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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.04.2003
Aktenzeichen: 5 B 115/01
Rechtsgebiete: AO, EV Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2 Satz 1
AO § 37 Abs. 2 Satz 2
AO § 47
AO § 124 Abs. 2
AO § 150 Abs. 1 Satz 2
AO § 164 Abs. 1 Satz 2
AO § 164 Abs. 4 Satz 1
AO § 167 Abs. 1 Satz 1
AO § 168 Satz 1
AO § 169 Abs. 1 Satz 1
AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AO § 170 Abs. 1
AO § 171 Abs. 10
AO § 171 Abs. 14
AO § 184 Abs. 1 Satz 3
AO § 218 Abs. 2 Satz 2
AO § 228
AO § 231 Abs. 1 Satz 1
EV Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2
1. Die Verjährung eines Steueranspruchs löst einen Anspruch auf Erstattung geleisteter Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO aus. Ein Vorauszahlungsbescheid bildet insoweit keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen. § 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 AO ändert daran nachts.

2. § 171 Abs. 14 AO ist auf diese Fallgestaltung nicht anwendbar.

3. Zum Verhältnis von Vorauszahlungsschuld und eigentlicher Steuerschuld.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 B 115/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erstattung von Grundsteuervorauszahlungen

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik

am 1. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15. November 2000 - 14 K 49/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 19.584,69 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15.11.2000 hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber nicht begründet. Der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

1. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Grundsteuervorauszahlungen in Höhe von 38.304,48 DM, die ihre Rechtsvorgängerin an eine Gemeinde, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, für den Zeitraum 1991 bis 1993 erbrachte. Die Zahlungen beruhten auf Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 Einigungsvertrag - EV -. Danach mussten aus volkseigenen Betrieben hervorgegangene Körperschaften ab 1.1.1991 für Betriebsgrundstücke bis zur Festsetzung der Grundsteuer Vorauszahlungen in Höhe von jährlich 0,2 % des für das Grundstück in der DM-Eröffnungsbilanz angesetzten Werts entrichten, ohne dass es dazu eines Steuerbescheids oder einer besonderen Aufforderung bedurfte. Zu einer Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 1991 bis 1993 kam es nicht. Im Januar 1998 beantragte die Klägerin einen auf Erstattung der Vorauszahlungen lautenden Abrechnungsbescheid. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Den von der Klägerin dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück.

Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage mit der Begründung stattgegeben, es bestehe mangels eines Steuerbescheids oder eines Vorauszahlungsbescheids kein (formeller) Rechtsgrund für die Vorauszahlungen. Auch liege keine einer Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt gleichstehende Steueranmeldung vor. Es fehle insoweit an einer gesetzlichen Vorschrift über die Selbstberechnung der Steuer. Die Selbstberechnungsverordnung der DDR vom 27.6.1990 (GBl. I S. 616) sei nach Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 1 EV nur für Vorauszahlungen der Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer einschlägig gewesen. In der durch Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV begründeten Pflicht zur Entrichtung von Grundsteuervorauszahlungen liege hingegen keine Pflicht zur Selbstberechnung, weil in dieser Vorschrift noch eine Steuerfestsetzung vorbehalten und die Berechnung der Vorauszahlungen im Gegensatz zur eigentlichen Grundsteuer nicht vom Einheitswert des Grundstücks, sondern von dessen Wert in der DM-Eröffnungsbilanz abhängig gewesen sei. Eine Steueranmeldung für die Grundsteuer habe der Gesetzgeber in § 44 in Verbindung mit § 42 GrStG, die durch Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 30 Buchst. d) EV in das Grundsteuergesetz eingefügt wurden, lediglich für Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser vorgesehen. Angesichts dessen hätte er im Rahmen von Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV eine Pflicht zur Selbstberechnung ausdrücklich regeln müssen, wenn dies von ihm gewollt gewesen wäre. Ebensowenig bestehe ein materieller Rechtsgrund für die Vorauszahlungen. Denn die Grundsteuer könne wegen Verjährung nicht mehr festgesetzt werden, so dass nach materiellem Recht auch die Vorauszahlungsschuld weggefallen sei. Der Erstattungsanspruch sei hingegen infolge rechtzeitiger Geltendmachung nicht verjährt.

