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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 4 B 809/06
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG, InsO, UmweltrahmenG, SächsVwVG


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 21 Abs. 1
InsO § 80 Abs. 1
UmweltrahmenG Art. 1 § 4 Abs. 3 S. 1
SächsVwVG § 2
SächsVwVG § 20 Abs. 1
SächsVwVG § 24
1. Die irreversible Vollstreckung einer Handlungsanordnung (hier: Beseitigungsanordnung) im Wege der Ersatzvornahme führt nicht zur Erledigung der Grundverfügung, wenn von dem Grundverwaltungsakt weiter rechtliche Wirkungen für die Verwaltungsvollstreckung ausgehen (Änderung der Senatsrechtsprechung im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 25.9.2008, NVwZ 2009, 122).

2. Eine Beseitigungsanordnung muss nicht mit einer Befolgungsfrist verbunden sein. Rechtlich geboten ist eine Fristsetzung nur mit Blick auf eine anschließende Verwaltungsvollstreckung.

3. Durch eine zu kurz bemessene Befolgungsfrist wird nicht zugleich eine angemessene Frist in Lauf gesetzt.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 809/06

Verkündet am 27.1.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Altlastensanierung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 27. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. April 2005 - 13 K 3160/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer abfallrechtlichen Beseitigungsanordnung für ein Teerbecken sowie um die Kosten der von der Beklagten durchgeführten Ersatzvornahme.

Die ............. GmbH - die spätere Insolvenzschuldnerin - erwarb im Mai 1992 von der damaligen Treuhandanstalt das ursprünglich industriell und gewerblich genutzte und bebaute Grundstück R....str. 32 - 36 in D...... (Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 der Gemarkung D......-K....). Mit dem Grundstückskaufvertrag verpflichtete sich die ............. GmbH gegenüber der Treuhandanstalt unter anderem zur Kostenbeteiligung an Gefahrenabwehrmaßnahmen bei "ökologischen Altlasten", zu betrieblichen Investitionen sowie zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Mit Bescheid vom 6.12.1993 stellte das damalige Regierungspräsidium Dresden als höhere Abfallbehörde die ............. GmbH auf deren Antrag von der Verantwortung für die durch den ehemaligen Betrieb auf dem Grundstück vor dem 1.7.1990 verursachten Schäden "hinsichtlich der Kostenlast für Gefahrenabwehrmaßnahmen" (Nr. I. 1. des Entscheidungssatzes) für die Dauer von 20 Jahren frei. Zugleich wurde ein Eigenanteil der ............. GmbH in Höhe von 1/10 der Kosten für Gefahrenabwehrmaßnahmen bestimmt. Mit Nebenbestimmung Nr. II.2 wurde der ............. GmbH auferlegt, Gefahrenabwehrmaßnahmen in Abstimmung mit dem Freistaat Sachsen durchzuführen, wobei Letzterer oder eine von ihm beauftragte Einrichtung schriftlich festlegen sollte, "welche Maßnahmen, insbesondere ... zur Gefahrenabwehr notwendig und wie sie durchzuführen sind". Nebenbestimmung Nr. 2.4. sah vor der Vergabe näher bestimmter Aufträge die Einholung mehrerer Angebote und eine beschränkte öffentliche Ausschreibung vor.

In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, die von der ............. GmbH geplanten Investitionen seien aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen zu begrüßen. Da die Realisierung dieser Pläne durch das unabwägbare Risiko einer umfassenden Haftung für Altlasten erheblich erschwert oder gar ausgeschlossen würde, erfolge eine Freistellung unter angemessener Berücksichtigung der von der Käuferin vertraglich eingegangenen Verpflichtung zur Eigenbeteiligung an der "ökologischen Gefahrenabwehr" nach pflichtgemäßem Ermessen.

Bei der Durchführung oberirdischer Abrissmaßnahmen im Jahr 2000 stellte die ............. GmbH fest, dass sich auf ihrem Grundstück eine bei den vorangegangenen Bodenuntersuchungen unentdeckt gebliebene unterirdische Teergrube befand. Dies teilte sie dem Umweltamt der Beklagten am 25.7.2000 schriftlich mit, wobei sie um eine Abstimmung des weiteren Vorgehens bat. Am 10.8.2000 erfolgte eine Ortsbegehung, bei der die Beseitigung der zunächst nur mit Folien abgedeckten Grube erörtert wurde. Anschließend holte die ............. GmbH Angebote für die Beseitigung der Teergrube ein.

Mit Beschluss vom 6.9.2000 ordnete das Amtsgericht Dresden eine vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der ............. GmbH an und bestimmte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Nachdem das Umweltamt der Beklagten Ende September von der Insolvenz erfahren hatte, forderte es den Kläger zur Sicherung des Grundstücks gegen unbefugten Zutritt (insbesondere durch spielende Kinder) und zur Beseitigung der auf dem Grundstück befindlichen Abfälle auf. In der Folgezeit daran kam es zu mehreren Telefonaten des Umweltamts mit dem in der Kanzlei des Klägers tätigen Rechtsanwalt W...... Nach Angaben der Beklagten, die auf einen Aktenvermerk ihres Umweltamts vom 19.10.2000 verweist, soll Rechtsanwalt W..... telefonisch um die Beseitigung der Teergrube durch die Beklagte gebeten haben, da die Insolvenzschuldnerin nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfüge und eine Freigabe des Grundstücks in Betracht komme.

Mit Beschluss vom 30.10.2000 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ............. GmbH und bestimmte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Unter dem 2.11.2000 erließ die Beklagte eine abfallrechtliche Anordnung gegenüber der ............. GmbH, die am 6.11.2000 zugestellt wurde.

