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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 4 B 460/09
Rechtsgebiete: VwGO, EnWG


Vorschriften:

VwGO § 48 Abs. 1 Nr. 4
EnWG § 43 S. 1 Nr. 2
EnWG § 43e Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 460/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Planfeststellungsbeschluss Ergasfernleitung .... (DN 1400)

hier: Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 20. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Zwischenentscheidung wird abgelehnt.

Gründe:

Der mit Schriftsatz vom 7.9.2009 gestellte Antrag der Antragstellerin, den Planfeststellungsbeschluss der Landesdirektion Chemnitz vom 9.7.2009 für die Erdgasfernleitung .... (DN 1400) der Beigeladenen im Trassenabschnitt von ........... bis ......... bis zu einer Entscheidung des Senats über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Wege der Zwischenentscheidung ("Hängebeschluss") außer Vollzug zu setzen, bleibt ohne Erfolg.

1. Das Oberverwaltungsgericht ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 VwGO als Gericht der Hauptsache erstinstanzlich zuständig, weil die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb einer Gasversorgungsleitung mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimeter (§ 43 Satz 1 Nr. 2 EnWG) begehrt.

Die gegen den Planfeststellungsbeschluss am 2.9.2009 erhobene Anfechtungsklage (4 C 24/09) der Antragstellerin hat nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung. Da eine Entscheidung des Senats über den am 7.9.2009 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage noch nicht absehbar ist, die Beigeladenen Bauarbeiten zur Errichtung der Gasleitung durchführen lassen und eine vorzeitige Besitzeinweisung (§ 44b EnWG) droht, hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an einer Beschlussfassung über die von ihr beantragte Zwischenentscheidung des Senats.

2. Eine Zwischenentscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer summarischen Interessenabwägung, soweit dies zur Vermeidung irreversibler Nachteile für einen Antragsteller bis zum Erlass einer verfahrensbeendenden Entscheidung des Gerichts geboten ist (siehe J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. § 80 Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 170). Dies ist hier nicht der Fall.

2.1. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin mit wesentlichen Teilen ihres Vorbringens im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO voraussichtlich nicht gehört werden kann.

Gemeinden steht gegenüber Fachplanungen grundsätzlich kein Anspruch auf eine umfassende objektiv-rechtliche Planprüfung zu, wie sie die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren beansprucht. Gemeinden können vielmehr nur eine Verletzung eigener Rechtspositionen rügen, wie sie sich namentlich aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht ergeben können. Eine Überprüfung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses auf seine Vereinbarkeit mit den Rechten ortsansässiger Windenergieunternehmen oder mit Bestimmungen des objektiven Rechts dürfte deshalb von vornherein ausscheiden. Die von der Antragstellerin angeführte Inanspruchnahme ihres Grundeigentums für das planfestgestellte Vorhaben wird daran voraussichtlich nichts ändern. Weder aus Art. 28 Abs. 2 GG noch aus Art. 82 Abs. 2 SächsVerf folgt ein Anspruch auf umfassende gerichtliche Überprüfung eines die Gemeinde betreffenden Planfeststellungsbeschlusses unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2001, NVwZ 2001, 1160 ff.; BayVGH, Urt. v. 19.4.2005, BayVBl. 2006, 765 ff.). Im Unterschied zu einem durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses betroffenen privaten Grundstückseigentümer wird sich eine durch das Fachplanungsrecht berührte Gemeinde nicht auf die Schutzwirkung der Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG oder Art. 32 Abs. 1 SächsVerf berufen können, weil sie nicht Grundrechtsträgerin, sondern - auch soweit sie als Fiskus über Grundstückseigentum verfügt - nur Teil der öffentlichen Gewalt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, BVerfGE 61, 82, 100 ff.; BVerwG a. a. O., S. 1161 m. w. N.). Die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Entsch. v. 13.7.1984, BayVBl. 1984, 655) zur Grundrechtsträgerschaft von Gemeinden nach bayerischem Verfassungsrecht ist auf die im Freistaat Sachsen geltende (Verfassungs-)Rechtslage nicht übertragbar.

