Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: 4 BS 216/06
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf, Einigungsvertrag, SächsGemO


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
GG Art. 59 Abs. 2
SächsVerf Art. 1 S. 2
SächsVerf Art. 11 Abs. 3
SächsVerf Art. 65 Abs. 1
SächsVerf Art. 82 Abs. 2
Einigungsvertrag Art. 9 Abs. 2
Einigungsvertrag Art. 11
SächsGemO § 24
SächsGemO § 52
SächsGemO § 114
SächsGemO § 115
1. Ein Bürgerentscheid (§ 24 SächsGemO) ist von der Gemeinde ohne schuldhaftes Zögern umzusetzen.

2. Die dreijährige Sperr- und Bindungswirkung eines Bürgerentscheids entfällt nicht bei nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage.

3. Zur Frage der innerstaatlichen Bindungswirkung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 (Welterbekonvention).


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 216/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen kommunalaufsichtlicher Anordnung (Waldschlößchenbrücke); Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 9. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. August 2006 - 12 K 1768/06 - geändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. August 2006 und 25. August 2006 wird abgelehnt.

Der Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Antragstellerin zur Umsetzung eines Bürgerentscheids über den Bau einer Elbquerung für den Straßenverkehr im Stadtgebiet von Dresden.

1. Im Ergebnis mehrjähriger Diskussionen beschloss der Stadtrat der Antragstellerin im August 1996 den Bau einer neuen Elbbrücke mit der Bezeichnung "Waldschlößchenbrücke" zwischen den Stadtteilen Johannstadt und Radeburger Vorstadt. Erste Überlegungen zum Bau einer Brücke in diesem Bereich hatte es bereits seit der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts gegeben. Nach Durchführung eines sog. "Workshop Elbebrücken" im Frühjahr 1996 führte die Antragstellerin einen internationalen Realisierungswettbewerb durch, dessen Sieger in der Folge mit der weiteren Planung betraut wurde.

Nach mehrfachen Planungsänderungen durch die Antragstellerin, deren Stadtrat sich im November 2000 mehrheitlich für die Errichtung der geplanten Brücke entschieden hatte, erließ das Regierungspräsidium Dresden auf den im Februar 2003 eingereichten Antrag mit Bescheid vom 25.2.2004 einen Planfeststellungsbeschluss für den "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke". Der auf § 39 des Sächsischen Straßengesetzes (SächsStrG) gestützte und mit Auflagen versehene Planfeststellungsbeschluss ist im Hinblick auf mehrere Klagen, die beim Verwaltungsgericht Dresden anhängig sind, bislang nicht bestandskräftig. Sämtliche Anträge Dritter auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss blieben beim Verwaltungsgericht Dresden wie beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg.

Der planfestgestellte Verkehrszug besteht aus der etwa 2,5 km östlich des Stadtzentrums vorgesehenen Brücke mit vier Fahrspuren sowie zwei Fuß- und Radwegen, einem Tunnelsystem im Bereich des nördlichen, am Elbhang gelegenen Brückenkopfs sowie dem mehrspurigen Ausbau von Zubringerstraßen. Durch die gewählte Konstruktion soll die Brücke insbesondere ein hindernisfreies Hochwasserprofil im Bereich des Elbbogens mit seiner in Flussnähe bislang unbebauten Elbwiese gewährleisten. Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ist es wesentliches Ziel des Brückenbaus, eine zusätzliche Verbindung zwischen Wohngebieten und gewerblich genutzten Gebieten zu schaffen und einen Teil des innerstädtischen Bereichs von Verkehrsströmen zu entlasten.

Zur Umweltverträglichkeitsprüfung, die als unselbstständiger Teil des Planfeststellungsverfahrens durchgeführt wurde, führt der Planfeststellungsbeschluss auf Seite 56 f. u.a. aus:

"16.1.4.7 Auswirkungen auf das Schutzgut Landschaft

Die Waldschlößchenbrücke und die angrenzenden Verkehrsanlagen führen zu einer maßgeblichen Überprägung und Neugliederung des Landschaftsraumes mit seiner sehr hohen Landschaftsqualität (Elbaue mit Elbhängen) und seiner funktionalen Bedeutung als Erholungs- und Erlebnisraum. Die offene Landschaft und das Landschaftsbild werden durch das Brückenbauwerk sowie Dammbauwerke und Einschnitte im Bereich der Brückenköpfe überprägt. Es tritt der Verlust landschaftsbildprägender Flächen und Strukturelemente wie offene unbebaute Grünlandflächen ein. Die weiträumigen Sichtbeziehungen in den freien Sichträumen der Elbaue werden verändert. (...)

16.1.4.8 Auswirkungen auf Kultur- und sonstige Sachgüter

Mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke wird der Elbraum an einer sehr breiten Stelle mit einer Strombrücke gequert, was sich auf das Erscheinungsbild des für die weiträumigen Sichtbeziehungen überregional bekannten und bisher unbebauten Elbbogens auswirkt. Mit der Veränderung der Anbindung an die Bautzner Straße wird die städtebaulich bedeutende Hangkante an der sensiblen Stelle des Waldschlößchenareals aufgerissen. Diese Veränderung wird durch den Verlust der Straßenbaumbepflanzung noch verstärkt. (...)"

Das im Planfeststellungsverfahren neben 25 anderen Trägern öffentlicher Belange, sieben anerkannten Naturschutzvereinen und mehreren Fachämtern des Regierungspräsidiums beteiligte Landesamt für Denkmalpflege hatte mit Schreiben der Sächsischen Landeskonservatorin vom 8.4.2003 an die Planfeststellungsbehörde ausgeführt, dass "aus denkmalpflegerisch konservatorischer Sicht (...) gegen das Vorhaben keine Einwände" bestünden; denkmalpflegerische Belange seien berücksichtigt worden. Bedenken gegen das Vorhaben im Hinblick auf die Welterbekonvention wurden - soweit ersichtlich - innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist weder von Trägern öffentlicher Belange noch von anerkannten Naturschutzvereinen oder von Privatpersonen erhoben.

2. Nachdem sich die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat der Antragstellerin im Ergebnis der Stadtratswahl von 2004 verändert hatten, fand auf das von knapp 69.500 Dresdner Bürgerinnen und Bürger (etwa 17,6% der Stimmberechtigten) unterstützte und vom Stadtrat am 7.12.2004 als zulässig festgestellte Bürgerbegehren (§ 25 SächsGemO) am 27.2.2005 ein Bürgerentscheid über den Brückenbau statt. Entsprechend einem Stadtratsbeschluss hatte die Antragstellerin im Vorfeld des Bürgerentscheids an die Dresdner Haushalte eine zehnseitige Broschüre verteilt, in der die Befürworter und Gegner des Brückenbaus jeweils ihre Argumente darstellten. Die Brückenbefürworter verwiesen auf eine Entlastungswirkung des planfestgestellten Verkehrszugs, dessen Finanzierung durch staatliche Fördermittel in Höhe von 96 Millionen € gesichert sei und der zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen könne. Die Brückengegner machten geltend, die Brücke sei zu teuer, löse die städtischen Verkehrsprobleme nicht und sei mit großen Belastungen für viele Bürgerinnen und Bürger verbunden; zudem schädige sie die einmalige Elblandschaft, die im Jahr 2004 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt worden sei.

Die im Bürgerentscheid zur Entscheidung gestellte Frage: "Sind Sie für den Bau der Waldschlößchenbrücke - einschließlich des Verkehrszuges der abgebildeten Darstellung?" wurde bei einer Beteiligung von 50,8% der knapp 400.000 Abstimmungsberechtigten von 67,92 % der Abstimmenden mit "Ja" beantwortet, wodurch das gesetzliche Quorum von mehr als 25% der Stimmberechtigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO) überschritten wurde.