In einem Telefonat vom 14.11.2000 teilte Rechtsanwalt W..... dem Umweltamt der Beklagten mit, er wolle die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Teerbecken im Rahmen des Freistellungsverfahrens klären lassen. Zugleich kündigte er an, dass der Kläger gegen eine an ihn gerichtete Ordnungsverfügung Widerspruch einlegen werde. Eine schriftliche Anhörung des Klägers zum beabsichtigten Erlass einer an ihn gerichteten Ordnungsverfügung erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 15.11.2000 gab die Beklagte dem Kläger auf, die zur Insolvenzmasse gehörenden Flurstücke gegen unbefugtes Betreten zu sichern - "Termin: sofort, spätestens 3 Tage nach Bekanntgabe" (Nr. 1), das auf dem Flurstück Nr. F2 befindliche Teerbecken "unverzüglich zu entsorgen, zu reinigen und mit kontaminationsfreien Material zu verfüllen" - "Termin: sofort, spätestens 3 Tage nach Bekanntgabe" (Nr. 2) sowie die weiteren abgelagerten Abfälle (u.a. Holz, Teer, Dachpappe, Bauschutt, Schornsteinbauschutt und anderes) zu entsorgen - "Termin: 1 Monat nach Bekanntgabe" (Nr. 3) und Entsorgungsnachweise für die vorzulegen - "Termin: 6 Wochen nach Bekanntgabe" (Nr. 4). Zudem ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung an (Nr. 5). Für den Fall, dass die Anordnung Nr. 2 "nicht innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe in Angriff genommen" werde, drohte die Beklagte eine Ersatzvornahme an, deren voraussichtliche Kosten sie mit etwa 50.000,00 DM angab (Nr. 6). Zur Begründung der auf § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG gestützten Anordnung Nr. 2 führte die Beklagte aus, beim Inhalt der Teergrube handele es sich um Abfall, für dessen Entsorgung nunmehr der Kläger als Zustandspflichtiger verantwortlich sei. Ein Handlungspflichtiger, der für die Entsorgung des Teerbeckens aus der früheren Dachpappenproduktion herangezogen werden könne, sei nicht greifbar. Die kurze Frist ergebe sich aus dem mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen Zustandsstörerwechsel. Als "vorläufiger Insolvenzverwalter" sei dem Kläger der Inhalt des an die Insolvenzschuldnerin gerichteten inhaltsgleichen Bescheids der Beklagten vom 2.11.2000 bereits bekannt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 5) liege im besonderen öffentlichen Interesse. Das verwahrloste Grundstück sei selbst für spielende Kinder ohne größere Hindernisse zugänglich. Von den dort befindlichen Abfällen gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Dies gelte insbesondere für die Teergrube, deren Abdeckung unvollständig und durch Witterungseinflüsse spröde geworden sei. Gasförmige Emissionen aus dem Becken stellten ein Gefahrenpotential sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für das Grundwasser dar. Bei starken Niederschlägen sei mit Verunreinigungen der Beckenumgebung und des Grundwassers durch Ausspülungen zu rechnen. Zudem sei zu befürchten, dass weitere Abfälle rechtswidrig auf dem Grundstück gelagert würden.

Am 28.11.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie nach Einholung mehrerer Angebote ein Entsorgungsunternehmen mit der Beseitigung des Teerbeckens beauftragt habe. Die Entsorgungsarbeiten wurden am 4.12.2000 aufgenommen und am 13.12.2006 mit der Verfüllung der entstandenen Grube durch Ziegelschutt abgeschlossen. Insgesamt wurden 19 Container mit kontaminiertem Material entsorgt (etwa 120 bis 140 t), nachdem sich im Verlauf der Arbeiten herausgestellt hatte, dass nicht nur ein, sondern insgesamt drei Teerbecken vorhanden waren. Dies führte zu deutlich höheren Ersatzvornahmekosten.

Am 30.11.2000 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.11.2000. Zur Begründung verwies er darauf, dass Kosten für Maßnahmen, die ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Freistaats Sachsen oder der von diesen beauftragten Einrichtungen durchgeführt würden, nach dem Freistellungsbescheid weder erstattet noch auf den Eigenanteil angerechnet würden. Eine Anhörung des Klägers sei nicht erfolgt. Die Ersatzvornahme sei unverhältnismäßig; zudem sei die Frist zu kurz bemessen.

Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 30.11.2000 nahm der Kläger zurück, nachdem das Verwaltungsgericht Dresden seinen Eilantrag abgelehnt hatte.

Mit Bescheid vom 16.3.2001 setzte die Beklagte Ersatzvornahmekosten in Höhe von 104.392,11 DM gegen den Kläger fest. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Kosten dürften nicht durch Bescheid festgesetzt werden, weil sich die Sanierungspflicht bereits vor der Insolvenzeröffnung zu einem bezifferbaren Vermögensanspruch der Beklagten konkretisiert habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.7.2003 (zugestellt am 24.7.2003) stellte das damalige Regierungspräsidium Dresden das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Anordnung zur Beseitigung der Teergrube (Nr. 2 des Bescheids), der Beseitigung von Holz- und Dachpappenabfälle (Nr. 3) sowie der diese Abfälle betreffenden Anordnungen zur Vorlage von Entsorgungsbelegen (Nr. 4), des Sofortvollzugs (Nr. 5) und der Androhung der Ersatzvornahme (Nr. 6) mit der Begründung ein, dass sich das Widerspruchsverfahren mit der irreversiblen Vollziehung der genannten Anordnungen durch die Beklagte erledigt habe. Im Übrigen wies das Regierungspräsidium den Widerspruch als unbegründet zurück. Soweit sich der Ausgangsbescheid nicht erledigt habe, habe die Beklagte den Kläger zu recht als Abfallbesitzer in Anspruch genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.2003 (ebenfalls zugestellt am 24.7.2003) wies das damalige Regierungspräsidium Dresden den Widerspruch des Klägers gegen den Kostenbescheid vom 16.3.2001 ebenfalls zurück.

