht erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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