In der Folgezeit schrieb die Antragstellerin Bauleistungen zur Vergabe aus. Nach Angaben der Beteiligten endeten die ursprünglichen Zuschlags- und Bindefristen (§ 19 VOB/A) am 1.9.2006. Im Hinblick auf das anhängige Eilverfahren wurden diese Fristen mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31.8.2007.

3. Bereits Anfang 2003 übermittelte die Antragstellerin dem Antragsgegner einen Antrag zur Aufnahme des Dresdner Elbtals in die Welterbeliste. Die Antragstellerin hat dem beschließenden Senat u.a. Kopien zweier Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst an ihren Oberbürgermeister aus den Jahren 2001 und 2002 vorgelegt, in denen auf die besondere Bedeutung einer möglichen Anerkennung des Dresdner Elbtals als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes hingewiesen und die Antragstellerin um einen entsprechenden Stadtratsbeschluss für die zeitnahe Antragstellung hingewiesen wird.

Nach einer Kabinettsentscheidung seiner Staatsregierung leitete der Antragsgegner die Antragsunterlagen über die Kultusministerkonferenz dem Auswärtigen Amt zu. In der Folgezeit beantragte die Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme des Dresdner Elbtals in die "Liste des Erbes der Welt" gemäß Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (v. 23.11.1972, BGBl. 1977 II S. 213 -Welterbekonvention -).

Im Ergebnis einer Begutachtung durch das International Council of Monuments and Sites (ICOMOS) beschloss das UNESCO-Weltkulturerbekomitee in seiner 28. Sitzung am 2.7.2004, das Dresdner Elbtal in einer Länge von knapp 20 km - einschließlich des Teils des Stadtgebiets der Antragstellerin, in dem die Brücke geplant ist - als "sich entwickelnde Kulturlandschaft" in die Welterbeliste aufzunehmen.

In dem ICOMOS-Gutachten ("ICOMOS Evaluation") wird u.a. ausgeführt, dass eine Expertengruppe das Elbtal im September 2003 besucht habe. Weiter heißt es, dass in 5 km Entfernung vom Stadtzentrum eine näher beschriebene Brücke geplant sei. Nach Angaben des Antragsgegners, der dazu auf ein ausführliches Schreiben des ehemaligen Landeskonservators verweist und mehrere Zeugenaussagen angeboten hat (u.a. die des Präsidenten des Sächsischen Landtags), sei der Standort der geplanten Brücke bei der Begutachtung im September 2003 zweimal in Augenschein genommen und im Gespräch mit den Experten erörtert worden.

Nachdem im Verlauf des Jahres 2005 Zweifel an der Vereinbarkeit des Brückenbaus mit dem Welterbestatus sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Antragstellerin seinerzeit vorgelegten Antragsunterlagen geäußert worden waren, regte das Welterbezentrum der UNESCO die Erstellung einer Sichtfelduntersuchung an, mit deren Durchführung die Deutsche UNESCO-Kommission e.V. im Einvernehmen mit der Antragstellerin das Institut für Städtebau und Landesplanung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen beauftragte.

Am 11.7.2006 beschloss das Welterbekomitee, das Dresdner Elbtal wegen des Brückenbauvorhabens auf die "Liste des gefährdeten Erbes der Welt" (Art. 11 Abs. 4 Welterbekonvention, sog. "Rote Liste") zu setzen. Das Gutachten der RWTH Aachen habe ergeben, dass das Weltkulturerbe durch den Bau der geplanten Brücke irreversibel geschädigt werde. Zugleich legte das Welterbekomitee der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat und der Antragstellerin nahe, das Bauvorhaben zu stoppen und nach alternativen Lösungen zu suchen, um den Schutz der Kulturlandschaft des Elbtals sicherzustellen.

5. Am 20.7.2006 lehnte der Stadtrat der Antragstellerin einen Antrag, umgehend mit dem Bau der Brücke zu beginnen, ebenso ab wie einen weiteren Antrag mit dem Ziel, einen neuen Bürgerentscheid zur Änderung des Bürgerentscheids vom 27.2.2005 durchzuführen. Der Stadtrat fasste stattdessen folgenden Beschluss (A0308-SR35-06):

"1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat eine Vorlage für die Durchführung eines Bürgerentscheides zur Beschlussfassung vorzulegen. Dieser ist so zu gestalten, dass er der Stadt die Möglichkeit eröffnet, den UNESCO-Welterbestatus des Dresdner Elbtals zu erhalten.

2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat unverzüglich geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, die den Erhalt des Status UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal sichern. Insbesondere wird der Oberbürgermeister beauftragt, mit dem Welterbebüro der UNESCO in Gespräche einzutreten, um Vorschläge zur Erfüllung der Forderungen der UNESCO zu erarbeiten. Über den Verlauf und die Ergebnisse der Gespräche ist der Stadtrat zu informieren; die erarbeiteten Vorschläge sind dem Stadtrat zum Beschluss vorzulegen.

3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die weitere Vergabe von Bauleistungen und den Baubeginn der Waldschlößchenbrücke bis zur Aufbereitung und Entscheidung über die Handlungsoptionen weiterhin auszusetzen, und gleichzeitig zu sichern, dass die aus dieser Aussetzung möglicherweise resultierenden finanziellen Entschädigungsverpflichtungen für die Stadt minimiert werden.

4. Der Oberbürgermeister wird weiterhin beauftragt, weitere Maßnahmen zur Realisierung des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke oder in Zusammenhang damit nur im Konsens mit der UNESCO zu veranlassen."

Gleichzeitig beschloss der Stadtrat mehrheitlich, die Beschlussvorlagen zur Vergabe von Bauleistungen (Nr. V1349, V1350, V1351, V1352 und V1353) zu vertagen.

Dem widersprach (§ 52 Abs. 2 SächsGemO) der Vertreter des Oberbürgermeisters am 25.7.2006 mit der Begründung, die Beschlüsse verstießen gegen die Sperrwirkung des Bürgerentscheids. Gemäß § 24 Abs. 4 SächsGemO könne ein Bürgerentscheid innerhalb von drei Jahren selbst dann nicht abgeändert werden, wenn sich die zugrunde liegenden Verhältnisse maßgeblich geändert hätten.

Am 10.8.2006 wiederholte der Stadtrat seinen Beschluss vom 20.7. 2006 in den Nrn. 1. bis 3. und beschloss ferner, den Oberbürgermeister zu beauftragen, im Falle rechtsaufsichtlicher Maßnahmen gegen den vorliegenden Beschluss den Stadtrat unverzüglich einzuberufen sowie ggf. im Wege des Widerspruchs durch Rechtsmittel aufschiebende Wirkung bis zur Befassung durch den Stadtrat zu erreichen.

Der Vertreter des Oberbürgermeisters widersprach am 11.8.2006 erneut und bat das Regierungspräsidium Dresden als Rechtsaufsichtsbehörde um eine Entscheidung (§ 52 Abs. 2 Satz 5 SächsGemO).

6. Mit Bescheid vom 14.8.2006 stellte das Regierungspräsidium Dresden fest, dass der Stadtratsbeschluss vom 10.8.2006 hinsichtlich seiner Nr. 3 i.V.m. den in derselben Sitzung gefassten Beschlüssen zur Vertagung der Vergabeentscheidung für die Bauleistungen rechtswidrig sei (Nr. 1 des Entscheidungssatzes). Zugleich gab es der Antragstellerin auf, den Beschluss Nr. V1368-SR36-06 sowie die Beschlüsse zur Vertagung der Vorlagen V1349, V1350, V1351, V1352 und V1353 bis zum 24.8.2006 aufzuheben und dies dem Regierungspräsidium Dresden unverzüglich anzuzeigen (Nr. 2). Zudem wurde angeordnet, dass die Antragstellerin bis zum 24.8.2006 näher bezeichnete Vergabeentscheidungen zu treffen habe (Nr. 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin den unter Nrn. 2 und 3. verfügten Anordnungen nicht fristgerecht nachkomme, drohte das Regierungspräsidium eine Ersatzvornahme an (Nr. 4).