Der Kläger hat am 25.8.2003 (Montag) Anfechtungsklage erhoben, zu deren Begründung er sein Widerspruchsvorbringen vertiefte. Ergänzend führte er aus, aufgrund des Freistellungsbescheids sei er von einer Zustandsverantwortlichkeit befreit. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe es versäumt, ihn auf den erhöhten Aufwand für die Beseitigung der Teerbecken hinzuweisen. Die Unverhältnismäßigkeit der kurzfristigen angeordneten Beseitigung der Teeerbecken werde auch dadurch belegt, dass die Beklagte selbst über Monate hinweg untätig geblieben sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klage sei verfristet. Der Kläger habe die Monatsfrist um einen Tag versäumt. Die unzulässige Klage sei auch unbegründet. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die durch den Ausgangsbescheid konkretisierte Ordnungspflicht in der Person des Insolvenzverwalters neu entstanden. Der Freistellungsbescheid wirke sich lediglich auf das Innenverhältnis zwischen Freistellungsbehörde und Freigestelltem aus, nicht aber auf die Verpflichtung als Zustandsverantwortlicher. Das Klagevorbringen zur sofortigen Vollziehbarkeit gehe fehl. Die Kosten der Ersatzvornahme seien aus der Insolvenzmasse zu erfüllen.

Mit Urteil vom 26. April 2005 - 13 K 3160/03 - hat das Verwaltungsgericht Dresden Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 15.11.2000 sowie den Bescheid vom 16.3.2001 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Anfechtungsklage sei fristwahrend innerhalb eines Monats nach Zustellung der beiden Widerspruchsbescheide erhoben worden. Die Klage sei begründet, soweit sie sich gegen die Anordnung zur Beseitigung des Teerbeckens innerhalb dreier Tage (Nr. 2 des Bescheids vom 15.11.2000) und gegen den Kostenbescheid vom 16.3.2001 in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide richte. Nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG sei die Beklagte zwar grundsätzlich ermächtigt gewesen, die Beseitigung des Teerbeckens vom Kläger als Insolvenzverwalter zu verlangen. Bei den Teerablagerungen habe es sich um entsorgungspflichtige Abfälle gehandelt, von denen eine Gefährdung der Umwelt ausgegangen sei. Rechtswidrig sei die Beseitigungsanordnung jedoch wegen der unverhältnismäßig kurz bemessenen Ausführungsfrist von nur drei Tagen. Die Entfernung der Teergrube, deren Reinigung und Verfüllung mit kontaminationsfreiem Material sei innerhalb dieser Frist nicht möglich gewesen. Daran habe die Kenntnis des Klägers von der Existenz der Teergrube nichts geändert. Einem Pflichtigen müsse ausreichend Zeit gelassen werden, um zumindest mehrere Angebote von geeigneten Unternehmen einzuholen. Solche Unternehmen stünden erfahrungsgemäß nicht kurzfristig zur Verfügung. Hinzu komme, dass sich die Teergrube nach Beginn der Entsorgungsarbeiten als wesentlich größer erwiesen habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Teergrube als Altlast bereits über einen längeren Zeitraum vorhanden gewesen sei und seit ihrer Entdeckung keine gefahrerhöhenden Umstände hinzugetreten seien. Dem Schutz gegen den Zutritt Unbefugter sei bereits durch die Anordnung Nr. 1 des Bescheids vom 15.11.2000 hinreichend Rechnung getragen worden.

Die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung erstrecke sich auch auf die Ersatzvornahme und den Kostenbescheid vom 16.3.2001. Ungeachtet dessen stehe der Altlastenfreistellungsbescheid vom 6.12.1993 einer Inanspruchnahme des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme entgegen. Der bestandskräftige Bescheid habe nicht nur die Insolvenzschuldnerin, sondern über § 148 InsO auch den Kläger von der Kostenlast für Gefahrenabwehrmaßnahmen freigestellt. Damit habe der Freistellungsbescheid die abstrakt-generelle Regelung des § 24 Abs. 3 SächsVwVG modifiziert. Eine Beschränkung der Rechtswirkungen auf das Innenverhältnis zwischen Kläger und Freistellungsbehörde lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Eine Freistellung solle den Begünstigten im Interesse des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen so stellen, als habe er ein unbelastetes Grundstück erworben. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die weiteren Anordnungen im Bescheid vom 15.11.2000 seien rechtmäßig. Dies gelte nicht nur für die schnelle Sicherung des Grundstücks gegen den Zutritt durch Unbefugte, sondern auch für die weiteren Anordnungen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.5.2005 zugestellte Urteil am 28.6.2005 die Zulassung der Berufung beantragt und diesen Antrag am 28.7.2005 begründet. Mit Beschluss vom 4.12.2006 hat der erkennende Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) insoweit zugelassen, als das angefochtene Urteil Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 15.11.2000 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Dresden vom 10.7.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.3.2001 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.7.2003 aufgehoben hat.