Ausgehend davon wird es der Antragstellerin als Teil der vollziehenden Gewalt (siehe SächsVerfGH, Beschl. v. 3.5.2007, SächsVBl. 2007, 182, 183) voraussichtlich verwehrt sein, sich im gerichtlichen Verfahren als "Kontrolleur" der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden oder als Sachwalter der Interessen ortsansässiger Windenergieunternehmen zu betätigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.4.1999, NVwZ-RR 1999, 554 f.).

2.2. Soweit die Antragstellerin eine Verletzung ihrer vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 82 Abs. 2 SächsVerf) geschützten Planungs- und Finanzhoheit rügen kann, wird im Eil- und Hauptsacheverfahren zu prüfen sein, ob bzw. in welchem Umfang sie mit Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgeschlossen ist. Gemäß § 43a Abs. 7 Satz 1 EnWG sind Einwendungen gegen den Plan nach Ablauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Bekanntmachung der Auslegung hingewiesen.

In Anwendung dieser Vorschrift wird sich die Antragstellerin - nach derzeitigem Erkenntnisstand - im gerichtlichen Verfahren voraussichtlich nur auf jene Einwendungen stützen können, die sowohl dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zuzuordnen als auch von ihrer Stellungnahme im Schreiben vom 13.5.2008 umfasst sind. In diesem Schreiben hatte sich die Antragstellerin im Rahmen der Anhörung als Trägerin öffentlicher Belange insbesondere gegen die Trassenführung der Gasleitung ausgesprochen und dazu auf raumordnerische Gesichtspunkte und auf die Bedeutung der Windkraftnutzung für die gemeindlichen Gewerbesteuereinnahmen hingewiesen. Spätere Schreiben der Antragstellerin dürften - bei ordnungsgemäßer Auslegung mit entsprechendem Hinweis - verfristet sein, weil sie deutlich nach Ablauf der Einwendungs- bzw. Anhörungsfrist bei der Landesdirektion Chemnitz eingingen.

Ob die fristwahrenden Rügen der Antragstellerin hinsichtlich der Trassenführung und hinsichtlich raumordnerischer Gesichtspunkte noch vom Schutzbereich der kommunalen Planungshoheit umfasst sind oder ob diese Gesichtspunkte als Teil einer Abwägungsentscheidung dem - für die Antragstellerin nicht rügefähigen - objektiven Recht zuzurechnen sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.4.2005, BayVBl. 2006, 765 f. zur straßenrechtlichen Planfeststellung), ist für die beantragte Zwischenentscheidung ebenso wenig abschließend zu entscheiden wie die Frage, ob die Antragstellerin durch ihren knapp gehaltenen Hinweis auf die Bedeutung der Windkraftnutzung für die Gewerbesteuereinnahmen eine Verletzung ihrer Finanzhoheit hinreichend dargetan hat.

Soweit die Erfolgsaussicht des Eilantrags der Antragstellerin im Hinblick auf eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrecht beim derzeitigen Verfahrensstand als offen anzusehen ist, überwiegt nach den Umständen des Falles das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners und der Beigeladenen das Interesse der Antragstellerin an einer Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses. Zum einen kann sich die Antragstellerin als kommunale Gebietskörperschaft und Teil der vollziehenden Gewalt im gerichtlichen Verfahren nicht auf jene Nachteile berufen, die den ortsansässigen Windenergieunternehmen bei einer Fortsetzung der Bauarbeiten möglicherweise drohen. Zum anderen schlägt der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG) auch bei der hier gebotenen Interessenabwägung mit erheblichem Gewicht zu Buche (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.4.2005, BVerwGE 123, 241, 243 f.).

Nach alledem ist die beantragte Zwischenentscheidung abzulehnen. Einer Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bedarf es insoweit nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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