Zur Begründung führte das Regierungspräsidium im Wesentlichen aus, die beanstandeten (§ 114 Abs. 1 SächsGemO) Stadtratsbeschlüsse seien rechtswidrig, weil sie gegen § 24 Abs. 4 SächsGemO verstießen. Die dreijährige Bindungswirkung des Bürgerentscheids ende am 27.2.2008. Die unbefristete Aussetzung der Vergabeentscheidung sei rechtswidrig, weil die Welterbekonvention mangels Transformationsakts (Art. 59 GG) keine innerstaatliche Bindungswirkung entfalte. Das Welterbekomitee sei nicht zu verbindlichen Entscheidungen gegenüber den Vertragsstaaten berufen, da es lediglich die Einhaltung der staatlichen Schutzverpflichtungen überprüfe und eine Welterbeliste sowie eine Liste des gefährdeten Welterbes führe. Zwischen der Antragstellerin und "der UNESCO" bestünden keine unmittelbaren Beziehungen, weil die Bundesrepublik Deutschland Vertragspartner des Welterbeübereinkommens sei. Die Entscheidung, das Dresdner Elbtal auf die "Rote Liste" zu setzen, ändere nichts an der Bindungswirkung des Bürgerentscheids, die selbst bei einer geänderten Sach- oder Rechtslage fortbestehe. Eine Abänderung durch einen neuen Bürgerentscheid setze einen Stadtratsbeschluss mit einer Zweidrittelmehrheit voraus; ein solcher Beschluss sei nicht zustande gekommen.

Die Ermessensentscheidung zur Aufhebung der rechtswidrigen Ratsbeschlüsse berücksichtige den besonderen Stellenwert des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit. Das verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 84 Abs. 1 SächsVerf) stehe dem nicht entgegen, weil es nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet sei. Ein milderes Mittel stehe der Aufsichtsbehörde nicht zur Verfügung.

Die Anordnung zur Vergabe der Bauleistungen (Nr. 3) finde ihre Grundlage in § 115 SächsGemO. Der Stadtrat habe zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt sei, den bindenden Bürgerentscheid umzusetzen. Das "UNESCO-Votum" sei für die Stadtratsentscheidungen rechtlich nicht von Belang, weil die Welterbekonvention nur den Staat als Vertragspartner, nicht aber die Antragstellerin verpflichte. Durch eine Vergabeentscheidung vor Ablauf der Bieterfrist (1.9.2006) ließen sich Schadensersatzansprüche der Bieter vermeiden. Auch bei der nach § 115 SächsGemO zu treffenden Ermessensentscheidung seien die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu berücksichtigen. Die Androhung der Ersatzvornahme (Nr. 4) sei verhältnismäßig, zumal die Antragstellerin mehrfach zu erkennen gegeben habe, dass sie den Bürgerentscheid nicht unverzüglich umsetzen wolle.

7. Am 24.8.2006 fasste der Stadtrat der Antragstellerin folgende Beschlüsse (Nr. V1376-SR-37-06 und Nr. V1378-SR37-06):

"Der Oberbürgermeister wird beauftragt,

1. für den Fall, dass die Bieter einer Verlängerung der Bindefrist nicht zustimmen, das Vergabeverfahren zur baulichen Umsetzung der beantragten Planfeststellung für den "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke" aufzuheben;

und

"1. Es wird festgestellt, dass der Antrag auf Planfeststellung für den "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke" rechtlich nicht vollziehbar ist, da er gegen das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt verstößt.

2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den beim Regierungspräsidium Dresden gestellten Antrag auf Planfeststellung für den "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke" sofort zurückzuziehen.

3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, Alternativen für eine rechtlich zulässige Umsetzung des Bürgerentscheides vom 27.2.2005 zu prüfen.

4. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sofort alle Maßnahmen, einschließlich der Vertretung dieser Auffassung in gerichtlichen Verfahren, zu ergreifen, um den Bau des "Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke" in der Form des Planfeststellungsantrages zu beenden.

5. Der Oberbürgermeister wird dringend aufgefordert, unverzüglich mit der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) über Maßnahmen zu beraten, die dazu geeignet sind, dem Ergebnis des Bürgerentscheides vom 27.2.2005 Rechnung zu tragen und gleichzeitig den Erhalt des UNESCO-Welterbetitels zu sichern.

6. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Gespräch zwischen Vertretern der Fraktionen des Stadtrates der Landeshauptstadt Dresden, dem Regierungspräsidium Dresden, der Sächsischen Landeskonservatorin, dem Sächsischen Staatsminister des Innern und der Deutschen UNESCO-Kommission zu initiieren. Gegenstand des Gespräches sind die Erörterung von Maßnahmen, die dazu geeignet sind, dem Ergebnis des Bürgerentscheides vom 27.2.2005 Rechnung zu tragen und gleichzeitig den Erhalt des UNESCO-Welterbetitels zu sichern, sowie die Bildung eines Expertengremiums unter Beteiligung der UNESCO zur weiteren Bearbeitung der Gesprächsergebnisse.

7. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, beim Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und beim Kulturstaatsminister der Bundesrepublik Deutschland Unterstützung bei der Konsensfindung, beispielsweise durch Moderation zwischen den Beteiligten, zu erbitten. Ziel der Moderation soll sein, im Konsens zu Maßnahmen zu gelangen, die dazu geeignet sind, dem Ergebnis des Bürgerentscheides vom 27.2.2005 Rechnung zu tragen und gleichzeitig den Erhalt des UNESCO-Welterbetitels zu sichern."

Am 25.8.2006 widersprach der Vertreter des Oberbürgermeisters Nr. 1 des Beschlusses V1376-SR37-06 sowie Nrn. 2 und 4 des Beschlusses V1378-SR37-06.

Mit Bescheid vom 25.8.2006 ordnete das Regierungspräsidium Dresden die sofortige Vollziehung der Nrn. 1. bis 4. seines Bescheids vom 14.8.2006 an. Mit weiterem Bescheid vom 25.8.2006 hob es unter Anordnung der sofortigen Vollziehung anstelle und auf Kosten der Antragstellerin den Beschluss Nr. V 1368-SR36-06 hinsichtlich dessen Nr. 3 sowie die Beschlüsse zur Vertagung von Vergabeentscheidungen vom 10.8.2006 auf und traf selbst die Vergabeentscheidungen.

Mit Schreiben vom 25.8.2006 gab das Regierungspräsidium Dresden dem Oberbürgermeister der Antragstellerin auf, bis zum 28.8.2006, 12.00 Uhr den Vollzug der Vergabeentscheidungen zu bestätigen, verbunden mit dem Hinweis, die Zuschlagserteilung gegebenenfalls im Wege der Rechtsaufsicht durchzusetzen.

Gegen die Bescheide vom 14.8.2006 und vom 25.8.2006 erhob der Vertreter des Oberbürgermeisters am 25.8.2006 jeweils Widerspruch; gegen den Bescheid vom 14.8.2006 hatte der Vertreter des Oberbürgermeisters bereits am 24.8.2006 Widerspruch erhoben. Über die Widersprüche wurde bislang nicht entschieden.

8. Auf den am 25.8.2006 eingegangenen Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 30.8.2006 - 12 K 1768/06 - die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.8.2006 und 25.8.2006 wieder hergestellt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig. Der Stadtratsbeschluss Nr. V1368-SR36-06 zur Aussetzung der Vergabe von Bauleistungen sei rechtmäßig; die auf § 114 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO gestützte Beanstandung durch das Regierungspräsidium Dresden sei ermessensfehlerhaft.

Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners rechtfertige der Stadtratsbeschluss vom 10.8.2006 nicht den Vorwurf einer schuldhaften Verzögerung bei der Umsetzung des bindenden Bürgerentscheids. Allerdings sei es der Antragstellerin durch den Bürgerentscheid verwehrt, den Bau einer anderen Elbquerung (etwa eines Tunnels oder einer Brücke an einem anderen Standort) zu verfolgen oder den Bürgerentscheid durch Nichtstun oder zögerliches Verhalten zu missachten. Eine schuldhafte Verzögerung liege derzeit jedoch nicht vor, weil die Realisierung eines Bauvorhabens dieser Größe aufwändige Umsetzungsmaßnahmen erfordere und mit der Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 eine neue Sachlage eingetreten sei. Die Erklärung des fachkundigen und nach der Welterbekonvention mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Gremiums, dass der Brückenbau den Wert und die Integrität des Erbes irreversibel schädigen und eine ernsthafte Bedrohung des Weltkulturerbes darstellen würde, stelle die Antragstellerin vor die Alternative, entweder die Bauaufträge in Umsetzung des Bürgerentscheids zu vergeben, oder Gespräche mit dem Ziel eines Konsenses mit dem Welterbekomitee aufzunehmen. Derartige Gespräche seien nicht von vornherein aussichtslos. Das Welterbekomitee habe sich gesprächsbereit gezeigt, indem es die Bundesrepublik Deutschland sowie die Antragstellerin um Lösungsvorschläge ersucht habe. Auch sei das Gutachten der RWTH Aachen, das der Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 zugrunde gelegen habe, zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine andere Gestaltung der Brücke - trotz der gravierenden Zerschneidung der Landschaft - möglicherweise mit dem Welterbetitel vereinbar sei. In einer solchen Situation könne es der Antragstellerin nicht verwehrt werden, sich zugleich um den Erhalt des Welterbestatus und um den Bau der Brücke zu bemühen. Ein Verstoß gegen das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (§ 72 Abs. 2 SächsGemO) sei nicht erkennbar. Die Bescheide des Antragsgegners seien ermessensfehlerhaft, weil er zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Welterbekonvention nur den Bund verpflichte. Der Antragsgegner sei zwar nicht Vertragsstaat der Welterbekonvention, jedoch nach den Grundsätzen der Bundestreue und der völkerrechtskonformen Auslegung des Grundgesetzes gehalten, eine drohende Verletzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen des Bundes bei seiner Ermessensausübung zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als der Antragsgegner als Kulturstaat (Art. 1 Satz 2, Art. 11 Satz 3 SächsVerf) im Verfahren zur Aufnahme des Dresdner Elbtals (wie auch des Muskauer Parks) in die Welterbeliste mitgewirkt habe, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen aber pauschal negiere.

9. Gegen den am 30.8.2006 bekannt gegebenen Beschluss hat der Antragsgegner am selben Tag Beschwerde erhoben und diese innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verwaltungsgericht habe die Bindungswirkung des rechtmäßigen Bürgerentscheids verkannt, die unabhängig von jeder Änderung der Sachlage fortbestehe. Die Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 habe auch keine neue Sachlage begründet, weil die Welterbekonvention für Behörden des Antragsgegners keine strikten Rechtspflichten begründe. Tragendes Prinzip der Welterbekonvention sei die Eigenverantwortlichkeit der Vertragsstaaten. Die Welterbekonvention sei entgegen Art. 59 Abs. 2 GG nicht durch ein Vertragsgesetz innerstaatlich umgesetzt werden. Der darin liegende Verfassungsverstoß könne nicht nachträglich geheilt werden. Eine Umsetzungspflicht der Länder für völkerrechtliche Verträge, die der Bund abgeschlossen habe, bestehe nicht, wenn der Vertragsgegenstand - wie hier - in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder falle. Aus Art. 11 des Einigungsvertrags oder dem sog. Lindauer Abkommen lasse sich nichts anders ableiten; im Übrigen enthalte Art. 34 Welterbekonvention auch eine sog. Föderativklausel. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin verfolge mit ihren Bemühungen, einen Konsens mit der UNESCO herzustellen, einen gangbaren Weg, verkenne die Tatsachenlage. Die Stadtratsmehrheit lehne jeglichen Brückenbau ab und blockiere offensichtlich die Umsetzung des Bürgerentscheids. Dies sei mit dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (§ 72 Abs. 2 SächsGemO) unvereinbar, zumal bereits jetzt Planungskosten in Höhe von etwa 28 Mio. € entstanden seien und Schadensersatzansprüche drohten. Das Regierungspräsidium Dresden sei ermessensfehlerfrei eingeschritten, weil der Antragsgegner weder unmittelbar noch mittelbar an die Vorschriften der Welterbekonvention gebunden sei.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Mit ihren Schriftsätzen vom 28.8.2006 und 12.10.2006 macht sie mit eingehenden Darlegungen im Wesentlichen geltend, die Verwirklichung einer anderen als der planfestgestellten Brückenvariante verstoße nicht gegen den Bürgerentscheid. § 24 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO enthalte keine Verwirklichungsfrist, sondern eine bloße Veränderungssperre. Die drohende Aberkennung des Welterbetitels habe eine Änderung der Sachlage bewirkt, die jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung eine neue Entscheidungsbefugnis der Antragstellerin ermöglich müsse. Der Antragsgegner sei nach den Grundsätzen der Bundestreue und der Völkerrechtsfreundlichkeit gehalten, seine kommunalaufsichtlichen Befugnisse nicht in einer Weise auszuüben, dass der Bund in die Gefahr einer Verletzung von Völkervertragsrecht gerate. Eine solche Vertragsverletzung drohe im Falle der Aberkennung des Welterbetitels wegen eines Verstoßes gegen Art. 4 und 5 der Welterbekonvention. Überdies verstoße die planfestgestellte Brücke gegen das Sächsische Denkmalschutzgesetz und gegen das Sächsische Wassergesetz, weil der Welterbestatus bei der jeweiligen Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Die Maßnahmen des Antragsgegners seien unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft.

Der Senat hat am 8.11.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, an dem u.a. die Leiterin der Abteilung Europa und Nordamerika des UNESCO-Weltkulturerbes (Paris) und die Beauftragte der Länder für das UNESCO-Weltkulturerbe in Deutschland teilgenommen haben. Im Hinblick auf die in dem Termin von den Beteiligten geäußerten außergerichtliche Einigungsbemühungen hat der Senat am selben Tag das Ruhen des Verfahrens (§ 173 VwGO i.V.m. § 251 ZPO) angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 26.1.2007 hat der Antragsgegner eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt, wozu er mit Schriftsätzen vom 31.1. und 6.3.2007 ausgeführt hat; die außergerichtlichen Einigungsbemühungen seien gescheitert. Die Antragstellerin hat sich mit Schriftsatz vom 26.2.2007 zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Die innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, die den Prüfungsumfang des Senats begrenzen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. und 25.8.2006 ist unbegründet. Maßgebend hierfür ist, dass bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der kommunalaufsichtsrechtlichen Bescheide des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.

Die widerstreitenden Interessen sind unabhängig vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens gegeneinander abzuwägen, weil sich der Ausgang des Widerspruchsverfahrens und eines sich gegebenenfalls anschließenden Klageverfahrens als offen erweist. Eine abschließende Klärung der streitentscheidenden Frage zur innerstaatlichen Rechtswirkung der Welterbekonvention und der Entscheidungen des Welterbekomitees ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich (sh. 1). Die wegen der offenen Erfolgsaussichten vorzunehmende Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin, weil deren Interesse, den Bürgerentscheid nicht zu vollziehen, um den drohenden Verlust des Welterbestatus zu verhindern, nachrangig gegenüber dem öffentlichen Interesse ist, durch eine sofortige Vollziehung der angefochtenen Bescheide den Vollzug des Bürgerentscheids zum Bau der Waldschlößchenbrücke zu gewährleisten (sh. 2.).

1. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorrangig gebotenen Prüfung der Erfolgsaussicht des Widerspruchs lässt sich eine offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der auf die §§ 114, 115 SächsGemO gestützten Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.8.2006 und 25.8.2006 nicht feststellen.

Nach diesen Regelungen kann die Rechtsaufsichtsbehörde aufsichtliche Maßnahmen bei gesetzeswidrigen Anordnungen und Beschlüssen einer Gemeinde vornehmen. Eine Gesetzwidrigkeit der hier in Rede stehenden Beschlüsse des Stadtrats der Antragstellerin wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn durch sie der Vollzug des Bürgerentscheids vom 27.2.2005 zum Bau der Waldschlößchenbrücke vereitelt würde, obgleich auch die Welterbekonvention dem Vollzug nicht entgegen stehen würde. Maßgeblich ist daher die Rechtsfrage, ob - und bejahendenfalls mit welcher Bindungswirkung - die Welterbekonvention und die auf ihrer Grundlage getroffenen Entscheidungen des Welterbekomitees von der Antragstellerin und vom Antragsgegner zu berücksichtigen sind.

Vorliegend dürfte ein weiteres Zurückstellen des Vollzugs des Bürgerentscheids durch den Oberbürgermeister der Antragstellerin (§ 24 Abs. 4 Satz 1, § 52 Abs. 1 SächsGemO) nicht schon wegen weiterer und mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung von Bürgerentscheid und Welterbekonvention geführter Gespräche der Antragstellerin mit dem Welterbekomitee gerechtfertigt sein (sh. 1.1). Des Weiteren wird auch nicht davon auszugehen sein, dass die angefochtenen Aufsichtsmaßnahmen ermessensfehlerhaft getroffen worden sind, weil eine Bindungswirkung der Welterbekonvention verkannt worden sei; jedenfalls eine unmittelbar verpflichtende innerstaatliche Bindungswirkung dürfte die Konvention nicht haben (sh. 1.2).

1.1. Wie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragstellerin durch den am 27.2.2005 herbeigeführten Bürgerentscheid verpflichtet, den zur Entscheidung gestellten "Bau der Waldschlößchenbrücke" einschließlich des auf dem amtlichen Stimmzettel abgebildeten Verkehrszuges unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, ins Werk zu setzen. Ein ordnungsgemäß zustande gekommener Bürgerentscheid, der - wie hier - die nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO erforderliche Mehrheit der Stimmen erreicht hat, steht einem Gemeinderatsbeschluss gleich, der vom Bürgermeister zu vollziehen (§ 52 Abs. 1 SächsGemO), also rechtlich und tatsächlich zu verwirklichen ist. Anders als ein einfacher Gemeinderatsbeschluss ist ein Bürgerentscheid nicht jederzeit durch einfachen Ratsbeschluss änderbar. Innerhalb von drei Jahren kann er vielmehr nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden (§ 24 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO), wozu es eines Gemeinderatsbeschlusses mit einer Zweidrittelmehrheit bedarf (§ 24 Abs. 1 a.E. SächsGemO). Diese Sperr- und Bindungswirkung verleiht Bürgerentscheiden als Akten der unmittelbaren Demokratie und der bürgerschaftlichen Teilhabe an den Entscheidungen über Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 82 Abs. 2 SächsVerf) besonderes Gewicht. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung des § 24 SächsGemO entfällt die Sperr- und Bindungswirkung - anders etwa als in den Fällen des § 36 Abs. 5 Satz 1 SächsGemO - auch nicht mit einer Änderung der dem Bürgerentscheid zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage.

Nach diesem Maßstab ist es dem Stadtrat der Antragstellerin während der dreijährigen Sperr- und Bindungsfrist des Bürgerentscheids verwehrt, den Bau einer anderen Elbquerung (etwa eines Tunnels) oder den Bau einer Brücke an einem anderen Standort zu beschließen. Ebenso wenig darf der Stadtrat den Brückenbau durch schuldhafte Untätigkeit oder gezieltes Verhalten vereiteln oder verschleppen; dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt (S. 10 des Beschlussabdrucks).

Bei der Beurteilung der für die Rechtmäßigkeit der Aufsichtsmaßnahmen entscheidenden Frage, ob die Vollziehung des Bürgerentscheids ohne schuldhaftes Zögern der Antragstellerin erfolgt, ist dem Verwaltungsgericht auch darin beizupflichten, dass für die Umsetzung des planfestgestellten Verkehrszugs durch die Antragstellerin ein angemessener Zeitraum zu veranschlagen ist, weil es einer Vielzahl von Vorbereitungsmaßnahmen bedarf. Im Hinblick auf Umstände des Falles spricht auch Einiges dafür, dass der Stadtrat der Antragstellerin im Sommer vergangenen Jahres zunächst die Vergabe von Bauleistungen aussetzen durfte, um Gespräche mit dem Welterbebüro der UNESCO mit dem Ziel zu führen, den seit der Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 ernsthaft drohenden Verlust des Welterbestatus zu verhindern. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Bürgerentscheid wohl nicht alle technischen und gestalterischen Einzelheiten des Brückenbaus umfasst und damit - in kommunalrechtlicher Hinsicht - auch Abweichungen vom Planfeststellungsbeschluss zulassen dürfte. Hinzu kommt, dass die Schlussfolgerungen des Visualisierungsgutachten der RWTH Aachen, das der Beschlussfassung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 zugrunde lag, die Vereinbarkeit eines Brückenbaus mit dem Welterbestatus des Dresdner Elbtals wohl nicht von vornherein ausschließen. Bei dieser Sachlage dürfte ein Beschluss des Stadtrats, zunächst Gespräche mit der UNESCO mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung zu führen, um sowohl dem Bürgerentscheid wie auch den Erwägungen des Welterbekomitees gerecht zu werden, zum damaligen Zeitpunkt keine Veranlassung zu rechtsaufsichtsaufsichtlichen Maßnahmen gegeben haben.

Angesichts der nunmehr über einen mehrmonatigen Zeitraum erfolglos durchgeführten außergerichtlichen Einigungsbemühungen, die der Senat bei seiner Beschwerdeentscheidung nicht außer Betracht lassen kann, erscheint eine weitere Zurückstellung der für den Brückenbau anstehenden Vergabeentscheidungen mit Blick auf den bindenden Bürgerentscheid jedoch nicht mehr angemessen. Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass die Vergabefristen, auf deren drohenden Ablauf zum 1.9.2006 der Antragsgegner seine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen vom 14. und 25.8.2006 gestützt hat, nach den unbestrittenen Angaben der Antragstellerin nunmehr bis zum 31.8.2007 verlängert wurden. Diese für das zivilrechtliche Vergabeverfahren und daraus möglicherweise erwachsende Schadensersatzpflichten wohl bedeutsame Fristverlängerung ändert an der kommunalrechtlichen Umsetzungsverpflichtung des Bürgerentscheids nichts. Ob den Bietern nach den einvernehmlichen Verlängerungen der Bindefristen Zahlungsansprüche in der vom Antragsgegner angedeuteten Höhe zustehen und daraus eine Verletzung des Grundsatzes der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (§ 72 Abs. 2 SächsGemO) abgeleitet werden kann, vermag der Senat anhand der vorgelegten Akten nicht zu beurteilen.

1.2. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird sich eine voraussichtliche Rechtswidrigkeit der angesprochenen Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.8. und 25.8.2006 nicht daraus ableiten lassen, dass der Antragsgegner eine innerstaatliche Bindungswirkung der Welterbekonvention verneint und bei den nach §§ 114 ff. SächsGemO zu treffenden Ermessensentscheidungen unberücksichtigt gelassen habe. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegner seine Ermessensentscheidung im Beschwerdeverfahren insoweit möglicherweise ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO) hat - oder durch die noch zu erlassenden Widerspruchsbescheide noch ergänzen kann - jedenfalls deshalb, weil sich die ungeklärte Frage der innerstaatlichen Bindungswirkung der Welterbekonvention, die sich hier in mehrfacher Hinsicht stellt, im Eilverfahren nicht abschließend beurteilen lässt.