Die Beklagte hat die Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Anfechtungsklage gegen die Anordnung vom 15.11.2000 sei unzulässig, weil der irreversible Vollzug der Ersatzvornahme zu einer Erledigung der Grundverfügung geführt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Frist von drei Tagen zur Erfüllung der Anordnung sei rechtmäßig. Sie sei zwar kurz, angesichts der Gefahrenlage aber angemessen, zumal dem Kläger seine abfallrechtlichen Verpflichtungen bereits seit geraumer Zeit bekannt gewesen seien. Der Altlastenfreistellungsbescheid sei für die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Klägers unerheblich. Eine Freistellung lasse die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für eine Sanierung unberührt. Im Übrigen betreffe der Freistellungsbescheid nicht die die auf abfallrechtlicher Grundlage angeordnete Beseitigung der Teergrube. Das Tatbestandsmerkmal der "verursachten Schäden" i. S. v. Art. 1 § 4 Abs. 3 Satz 1 Umweltrahmengesetz sei nicht gegeben; erfasst seien nur Maßnahmen des Grundwasser- und Bodenschutzes. Im Zeitpunkt der Ersatzvornahme sei die Grundverfügung vollziehbar gewesen, zumal der Kläger seinen Eilantrag zurückgenommen habe. Der Wert der angesprochenen Grundstücke (ohne Belastungen) habe seinerzeit etwa 350.000,00 € betragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. April 2005 - 13 K 3160/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt er,

die Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 15.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2003 festzustellen, soweit dieser sich erledigt hat.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Anfechtungsklage sei zulässig. Eine Erledigung der Grundverfügung sei nicht eingetreten; insoweit sei auf das jüngst ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.9.2008 (NVwZ 2009, 122) zu verweisen. Vorsorglich für den Fall, dass gleichwohl von einer Erledigung auszugehen sei, stelle der Kläger hilfsweise einen Fortsetzungsfeststellungsantrag. Die Grundverfügung sei rechtswidrig. Die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG sei zweifelhaft. Die Beklagte habe keinerlei Ermessen ausgeübt; eine nachträgliche Ergänzung von Ermessenserwägungen scheide schon deshalb aus. Die von der Beklagten gesetzte Frist von drei Tagen zu kurz bemessen. Für die Angemessenheit der Frist komme es auf den objektiven Aufwand für die Befolgung der Anordnung an. Innerhalb dreier Tage sei es dem Kläger nicht einmal möglich gewesen, Angebote von mehreren Entsorgern einzuholen. Die Rechtswidrigkeit der Frist, die nicht gesondert angefochten werden könne (§ 44a VwGO), führe zur Rechtswidrigkeit der gesamten Anordnung. Rechtswidrig sei die Anordnung auch deshalb, weil es die Beklagte abweichend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zustandsstörerhaftung (Beschl. v. 16.2.2000, BVerfGE 102, 1) versäumt habe, vor Erlass des Bescheids vom 15.11.2000 den Grundstückswert zu ermitteln. Zudem hätte der Kläger wegen des Freistellungsbescheids nicht als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden dürfen. Der Kostenbescheid teile das Schicksal der Grundverfügung und sei ebenfalls aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten (VG Dresden 13 K 3160/03, SächsOVG 4 B 534/05 und 4 B 809/06) sowie die vorgelegten Behördenakten (ein Aktenordner und zwei Heftungen) verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Soweit das angefochtene Urteil der berufungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt, hat das Verwaltungsgericht die Bescheide der Beklagten jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist insoweit zulässig (siehe 1.) und begründet (siehe 2.).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des Verwaltungsgerichts nur hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids vom 15.11.2000, also der Grundverfügung zur Beseitigung des Teerbeckens innerhalb dreier Tage, und hinsichtlich des Bescheids vom 16.3.2001, durch den die Beklagte Kosten für die von ihr durchgeführte Ersatzvornahme in Höhe von 104.392,11 DM festgesetzt hat.

1. Die gegen beide Anordnungen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers ist insgesamt zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der mit der Ersatzvornahme einhergehende irreversible Vollzug der Beseitigungsanordnung nicht zu deren Erledigung geführt. Bei dieser Beurteilung geht der Senat mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.9.2008 (NVwZ 2009, 122 mit Anmerkung W. Neumann, jurisPR-BVerwG 25/2008 Anm. 2) davon aus, dass die irreversible Vollstreckung einer Handlungsanordnung im Wege der Ersatzvornahme nicht zur Erledigung der Grundverfügung führt, wenn von dem Grundverwaltungsakt weiter rechtliche Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren ausgehen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die sog. Titelfunktion der Beseitigungsanordnung für das nachfolgende Vollstreckungsverfahren entfällt nicht schon deshalb, weil die Teerbecken nebst Inhalt im Dezember 2000 beseitigt und die entstandene Grube verfüllt wurde. Vielmehr ist die Wirksamkeit der Grundverfügung notwendige Voraussetzung einer rechtmäßigen Verwaltungsvoll-streckung (§ 2 Abs. 1 SächsVwVG). Dementsprechend bildet die Beseitigungsanordnung vom 15.11.2000 die Grundlage des nachfolgenden Kostenbescheids vom 16.3.2001. Dies schließt die Annahme einer Erledigung im Sinne des nachträglichen Wegfalls der rechtlichen Wirkungen der Grundverfügung aus (so BVerwG, Urt. v. 25.9.2008, a. a. O.). Soweit der erkennende Senat mit Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung (Nachweise bei VGH BW, Urt. v. 8.1.2008, VBlBW 2008, 305) und des Schrifttums (siehe etwa Enders, NVwZ 2000, 1232, 1236) in vergleichbaren Fällen der irreversiblen Vollstreckung bislang von einer Erledigung ausgegangen ist mit der Folge, dass statt einer Anfechtungsklage nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) in Betracht kam, hält er daran nicht mehr fest.

