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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.07.2007
Aktenzeichen: 4 BS 243/07
Rechtsgebiete: SächsGemO


Vorschriften:

SächsGemO § 115
Gestützt auf § 115 SächsGemO kann die Rechtsaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen einschreiten, wenn eine Gemeinde mit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten in Verzug geraten ist (im Anschluss an SächsOVG, Beschl. v. 12.9.2005 - 4 BS 449/04 -, SächsVBl. 2006, 45 = JbSächsOVG 13, 294).
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 243/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen kommunalaufsichtlicher Anordnung, Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 16. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Teilerledigungserklärungen der Antragstellerin und des Antragsgegners wird das Verfahren insoweit eingestellt, als die Antragstellerin durch Nr. 2 Satz 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Dresden vom 14. Juni 2007 verpflichtet wurde, bis zum 18. Juni 2007 Informationsschreiben gemäß § 13 Vergabeverordnung bezüglich der Lose Vergabe-Nr. 5004/06 - Verkehrszug Waldschlößchenbrücke, PA 1, Los 1 Straßen-, Ingenieur-, Tief- und Kanalbau zu versenden. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 19. Juni 2007 - 12 K 1139/07 - ist insoweit wirkungslos.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 19. Juni 2007 - 12 K 1139/07 - zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich - nach einer teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung - gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden, durch den ihr Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.6.2007 abgelehnt wurde.

1. Durch den genannten Bescheid wurde im Wege der Ersatzvornahme (§ 116 SächsGemO) der Zuschlag für die Ausführung von Bauleistungen für den Verkehrszug Waldschlößchenbrücke (Vergabe-Nr. 5004/06, PA 1, Los 1, Straßen-, Ingenieur-, Tief- und Kanalbau) in Höhe von etwa 31 Mio. Euro an einen Dritten erteilt (Nr. 1 des Entscheidungssatzes) und die Antragstellerin durch eine aufsichtsrechtlichen Anordnung (§ 115 SächsGemO) verpflichtet, bis zum 18.6.2007 Informationsschreiben an die unterlegenen Bewerber zu versenden und nach Ablauf der vierzehntägigen Frist des § 13 Vergabeverordnung den Zuschlag gemäß § 28 Abs. 1 VOB/A innerhalb einer weiteren Frist von zwei Tagen zu erteilen (Nr. 2 des Entscheidungssatzes).

Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid fristgerecht Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden wurde.

2. Den am 15.6.2007 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 19.6.2007 - 12 K 1139/07 - mit der Begründung abgelehnt, die angefochtenen Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 14.6.2007 seien voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 116 SächsGemO lägen vor. Die Antragstellerin sei der - nach dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9.3.2007 (SächsVBl. 2007, 137; nachfolgend SächsVerfGH, Beschl. v. 3.5.2007 - Vf. 53-IV-07/Vf. 54-IV-07- und BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.5.2007 - 2 BvR 695/07 -, juris) - sofort vollziehbaren Anordnung des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.8.2006, die streitige Vergabeentscheidung bis zum 24.8.2006 zu treffen, bislang nicht nachgekommen. Ermessensfehler lägen voraussichtlich nicht vor. Insbesondere habe das Regierungspräsidium berücksichtigt, dass die Umsetzung des Bürgerentscheids zum bisherigen Brückenvorhaben - statt eines neu konzipierten Alternativentwurfs - möglicherweise mit der Welterbekonvention und der auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen des Welterbekomitees unvereinbar sei. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin komme es nicht darauf an, ob der - sofort vollziehbare - Planfeststellungsbeschluss zum Verkehrszug Waldschlößchenbrücke rechtmäßig sei. Die Verpflichtung der Antragstellerin folge nicht aus dem Planfeststellungsbeschluss, sondern aus §§ 115, 116 SächsGemO in Verbindung mit den dazu erlassenen Bescheiden. Die aufsichtsrechtliche Anordnung in Nr. 2 des Bescheids finde ihre Grundlage in § 115 SächsGemO; dazu habe die Antragstellerin keine konkreten Einwendungen erhoben.

Auf seiner 31. Tagung am 25.6.2007 in Christchurch (Neuseeland) beschloss das Welterbekomitee der UNESCO, die Welterbestätte "Dresdner Elbtal" wegen des geplanten Brückenbauvorhabens weiterhin in der "Liste des gefährdeten Welterbes" zu führen. Zugleich bat das Welterbekomitee um die Vorlage von Alternativentwürfen für die geplante Elbquerung bis zum 1.10.2007.

