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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 5 B 266/08
Rechtsgebiete: VwGO, SächsKAG, GG


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
SächsKAG § 7
GG Art. 12
GG Art. 105 Abs. 2a
1. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO schließt es nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht neue unstrittige oder offensichtliche Umstände berücksichtigt, wenn sich dadurch keine Verfahrensverzögerung ergibt und sich der Streitgegenstand nicht ändert (im Anschluss an SächsOVG, Beschl. v. 15.4.2008 - 5 BS 239/07 -, und Beschl. v. 29.3.2007, SächsVBl. 2007, 167).

2. Zur Höhe der Vergnügungssteuer.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 B 266/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Vergnügungssteuer; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt und die Richterin am Verwaltungsgericht von Wedel

am 24. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Juli 2008 - 4 L 42/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3459,92 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.7.2008, mit dem dieses den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 8.10.2007, 2.11.2007 und 22.11.2007 abgelehnt hat, ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die gegen den am 11.7.2008 zugestellten Beschluss innerhalb der Zweiwochenfrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO am 24.7.2008 beim Verwaltungsgericht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Zwar ging die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht ein, sondern erst am 1.9.2008. Der zusammen mit der Beschwerdebegründung gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist hat jedoch Erfolg.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Bei Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Dies ist hier erfolgt. Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 20.8.2008 Kenntnis von der Fristversäumnis erlangt hatte, hat sie am 1.9.2008 die Wiedereinsetzung beantragt. Die am 11.8.2008 abgelaufene Beschwerdebegründungsfrist hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auch unverschuldet versäumt. Sie hat das Erforderliche getan, um Fristversäumnisse zu verhindern. Das Verschulden ihrer Büroangestellten ist ihr nicht zuzurechnen. Die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO), dass sie die übliche Sorgfalt im Umgang mit Fristsachen hat walten lassen. Hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung in ihrer Kanzlei hat sie mit den vorgelegten Kopien aus dem geführten Fristenkalender eine zweckmäßige Büroorganisation belegt. Sie hat zudem unter Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen ihrer Kanzleiangestellten und glaubhaft gemacht, dass die Frist für die Begründung der Beschwerde entgegen der von ihr erteilten allgemeinen Büroanweisung nicht in den entsprechenden Fristenkalendern notiert worden ist und das Fristversäumnis darauf beruht.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses in der Sache.

Das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung vom 8.7.2008 im Wesentlichen damit begründet, dass die der Steuererhebung zugrunde liegende Satzung rechtmäßig sei und obergerichtlicher Rechtsprechung genüge. Der Vergnügungssteuersatz für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Höhe von 18 % des Einspielergebnisses, mindestens 30,00 € monatlich, sei nicht zu beanstanden. Der Begriff "Einspielergebnis" sei hinreichend auslegungsfähig und werde durch die in §§ 6 und 9 der Vergnügungssteuersatzung genannten Abzugsbeträge näher konkretisiert. Eine taugliche Besteuerungsgrundlage sei gegeben.

Dagegen wendet die Antragstellerin im Wesentlichen ein, dass der Steuersatz in Höhe von 18 % des Einspielergebnisses, mindestens 30,00 €, für sie zu einer durchschnittlichen monatlichen Vergnügungssteuerlast pro Geldgewinnspielgerät von 336,31 € führe. Dadurch sei die noch hinnehmbare Grenze von 300,00 € deutlich überschritten. Verglichen mit der vormaligen monatlichen Pauschalsteuer von 220,00 € pro Gerät erhöhe sich die Steuerlast für sie zudem um 52,87 %. Damit entfalte die Vergnügungssteuer erdrosselnde Wirkung. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass der - vom Aufwand unabhängige - Mindeststeuersatz letztlich zu einem Steuersatz von mehr als 18 % des Einspielergebnisses führe. Im Übrigen werde das in der Vergnügungssteuersatzung geregelte Veranlagungsverfahren beanstandet.