Eine Bindungswirkung der Welterbekonvention und der Entscheidungen des Welterbekomitees, wie sie die Antragstellerin mit Teilen des Schrifttums (vgl. jüngst Fastenrath, DÖV 2006, 1017 [1021 ff.]; Hönes, DÖV 2007, 141 [144 ff.]; a.A. VG Dessau, Urt. v. 6.4.2001, NuR 2002, 108 [109]; differenzierend VG Meiningen, Beschl. v. 25.1.2006, NuR 2006, 395 [398]) vertritt, könnte sich nicht nur auf die Ermessensentscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde, sondern auch auf den straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vom 25.2.2004 (einschließlich der zugleich getroffenen wasserrechtlichen Entscheidungen) und den Bürgerentscheid vom 27.2.2005 auswirken.

Eine unmittelbar verpflichtende Bindungswirkung des - insgesamt umsetzungsbedürftigen -Vertragswerks dürfte allerdings ausscheiden.

Die am 16.11.1972 von der Generalkonferenz der UNESCO beschlossene Welterbekonvention zielt nach ihrer Präambel und ihren Art. 1 und Art. 2 auf den Schutz des unbeweglichen materiellen Kulturguts (Denkmäler, Ensembles und Stätten) und Naturerbes (Naturgebilde, geologische und physiographische Erscheinungsformen sowie Naturstätten und Naturgebiete). Die Bundesrepublik Deutschland hat die Welterbekonvention am 23.8.1976 ratifiziert (Art. 59 Abs. 1 GG) und 1977 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht (BGBl. II S. 215). Die Welterbekonvention ist nach ihrem Art. 30 gleichermaßen in ihrem arabischen, englischen, französischen, russischen und spanischen Wortlaut verbindlich, so dass sich eine methodisch einwandfreie Auslegung dieses völkerrechtlichen Vertrags, dessen Regelungsgehalt zwischen den Verfahrensbeteiligten im Streit steht, nicht auf den Vertragstext in seiner deutschen Übersetzung beschränken kann. Für eine so aufwändige Auslegung unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln in Art. 31 f. der Wiener Vertragsrechtskonvention ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings kein Raum.

Die deshalb hier in ihrer deutschen Übersetzung zugrunde gelegte Welterbekonvention bestimmt in Art. 4, dass in erster Linie die einzelnen Vertragsstaaten für Schutz und Erhaltung des kulturellen und natürlichen Erbes in ihrem Hoheitsgebiet zuständig sind (Satz 1). Ein Vertragsstaat "wird hierfür alles in seinen Kräften stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet" (Satz 2). Art. 5 legt in Ergänzung zu Art. 4 u.a. fest, dass sich jeder Vertragsstaat "bemühen (wird) [englische Formulierung: "shall endeavor"], nach Möglichkeit und im Rahmen der Gegebenheiten seines Landes (...) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den Schutz dieses Erbes in erschöpfende ["comprehensive"] Planungen einzubeziehen." Neben den in Art. 4 und Art. 5 niedergelegten Hauptpflichten der Vertragsstaaten finden sich weitere Verpflichtungen in Art. 6 und Art. 7 Welterbekonvention, auf die es für das vorliegende Streitverfahren nicht ankommen dürfte (zu den Pflichten der Vertragstaaten vgl. die ausführliche Darstellung der Welterbekonvention bei Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 40 ff.)

Aus den in Art. 4 und 5 Welterbekonvention geregelten Pflichten der Vertragsstaaten zum Schutz des im eigenen Staatsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes ergeben sich wohl keine unmittelbar bindenden Verpflichtungen für die Antragstellerin und den Antragsgegner. Unabhängig von der Entscheidung über die Frage, ob der Begriff des zu schützenden und zu erhaltenden "Welterbes" eine Konkretisierung des rechtlich hierzu Verpflichteten - wie etwa der "Weltgemeinschaft" oder des betroffenen Staates als gleichsam treuhänderisch verwaltendes Staatssubjekt - zulässt, dürfte die Welterbekonvention kein unmittelbar verpflichtendes innerstaatliches Recht sein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urt. v. 26.3.1957, BVerfGE 6, 309 [362 ff.]; Beschl. v. 14.10.2004, BVerfGE 111, 307 [316 ff.]; Beschl. v. 19.9.2006, NJW 2007, 499 [501 f.]), der sich der Senat anschließt, ist Völkervertragsrecht nicht unmittelbar, d.h. ohne Transformationsakt bzw. innerstaatlichen Anwendungsbefehl, als innerstaatlich geltendes Recht anzusehen. Dem Grundgesetz liegt die hergebrachte Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei Völkerrecht und nationalem Recht um getrennte Rechtsordnungen handelt, wobei sich die im Grundgesetz bereits angelegte Öffnung des innerstaatlichen Souveränitätsbereichs gegenüber dem Völkerrecht nach Maßgabe des nationalen Rechts bestimmt. Das Grundgesetz strebt zwar eine weitgehende Völkerrechtsfreundlichkeit und grenzüberschreitende Zusammenarbeit in einer sich entwickelnden Gemeinschaft demokratischer Staaten an. Es will jedoch keine Unterwerfung unter fremde Hoheitsakte, die jeder verfassungsrechtlichen Begrenzung und Kontrolle entzogen sind (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, aaO, S. 319). Dementsprechend gilt Völkervertragsrecht innerstaatlich nur dann, wenn es in die nationale Rechtsordnung formgerecht und in Übereinstimmung mit materiellem Verfassungsrecht inkorporiert worden ist.

Ob diese Voraussetzungen für die Welterbekonvention in jeder Hinsicht erfüllt sind, ist fraglich.

Eine Inkorporation der Welterbekonvention in die innerstaatliche Rechtsordnung durch ein Vertrags- oder Zustimmungsgesetz des Bundes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht erfolgt. Das den Verfahrensbeteiligten bekannte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Bogdandy, Heidelberg, (Anlage 10 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.10.2006), vom April 2006 führt dazu auf S. 13 unter Hinweis auf Angaben des Auswärtigen Amts aus, die Ratifizierung der Welterbekonvention im Jahr 1976 sei auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung erfolgt, die zuvor die Länder nach Maßgabe des sog. Lindauer Abkommens vom 14.11.1957 (abgedruckt u.a. bei Maunz in: Maunz/Dürig, GG, Bd. IV, Art. 32 Rn. 45) angehört habe. Seinerzeit sei man davon ausgegangen, dass die geltende Rechtslage bereits den Anforderungen der Welterbekonvention entspreche, so dass keine gesetzgeberischen Maßnahmen erforderlich seien.

Ob die damalige Einschätzung der Verpflichtungen aus der Welterbekonvention zutrifft, vermag der Senat im Eilverfahren ebenso wenig zu beurteilen wie die - seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verfassungsgerichtlich ungeklärt gebliebenen - Fragen im Zusammenhang über das Verhältnis von Bundeskompetenz und Länderkompetenz beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die - wie die Welterbekonvention (vgl. Fastenrath, DÖV 2006, 1017 [1021], Hönes, DÖV 2007, 141 [145 f.]) - den Bereich der Gesetzgebungskompetenzen der Länder betreffen (Papier, DÖV 2003, 265 [267] m.w.N.). In diesem Zusammenhang merkt der Senat lediglich an, dass die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes - abgesehen von Verfassungsänderungen - nicht zur Disposition des Bundes und der Länder steht, weshalb sich in einem Hauptsacheverfahren unter Umständen die durch das Lindauer Abkommen für die jahrzehntelange Staatspraxis durch einvernehmliche Verfahrensregelungen (vgl. BVerfG, Urt. v. 22.3.1995, BVerfGE 92, 203 [231]) ausgeklammerte Frage der Vertragskompetenz der Länder nach Art. 32 Abs. 3 GG stellen kann (vgl. Papier, aaO, 268).