3. Mit ihrer bereits am 19.6.2007 erhobenen und mit Schriftsätzen vom 28.6.2007 und 6.7.2007 begründeten Beschwerde wendet sich die Antragstellerin - nach einer teilweisen Erledigungserklärung hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids vom 14.6.2007 angeordneten Versendung von Informationsschreiben (Schriftsatz vom 28.6.2007, S. 2 oben) - gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Sie macht im Wesentlichen geltend, gegenüber dem vorangegangenen Eilverfahren, das durch den Beschluss des Senats vom 9.3.2007 (aaO) beendet wurde, sei eine "andere Situation" eingetreten, die im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen sei. Eines Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 VwGO zum Eilbeschluss gegen die Grundanordnung vom 14.6.2007 bedürfe es nicht.

Die Antragstellerin habe alternative Brückenentwürfe erstellen lassen und sich für einen Entwurf entschieden, der dem Welterbekomitee in Christchurch präsentiert worden sei. Nach Einschätzung der Antragstellerin biete dieser Entwurf einen tauglichen Kompromiss mit den Anforderungen des Welterbekomitees. In dieser Situation sei die Erteilung des Zuschlags für Los 1 unvernünftig bzw. unwirtschaftlich, zumal sich die Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt habe, sich an eventuellen Mehrkosten eines geänderten Brückenvorhabens zu beteiligen. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners bedürfe der neue, wohl auch kostengünstigere Brückenentwurf keiner erneuten Planfeststellung, da er "nur" die architektonische Ausführung des Brückenkörpers ändere. Soweit eine abschließende Entscheidung des Welterbekomitees über den neuen Entwurf vor Ablauf der Bindungswirkung des Bürgerentscheids (§ 24 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO) im Februar 2008 nicht mehr möglich sei, erkläre sich die Antragstellerin bereit, die Errichtung einer Brücke anderweitig (etwa durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Unterwerfung unter eine sofortige Vollstreckung) zu sichern. Die Antragstellerin habe die Lose für andere Bauabschnitte bereits vergeben, so dass der Bau eines Brückenvorhabens in Umsetzung des Bürgerentscheids unwiderruflich feststehe. Von einer "Erfüllungsverweigerung" könne - entgegen den Ausführungen des Antragsgegners - keine Rede sein.

Der Bescheid vom 14.6.2007 sei formell und materiell rechtswidrig. Die Antragstellerin hätte vor der Anordnung der Ersatzvornahme zur beabsichtigen Vergabeentscheidung angehört werden müssen. Auch habe es der Antragsgegner versäumt, der Antragstellerin eine angemessene Frist zu setzen. Die Androhung der Ersatzvornahme habe sich auf andere Abschnitte und Lose beschränkt. Die Angebote der Bieter seien nicht - wie vergaberechtlich erforderlich - der ersatzweise getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt worden. Rechtswidrig sei der Bescheid vom 14.6.2007 auch deshalb, weil er der Antragstellerin ein rechtswidriges Verhalten abverlange. Die Tagung des Welterbekomitees in Christchurch habe - auch in Bezug auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2007 - eine geänderte Tatsachengrundlage geschaffen. Der neue Brückenentwurf sei mit dem Bürgerentscheid vereinbar, zumal § 24 Abs. 4 Satz 2 SächsGemO keine Verwirklichungsfrist, sondern eine "Veränderungssperre" enthalte. Bei Durchführung des Bürgerentscheids im Jahr 2005 sei nicht bekannt gewesen, dass der Brückenbau eine Aberkennung des Welterbetitels zur Folge haben könne. Der Bürgerentscheid dürfe auch nicht unter Verletzung völkerrechtlicher oder innerstaatlicher Rechtsnormen vollzogen werden. Das planfestgestellte Brückenvorhaben verstoße gegen Vorschriften der Welterbekonvention, des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes, gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen (in ihrer Auslegung durch neuere Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG) sowie gegen wasserrechtliche Vorschriften. Vor dem Verwaltungsgericht sei im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluss ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anhängig (3 K 712/07) anhängig; es werde beantragt, eine Abschrift der Verfahrensakte beizuziehen. Im Übrigen habe das Regierungspräsidium Dresden sein Ermessen in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft ausgeübt.

4. Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er trägt im Wesentlichen vor, die Beschwerde sei unbegründet. Hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids vom 14.6.2007 habe sich das Verfahren erledigt, weil die dort angesprochenen Vergabeentscheidungen vom Antragsgegner bereits getroffen worden seien. Der Antragsgegner habe bereits die Informationsschreiben nach § 13 VgV anstelle der Antragstellerin versandt; der Teilerledigungserklärung der Antragstellerin stimme er insoweit zu. Im Übrigen sei der Bescheid vom 14.6.2007 offensichtlich rechtmäßig. Der Antragstellerin sei mit Bescheid vom 14.8.2006 eine angemessene Frist gesetzt worden. Im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 9.3.2007 (SächsVBl. 2007, 137) sei eine erneute Fristsetzung nicht erforderlich gewesen. Die Antragstellerin habe die anstehenden Vergabeentscheidungen trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2007 mehrfach hinausgezögert. Einer erneuten Anhörung habe es nicht bedurft. Ermessensfehler seien nicht gegeben. Einwendungen gegen die Grundverfügungen könne die Antragstellerin nur im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO erheben, nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin sei auch keine neue Sachlage gegeben. Dies gelte auch für den sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss. Das Welterbekomitee habe sich nicht zu dem neuen Brückenentwurf geäußert. Eine verbindliche Kostenzusage des Bundes liege ebenso wenig vor. Die nunmehr vorgeschlagene Brücke sei planfeststellungsbedürftig. Abgesehen von dem damit verbundenen zeitlichen Aufwand stehe nicht einmal fest, dass sie technisch realisierbar sei und den planerischen Anforderungen genüge. Ein Vertragsschluss, wie ihn die Antragstellerin vorschlage, sei rechtlich nicht möglich. Dass der Bau der planfestgestellten Brücke voraussichtlich zu einem Verlust des Welterbetitels führe, habe der Antragsgegner nicht verkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten wird das Verfahren insoweit eingestellt, als die Antragstellerin durch Nr. 2 Satz 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Dresden vom 14.6.2007 verpflichtet wurde, bis zum 18.6.2007 Informationsschreiben gemäß § 13 Vergabeverordnung bezüglich der Lose Vergabe-Nr. 5004/06 - Verkehrszug Waldschlößchenbrücke, PA 1, Los 1 Straßen-, Ingenieur-, Tief- und Kanalbau zu versenden. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 19.6.2007 - 12 K 1139/07 - ist insoweit wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

2. Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Die Darlegungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, die den Prüfungsumfang des Senats begrenzen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die beantragte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Hinsichtlich Nr. 1 des angefochtenen Bescheids, durch die das Regierungspräsidium den Zuschlag für die Ausführung von Bauleistungen für den Verkehrszug Waldschlößchenbrücke (Vergabe-Nr. 5004/06, PA 1, Los 1, Straßen-, Ingenieur-, Tief- und Kanalbau) im Wege der Ersatzvornahme (§ 116 SächsGemO) an einen Dritten erteilt hat, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits unzulässig. Der Antragsgegner hat dazu im Schriftsatz vom 4.7.2007 unwidersprochen vorgetragen, er habe die in Nr. 1 angesprochene Vergabeentscheidung zwischenzeitlich getroffen. Für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin im Aussetzungsverfahren ist der Beschwerdebegründung in den Schriftsätzen vom 28.6.2007 und 6.7.2007 nichts zu entnehmen.

Soweit der Aussetzungsantrag hinsichtlich Nr. 2 Satz 1 nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde - also hinsichtlich der Erteilung des Zuschlags nach § 28 Abs. 1 VOB/A, durch den der zivilrechtliche Werkvertrag über die Bauleistungen zustande kommen soll -, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs unbegründet. Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin wurde die Anordnung zur Erteilung des Zuschlags in Nr. 2 Satz 1 des Bescheids nicht als Ersatzvornahme (§ 116 SächsGemO), sondern als kommunalaufsichtliche Anordnung nach § 115 SächsGemO erlassen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Formulierung des Entscheidungssatzes, sondern auch aus der Begründung unter II. 3a des angefochtenen Bescheids ("Gemäß § 115 SächsGemO ....", S. 7 f. des Bescheids). Ausgehend davon sind die ausführlichen Darlegungen in der Beschwerdebegründung zu den formellen und materiellen Voraussetzungen des § 116 SächsGemO von vornherein nicht geeignet, dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin gegen die Erteilung des Zuschlags nach § 28 Abs. 1 VOB/A zum Erfolg zu verhelfen. Dementsprechend ist es ohne Belang, ob die von der Antragstellerin vorgetragene "andere Situation" nach der letzten Tagung des Welterbekomitees - ungeachtet der Grundsätze des gestuften Einwendungs-ausschlusses im Vollstreckungsverfahren - überhaupt hätte erfolgreich geltend gemacht werden können. Zu dem von der Antragstellerin vorsorglich erbetenen richterlichen Hinweis über die Abgrenzung des Beschwerdeverfahrens (§ 146 VwGO) vom Abänderungsverfahren (§ 80 Abs. 7 VwGO) bestand schon deshalb kein Anlass.