Die Beklagte wendet dagegen ein, die unmittelbare gesetzliche Pflicht zur Entrichtung von Vorauszahlungen nach Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV bedinge eine Ermittlung des zu zahlenden Betrags und damit eine Selbstberechnung. Insoweit bestehe kein Unterschied zu Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 1 EV. Wie jene Vorschrift setze Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV gerade keinen Steuerbescheid oder eine besondere Aufforderung voraus. Die Folgerung des Verwaltungsgerichts, die Anknüpfung an die DM-Eröffnungsbilanz für die Berechnung habe nur vorläufigen Charakter gehabt und stehe damit der Annahme einer Steueranmeldung entgegen, sei zu weitreichend. Die Vorschrift habe nur einen raschen Mittelzufluss an die Gemeinden sichern sollen. Ein Umkehrschluss aus § 44 GrStG sei unzulässig. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV erfülle für Betriebsgrundstücke die gleiche Funktion wie § 44 GrStG für Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser, bei denen nicht auf den Einheitswert zurückgegriffen werden könne. Deshalb sei wie dort von einer Steueranmeldung auszugehen. Ein Erstattungsanspruch wäre im Übrigen verjährt, weil die in der Steueranmeldung liegende Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr aufgehoben werden könne.

2. Dieses Vorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung des Betrags der für die Jahre 1991 bis 1993 geleisteten Grundsteuervorauszahlungen zu Recht bejaht. Dieser Anspruch findet seine Grundlage in § 37 Abs. 2 Satz 2 AO (1977), der - wie auch die im Folgenden angeführten Vorschriften der Abgabenordnung - für Grundsteuern als von den Gemeinden verwalteten Realsteuern entsprechend gilt (§ 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 2 AO). Danach kann derjenige, der eine Steuer gezahlt hat, vom Leistungsempfänger die Erstattung des gezahlten Betrags verlangen, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Diese Voraussetzungen sind im Falle von Steuervorauszahlungen mit Eintritt der Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Steueranspruchs und damit auch in der vorliegenden Verwaltungsrechtssache erfüllt.

a) Dass die Verjährung eines Steueranspruchs einen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erstattung geleisteter Vorauszahlungen auslöst, haben der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof unter der Geltung der Reichsabgabenordnung entschieden (RFH, Urt. v. 23.1.1925, RFHE 15, 288 ff.; BFH, Urt. v. 13.3.1979, BFHE 127, 550 ff.). Ob dies auch für die Rechtslage nach der Abgabenordnung 1977 anzunehmen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Diese - vom Bundesfinanzhof noch nicht grundsätzlich beantwortete (vgl. BFH, Urt. v. 13.2.1996, BFH/NV 1996, 454 [456]) - Frage ist mit den nachstehenden Erwägungen zu bejahen.

Dem Steuergesetzgeber steht es frei, zur Sicherung einer stetigen und gleichmäßigen Einnahmeerzielung außer der eigentlichen Steuerschuld eine darauf bezogene Pflicht zur Entrichtung von Vorauszahlungen zu normieren. Die Vorauszahlungsschuld lässt sich insofern als eine besondere Schuld begreifen, als sie den Gegenstand spezieller, auf sie bezogener Regelungen des jeweiligen Steuergesetzes bildet, welche die Grundlagen und Modalitäten der betreffenden Zahlungspflicht bestimmen (vgl. auch BFH, Urt. v. 13.3.1979, aaO, S. 553; Kruse in: Tipke/Kruse, AO, Stand 2002, § 47 RdNr. 17; Stolterfoht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 2003, § 37 RdNr. A 8; Koops/Scharfenberg, DStR 1995, 552 [553]). Andererseits sind die Vorauszahlungen derart mit der eigentlichen, ihr zugrunde liegenden Steuerschuld verknüpft, dass sie auf diese "im voraus" entrichtet werden. Sie erfüllen mithin eine doppelte Funktion, indem sie die Vorauszahlungsschuld zum Erlöschen bringen (§ 47 AO) und zugleich die Voraussetzungen für eine spätere Anrechnung auf die durch Steuerbescheid festgesetzte eigentliche Steuerschuld schaffen. In diesem Sinn ist die Vorauszahlungsschuld als eine im Verhältnis zur eigentlichen Steuerschuld provisorische Schuld zu qualifizieren, deren rechtliches Schicksal sie teilt (ähnlich FG Hamburg, Urt. v. 5.12.1986, EFG 1988, 577 f.).

