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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 4 B 541/05
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 91/271/EWG, GG, SächsVerf, SächsGemO, SächsWG


Vorschriften:

EGV Art. 28
EGV Art. 49
EGV Art. 81
Richtlinie 91/271/EWG
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 14
SächsVerf Art. 15 Abs. 1
SächsVerf Art. 31
SächsGemO § 14
SächsWG § 63 Abs. 2
1. Die gerichtliche Überprüfung von Satzungsbestimmungen über einen Anschluss- und Benutzungszwang (§ 14 SächsGemO) beschränkt sich auf das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens.

2. Ein Mangel des Abwasserbeseitigungskonzepts (§ 63 Abs. 2 SächsWG) führt nicht zur Rechtswidrigkeit von Satzungsregelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang für Anlagen zur Ableitung und Reinigung von Abwasser.

3. Eine mit dem kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang bei der Abwasserbeseitigung verbundene Einschränkung des freien Dienstleistungs- und Warenverkehrs sowie des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 81 ff. EGV) ist aus gewichtigen Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt.


SÄCHSISCHE OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 541/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anschluss an die öffentliche Abwasserkanalisation

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng, den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. Oktober 2002 - 6 K 943/00 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, sein Hausgrundstück an die öffentliche Abwasserkanalisation anzuschließen.

Die Kläger ist Eigentümer des im Verbandsgebiet des Beklagten gelegenen, mit einem 3-Familienhaus bebauten Grundstücks O . in . Das auf diesem Grundstück anfallende Abwasser wird in einer auf dem Grundstück befindlichen Kleinkläranlage behandelt, deren Überlauf in einen öffentlichen Mischkanal führt.

Mit Bescheid vom 21.1.2000 verpflichtete der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf § 3 seiner Abwassersatzung, das Hausgrundstück bis spätestens zum 24.7.2000 an die öffentliche Abwasseranlage des Beklagten anzuschließen. Der sog. Anschlussbescheid war nicht unterschrieben und enthielt den Hinweis, dass er maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig sei.

Gegen den Bescheid vom 21.1.2000 erhob der Kläger am 10.2.2000 Widerspruch, den er mit einer Verletzung der auf die Erkenntnisse von Adam Smith zurückzuführenden europarechtlichen Dienstleistungs- und Warenhandelsfreiheit begründete. Er werde gezwungen, sein Abwasser dem Beklagten zu überlassen und dadurch zumindest faktisch gehindert, eine Kleinkläranlage aus einem anderen EU-Land zu erwerben und zu nutzen. Diese Einschränkung der Bürgerrechte durch ein kommunales Monopol werde nicht durch vernünftige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, zumal es weder kompliziert noch gefährlich sei, Hausabwässer zu reinigen. Es müsse dem Bürger selbst überlassen bleiben, wie er sein Abwasser entsorge.

Ein Widerspruchsbescheid erging in der Folgezeit nicht.

Der Kläger hat am 27.6.2000 (Anfechtungs-)Klage erhoben. Zur Begründung führte er ergänzend zum Widerspruchsvorbringen aus, der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil er nicht unterschrieben und deshalb nicht erkennbar sei, ob er von einem "kompetenten Organ" des Beklagten erlassen worden sei. Nachdem der Geschäftsführer des Beklagten den Eingang des Widerspruchsschreibens bestätigt habe, liege es nahe, dass der - in der Verbandssatzung nicht vorgesehene - Geschäftsführer auch den Bescheid erlassen habe. Rechtswidrig sei der Bescheid auch deshalb, weil er nicht erkennen lasse, wann die in § 3 Abs. 3 der Satzung genannte Frist für den Anschluss ("6 Monate nach der betriebsfertigen Herstellung" der Abwasseranlage) in Lauf gesetzt worden sei. Der Termin für die Herstellung des Anschlusses (24.7.2000) sei willkürlich festgesetzt, wegen des Bodenfrosts habe es im Winter keine Bauaktivitäten geben können. Die Begründung des Bescheids sei formelhaft und unzureichend, auch habe der Beklagte seinen Ermessensspielraum verkannt. Im ländlichen Raum sei eine dezentrale Abwasserbehandlung nachweislich wirtschaftlicher und ökologischer als eine zentrale Abwasserentsorgung. Eine dezentrale Abwasserbeseitigung verringere die Gefahr undichter Kanäle und Antibiotika-Resistenzen, vermindere die Seuchengefahr, reduziere die Schadstofffracht in Nord- und Ostsee, ermögliche eine bessere Verwendung von Klärschlamm, reduziere die Rattenplage, sichere den Mindestabflusses von Kleinstgewässern, beeinträchtige den Bodenhaushalt weniger, verringere Überschwemmungsgefahren und Unfallzahlen (Arbeitsunfälle bei Kanalbefahrungen), verbessere das Mikro- und Makroklima und trage zu Energieeinsparungen bei. Durch eine fachgerechte Umrüstung seiner Kleinkläranlage für etwa 1.500 € könne der Kläger einen höheren Umweltstandard erreichen als die zentrale Anlage des Beklagten; wegen des ungewissen Prozessausgangs müsse der Kläger aber derzeit von einer Umrüstung absehen.