Gemäß dem für die Beurteilung der Nr. 2 Satz 1 allein maßgeblichen § 115 SächsGemO kann die Rechtsaufsichtsbehörde für den Fall, dass eine Gemeinde eine ihr obliegende Pflicht nicht erfüllt, anordnen, dass die Gemeinde innerhalb einer angemessenen Frist die notwendigen Maßnahmen durchführt.

Gestützt auf diese Regelung kann die Rechtsaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen einschreiten, wenn eine Gemeinde mit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten in Verzug geraten ist (SächsOVG, Beschl. v. 12.9.2005, JbSächsOVG 13, 294 [296]). Ein solcher Fall dürfte hier vorliegen.

Substanziierte Darlegungen zu den formellen Voraussetzungen des § 115 SächsGemO sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren - wenn auch nur sinngemäß - geltend macht, die materiellen Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 115 SächsGemO lägen nicht vor, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Wegen der Bindungswirkung des am 27.2.2005 herbeigeführten Bürgerentscheid ist die Antragstellerin aus den vom Senat bereits im Beschluss vom 9.3.2007 (SächsVBl. 2007, 137 [140 f.]) ausgeführten Gründen verpflichtet, den zur Entscheidung gestellten "Bau der Waldschlößchenbrücke" unverzüglich ins Werk zu setzen. Die dreijährige Sperr- und Bindungswirkung des Bürgerentscheids entfällt nach der Sächsischen Gemeindeordnung nicht bei einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage, wie sie die Antragstellerin geltend macht. Auch insoweit ist auf die Begründung des Senatsbeschlusses vom 9.3.2007 (aaO) zu verweisen. Im Hinblick darauf kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin nach dem von ihr geschilderten, zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitigen Verlauf der Tagung des Welterbekomitees in Christchurch berechtigterweise darauf vertrauen kann, ihr neuer Brückenentwurf werde bei einer der folgenden Tagungen in den nächsten Jahren die Zustimmung des Welterbekomitees finden. Auch das Schreiben des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung an den Ministerpräsidenten des Antragsgegners vom 11.6.2007 (Anlage 9 zur Antragsschrift, VG AS. 293 ff.), nach dem sich der Bund "bemühe", sich an etwaigen Mehrkosten für eine welterbeverträgliche Elbquerung zu beteiligen, ändert an der Bindungswirkung des Bürgerentscheids nichts.

Greifbare Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Bürgerentscheids sind dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin - gerade unter Berücksichtigung des von ihr zitierten Kammerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2007 (aaO) - nicht zu entnehmen. Die zwischen den Verfahrensbeteiligten vorrangig streitige Frage einer innerstaatlichen Bindungswirkung der Welterbekonvention lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend klären (Senatsbeschl. v. 9.3.2007, SächsVBl. 2007, 137 [140 ff.]). Die wegen der insoweit offenen Erfolgsaussicht erforderliche Interessenabwägung fällt auch hier zu Lasten der Antragstellerin aus. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 29.5.2007 ausgeführt, dass die Welterbekonvention, in der die Idee des internationalen Kulturgüterschutzes zum Ausdruck komme, selbst dann keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderungen der eingetragenen Stätten biete, wenn die Welterbekonvention wirksam in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden sein sollte. Mit Blick auf den völkerrechtlichen Rahmen der Welterbekonvention sei es verfassungsrechtlich durchaus möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille als authentische Ausdrucksform unmittelbarer Demokratie in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetze. Für die offene Interessenabwägung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes komme hinzu, dass die Antragstellerin nicht substanziiert begründet habe, in welchen subjektiven Rechten ihr durch den Sofortvollzug der kommunalaufsichtlichen Maßnahmen eine irreversible Verletzung drohen soll (vgl. BVerfG, aaO). Dies gilt auch für das vorliegende Verfahren.