Diese spezifische Beziehung äußert sich im Regelfall in der Weise, dass nach Festsetzung der Steuer allein der Steuerbescheid für das Steuerschuldverhältnis maßgebend ist. Waren die Vorauszahlungen durch Bescheid festgesetzt worden, so erledigt sich dieser infolge des Steuerbescheids "auf andere Weise" im Sinne des § 124 Abs. 2 AO (vgl. BFH., GrS, Beschl. v. 3.7.1995, BFHE 178, 11 [14 f.]; BFH, Urt. v. 13.2.1996, aaO, S. 456). Dadurch entfällt auch die materielle Vorauszahlungsschuld, da ihr eine eigenständige Bedeutung nur im Zeitraum vor der Steuerfestsetzung zukommt (vgl. auch BFH, Urt. v. 13.3.1979, aaO, S. 553).

Der Primat der eigentlichen Steuerschuld vor der Vorauszahlungsschuld gilt darüber hinaus generell und beansprucht auch dann Beachtung, wenn die Steuer nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist festgesetzt wird und der Steueranspruch daher mit Eintritt der Festsetzungsverjährung erlischt (§ 47 in Verbindung mit § 169 AO). In diesem Fall sind geleistete Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes für die Zahlungen zu erstatten: Stellt man unter Berücksichtigung der vorbeschriebenen Doppelfunktion von Vorauszahlungen auf die eigentliche Steuerschuld als (materiellen) Rechtsgrund der Zahlungen ab, so ist dieser nachträglich wegen verjährungsbedingten Erlöschens der Schuld entfallen. Mangels Steuerbescheids besteht - bezogen auf die eigentliche Steuerschuld als Anknüpfungspunkt - auch kein formeller Rechtsgrund für die geleisteten Vorauszahlungen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man unter Heranziehung der Vorauszahlungsschuld als möglichen Rechtsgrund der Vorauszahlungen. Aufgrund ihres provisorischen Charakters im Verhältnis zur eigentlichen Steuerschuld führt das Erlöschen der Steuerschuld infolge Verjährung auch zum Erlöschen der Vorauszahlungsschuld (vgl. auch BFH, Urt. v. 13.3.1979, aaO, S. 553). Auch auf dieser Bezugsebene kommt es daher zu einem späteren Wegfall des (materiellen) Rechtsgrunds der Vorauszahlungen. Die Doppelfunktion von Vorauszahlungen bedingt derart eine doppelte causa-Beziehung: Die Zahlungen haben ihren unmittelbaren rechtlichen Grund in der Vorauszahlungsschuld. Diese findet ihrerseits ihre Rechtfertigung und damit ihren rechtlichen Grund in der eigentlichen Steuerschuld, die somit mittelbar rechtlicher Grund für die Vorauszahlungen ist. Entfällt durch Erlöschen der Steuerschuld der rechtliche Grund für die Vorauszahlungsschuld, so entfällt mit dieser auch der rechtliche Grund für die erbrachten Vorauszahlungen.

Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Vorauszahlungen durch Bescheid festgesetzt wurden. Ein solcher Festsetzungsbescheid stellt keineswegs einen den Erstattungsanspruch ausschließenden formellen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Vorauszahlungen dar, auf das es im Rahmen des § 37 Abs. 2 Satz 2 AO ankommt. Denn diese Vorschrift, die über § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hinaus einen Erstattungsanspruch auch bei späterem Wegfall des Rechtsgrunds der Zahlung begründet, stellt damit klar, dass nicht nur der Vorgang der Zahlung, sondern auch der dauerhafte Verbleib des Betrags beim Leistungsempfänger auf einem rechtlichen Grund beruhen muss. Ein Bescheid über die Festsetzung der Vorauszahlungen ist jedoch nach seiner Funktion auf die Konkretisierung der Pflicht zur Entrichtung von Vorauszahlungen beschränkt, entfaltet aber keine Regelungswirkung für die eigentliche Steuerschuld. Diese Regelungswirkung ist nach der Systematik des Steuerrechts allein dem die Steuer festsetzenden Steuerbescheid vorbehalten. Auch wenn insoweit die Festsetzungsverjährung eintritt, übernimmt nicht etwa der Vorauszahlungsbescheid die Rolle des Steuerbescheids als Rechtsgrund der Zahlung. Da der Vorauszahlungsbescheid einen formellen Rechtsgrund nur für die Vorauszahlungen auf die Steuer, nicht aber für eine definitive Steuerzahlung bilden kann, liegt in ihm kein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen der Vorauszahlungen (so auch Ruban in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand 2002, vor § 169 RdNr. 24). Bei Eintritt der Festsetzungsverjährung erledigt er sich wie im Fall endgültiger Festsetzung der Steuer auf andere Weise im Sinne des § 124 Abs. 2 AO (vgl. auch FG Hamburg, aaO; Birk, Steuerrecht I, 2. Aufl. 1994, § 11 RdNr. 44; Koops/Scharfenberg, aaO, S. 555; a.A. ohne Auseinandersetzung mit der begrenzten Funktion eines Vorauszahlungsbescheids Kruse/Drüen in: Tipke/Kruse, aaO, § 37 RdNr. 45, HofBriann in: Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 37 RdNr. 11; Stolterfoht, aaO, RdNr. A 16; Drenseck in: Schmidt, EStG, 21. Aufl. 2002, § 37 RdNr. 1).

Diese rechtliche Situation ist auch nach Aufnahme der Bestimmungen des § 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 in die Abgabenordnung 1977 gleichgeblieben. Danach ist die Festsetzung einer Vorauszahlung stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (Abs. 1 Satz 2), wobei dieser Vorbehalt entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (Abs. 4 Satz 1). Der bei zusammenfassender Betrachtung dieser beiden Regelungen womöglich naheliegende Schluss, aus dem Vorauszahlungsbescheid würde mit Ablauf der Festsetzungsfrist ein vorbehaltlos wirksamer Steuerbescheid (so Brockmeyer in: Klein, AO, 7. Aufl. 2000, § 37 RdNr. 7; Trzaskalik in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, aaO, § 164 RdNr. 41; Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, aaO, § 37 RdNr. 49; a.A. - wie hier - hingegen Boeker, aaO, § 47 RdNr. 30), wäre verfehlt. Denn § 164 Abs. 1 Satz 2 fingiert keine Identität des Vorauszahlungsbescheids mit dem Steuerbescheid. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist dem eindeutigen Normtext zufolge nicht "die", sondern "eine" Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt. Sie stellt mithin kein Surrogat für den eigentlichen Steuerbescheid dar, zumal dieser ansonsten als Aufhebung oder Änderung des Vorauszahlungsbescheids im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgefasst werden müsste. Eine solche Annahme wäre indes systemwidrig, weil der Steuerbescheid nicht nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO, sondern in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren nach §§ 155 ff. AO ergeht. Außerdem wird der Vorauszahlungsbescheid durch ihn nicht nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgehoben oder geändert; wie oben dargelegt, erledigt er sich vielmehr durch ihn (§ 124 Abs. 2 AO). § 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 AO beschränkt sich deshalb auf die Aussage, dass die Festsetzung einer Vorauszahlung wie eine Festsetzung einer Steuerzahlung zu behandeln ist - zumal eine andere Einordnung einer solchen Zahlung auch nach § 37 AO nicht in Betracht kommt - und dass eine - allerdings nur auf die Vorauszahlungsschuld bezogene - Nachprüfung zwar während der Festsetzungsfrist, später aber nicht mehr zulässig ist. Der Wegfall des Nachprüfungsvorbehalts nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO ist hinsichtlich eines Vorauszahlungsbescheids somit allein für die Vorauszahlungsschuld von Belang, die nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist aufgehoben oder geändert werden kann (vgl. auch BFH, Urt. v. 13.2.1996, aaO, S. 456). Er besagt demgegenüber nichts über das grundsätzliche Verhältnis zwischen dem Vorauszahlungsbescheid und dem Steuerbescheid. Insoweit hat es bei den obigen Ausführungen sein Bewenden.