Jedenfalls der Antragsgegner konnte vor Abschluss der Welterbekonvention durch die Bundesrepublik Deutschland nicht nach Maßgabe des Lindauer Abkommens beteiligt werden, so dass ihm eine innerstaatliche Umsetzungspflicht nicht aus einem zuvor selbst erteilten Einverständnis zum Vertragsschluss bzw. aus dem Grundsatz der Bundestreue erwachsen kann. Die fragliche Inkorporation der Welterbekonvention in den innerstaatlichen Rechtsraum wird sich auch nicht ohne weiteres aus Art. 9 Abs. 2 oder Art. 11 des Einigungsvertrags (EV) ableiten lassen. Nach Art. 9 Abs. 2 EV bleibt das in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführte Recht der DDR unter - näher bezeichneten - Voraussetzungen in Kraft. Die DDR hat zwar ihre Annahme- und Inkrafttretenserklärung zur Welterbekonvention im Gesetzblatt vom 28.3.1989 (GBl. DDR II S. 113) veröffentlicht; in Anlage II zum Einigungsvertrag findet dies jedoch keine Erwähnung. Soweit Art. 11 Satz 1 EV bestimmt, dass völkerrechtliche Verträge und Vereinbarungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei angehört (mit Ausnahme der in Anlage I genannten Verträge), ihre Gültigkeit behalten und die daraus folgenden Rechte und Verpflichtungen sich auch auf das Gebiet der in Art. 3 EV bezeichneten "neuen" Länder beziehen, dürfte diese Erstreckung der völkerrechtlichen Verträge und Vereinbarungen auf das Beitrittsgebiet eine Inkorporation der Welterbekonvention in das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht ersetzen.

Da die Welterbekonvention mangels Zustimmungs- oder Vertragsgesetzes wohl nicht nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland geworden ist, stellt sich des weiteren die Frage, ob ein sog. Verwaltungsabkommen i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG vorliegt, dem eine unmittelbare Bindungswirkung zugemessen werden kann.

Auch dies lässt sich im Beschwerdeverfahren nicht abschließend beurteilen. Soweit die Welterbekonvention als Verwaltungsabkommen i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG eingestuft werden kann, wie es im Schrifttum vertreten wird (so von Fastenrath, aaO, S. 1024), dürfte für die Begründung einer unmittelbaren innerstaatlichen Geltung des völkerrechtlichen Vertrags ebenfalls ein entsprechender (Außen-)Rechtsakt der Exekutive zur Inkorporation des völkerrechtlichen Vertrags in den innerstaatlichen Rechtsraum zu fordern sein, also etwa eine Verordnung. Ein solcher Rechtsakt ist nicht ersichtlich.

Das Fehlen einer unmittelbaren Bindungswirkung des von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrags im innerstaatlichen Raum schließt allerdings eine mittelbare Bindungswirkung der Welterbekonvention nicht von vornherein aus. Zwingende rechtliche Folgen aus einem den Bundesstaat verpflichtenden völkerrechtlichen Vertrag entstehen für die Länder und deren Gebietskörperschaften zwar ausschließlich nach Maßgabe des innerstaatlichen (Verfassungs-)Rechts (BVerfG, Urt. v. 26.3.1957, BVerfGE 6, 309 [366]). Das Grundgesetz geht in seiner Völkerrechtsfreundlichkeit auch nicht so weit, die Einhaltung völkerrechtlicher Verträge der Bundesrepublik durch eine korrespondierende Bindung der Länder im Bereich ihrer eigenen Gesetzgebungszuständigkeiten zu ermöglichen (BVerfG, Urt. v. 26.3.1957, aaO, S. 363). Selbst die weit reichende supranationale europäische Integration steht unter einem Souveränitätsvorbehalt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, BVerfGE 111, 307 [319]).

Weder die Kompetenzordnung noch der allgemeine Souveränitätsvorbehalt des Grundgesetzes schließen es jedoch aus, völkervertragsrechtliche Verpflichtungen des Bundes, die nicht in den innerstaatlichen Rechtsraum inkorporiert wurden, bei der Auslegung von Bundes- und Landesrecht zu berücksichtigen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 26.10.2004 (BVerfGE 112, 1 [26]) ausgeführt, dass alle Staatsorgane verpflichtet sind, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen. Vor diesem Hintergrund spricht Einiges dafür, dass die Pflichten der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 4 und 5 Welterbekonvention auch bei der Auslegung sächsischen Landesrechts zu berücksichtigen sind, soweit sich aus der sog. Bundesstaatsklausel des Art. 34 lit. b Welterbekonvention nichts anders ergibt.

Die genannte Regelung bestimmt für bundesstaatlich verfasste Vertragsstaaten, dass hinsichtlich derjenigen Bestimmungen der Welterbekonvention, deren Durchführung ("implementation") in die Zuständigkeit eines einzelnen Gliedstaats, eines Landes, einer Provinz oder eines Kantons fällt, die nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sind, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen sind, die Bundesregierung die zuständigen Stellen dieser Staaten, Länder, Provinzen oder Kantone von den vorgenannten Bestimmungen unterrichtet und ihnen die Annahme empfiehlt.

Eine ausdrückliche Annahmeerklärung zur Welterbekonvention durch den für die Außenvertretung des Antragsgegners nach Art. 65 Abs. 1 SächsVerf zuständigen Ministerpräsidenten liegt - soweit im Beschwerdeverfahren anhand der vorgelegten Akten ersichtlich - nicht vor. Ob der Antragsgegner trotz der durch die Welterbekonvention mitbetroffenen, durch die sog. Föderalismusreform unberührt gebliebene Kulturhoheit der Länder nach den allgemeinen Grundsätzen der Bundestreue möglicherweise zur Abgabe einer solchen Erklärung verpflichtet sein könnte (zweifelnd Fastenrath, aaO, S. 1026, m.N. auch zur Gegenmeinung), kann im Beschwerdeverfahren ebenso wenig geklärt werden wie die Frage, ob sich der Antragsgegner durch seine Mitwirkung bei der Antragstellung zur Aufnahme des Dresdner Elbtals oder anderer Kulturstätten in die Welterbeliste der Welterbekonvention mit der Folge faktisch unterworfen hat, dass es ihm als Kulturstaat (Art. 1 Satz 2, Art. 11 Abs. 3 SächsVerf) nach Treu und Glauben verwehrt sein könnte, sich nachträglich auf fehlende Bindungswirkungen der Welterbekonvention zu berufen.