Der Beklagte verteidigte den angefochtenen Bescheid. Die neue Verbandskläranlage in P. sei bereits einige Monate vor Erlass des Bescheids in Betrieb genommen worden. Der Bescheid sei maschinell erstellt worden und benötige keine Unterschrift. Auf eine Organstellung des Geschäftsführers komme es nicht an. Eine weitergehende Begründung des Bescheids sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger verkenne, dass der Anschluss- und Benutzungszwang der Volksgesundheit und dem Umweltschutz diene; eine Wahlmöglichkeit bestehe auch im Hinblick auf die Kleinkläranlage nicht. Der Beklagte habe sich in rechtlich und ökologisch nicht zu beanstandender Weise für eine zentrale Abwasserbehandlung entschieden. Auch eine Befreiung des Klägers vom Anschluss- und Benutzungzwang scheide aus. Im Übrigen sei die Klage bereits unzulässig, weil es bei Anfechtungsklagen keine Untätigkeitsklage gebe.

Mit Urteil vom 30.10.2002 - 6 K 943/00 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die nach § 75 VwGO zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Er habe nach § 1 SächsVwVfG i. V. m. § 37 VwVfG ohne Unterschrift und Namensangabe erlassen werden dürfen. Inhaltlich sei er ebenso wenig zu beanstanden. Der Kläger unterliege dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 3 der Satzung, die auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhe (§ 14 Abs. 1 SächsGemO, §§ 47, 6 SächsKomZG). Der nach § 63 Abs. 5 Satz 1 SächsWG überlassungspflichtige Kläger sei - trotz der vorhandenen Kleinkläranlage mit Überlauf in den Mischwasserkanal - bislang nicht an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen. Einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang - den der Kläger mit seinem Widerspruch sinngemäß gestellt habe - habe der Kläger nicht. Die Herstellung des Anschlusses sei zumutbar, insbesondere gebe es keine besonderen technischen Hindernisse.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 1.8.2005 - 4 B 45/03 - auf den Antrag des Klägers zugelassenen Berufung verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend bzw. vertiefend aus, § 18a WHG und § 63 Abs. 1 SächsWG n. F. sähen dezentrale Abwasserbehandlungsanlagen nunmehr ausdrücklich vor. Abwassersatzungen, die gleichwohl einen allgemeinen Anschluss- und Benutzungszwang enthielten, seien wegen ihrer Lenkungswirkung verfassungswidrig. Sie seien weder mit Art. 2 Abs. 1 GG noch mit der bundesstaatlichen Kompetenzordnung vereinbar. Das Verwaltungsgericht hätte den Rechtsstreit nicht auf den Einzelrichter übertragen dürfen, zudem habe es nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt und den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt. Die Frage der Vereinbarkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs mit Art. 59 und Art. 33 EGV a. F. sowie mit § 18a WHG habe grundsätzliche Bedeutung und rechtfertige die Zulassung der Revision.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30.10.2002 - 6 K 943/00- zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 21.1.2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend verweist er auf den Senatsbeschluss vom 8.8.2007 - 4 B 321/05 -, SächsVBl. 2007, 267, zum Anschluss- und Benutzungszwang.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Senatsakten 4 B 45/03 und 4 B 541/05, die Gerichtsakte 6 K 943/00 des Verwaltungsgerichts Leipzig sowie die vorgelegte Behördenakte (1 Heftung) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Nach dem in der mündlichen Verhandlung des Senats gestellten Antrag begehrt der Kläger die gerichtliche Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 21.1.2000. Bei diesem Klagebegehren beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und die Verletzung des Klägers in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Über einen Anspruch des Klägers auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 5 Abwassersatzung) hat der Senat - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts - nicht zu entscheiden, weil der Kläger keine Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5 VwGO) erhoben hat. Ebenso wenig teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der - bereits damals anwaltlich vertretene - Kläger habe mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.1.2000 einen konkludenten Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gestellt. Für eine solche Auslegung bietet die Begründung des klägerischen Widerspruchs keine Anhaltspunkte.