a) Dieser Vortrag rechtfertigt keine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senates setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Hauptsacherechtsbehelfes gegen einen Abgabenbescheid nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO voraus, dass dieser bei summarischer Prüfung rechtswidrig erscheint und damit ein Erfolg des Rechtsbehelfes in der Hauptsache wahrscheinlicher als ein Misserfolg ist oder dass die Vollziehung des Bescheides für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Es reicht hingegen nicht aus, dass die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfes nach derzeitigem Erkenntnisstand im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offen zu bewerten sind (vgl. u. a. SächsOVG, Beschl. v. 28.7.2003, SächsVBl. 2004, 34). Soweit es um die Anwendung der dem Abgabenbescheid zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen, insbesondere der Satzung, geht, ist der Verfahrensausgang als offen zu bewerten, sofern die Rechtsgrundlagen nicht offensichtlich unwirksam sind (SächsOVG, Beschl. v. 22.6.2007 - 5 BS 73/07 -). Des Weiteren muss die Beantwortung schwieriger, noch nicht geklärter Rechtsfragen grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (SächsOVG, Beschl. v. 28.6.2005 - 5 BS 371/04 -).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist der Verfahrensausgang allenfalls als offen anzusehen. Der Vergnügungssteuerbescheid der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Die diesem zugrunde liegende Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom 13.9.2006 ist nicht offensichtlich unwirksam.

Die die Höhe der Steuerlast betreffenden Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch. Nach § 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich i. V. m. § 9 der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom 13.9.2006 beträgt die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit 18 % des Einspielergebnisses, mindestens 30,00 €. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der beanstandeten Höhe des Steuersatzes sind nach summarischer Prüfung hinnehmbar. Die Argumentation der Antragstellerin, die Steuerlast habe sich für sie im Vergleich zur vorherigen Pauschalsteuer um über 50 % erhöht und die hinnehmbare Grenze von monatlich 300,00 € pro Geldspielgerät werde bei ihr nunmehr durchschnittlich um 36,31 € überschritten, deutet zunächst auf hohe Einspielergebnisse der Geräte der Antragstellerin hin und lässt erkennen, dass der neue Steuermaßstab ertragsnäher ist. Die Überschreitung einer Hinnehmbarkeitsgrenze kann der Senat nicht erkennen. Eine solche Grenze leitet die Antragstellerin aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.12.1999 (Az. 11 CN 1/99, BVerwGE 110, 237) ab. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht eine monatliche Vergnügungssteuer von 600,00 DM pro Geldspielgerät für zulässig erachtet. Es hat diesen Betrag aber nicht als Obergrenze fixiert. Der Vortrag der Antragstellerin zur Höhe der Steuerlast ist letztlich darauf gerichtet, dass dem Steuersatz erdrosselnde Wirkung zukomme. Der Senat vermag im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung (vgl. insbesondere den Beschl. v. 12.7.2007 - 5 BS 146/07 -, abrufbar unter juris, Rn. 18-20) jedoch auch bei einem Steuersatz von 18 % des Spieleinsatzes aller Spieler des Gerätes (Einspielergebnis) abzüglich eventuell ausgezahlter Gewinne und sonstiger Geldrückgaben keine mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbare erdrosselnde Wirkung zu erkennen.

Ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit liegt vor, wenn die Steuerbelastung durch die Vergnügungssteuer es unmöglich macht, den gewählten Beruf des Spielautomatenbetreibers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen (BVerfG, Beschl. v. 1.3.1997, NVwZ 1997, 573). Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die Regelung den aus der Ausübung des Berufs erzielten Gewinn so weit mindert, dass einzelne Unternehmer sich zur Aufgabe des Berufs veranlasst sehen, denn Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung (BVerwG, Urt. v. 13.4.2005, a. a. O.). Die Berufsfreiheit ist erst dann verletzt, wenn die Steuerbelastung das Betreiben von Spielgeräten für einen durchschnittlichen Betrieb in aller Regel unwirtschaftlich macht (vgl. BFH, Urt. v. 6.12.2000 - II R 36/98 - zur Spielgerätesteuer, zitiert nach juris).