Die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung und gegen den Kostenbescheid der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat der Kläger die einmonatige Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewahrt, wie es das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

2. Die Anfechtungsklage ist begründet. Die Beseitigungsanordnung (siehe 2.1.) und der Kostenbescheid (siehe 2.2.) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Die Beseitigungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 15.11.2000 ist ermessensfehlerhaft ergangen, weil der bestandskräftige Freistellungsbescheid unberücksichtigt geblieben ist (siehe 2.1.1.) und die Frist für die Beseitigung des Teerbeckens zu kurz bemessen war (siehe 2.1.2.). Dies führt zur Aufhebung der Beseitigungsanordnung (siehe 2.1.3.).

Die Beklagte hat ihre Anordnung Nr. 2 auf die abfallrechtliche Generalklausel des § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG in der seinerzeit geltenden Fassung gestützt, nach der die zuständige Behörde (hier: untere Abfallbehörde) im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen treffen durfte.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm lagen vor, weil der Inhalt des unterirdischen Teerbeckens aus der früheren Dachpappenproduktion als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG i. V. m. Anhang I anzusehen war, dessen sich der Kläger entledigen musste.

Als Insolvenzverwalter, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die zur Insolvenzmasse gehörende Grundstücke und die dort gelagerten Gegenstände der ............. GmbH erlangt hatte (§ 80 Abs. 1 InsO), war der Kläger als Abfallbesitzer (§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG) und Zustandsstörer ordnungspflichtig. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 23.9.2004, BVerwGE 122, 75 = SächsVBl. 2005, 45 m. w. N.) geht der erkennende Senat davon aus, dass eine ordnungsrechtliche Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters für Störungen, die von der Masse ausgehen, nicht - wie es der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat - nach insolvenzrechtlichen Vorschriften, sondern ausschließlich nach den Tatbestandsmerkmalen des jeweils einschlägigen Ordnungsrechts zu beurteilen ist (siehe bereits SächsOVG, Urt. v. 18.10.2005, UPR 2006, 280). Da die abfallrechtliche Ordnungspflicht nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG a. F. an die Verantwortlichkeit für den Zustand der Massegegenstände anknüpfte, war es der Beklagten nicht etwa von vornherein verwehrt, den Kläger zur Beseitigung der Teerbecken und ihres Inhalts zu verpflichten.

Rechtswidrig ist die Beseitigungsanordnung jedoch deshalb, weil die Beklagte das ihr durch § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG a. F. eröffnete Ermessen unzureichend ausgeübt hat. Dies betrifft sowohl die fehlende Berücksichtigung des Freistellungsbescheids als auch die mit der Beseitigungsanordnung verbundene Fristsetzung.

Der Erlass einer abfallrechtlichen Anordnung nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG a. F. stand hinsichtlich der einzusetzenden Mittel im Auswahlermessen der Behörde (siehe etwa Versteyl, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 21 Rn. 10). Mit der gesetzlich normierten Ermessensfreiheit der Verwaltung korrespondiert das Recht des in Anspruch genommenen Pflichtigen auf eine von sachfremden Erwägungen freie, alle wesentlichen Tatsachen und Erfahrungssätze berücksichtigende Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (siehe Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 40 Rn. 32 f.). Dies erfordert eine hinreichende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts sowie eine anschließende Gewichtung und Abwägung der gegenläufigen Interessen. Daran fehlt es hier.

2.1.1. Bei Erlass der Beseitigungsanordnung vom 15.11.2000 blieb unberücksichtigt, dass die Insolvenzschuldnerin, deren Vermögen der Kläger seinerzeit verwaltete, durch den bestandskräftigen Freistellungsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 6.12.1993 für die durch den ehemaligen Betrieb auf dem Grundstück vor dem 1.7.1990 verursachten Schäden "hinsichtlich der Kostenlast für Gefahrenabwehrmaßnahmen" freigestellt worden war. Die Nebenbestimmung Nr. II.2 sah ausdrücklich vor, dass der "Freistaat Sachsen oder eine von ihm beauftragte Einrichtung ... schriftlich fest(legt), welche Maßnahmen, insbesondere zur Erkundung, zur Gefährdungsabschätzung und ggf. zur Gefahrenabwehr notwendig und wie sie durchzuführen sind."

Nachdem der in der Kanzlei des Klägers tätige Rechtsanwalt W..... in einem Telefonat mit dem Umweltamt der Beklagten vom 14.11.2000 - einen Tag vor Erlass der streitigen Beseitigungsanordnung - ausdrücklich auf die klägerseitig beabsichtigte Klärung der offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Teerbecken im Rahmen des Freistellungsverfahrens hingewiesen hatte, war die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen gehalten, den Freistellungsbescheid in ihre Ermessenserwägungen einzustellen. Durch die für sofort vollziehbare erklärte und mit einer kurzen Befolgungsfrist versehenen Beseitigungsanordnung wurde dem Kläger die Möglichkeit genommen, die nach dem Freistellungsbescheid vorgesehene vorherige schriftliche Regelung des Freistaats Sachsen oder einer von ihm beauftragten Einrichtung zu der Frage herbeizuführen, "welche Maßnahmen, insbesondere zur Erkundung, zur Gefährdungsabschätzung und ggf. zur Gefahrenabwehr notwendig und wie sie durchzuführen" waren (Nebenbestimmung Nr. II. 2).