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Bürgerentscheids lässt sich auch im Übrigen nicht feststellen. Soweit die Antragstellerin rügt, das planfestgestellte Brückenvorhaben verstoße gegen das Sächsische Denkmalschutzgesetz, gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen (in ihrer Auslegung durch die neuere Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG) sowie gegen wasserrechtliche Vorschriften, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Verpflichtung der Antragstellerin zur zeitnahen Erteilung des Zuschlags nicht auf dem Planfeststellungsbeschluss, sondern auf dem Bürgerentscheid und den in der Folgezeit ergangenen kommunalaufsichtlichen Maßnahmen des Regierungspräsidiums Dresden beruht. Hinzu kommt, dass der Planfeststellungsbeschluss nach wie vor sofort vollziehbar ist. Sämtliche Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss blieben - soweit ersichtlich - erfolglos. Soweit die Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde hinsichtlich der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie auf ein Abänderungsverfahren (§ 80 Abs. 7 VwGO) verweist, das unter dem Aktenzeichen 3 K 712/07 beim Verwaltungsgericht Dresden anhängig ist, genügt dies bereits nicht dem Erfordernis substanziierter Darlegungen im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen ist für die von der Antragstellerin der Sache nach geforderte umfassende Inzidentkontrolle des Planfeststellungsbeschlusses im vorliegenden Beschwerdeverfahren kein Raum. Für die Beiziehung einer Abschrift der Gerichtsakte 3 K 712/07 des Verwaltungsgerichts bestand danach kein Anlass.

Nachdem auch die mehrmonatigen außergerichtlichen Einigungsbemühungen um einen geänderten Brückenentwurf während des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens vor dem Senat erfolglos geblieben sind, dürfte das Regierungspräsidium Dresden - zumal unter Berücksichtigung der auf Seite 7 des Bescheids unter 3a) genannten Ausschussentscheidungen - bei Erlass des Bescheids vom 14.6.2007 zu Recht davon ausgegangen sein, dass die Antragstellerin mit der Umsetzung des Bürgerentscheids in Verzug war. Bei seiner Ermessensentscheidung nach § 115 SächsGemO hat das Regierungspräsidium Dresden ausweislich Seite 7 f. des Bescheids insbesondere berücksichtigt, dass dem Bürgerentscheid nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2007 Vorrang gegenüber der Welterbekonvention und der auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen des Welterbekomitees zukommen kann. Auch die Bedeutung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts wurde in die Ermessensentscheidung eingestellt.

Soweit die Antragstellerin eine Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Maßnahme daraus ableitet, dass sie sich nunmehr mit dem Bau einer Brücke am vorgesehen Standort abgefunden und deshalb andere Vergabeentscheidungen (insbesondere für die Zufahrten) bereits getroffen habe, findet dies in den vorgelegten Akten keine hinreichende Grundlage und steht in erkennbarem Widerspruch zum Prozessverhalten der Antragstellerin. Auf das Vorliegen einer "endgültigen Erfüllungsverweigerung" kommt es - entgegen dem Beschwerdevorbringen - für die in Rede stehende Maßnahme nicht an. Dass der Bürgerentscheid wohl nicht alle technischen und gestalterischen Einzelheiten des Brückenbaus umfasst und - in kommunalrechtlicher Hinsicht - wohl auch Abweichungen vom Planfeststellungsbeschluss zulassen dürfte, wie es der Senat im Beschluss vom 9.3.2007 ausgeführt hat (aaO, S. 141), macht die nunmehr angefochtene Maßnahme wohl ebenso wenig unverhältnismäßig. Beim derzeitigen Verfahrensstand ist weder absehbar, dass der von der Antragstellerin favorisierte neue Brückenentwurf den planerischen Anforderungen insgesamt genügen, noch, dass dieser ohne neuerliches Planfeststellungsverfahren in einem überschaubaren Zeitraum ins Werk gesetzt werden könnte. Ob eine zum jetzigen Zeitpunkt grundlegend veränderte Planung des Brückenkörpers zu Kostenersparnissen führt, wie es die Antragstellerin vorträgt, erscheint dem Senat höchst zweifelhaft. Die schriftsätzlich angedeutete Bereitschaft der Antragstellerin, sich durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Bau einer Brücke am Standort Waldschlößchenbrücke zu verpflichten, führt ebenso wenig zur Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnung. Der Antragsgegner lehnt einen solchen Vertragsschluss u. a. deshalb ab, weil er ihn für rechtlich unzulässig hält. Damit liegt zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nur eine einseitige Absichtserklärung der Antragstellerin vor. Dies reicht zur Begründung einer Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Anordnung um so weniger aus, als die Zulässigkeit eines entsprechenden Vertragsschlusses nach den Umständen des Falles nicht ohne weiteres auf der Hand liegt.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und - soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde - auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Kostentragung der Antragstellerin auch für den erledigten Teil des Verfahrens entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands.

Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG orientiert sich der Senat an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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