Nach diesen Maßstäben ist eine erdrosselnde Wirkung des Steuersatzes von 18 % - bezogen auf den Spieleinsatz aller Spieler des Gerätes (Einspielergebnis) abzüglich eventuell ausgezahlter Gewinne und sonstiger Geldrückgaben - nicht ersichtlich. Der Steuersatz dürfte angemessen sein. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin eine Abwälzung der Steuer auf die Spieler nicht mehr durchführbar ist. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Vergnügungssteuer der Antragsgegnerin zu einem Verschwinden oder nennenswerten Rückgang von Geldspielautomaten in ihrem Stadtgebiet geführt hat.

Der Mindeststeuersatz von 30,00 € pro Gerät und Monat ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin wendet gegen den Mindeststeuersatz ein, dass dieser nicht den Aufwand besteuere. Außerdem führe er dazu, dass der tatsächliche Steuersatz bei mehr als 18 % liege. Die Mindeststeuerregelung in § 9 der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere den Beschluss vom 19.12.2006 - 5 BS 242/06 -, SächsVBl. 2007, 131) ist es legitim, mit der Spielautomatensteuer auch eine Eindämmung der Spielsucht als Lenkungszweck zu verfolgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.3.1997 - 2 BvR 1599/89 -, NVwZ 1997, 573; ThürOVG, Beschl. v. 19.12.2002 - 4 EO 489/02 -, KStZ 2004, 71). Hierzu kommt neben einer Pauschalsteuer als Auffangsteuer (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.3.2004 - 9 C 3.03 -, BVerwGE 120, 175 [184 ff.]) auch eine stückzahlbezogene, spieleinsatzunabhängige Mindeststeuer in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 - 10 C 5.04 -, BVerwGE 123, 218). Die mit einer Mindeststeuer verbundene Besteuerung der Minuskassen und Nullkassen ist gewollt und entspricht dem Lenkungszweck. Anhaltspunkte dafür, dass der von der Antragsgegnerin gewählte Ersatzmaßstab für die Mindeststeuer dazu führt, den primären, den Vergnügungsaufwand der Spieler angemessen abbildenden Maßstab in seiner tatsächlichen Besteuerungswirkung in Frage zu stellen, sind nach summarischer Prüfung nicht feststellbar. Die hier vorgetragene Erhöhung des aufwandsbezogenen Steuersatzes von 18,00 % auf durchschnittlich 18,43 % infolge der Besteuerung der Minus- und Nullkassen ist geringfügig und nicht zu beanstanden.

Ein weiterer Einwand der Antragstellerin bezieht sich auf das Veranlagungsverfahren. Die Antragstellerin sieht eine Diskrepanz zwischen der satzungsrechtlichen Vorgabe und der tatsächlichen Ausführung. Entgegen der in § 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich i. V. m. § 9 der Satzung vorgesehenen Bemessungsgrundlage des Spieleinsatzes aller Spieler des Gerätes (Einspielergebnis) abzüglich eventuell ausgezahlter Gewinne und sonstiger Geldrückgaben besteuere die Antragsgegnerin anhand der amtlichen Vordrucke den sog. Saldo 2. Dem hält die Antragsgegnerin entgegen, bei der in der Satzung umschriebenen Bemessungsgrundlage handele es sich um den Saldo 2. Dies erscheint zutreffend. Eine Diskrepanz ist bei überschlägiger Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich. Laut des von der Antragsgegnerin verwendeten Anlagebogens zum Formular "Anmeldung zur Vergnügungssteuer für Spielgeräte" sind die Einspielergebnisse "die durch Zählwerk ermittelten Spieleinsätze (Geldeinwürfe) abzüglich aller ausgeworfenen Gewinne, berichtigt um eventuelle Röhrendifferenzen, jedoch ohne Abzug der Mehrwertsteuer - Saldo 2". Eine genauere Prüfung des Veranlagungsverfahrens in Bezug auf die satzungsrechtlich vorgesehenen Bemessungsgrundlage muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die hier erhobene Vergnügungssteuer ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch nicht europarechtswidrig. Die Vergnügungssteuersatzung verstößt insbesondere nicht gegen Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom 17.5.1977 (ABl. L 145 S. 1) in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG vom 16.12.1991 (ABl. L 376 S. 1).

Nach Art. 33 hindern die Bestimmungen der genannten Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchssteuern, Grunderwerbssteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes soll damit verhindert werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und gewerbliche Umsätze in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise erfassen (Urt. v. 9.3.2000 - Rs C-437/97 -, Slg. 2000 I-01157). Bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit gehört der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspricht, nicht zur Besteuerungsgrundlage für die Erhebung der Umsatzsteuer (EuGH, Urt. v. 5.5.1994 - Rs C-38/93 -, Slg. 1994 I-01679). Die von der Antragsgegnerin erhobene Steuer erfüllt nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer, da sie nicht allgemein für alle Gegenstände und Dienstleistungen, sondern nur für bestimmte Spielgeräte bzw. ihre Nutzung erhoben wird. Art. 33 der genannten Richtlinie setzt aber gerade die allgemeine Ausrichtung der Steuer voraus. Des Weiteren wird die Vergnügungssteuer nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben. Die Vergnügungssteuer knüpft ausschließlich an die Benutzung der Automaten, nicht aber an ihre Herstellung oder ihren Verkauf an. Die "Allgemeinheit" der europäischen Umsatzsteuer besteht jedoch gerade darin, dass der gesamte Waren- und Dienstleistungsverkehr von ihr betroffen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.12.1999, NVwZ 2000, 933; ThürOVG, Beschl. v. 19.12.2002, KStZ 2004, 71; a.A. NdsOVG, Beschl. v. 1.3.2006, NVwZ 2006, 1316).

b) Im Übrigen bestehen auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 6.10.2008 - 5 A 237/08 -, nicht rechtskräftig, abrufbar bei juris; Revision anhängig unter BVerwG 9 C 12.08) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vergnügungssteuerfestsetzung für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit. Das nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ergangene Urteil des erkennenden Senats ist hier von Amts wegen zu berücksichtigen.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft das Oberverwaltungsgericht bei einer Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zwar nur die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Dies schließt es aber nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht neue unstrittige oder offensichtliche Umstände berücksichtigt, wenn sich dadurch keine Verfahrensverzögerung ergibt und sich der Streitgegenstand nicht ändert (SächsOVG, Beschl. v. 15.4.2008 - 5 BS 239/07 -, zitiert nach juris, und Beschl. v. 29.3.2007, SächsVBl. 2007, 167). Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist eine Verfahrensbeschleunigung. Das Gericht soll nicht von sich aus in eine zur Verzögerung des Beschwerdeverfahrens führende, umfassende Überprüfung der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung eintreten, wenn die Beschwerdebegründung hierfür keinen Anlass bietet. Die dem Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auferlegte Beschränkung der Prüfungslast kann sich jedoch nicht auf Umstände erstrecken, die nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 VwGO weder vorgetragen werden konnten noch mussten. So kann es dem Beschwerdegericht nicht verwehrt sein, sachlich-rechtlich entscheidungserhebliche Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetreten sind. Anderenfalls wäre der Beschwerdeführer gehalten, nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes noch einen Antrag auf Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO beim Verwaltungsgericht zu stellen. Dies wäre nicht verfahrensökonomisch (SächsOVG, Beschl. v. 29.3.2007, a. a. O., m. w. N.; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 27.1.2006, NVwZ-RR 2006, 395, und BayVGH, Beschl. v. 27.8.2002, NVwZ-RR 2003, 154, sowie Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 146 Rn. 43; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 146 Rn. 13f.). Zudem bleibt es auch bei Berücksichtigung des § 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO grundsätzlich dabei, dass eigentliche Aufgabe der Beschwer-deinstanz die Richtigkeitskontrolle ist. Dem widerspräche es grundlegend, wenn sie - ohne dass dies aus Sachgründen zwingend geboten ist - gehalten wäre, gleichsam sehenden Auges eine sachlich-rechtlich falsche Entscheidung zu treffen. Dies gilt umso mehr in Anbetracht dessen, dass der in der Hauptsache maßgebliche Zeitpunkt - der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - im Regelfall noch bevorsteht und nachträglich eingetretene entscheidungserhebliche Umstände dort noch zu berücksichtigen sind.

Auch unter Berücksichtigung der genannten neueren Rechtsprechung des Senats ist der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid der Antragsgegnerin nicht offensichtlich rechtswidrig. Ob die dem Bescheid zugrunde liegende Satzung der Antragsgegnerin wirksam ist oder die den Steuermaßstab betreffende Regelung des § 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich i. V. m. § 9 der Satzung wegen Verstoßes gegen Art. 105 Abs. 2a GG ungültig ist, ist bei summarischer Prüfung als offen zu bewerten. Jedenfalls ist die Satzung der Antragsgegnerin auch unter diesem Gesichtspunkt nicht offensichtlich unwirksam.

Steuerschuldner für die Spielautomatensteuer ist der Veranstalter des Vergnügens. Er wird zur Vergnügungssteuer herangezogen, obwohl eigentliches Steuergut das Vergnügen des einzelnen bzw. dessen dafür erbrachter Aufwand als Indiz seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ist. Die Vergnügungssteuer zielt also darauf ab, die mit der Einkommensverwendung für ein Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten, weshalb der Steuermaßstab am Vergnügungsaufwand auszurichten ist (BVerwG, Urt. v. 22.12.1999, BVerwGE 110, 237). Bezogen auf den Spieler, dessen Vergnügen bzw. dessen dafür erbrachter Aufwand besteuert werden soll, besteht der Aufwand aus dem Betrag, den er in das Gerät einwirft. Hinzu kommen Gewinne, die er sich nicht auszahlen, sondern auf sein Punktekonto buchen lässt, um auch diese einzusetzen. Diese Vorgehensweise ist nicht anders zu beurteilen als eine Situation, in der der Spieler sich das Geld zunächst auszahlen lässt und es sodann wieder einsetzt. Die Besteuerung des Aufwandes muss zudem unabhängig davon sein, in welchem Maße sich die mit dem Einsatz erworbenen Gewinnchancen im Verlauf des Spiels realisiert haben. Aus der in § 7 SächsKAG enthaltenen Befugnis der Gemeinden, örtliche Aufwandsteuern zu erheben, lässt sich sowohl der Maßstab für die Auswahl von Steuergegen-stand und Steuerpflichtigen als auch für die Gestaltung von Bemessungsgrundlage und Steuersätzen ableiten. Art und Intensität des Grundrechtseingriffs werden durch die Satzungsermächtigung ebenfalls umgrenzt (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. v. 1.3.1997, zu § 6 Abs. 3 KAG B-W vom 15.2.1982, NVwZ, 1997, 573).

In der oben genannten Entscheidung vom 6.10.2008 geht der erkennende Senat davon aus, dass eine für die Erhebung der Vergnügungssteuer vorgesehene und mit "Spieleinsatz" bezeichnete Bemessungsgrundlage derzeit kein tauglicher Steuermaßstab ist. Solange eine Aussonderung des Steueranteils vom Spielkapital nicht möglich ist, wird der Charakter der örtlichen Aufwandsteuer bereits deshalb nicht gewahrt, weil die Bemessungsgrundlage auf den gesamten eingesetzten Geldbetrag bezogen ist. Dadurch ist der Steueranteil ein Teil des Spielkapitals, das der Gewinnermittlung zugrunde liegt, obwohl er zuvor herausgerechnet werden müsste. § 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom 13.9.2006 sieht - anders als die der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Satzung - vor, dass sich die Vergnügungssteuer nach dem "Spieleinsatz aller Spieler des Gerätes (Einspielergebnis) abzüglich eventuell ausgezahlter Gewinne und sonstiger Geldrückgaben" bemisst. Diese Formulierung wirft die Frage auf, ob die der Steuerbemessung zugrunde gelegten Positionen um den auf die Vergnügungssteuer entfallenden Anteil bereinigt sind. Ist dies nicht der Fall, bleibt zu klären, ob die hier gegebene Satzungslage möglicherweise aus Praktikabilitätsgründen zu tolerieren ist bzw. die vorgenommene Typisierung in einem angemessenen Verhältnis zu den mit ihr notwendig verbundenen Nachteilen steht. Dem nachzugehen, ist allerdings nicht Aufgabe des Eilverfahrens. Dies muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung in Höhe von 1/4 des Abgabenbetrages beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 3 GKG in Übereinstimmung mit Ziffer 3.1, 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004 (NVwZ 2004, S. 1327).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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