Ob das Urteil des Verwaltungsgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen ist, wie es der Kläger im Einzelnen ausgeführt hat, bedarf im Berufungsverfahren keiner Entscheidung, weil das Oberverwaltungsgericht den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht zu prüfen hat (§ 128 Satz 1 VwGO). Zur Gehörs- und Aufklärungsrüge des Klägers merkt der Senat lediglich an, dass der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts nicht erschienen ist und keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat.

2. Die nach § 75 Satz 1 VwGO ohne Widerspruchsbescheid zulässige Anfechtungsklage des Klägers ist unbegründet.

In formeller Hinsicht ist der Bescheid des Beklagten aus den vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegten Gründen rechtmäßig. Insbesondere durfte der Bescheid ohne Unterschrift und Namenswiedergabe erlassen werden (§ 1 SächsVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 5 VwVfG), einer weitergehenden Begründung bedurfte er gemäß § 1 SächsVwVfG i.V.m § 39 Abs. 1 VwVfG nicht.

In materieller Hinsicht ist der Kläger durch die Anordnung, sein Hausgrundstück bis zum 24.7.2000 an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, ebenso wenig in seinen Rechten verletzt.

Die Anordnung findet ihre Grundlage in § 3 der Abwassersatzung des Beklagten. Nach § 3 Abs. 1 der - insoweit seit Erlass des Bescheids unverändert gebliebenen - Satzung sind Eigentümer von Grundstücken, auf denen Abwasser anfällt, nach näherer Bestimmung der Abwassersatzung verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen. Abs. 3 Satz 2 bestimmt für den - hier vorliegenden - Fall der nachträglichen Herstellung der öffentlichen Abwasseranlage, dass Grundstücke innerhalb von sechs Monaten nach der betriebsfertigen Herstellung anzuschließen sind. Dass die neue Kläranlage des Beklagten im benachbarten P. weniger als sechs Monate vor Erlass des Bescheids fertig gestellt wurde, macht der Kläger nicht geltend. Soweit der Anschlussbescheid eine von § 3 Abs. 3 Satz 2 der Satzung abweichende - längere - Frist für den Anschluss des Hausgrundstücks bestimmt, ist der Kläger dadurch jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt.

Die inzident zu prüfende Abwassersatzung des Beklagten verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch materiell-rechtlich ist die Satzung, soweit sie entscheidungserheblich ist, nicht zu beanstanden. Ist einem Zweckverband die den Gemeinden obliegende Abwasserbeseitigungspflicht übertragen (§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SächsWG), kann er gemäß § 14 Abs. 1 SächsGemO i. V. m. § 47 Abs. 2, § 6 Abs. 1 SächsKomZG beim Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses durch Satzung für die Grundstücke seines Gebietes den Anschluss an Anlagen zur Ableitung und Reinigung von Abwasser als dem öffentlichen Wohl, insbesondere dem Umweltschutz dienende Einrichtungen und die Benutzung dieser Anlagen vorschreiben. Die Satzung kann bestimmte Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zulassen und den Zwang auf bestimmte Teile des Verbandsgebiets oder auf bestimmte Gruppen von Grundstücken, Gewerbetreibende oder Personen beschränken (§ 14 Abs. 2 SächsGemO). Gestützt auf diese - verfassungsrechtlich unbedenkliche (zu den Anforderungen vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2006, BVerwGE 125, 68, 70 f. m. w. N.) - Ermächtigungsgrundlage war es dem Beklagten im Rahmen seines satzungsgeberischen Ermessens (vgl. SächsOVG, NK-Urt. v. 3.6.2003, SächsVBl. 2005, 256, 259) nicht verwehrt, einen Anschluss- und Benutzungszwang für eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage auch für solche Grundstücke des Verbandsgebiets vorzusehen, die bereits über eine eigene (ggf. auch nachrüstbare) Kleinkläranlage verfügen.