Welche Rechtsfolgen sich aus einer mittelbaren Bindungswirkung der Welterbekonvention bei der Auslegung von Bundes- und Landesrecht im Einzelnen ergeben können, wird in einem Hauptsacheverfahren weiter zu prüfen sein. Angesichts der bereits angesprochenen Offenheit der abstrakten Begriffe des von der Welterbekonvention geschützten Kulturerbes der Menschheit (vgl. Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum "common heritage of mankind" in: Dolzer/Jayme/Mußgnung, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 13 [24]) und der in Art. 4 und 5 Welterbekonvention verankerten Bemühenspflichten der einzelnen Vertragsstaaten spricht Manches dafür, dass die Welterbekonvention und die auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen des Welterbekomitees etwa im Rahmen von planerischen Abwägungen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 13 ROG), bei der Ausweisung von Schutzgebieten oder für die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit von Kulturdenkmälern (so ausdrücklich etwa § 2 Abs. 2 DenkmalschutzG Sachsen-Anhalt) Berücksichtigung finden können. Eine abwägungsfeste Schutzposition des Welterbestatus wird sich daraus allerdings ebenso wenig ableiten lassen wie eine Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen. Da das Welterbekomitee keine verbindlichen Entscheidungen gegenüber den Vertragsstaaten treffen kann, sondern - soweit hier von Belang - nur die Welterbeliste (Art. 11 Abs. 2) und die sog. Rote Liste des gefährdeten Welterbes (Art. 11 Abs. 4) zu führen hat (zu den weiteren Aufgaben vgl. Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 62), kommen Beschlüssen des Welterbekomitees auch nicht die gleichen rechtlichen Wirkungen zu wie etwa den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 14.10.2006, BVerfGE 111, 289 [319 ff.]), zu deren Befolgung sich die Signatarstaaten der EMRK nach Maßgabe von Art. 46 EMRK verpflichtet haben. Auch mit Urteilen des Internationalen Gerichtshofs, denen nach Art. 59 f. des IGH-Statuts Bindungswirkung zukommt, sind die Entscheidungen des Welterbekomitees in ihren völkerrechtlichen und innerstaatlichen Wirkungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.9.2006, NJW 2007, 499 [501 f.]) nicht vergleichbar.

Ausgehend von einer mittelbaren Bindungswirkung der Welterbekonvention und der auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen des Welterbekomitees vermag der Senat eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der im Streit stehenden kommunalaufsichtlichen Bescheide des Antragsgegners beim derzeitigen Verfahrensstand nicht zu erkennen.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin wird sich eine Rechtswidrigkeit dieser Bescheide wohl auch nicht daraus ableiten lassen, dass der Planfeststellungsbeschlusses zum "Verkehrszug Waldschlößchenbrücke" vom 25.2.2004 oder der Bürgerentscheid vom 27.2.2005 gegen die Welterbekonvention verstießen.

Die Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006, das Dresdner Elbtal wegen des geplanten Brückenbaus auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen, ist mehrere Jahre nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 25.2.2004 ergangen und konnte bei der nach § 39 SächsStrG gebotenen Abwägungsentscheidung des Regierungspräsidiums Dresden deshalb nicht berücksichtigt werden. Bedenken gegen den Brückenbau im Hinblick auf die Welterbekonvention sind - soweit ersichtlich - innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen nicht geäußert worden, obwohl das Vorhaben sowohl im Stadtrat der Antragstellerin als auch in der Bevölkerung stets äußerst kontrovers diskutiert worden ist. Nachdem das im Planfeststellungsverfahren beteiligte Landesamt für Denkmalpflege in einem Schreiben der sächsischen Landeskonservatorin vom 8.4.2003 ausgeführt hatte, dass gegen das Brückenbauvorhaben aus denkmalpflegerischer Sicht "keine Einwände" bestünden, musste es sich der Planfeststellungsbehörde im Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung auch nicht aufdrängen, dass das Vorhaben einem - später anerkannten - Welterbestatus des Dresdner Elbtals möglicherweise entgegenstehen könnte. Dass der Brückenbau in tatsächlicher Hinsicht zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Elbtals führt, hat die Planfeststellungsbehörde ausweislich des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses (dort. S. 56 f.) im Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung in ihre Abwägung andererseits durchaus eingestellt.

Nach vorläufiger Einschätzung spricht auch wenig dafür, dass der Bürgerentscheid vom 27.2.2005 im Hinblick auf eine mittelbare Bindungswirkung der Welterbekonvention oder der Entscheidung des Welterbekomitees vom 11.7.2006 nachträglich rechtswidrig geworden sein könnte.

Nach alledem sind die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Bescheide des Antragsgegners wegen der Vielzahl der klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bindungswirkung der Welterbekonvention als offen einzustufen.

2. In einer solchen Prozesssituation sind die widerstreitenden Interessen unabhängig vom voraussichtlichen Ergebnis des Widerspruchsverfahrens und eines sich eventuell anschließenden Klageverfahrens gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.4.2005, BVerwGE 123, 241 [244]).

Diese Abwägung geht trotz der erheblichen Bedeutung der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Welterbekonvention und der sich aus ihr ergebenden völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen zum Erhalt geschützter Kulturgüter zu Lasten der Antragstellerin, da das öffentliche Interesse, durch den Sofortvollzug der angefochtenen Bescheide zu gewährleisten, dass der Bürgerentscheid als Akt der unmittelbaren Demokratie umgesetzt wird, vorrangig gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ist, den Bürgerentscheid wegen des drohenden Verlustes des Welterbestatus vorläufig nicht zu vollziehen.

Die abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Antragstellerin, die am Bürgerentscheid vom 27.2.2005 teilgenommen haben, haben sich im Ergebnis einer langjährigen und heftig geführten politischen Diskussion mit einer Zweidrittelmehrheit für den Bau der Waldschlößchenbrücke einschließlich des auf dem amtlichen Stimmzettel abgebildeten Verkehrszugs entschieden. Im Vorfeld der Wahl hatten die Brückenbefürworter insbesondere auf den vorliegenden Planfeststellungsbeschluss und die Brückengegner insbesondere auf eine Schädigung des 2004 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannten Elbtals hingewiesen. Da Bürgerentscheiden (§ 24 SächsGemO) als Akten der unmittelbaren Demokratie und der bürgerschaftlichen Teilhabe an den Entscheidungen über Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 82 Abs. 2 SächsVerf) nach der sächsischen Gemeindeordnung eine besonderes Gewicht zukommt, ist ein Leerlaufen der dreijährigen Sperr- und Bindungswirkung von Bürgerentscheiden zu verhindern. Nachdem die erforderliche Mehrheit für die Durchführung eines neuen, abändernden Bürgerentscheids im Stadtrat der Antragstellerin nicht zustande gekommen ist, steht - wie der Senat bereits im Erörterungstermin vom 8.11.2006 ausgeführt hat - ein Konflikt zwischen den Belangen der unmittelbaren Demokratie und dem Völkervertragrecht im Bereich des internationalen Kulturschutzes zur gerichtlichen Entscheidung.

In dieser Konfliktsituation gebührt dem auch auf kommunaler Ebene zu verwirklichenden Demokratieprinzip (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) der Vorrang. Bei dieser Abwägung ist maßgeblich auf die besondere Bedeutung, die ein Bürgerentscheid nach § 24 SächsGemO hat, abzuheben. Die Sächsische Gemeindeordnung hat als gleichsame Verfassung für die Kommunen des Freistaates Sachsen und damit für einen Bereich innerhalb des föderativen und demokratischen Rechtsstaats der Bundesrepublik Deutschland, dem für die stetig neu zu verwirklichende Demokratie überragende Bedeutung zukommt, dem Bürgerentscheid nach § 24 SächsGemO wie auch dem Bürgerbegehren nach § 25 SächsGemO einen hohen Stellenwert beigemessen: Indem nach diesen Regelungen alle Gemeindeangelegenheiten, für die nicht der Bürgermeister zuständig ist, von den Bürgern entschieden werden können, wird den Gemeindebürgern das Recht zugesprochen, durch einen Akt unmittelbarer Demokratie über Kommunalangelegenheiten zu entscheiden. Gerade vor dem Hintergrund der in der Präambel der Sächsischen Verfassung angesprochenen leidvollen Erfahrungen während der nationalsozialistischen und kommunistischen Gewaltherrschaft, die den Bürger nicht als demokratisch Regierenden, sondern als autoritär Regierten behandelt hat, kommt dem demokratischen Mitwirkungsrecht entscheidende Bedeutung für die nunmehr verfasste demokratische Rechtsordnung zu. Diesem besonderen Stellenwert des demokratischen Mitwirkungsrechts wird durch die Abwägungsentscheidung des Senats Rechnung getragen.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss zu ändern und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück