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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 5 B 289/05
Rechtsgebiete: VwGO, BAföG, SchulG, SOGY, OAVO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BAföG § 2 Abs. 1 Nr. 1
BAföG § 2 Abs. 1a Nr. 1
SchulG § 4 Abs. 1
SchulG § 7 Abs. 1
SchulG § 7 Abs. 2
SchulG § 7 Abs. 4
SOGY § 4
OAVO § 9 Abs. 3 Nr. 3
Gymnasien mit vertiefter musischer, mathematisch-naturwissenschaftlicher, sportlicher oder sprachlicher Ausbildung als besonderen Bildungsweg sind keine den anderen allgemein bildenden Gymnasien entsprechenden Ausbildungsstätten.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 B 289/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen BAföG

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt

am 10. Oktober 2006

beschlossen

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 1. März 2005 - 13 K 133/04 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 1.3.2005 hat keinen Erfolg. Aus seinem Antragsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide des Beklagten und des Sächsischen Landesamtes für Ausbildungsförderung den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für den Besuch des Sportgymnasiums Leipzig Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Bewilligungszeitraum September 2003 bis Juli 2004 dem Grunde nach zu bewilligen. Der Anspruch der Klägerin auf Schüler-Ausbildungsförderung beruhe auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1a Nr. 1 BAföG. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt, weil es sich bei dem Sportgymnasium Leipzig und dem Gymnasium in W. nicht um einander entsprechende Ausbildungsstätten handele. Zwar könne an beiden Schulen die allgemeine Hochschulreife erworben werden. Bei dem Sportgymnasium Leipzig - einer von sieben sog. Sportbetonten Schulen in Sachsen - handele es sich aber um eine Ausbildungsstätte, deren Lehrstoff und Bildungsgang von den allgemeinen Gymnasien abweiche. Das Sportgymnasium weise ein besonderes sportliches Profil auf und Sport könne als Leistungskurs belegt werden. Auf Leistungssport werde Rücksicht genommen und der Unterricht könne auch in den Ferien und an unterrichtsfreien Tagen erfolgen. Zudem bestehe die Möglichkeit einer Schulzeitstreckung.

Der Beklagte wendet dagegen ein, Gymnasien verschiedenen Typs seien im Freistaat Sachsen nicht eingerichtet. Dies folge aus § 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 SchulG. Die nach § 7 Abs. 3 SchulG zwar möglichen besonderen Profile würden nur in den Klassenstufen 8 bis 10 eingerichtet (§ 2 Satz 2 der Schuldordnung Gymnasium - SOGY -). Streitig sei aber Ausbildungsförderung für die Klasse 11. Die sächsischen allgemein bildenden Gymnasien wiesen mit dem Unterricht im Kurssystem mit einer Verweildauer von zwei, höchstens drei Jahren sämtlich die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe auf. Gymnasien mit gymnasialer Oberstufe stellten jedoch auch dann einander entsprechende Ausbildungsstätten dar, wenn die Lernangebote in Leistungs- und/oder Grundkursen nicht deckungsgleich seien. Der Besuch des Sportgymnasiums Leipzig verleihe keinen zusätzlichen Abschluss. Die vertiefte Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe beschränke sich auf die Wahl von Sport als Leistungskurs. Ein anderer Bildungsgang als an anderen allgemein bildenden sächsischen Gymnasien sei damit nicht verbunden. Für die Bewilligung von Ausbildungsförderung müsse außer Betracht bleiben, dass am Sportgymnasium Leipzig auf den außerhalb der Ausbildungsstätte beim HC Leipzig betriebenen Leistungssport der Klägerin Rücksicht genommen werde. Zudem unterschieden sich die allgemein bildenden Gymnasien mit vertiefter Ausbildung nach § 4 SOGY nicht so gravierend von anderen allgemein bildenden Gymnasien mit reformierter Oberstufe, dass von einem deutlich anderen Gepräge ausgegangen werden könnte. Ausbildungs- und Erziehungsziel sei auch beim Gymnasium mit vertiefter Ausbildung die Allgemeine Hochschulreife. Auch die Förderrichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Gewährung einer Zuwendung für Internatsschüler allgemein bildender Schulen vom 28.2.2003 spreche dafür, dass Gymnasien mit vertiefter Ausbildung den anderen allgemein bildenden Gymnasien entsprechen.

Dieser Vortrag greift nicht durch. Er ist nicht geeignet, den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu stützen.

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, sprich der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts erst ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind deshalb anzunehmen, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1164). Die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, können auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, aaO; SächsOVG, Beschl. v. 25.9.2000 - 3 BS 72/00 -, NVwZ-RR 2001, 486).

Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem Sportgymnasium Leipzig und dem Gymnasium in W. - anders als vom Verwaltungsgericht ausgeführt - um einander entsprechende Ausbildungsstätten handelt. Seine Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Sie ist nicht zu vereinbaren mit den gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung und Ausrichtung der Gymnasien.