Für eine Überschreitung der dem Satzungsgeber bundes- wie landesrechtlich gezogenen kompetenziellen Grenzen ist - entgegen dem Klägervorbringen - nichts ersichtlich. Mit seinem in der Berufungsverhandlung eingehend erläuterten Vorbringen macht der Kläger im Kern geltend, der Satzungsgeber habe verkannt, dass dezentrale private Kleinkläranlagen gegenüber zentralen öffentlichen Abwasserbeseitungsanlagen wesentliche Vorteile böten, wie es der Bundes- und Landesgesetzgeber im Einklang mit europäischem Recht zwischenzeitlich anerkannt habe. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Die gerichtliche Überprüfung der Satzungsbestimmungen über den Anschluss- und Benutzungszwang erstreckt sich nicht auf den Vorgang der Abwägung oder die Motive derjenigen, die am Normerlass mitgewirkt haben. Mangels eines gesetzlich anderweitig ausgestalteten Prüfungsmaßstabs (wie etwa im Bauplanungsrecht) kommt es ausschließlich darauf an, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den jeweils anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.1.2007, DÖV 2007, 560 f.). Dies ist für die maßgeblichen Bestimmungen der Abwassersatzung des Beklagten - auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetzesänderungen - unabhängig davon zu bejahen, ob die teilweise deckungsgleich verwendeten Begriffe des "öffentlichen Bedürfnisses" und des "öffentlichen Wohls" i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz SächsGemO als unbestimmte Rechtsbegriffe einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegen (so etwa Gern, Sächsisches Kommunalrecht, 2. Aufl., Rn. 682, und Quecke, in: Quecke/Schmid, SächsGemO, Stand August 2007, § 14 Rn. 16. m. w. N. zu abweichenden Auffassungen).

Bei der Überprüfung von Satzungsrecht haben die Verwaltungsgerichte auch zu respektieren, dass sich der Satzungsgeber im Rahmen seines normativen Ermessens für eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten der Abwasserbeseitigung entscheidet. Dieses Ermessen wird grundsätzlich erst dann überschritten, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.1.2007, a. a. O.). Dies lässt sich hier nicht feststellen, mag es - wie es der Kläger auch im Berufungsverfahren vorgetragen hat - auch gute Gründe geben, die für eine dezentrale Abwasserbeseitigung im ländlichen Raum sprechen können.

Der bereits durch Gesetz vom 11.11.1996 (BGBl. I S. 1690) in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügte § 18a Abs. 1 Satz 2, wonach dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprechen kann, eröffnet den entsorgungspflichtigen Körperschaften einen größeren Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte. Die genannte Regelung gebietet es jedoch nicht, von der Anordnung eines allgemeinen Anschluss- und Benutzungszwangs abzusehen (so bereits BVerwG, Beschl. v. 9.4.1997 - 8 B 69/97 -, juris; Beschl. v. 13.6.1997, Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 141; Beschl. v. 19.12.1997, NVwZ 1998, 1080; SächsOVG, Beschl. v. 8.8.2007, SächsVBl. 2007, 267 m. w. N.).

Der vom Kläger darüber hinaus angeführte § 63 Abs. 1 Satz 2 SächsWG n. F., der mit Wirkung vom 1.1.2007 auch das Entnehmen und Transportieren von Schlamm aus näher bestimmten Kleinkläranlagen der Abwasserbeseitigung zuordnet, führt ebenso wenig zur Rechtswidrigkeit der Abwassersatzung. Eine Begrenzung des satzungsgeberischen Ermessens lässt sich der Regelung nicht entnehmen. Hinsichtlich des vom Kläger konkludent angegriffenen Abwasserbeseitigungskonzepts des Beklagten, das der streitigen Abwassersatzung zugrunde liegt, ist mit der Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.7.2007 - 5 B 565/05 -, SächsVBl. 2008, 17, 22, unter Hinweis auf BayVerfGH, Entsch. v. 18.4.2007 - Vf. 2-VII-06 - u. BayVGH, Beschl. v. 11.9.2002 - 23 ZB 02.615 -, jeweils zitiert nach juris) ebenfalls von einem weiten Ermessenspielraum der entsorgungspflichtigen Körperschaften auszugehen. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 und 2 SächsWG stellen die abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden für das gesamte Entsorgungsgebiet ein Abwasserbeseitigungskonzept auf. Dies enthält nach Satz 4 u. a. die Bezeichnung der Teile des Entsorgungsgebietes, die über öffentliche Anlagen entsorgt werden sollen, und die Bezeichnung der Teile des Entsorgungsgebietes, die über nichtöffentliche Anlagen, Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben entsorgt werden sollen sowie Angaben zum Umfang des angeordneten oder geplanten Anschluss- und Benutzungszwanges. Eine Begrenzung des satzungsgeberischen Ermessens findet sich lediglich in § 63 Abs. 2 Satz 3 SächsWG, wonach die dort genannten Grundsätze und Pläne, der Gewässerschutz und die Begrenzung der Kosten der Abwassererzeuger zu berücksichtigen sind. Eine Verletzung der vorgenannten Bestimmungen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Wegen des auf eine Ergebniskontrolle (BVerwG, Beschl. v. 10.1.2007, a. a. O.) beschränkten Prüfungsumfangs bei den Satzungsbestimmungen über den Anschluss- und Benutzungszwang wäre ein eventueller Mangel des Abwasserbeseitigungskonzepts auch nicht dazu geeignet, die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen der Abwassersatzung zu begründen.

Soweit der Kläger auf eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 31. SächsVerf) bzw. auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 15 Abs. 1 SächsVerf) verweist (zur Abgrenzung der Schutzbereiche bei vorhandenen Anlagen SächsOVG, NK-Urt. v. 3.6.2003, a. a. O. 256 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 19.12.1997, a. a. O.) wie des erkennenden Senats (siehe Beschl. v. 8.8.2007, a. a. O.; Urt. v. 16.10.2007 - 4 B 507/05 -, juris; zur Veröffentlichung in SächsVBl. vorgesehen) geklärt, dass die mit der satzungsmäßigen Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs verbundenen Eingriffe zum Schutz der Volksgesundheit und der Umwelt (Stichwort Gewässerschutz) gerechtfertigt sind.

Auch europarechtlich ist die satzungsmäßige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs nicht zu beanstanden. Die in der mündlichen Verhandlung des Senats angesprochene Richtlinie 91/271/EWG des Rats vom 21.5.1991 (ABl. L 135 v. 30.5.1991, 40) über die Behandlung von kommunalem Abwasser sieht in Art. 3 ausdrücklich vor, dass Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnerwerten bis zum 31.12.2005 mit einer Kanalisation auszustatten sind; auch die Behandlung des in die Kanalisation eingeleiteten Abwassers zur Einhaltung bestimmter Grenzwerte ist in der Richtlinie vorsehen (Art. 4 Abs. 3 mit Verweisung auf Anhang I). Regelungen zugunsten von Personen, die einem Anschluss- und Benutzungszwang unterworfen werden, enthält die Richtlinie 91/271/EWG nicht.

Eine Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten vermag der Senat ebensowenig festzustellen. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Anordnung eines kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs eine Form der Monopolbildung darstellt, die den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr (Art. 49, Art. 28 EGV n. F.) im Gemeinsamen Markt beeinträchtigen und auch zu einer unzulässigen Einschränkung des Wettbewerbsrechts (Art. 81 ff. EGV) führen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O., S. 77 f.; SächsOVG, Beschl. v. 6.1.2005, SächsVBl. 169, 172; Gern, a. a. O., Rn. 710). Nach Auffassung des Senats scheidet eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit und der Verletzung des freien Warenverkehrs schon mangels eines hinreichenden europarechtlichen Bezugs aus. Der Kläger sieht eine Verletzung dieser Grundfreiheiten darin, dass er faktisch gehindert werde, seine Kleinkläranlage durch eine importierte Anlage zu ersetzen. Diese - bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats - theoretisch gebliebene Möglichkeit einer Verdrängung ausländischer Konkurrenten genügt für die Annahme einer hinreichend konkreten Rechtsverletzung jedoch nicht. Hinzu kommt, dass ein Eingriff - soweit er zu bejahen wäre - wegen seiner punktuellen Wirkung nur geringe Auswirkungen auf die vom Gemeinschaftsrecht geschützten Freiheiten hätte und - nicht anders als bei der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs für eine Fernwärmeversorgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O., S. 77 f.) - jedenfalls aus gewichtigen Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt wäre (EuGH, Urt. v. 13.3.2001 - Rs. C-379/98, PreussenEleketra, DVBl. 2001, 633, 636). Mit dieser Erwägung scheidet auch eine Verletzung des Wettbewerbsrechts aus (vgl. EuGH, Urt. v. 27.4.1994, Rs. C-393/92, Gemeente Almelo - juris Rn. 51).

Nach alledem ist die Anfechtungsklage unbegründet; die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren gemäß § 72 Nr. 1 GKG n. F., § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. auf 7.500,00 € festgesetzt, wobei sich der Senat nach Anhörung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung an den vom Kläger erstinstanzlich geltend gemachten Anschlusskosten orientiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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