Das naheliegende Interesse des Klägers an der Wahrung der von ihm beanspruchten Rechtsposition war ungeachtet dessen in die Ermessenserwägungen einzustellen, dass eine abschließende Klärung der mit dem Freistellungsbescheid vom 6.12.1993 im Einzelnen verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen zeitnah möglicherweise nicht zu erlangen war. Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass die vom Kläger verwalteten Grundstücke im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nur unzureichend gesichert waren und Anlass zu einem ordnungsbehördlichen Einschreiten bestand. Bei Erlass der - hier allein noch streitigen - Beseitigungsanordnung war das Interesse des Klägers an der Wahrung des vom Freistellungsbescheid vorgesehenen Verfahrensablaufs mit dem öffentlichen Interesse an einer zeitnahen Beseitigung der auf dem Grundstück vorhandenen Teerbecken abzuwägen. Eine solche Abwägung - die im Rahmen pflichtgemäßem Ermessens durchaus zugunsten des öffentlichen Interesses an der zeitnahen Beseitigung der Teerbecken hätte ausfallen können - war auch nicht mit der Erwägung entbehrlich, dass sich die Freistellung von vornherein nicht auf die Kosten für die Beseitigung von Abfällen im Insolvenzfall hätte erstrecken können.

Ein solcher Regelungsgehalt lässt sich dem Freistellungsbescheid vom 6.12.1993 aus Sicht eines verständigen Bescheidempfängers (§ 133 BGB) nicht entnehmen. Der verfügende Teil des Freistellungsbescheids regelt eine Freistellung der Insolvenzschuldnerin von der Kostenlast für Gefahrenabwehrmaßnahmen "im Rahmen ökologischer Altlasten" und nimmt inhaltlich auf den zwischen der Insolvenzschulderin und der Treuhandanstalt geschlossenen Kaufvertrag einschließlich der dort geregelten Käuferpflichten zur Beteiligung an "Gefahrenabwehrmaßnahmen" für "ökologische Altlasten" Bezug (Entscheidungssatz Nr. I.1 Sätze 1 und 2). Nach allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch bei Erlass des Freistellungsbescheids umfasste der Begriff der "Altlasten" Altablagerungen und Altstandorte, von denen Gefährdungen für die Umwelt, insbesondere für die menschliche Gesundheit ausgehen oder zu erwarten sind. Dies betraf u. a. die Ablagerung von gewerblichen Abfällen, wie sie hier in Rede stehen (zum Altlastenbegriff siehe Breuer, DVBl. 1994, 890 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., § 12 Rn. 100 ff., 270 f.). Soweit die Klägerin den Freistellungsbescheid der Insolvenzschuldnerin unter Hinweis auf das Tatbestandsmerkmal der "verursachten Schäden" i. S. v. Art. 1 § 4 Abs. 3 Satz 1 Umweltrahmengesetz (zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.3.1991, BGBl. I S. 766) einschränkend dahin auslegt, dass nur Maßnahmen des Grundwasser- und Bodenschutzes erfasst seien, nicht aber abfallrechtliche Anordnungen, findet dies weder im verfügenden Teil noch in der Begründung des Freistellungsbescheids vom 6.12.1993 eine hinreichende Stütze. Ob der Gesetzeswortlaut des Art. 1 § 4 Abs. 3 Satz 1 Umweltrahmengesetz mit dem Begriff der "verursachten Schäden" die Kostenübernahme für eine Abfallentsorgung allgemein ausschloss (so Michel, LKV 2000, 465, 466) mag dahinstehen, weil der Regelungsgehalt des Freistellungsbescheids nicht unmittelbar dem Umweltrahmengesetz, sondern dem Bescheid vom 6.12.1993 entnommen werden muss. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Freistellung von der Sanierungsverantwortung für Umweltschäden als Instrument für einen raschen wirtschaftlichen Anschub in den neuen Bundesländern durch die Beseitigung von Investitionshemmnissen geschaffen wurde (siehe BVerwG, Beschl. v. 20.12.2006, - 7 B 42/06 -, juris). Angesichts dieses Gesetzeszwecks erscheint es fraglich, ob eine Freistellung von Kosten für die Beseitigung von unterirdisch gelagerten umweltgefährdenden Stoffen, die trotz mehrfacher Bodenbegutachtungen unentdeckt geblieben waren, und deren Menge seinerzeit weder von dem beauftragten Fachunternehmen noch vom zuständigen Umweltamt zuverlässig abgeschätzt werden konnte, allein deshalb ausscheiden muss, weil die Ordnungsverfügung auf eine abfallrechtliche Eingriffsnorm gestützt wurde.

Weder nach dem Wortlaut des bestandskräftigen Freistellungsbescheids noch nach dem vorgenannten Gesetzeszweck schied eine Freistellung von der Kostenlast für die Beseitigung der Teerbecken mit der weitergehenden Begründung aus, dass bei Erlass der Beseitigungsanordnung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ............. GmbH eröffnet worden war. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der von der Beklagten im Zulassungsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Regierungspräsidiums Dresden vom 20.6.2005 eine Gesamtvollstreckung oder Insolvenz einer Freistellung "in der Regel" - also nicht ausnahmslos - entgegenstand, weil der Zweck der Freistellung nicht mehr erreichbar war. Auch im Hinblick auf die von § 1 Satz 1 und § 157 InsO gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Unternehmenserhaltung in der Insolvenz durfte der bestandskräftige Freistellungsbescheid bei der Betätigung des Auswahlermessens nicht allein wegen der Insolvenz ausgeklammert werden.

2.1.2. Ein weiterer Ermessensfehler, der - selbstständig tragend - ebenfalls zur Aufhebung der Beseitigungsanordnung führt, liegt in der von der Beklagten mit der Beseitigungsanordnung verbundenen Befolgungsfrist von nur drei Tagen.

Die an den Kläger gerichtete Anordnung Nr. 2 des Bescheids vom 15.11.2000, das Teerbecken "unverzüglich zu entsorgen, zu reinigen und mit kontaminationsfreien Material zu verfüllen", "Termin: sofort, spätestens 3 Tage nach Bekanntgabe", ist nicht schon wegen Unbestimmtheit der Befolgungsfrist rechtswidrig. Die mit der vorgenannten Grundverfügung gesetzte Frist ist zunächst von der - im Berufungsverfahren nicht streitgegenständlichen - Frist zu unterscheiden, die die Beklagte in Nr. 6 des Bescheids zusammen mit der Androhung der Ersatzvornahme (§ 20 Abs. 1 Satz 2 VwVG) gesetzt hat ("sollte die ... Maßnahme ...nicht innerhalb von 3 Tagen nach Bekanntgabe in Angriff genommen worden sein, wird Ersatzvornahme angedroht").

Aus Sicht eines verständigen Empfängers wurde der Kläger durch die Grundverfügung verpflichtet, die unter Nr. 2 des Bescheids näher bezeichneten Handlungen innerhalb dreier Tage durchzuführen, zumindest aber ins Werk zu setzen. Dies ist ungeachtet dessen eine hinreichend bestimmte Befolgungsfrist, dass die Beklagte eine "unverzügliche" Beseitigung angeordnet hat. Eine von Verschuldenserwägungen (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) in der Person des Pflichtigen abhängige Befolgungsfrist wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar allgemein mit der Erwägung als zu unbestimmt erachtet, dass der Ablauf einer so bezeichneten Frist nicht zuverlässig feststellbar sei (VGH BW, Beschl. v. 13.1.1995, VBlBW 1995, 284; BayVGH, Urt. v. 24.9.1985, BayVBl. 1986, 176; OVG NRW, Beschl. v. 12.7.1991, NVwZ-RR 1993, 59: ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 31 Rn. 4). Eine solche Fristsetzung liegt hier indessen nicht vor. Im Gesamtkontext des Bescheids handelt es sich bei der Aufforderung zum "unverzüglichen" Handeln um eine rechtlich folgenlose Mahnung zur Eile, also einen entbehrlichen, aber letztlich unschädlichen Zusatz zur Beseitigungsanordnung, die - für sich betrachtet - keiner Fristsetzung bedarf. Ohne Fristbestimmung beginnt die Beseitigungsverpflichtung mit der Vollziehbarkeit der Beseitigungsanordnung; rechtlich geboten ist eine Fristsetzung nur im Hinblick auf eine anschließende Verwaltungsvollstreckung (ebenso BayVGH, Urt. v. 28.10.1975, BayVBl. 1976, 86; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Böhme, Bauordnungsrecht Sachsen, Stand Oktober 2008, m. w. N. zu baurechtlichen Beseitigungsanordnungen).

Die dem Kläger gesetzte Frist von drei Tagen war damit hinreichend bestimmt, für die Beseitigung der Teerbecken und ihres Inhalts jedoch unverhältnismäßig kurz bemessen. Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Fristsetzung sind sowohl das behördliche Interesse an der Schnelligkeit der Ausführung und die für den Betroffenen nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit zur Erfüllung seiner Handlungspflicht zu berücksichtigen (Sadler, VwVG/VwZG, 6. Aufl., § 13 VwVG Rn. 10; Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 31 Rn. 45 f.).

Nach diesem Maßstab kann eine Frist von nur drei Tagen angemessen sein, wenn es etwa um die Beseitigung giftiger Chemikalien aus einem aufgegebenen Produktionsbetrieb geht (siehe Sadler, a. a. O., § 13 Rn. 10 mit Hinweis auf OVG Berlin, Urt. v. 13.6.1980, NuR 1981, 102; ähnlich Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 31 Rn. 27). Eine solche außergewöhnliche Gefahrenlage lag bei Erlass der Beseitigungsanordnung jedoch nicht vor. Ausschlaggebend für die kurze Befolgungsfrist war vielmehr das Interesse an einer zeitnahen Gefahrenabwehr trotz der Insolvenz der ............. GmbH.

Auf Seite 3 ihres Bescheids vom 15.11.2000 begründete die Beklagte die "kurzfristige Terminstellung" für die getroffenen Anordnungen damit, dass dem Kläger die erforderlichen Maßnahmen bereits aufgrund des vorangegangenen, an die Insolvenzschuldnerin gerichteten Bescheids vom 2.11.2000 bekannt gewesen seien, wobei es durch den Wechsel des Zustandspflichtigen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.11.2000 Verzögerungen gegeben habe. Eine weitere Verzögerung der Abfallentsorgung sei aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht hinnehmbar. Im Zusammenhang mit der Begründung des Sofortvollzugs verwies die Beklagte auf die unzureichende Sicherung des Grundstücks gegenüber spielenden Kindern, auf die Beeinträchtigung der Wohnqualität der Umgebung, auf das Stadtbild, auf eine negative Vorbildwirkung sowie auf die Umweltgefährdung durch Ausgasungen, eine "mögliche Undichtigkeit des Beckens" und eventuelle Ausspülungen bei Starkniederschlägen.

Ausweislich der Hausmitteilung des Umweltamts an das Rechtsamt der Beklagten vom 6.12.2000 war das Gefahrenpotential des Grundstücks seit August 2000 bekannt, wobei das Umweltamt zunächst von einer ordnungsgemäßen Sanierung im Zuge der Abrissarbeiten auf dem Grundstück ausging. Nachdem die Beklagte von der Insolvenz der ............. GmbH und der Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse erfahren hatte, schritt die Beklagte kurzfristig ein, um eine Verzögerung bis zur "Altlastenfreistellung" (Seite 2 der Hausmitteilung vom 6.12.2000) oder Grundstücksveräußerung zu vermeiden.

Diese Ermessenserwägungen zur Bestimmung der Befolgungsfrist sind im Ausgangspunkt durchaus nachvollziehbar, rechtfertigen eine Fristsetzung von nur drei Tagen jedoch nicht. Innerhalb dieser kurzen Zeit war es selbst einem kooperationsbereiten Zustandsstörer in der Situation des Klägers nicht möglich, neben der - nicht mehr verfahrensgegenständlichen -Sicherung des Grundstücks gegen den Zutritt Unbefugter (Nr. 1 des Bescheids vom 15.11.2000) die in Nr. 2 des Bescheids angesprochenen Maßnahmen abzuschließen oder auch nur ins Werk zu setzen. Für die Entsorgung der nicht unerheblichen - bei Erlass des Bescheids nicht zuverlässig ermittelbaren - Mengen Teers, die Reinigung und Beseitigung der Teerbecken und die anschließende Verfüllung der Grube musste ein Fachunternehmen beauftragt werden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass einem Pflichtigen in der Situation des Klägers nicht nur ein entsprechender Vertragsschluss, sondern auch die Aufnahme der erforderlichen Arbeiten durch das von ihm beauftragte Fachunternehmen innerhalb dreier Tage möglich gewesen wäre, liegen nicht vor. Davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Aus einer Kenntnis des Klägers von dem zuvor an die Insolvenzschuldnerin gerichteten Bescheid der Beklagten vom 2.11.2000 lässt sich nach Überzeugung des Senats nichts anderes ableiten, zumal der vorangegangene Bescheid längere Befolgungsfristen enthielt.

Da durch die zu kurz bemessene Befolgungsfrist nicht zugleich eine angemessene Frist in Lauf gesetzt wurde (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 31 Rn. 27), ist die unzulängliche Fristsetzung nicht durch Zeitablauf geheilt. Unbeachtlich ist der darin liegende Ermessensfehler auch nicht mit der in der mündlichen Verhandlung erörterten Erwägung der Beklagten, der Kläger habe die Beseitigung des Teerbeckens ausweislich des Aktenvermerks über das Telefonat mit Rechtsanwalt W..... vom 19.10.2000 zuvor bereits endgültig abgelehnt. Der Inhalt dieses Aktenvermerks wird durch den Aktenvermerk über das nachfolgende Telefonat mit Rechtsanwalt W..... vom 14.11.2000 relativiert. Danach beabsichtigte der Kläger eine Klärung der noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Teerbecken im Rahmen des Freistellungsverfahrens. Von einer endgültigen Weigerung des Klägers zur Beseitigung des Teerbeckens konnte damit - entgegen dem Beklagtenvorbringen - nicht mehr ausgegangen werden.

2.1.3. Die beiden festgestellten Ermessensfehler führen - jeweils für sich - zur Rechtswidrigkeit der Beseitigungsanordnung, weil sie weder im Widerspruchverfahren noch im gerichtlichen Verfahren geheilt wurden. Im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 10.7.2003 wurden die unzureichenden Ermessenserwägungen zur Beseitigungsanordnung nicht ergänzt, weil das Regierungspräsidium das Widerspruchsverfahren mit Blick auf die irreversible Vollziehung der Beseitigungsanordnung wegen Erledigung eingestellt hat (Entscheidungssatz Nr. 1 des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2003). Im Klage- und Berufungsverfahren hat die Beklagte keine Ermessenserwägungen nachgeschoben, sondern sich darauf beschränkt, den angefochtenen Bescheid zu verteidigen.

Da die vorgenannten Ermessensfehler zur Aufhebung der Beseitigungsanordnung führen, ist es nicht entscheidungserheblich, ob die vom Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 16.2.2000, BVerfGE 102, 1) aufgezeigten Grenzen der Zustandsstörerhaftung für Altlasten einer Inanspruchnahme des Klägers möglicherweise ebenfalls entgegenstanden.

2.2. Die Aufhebung der Beseitigungsanordnung führt zur Rechtswidrigkeit des auf § 24 Abs. 3 Satz 1 SächsVwVG gestützten Bescheids über die Festsetzung von Kosten der Ersatzvornahme. Die gerichtliche Aufhebung der Grundverfügung entzieht dem Leistungsbescheid rückwirkend die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung des § 2 SächsVwVG; insoweit teilt die Vollstreckungsmaßnahme das Schicksal des nicht bestandskräftig gewordenen Grundverwaltungsakts (siehe SächsOVG, Beschl. v. 16.10.2000, SächsVBl. 2001, 40 f.). Ob auch der bestandskräftige Freistellungsbescheid vom 6.12.1993 nach seinem Regelungsgehalt zur Rechtswidrigkeit des gegen den Kläger gerichteten Leistungsbescheids führt, wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat, mag dahinstehen.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht die Beseitigungsanordnung und den Kostenbescheid jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

Dementsprechend ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 52 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG auf 66.718,55 € festgesetzt. Für den Kostenbescheid sind 53.374,84 € anzusetzen; für die Beseitigungsanordnung erachtet der Senat nach den Umständen des Falles 1/4 des vorgenannten Betrags für angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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