Für diese Auslegung des § 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 AO spricht daneben, dass andernfalls der Steuergläubiger, dem bereits erhebliche Vorauszahlungen zugeflossen sind, unter Umständen keinen Anlass mehr sähe, überhaupt noch einen Steuerbescheid innerhalb der Festsetzungsfrist zu erlassen, und für ihn der Eintritt der Verjährung daher nicht nachteilig wäre (in gleichem Sinn RFH, aaO, S. 289; FG Hamburg, aaO, S. 578; Koops/Scharfenberg, aaO, S. 553). Dann aber verlören die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung ihren Sinn. Das Instrument der Festsetzung von Vorauszahlungen ist nicht dafür geschaffen, den Folgen der Verjährung eines Steueranspruchs zu entgehen.

Überdies will es auch bei vergleichender Betrachtung nicht einleuchten, bei Erlass eines die Steuer auf Null festsetzenden Bescheids innerhalb der Festsetzungsfrist und auch bei späterer Aufhebung eines Steuerbescheids die Erledigung des Vorauszahlungsbescheids mit der Folge des Wegfalls eines formellen Rechtsgrunds für die Vorauszahlungen anzunehmen (vgl. für die zweitgenannte Fallgestaltung BFH, Urt. v. 13.2.1996, aaO, S. 456), hingegen den Vorauszahlungsbescheid als Rechtsgrund für das Behaltendürfen anzusehen, wenn die Behörde den Steueranspruch verjähren lässt. Denn alle Konstellationen sind übereinstimmend dadurch geprägt, dass kein Steueranspruch (mehr) besteht.

b) Die vierjährige Frist für die Festsetzung der Grundsteuern für die Jahre 1991 bis 1993 endete jeweils mit Ablauf des Jahres 1995, 1996 bzw. 1997 (§ 169 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 170 Abs. 1 AO). § 171 Abs. 14 AO, nach dem die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht nach § 228 AO verjährt ist, findet entgegen einer Literaturmeinung (Rüsken in: Klein, aaO, § 171 RdNr. 120) hier keine Anwendung. Nach dieser Bestimmung ist die (Festsetzungs-)Verjährung eines Steueranspruchs von der (Zahlungs-)Verjährung eines mit ihm zusammenhängenden Erstattungsanspruchs abhängig. Der auf geleistete Vorauszahlungen wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung gerichtete Erstattungsanspruch entsteht jedoch gerade erst mit Ablauf der Festsetzungsfrist. Deshalb kann er nicht seinerseits zur Verlängerung der - ja bereits abgelaufenen - Festsetzungsfrist führen, was Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 171 Abs. 14 AO wäre. Der bei Eintritt der Festsetzungsverjährung entstehende Anspruch auf Erstattung erbrachter Vorauszahlungen ist mithin kein Erstattungsanspruch im Sinne des § 171 Abs. 14 AO. Die gegenteilige Annahme beruht auf einer unzulässigen Umkehrung der Normaussage. § 171 Abs. 14 AO betrifft andere Fälle, wie etwa einen Anspruch auf Erstattung von Steuerzahlungen bei nicht wirksam bekanntgegebenem Steuerbescheid; die Behörde kann dann eine wirksame Steuerfestsetzung nachholen, solange der Erstattungsanspruch noch nicht verjährt ist (insoweit zutreffend Rüsken, aaO; vgl. auch Baum in: Koch/Scholtz, aaO, § 171 RdNr. 55).

Ebensowenig führt § 171 Abs. 10 AO, nach dem die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundsteuermessbescheids endet, zu einem anderen Ergebnis. Der Grundsteuermessbescheid des Finanzamts vom 20.11.1995 mit einer Nachveranlagung auf den 1.1.1991 betraf nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten ein nicht streitbefangenes Grundstück. Ein weiterer Grundsteuermessbescheid kann für die Jahre 1991 bis 1993 nach Ablauf der nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO auch für einen solchen Bescheid geltenden Festsetzungsfrist (vgl. Tipke in: Tipke/Kruse, aaO, § 184 RdNr. 14) nicht mehr ergehen.

Mangels Festsetzung der Grundsteuern innerhalb der jeweiligen Festsetzungsfrist ist die Verjährung eingetreten. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt in der Entrichtung der Vorauszahlungen keine Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstünde. Die Begleichung der in Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV begründeten Vorauszahlungsschuld kann schon deshalb nicht als Steueranmeldung verstanden werden, weil dies eine (explizit) gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Selbstberechnung erfordert (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 2 AO) und die einfache Vorgabe der Ermittlung von 0,2 % des Grundstückswerts nach der DM-Eröffnungsbilanz insoweit nicht ausreicht. Die Norm systematischen Überlegungen der Beklagten vermögen die fehlende ausdrückliche gesetzliche Verankerung einer Selbstberechnungspflicht nicht zu ersetzen. Außerdem wäre bei einer Steueranmeldung aufgrund der durch § 168 Satz 1 AO vorgenommenen Gleichstellung mit einer Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt eine Festsetzung durch Bescheid grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO; dazu Krabbe in: Koch/Scholtz, aaO, § 150 RdNr. 3; Baum in: Koch/Scholtz, aaO, § 167 RdNr. 2), während Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV eindeutig von einer nachfolgenden Festsetzung der Grundsteuer ausgeht. Der in der Vorschrift weiter enthaltene Passus, nach dem es eines Steuerbescheids oder einer besonderen Aufforderung nicht bedarf, bezieht sich lediglich auf die Vorauszahlungsschuld. Er ändert damit nichts an dem Erfordernis eines die endgültige Grundsteuerschuld festsetzenden Bescheids, zumal - wie das Verwaltungsgericht hervorhebt - für die in Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV bestimmte Vorauszahlungsschuld und die eigentliche Steuerschuld unterschiedliche Berechnungsgrundlagen gelten. Schließlich scheidet diese Norm als mögliche Grundlage für eine einer Steuerfestsetzung gleichstehende Steueranmeldung aus, weil sie sich inhaltlich überhaupt nicht mit der eigentlichen Steuerschuld, sondern nur mit einer Vorauszahlungsschuld befasst. Damit kann sie keine Pflicht zur Selbstberechnung bzw. zur Anmeldung "der" Steuer, d.h. der eigentlichen Steuer begründen.

Darauf, ob sich Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 15 Abs. 2 EV etwa eine Pflicht zur Selbstberechnung einer Vorauszahlungsschuld entnehmen und § 168 Satz 1 AO sich insoweit entsprechend anwenden lässt, kommt es demgegenüber nicht an. Denn der Anspruch auf Erstattung geleisteter Vorauszahlungen bei Eintritt der Festsetzungsverjährung besteht nach den Ausführungen unter 2.a) ohnehin unabhängig davon, ob die Vorauszahlungen durch Bescheid festgesetzt wurden. Der Senat neigt im Übrigen dazu, die Frage zu verneinen. Es fehlte wiederum an einer ausdrücklichen Pflicht zu einer derartigen Selbstberechnung. Ferner ist ein Institut der "Vorauszahlungsanmeldung" in der Abgabenordnung nicht vorgesehen.

c) Der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 2 AO seinerseits ist nicht verjährt. Die Verjährung richtet sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach §§ 169 ff. AO, die nur die Festsetzung einer Steuer bzw. ihre Aufhebung oder Änderung betreffen, sondern nach §§ 228 ff. AO. Danach beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 228 Satz 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Da der Erstattungsanspruch bezogen auf das am weitesten zurückliegende Jahr 1991 erst mit der Verjährung des Grundsteueranspruchs Ende 1995 entstanden ist und die Verjährungsfrist hinsichtlich des Erstattungsanspruchs durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs im Januar 1998 unterbrochen wurde (§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO), ist keine Verjährung eingetreten. Entsprechendes gilt für die Zeiträume 1992 und 1993.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt, einen Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO, konkretisieren muss, weil der Erstattungsanspruch den Gegenstand einer Streitigkeit bildet (vgl. auch FG Hamburg, aaO, S. 577; Boeker, aaO, § 37 RdNr. 79).

3. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung hindert im übrigen auch den Erlass eines die Grundsteuer wegen Erlöschens des Steueranspruchs auf Null festsetzenden Steuerbescheids. Daher scheidet die Konstruktion eines auf § 30 Abs. 2 GrStG gestützten Anspruchs auf Erstattung des positiven Differenzbetrags zwischen den Vorauszahlungen und der festgesetzten Steuer aus (wie hier FG Hamburg, aaO, S. 577; generell anders für die Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung BFH, Urt. v. 4.6.1959, BFHE 69, 279 [281 f.]; Urt. v. 4.7.1969, BFHE 96, 337 [339]; Urt. v. 13.3.1997, aaO, S. 554).

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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