Nach § 4 Abs. 1 SchulG gliedert sich das Schulwesen im Freistaat Sachsen in drei Schularten. Das sind die allgemein bildenden Schulen (Abs. 1 Nr. 1), die berufsbildenden Schulen (Abs. 1 Nr. 2) und die Schulen des zweiten Bildungsweges (Abs. 2 Nr. 3). Zu den allgemein bildenden Schulen gehört neben der Grundschule, der allgemein bildenden Förderschule und der Mittelschule das Gymnasium (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d). Nach § 7 Abs. 1 SchulG vermittelt das Gymnasium Schülern mit entsprechenden Begabungen und Bildungsabsichten eine vertiefte allgemeine Bildung, die für ein Hochschulstudium vorausgesetzt wird; es schafft auch Voraussetzungen für eine berufliche Ausbildung außerhalb der Hochschule. Zur Förderung besonders begabter Schüler werden an ausgewählten Gymnasien besondere Bildungswege angeboten (§ 7 Abs. 4 SchulG). Gymnasien mit vertiefter Ausbildung als besonderem Bildungsweg gemäß § 7 Abs. 4 SchulG sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SOGY solche mit vertiefter musischer, mathematisch-naturwissenschaftlicher, sportlicher oder sprachlicher Ausbildung. Das Sportgymnasium Leipzig, dessen Träger der Freistaat Sachsen ist, ist ein Gymnasium mit vertiefter sportlicher Ausbildung. Dazu gehört in der Oberstufe der obligatorische Sport-Leistungskurs, der zusätzlich zu zwei anderen Leistungskursen zu belegen ist (§ 9 Abs. 3 Nr. 3 der Oberstufen- und Abiturprüfungsverordnung - OAVO -).

Bei dieser Rechtslage ist es offensichtlich, dass die Gymnasien mit vertiefter Ausbildung nicht den anderen Gymnasien entsprechen. Zwar ist das Bildungsziel aller - allgemein bildenden - Gymnasien die Allgemeine Hochschulreife (§ 7 Abs. 2 SchulG). Lehrstoff und Bildungsgang unterscheiden sich aber. Dies wird bereits aus § 4 SOGY deutlich und manifestiert sich in der Ausbildung in einem dritten, zum Bereich der vertieften Ausbildung gehörenden, Leistungskursfach. Gerade die Absolvierung eines besonderen Bildungsweges, in dem besonders begabte Schüler speziell gefördert werden können, wird mit dem Angebot von Gymnasien mit vertiefter Ausbildung bezweckt. Die gegenläufige Argumentation des Beklagten liegt neben der Sache.

Auch der Hinweis auf die Förderrichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Gewährung einer Zuwendung für Internatsschüler allgemein bildender Schulen vom 28.2.2003 - Az. 35-6411.50/1102 - (MBl.SMK 2003, S. 111) ist nicht geeignet, eine Gleichstellung der Gymnasien mit vertiefter Ausbildung mit den übrigen allgemein bildenden Gymnasien zu begründen. Nach dieser Richtlinie gewährt der Freistaat Sachsen - ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel - Zuwendungen zu den Kosten notwendiger auswärtiger Unterbringung und Verpflegung für Schüler u.a. von Gymnasien in Landesträgerschaft und Gymnasien mit vertiefter Ausbildung (Ziffer 1 und 2). Gymnasien in Landesträgerschaft sind neben dem Sportgymnasium Leipzig noch das Carl-Maria-von-Weber-Gymnasium Dresden und das Landesgymnasium St. Afra zu Meißen. Bereits die Landesträgerschaft belegt die Sonderstellung und den fachlichen Anspruch des Sportgymnasiums Leipzig. Nach der Auffassung des Beklagten wäre die genannte Richtlinie jedoch entbehrlich, wenn die Gymnasien mit vertiefter Ausbildung den normalen Gymnasien nicht entsprächen, da Schüler der Gymnasien mit vertiefter Ausbildung dann in der Regel bereits eine Förderung nach BAföG erhielten. Dieses Argument greift nicht. Dem Freistaat Sachsen ist die Gewährung von Zuwendungen aus dem Landeshaushalt an besonders begabte Schüler nicht verwehrt. Zudem belegt gerade die Existenz der Richtlinie, die eine zusätzliche finanzielle Förderung besonders begabter Schüler ermöglicht, dass sich die - teilweise in Landesträgerschaft stehenden - Gymnasien mit vertiefter Ausbildung von den anderen allgemein bildenden Gymnasien unterscheiden.

Der nachdrückliche Hinweis des Beklagten auf den außerhalb der Ausbildungsstätte beim HC Leipzig betriebenen Leistungssport der Klägerin steht einer Sonderstellung des Sportgymnasiums Leipzig ebenfalls nicht entgegen. Als sog. Sportbetonte Schule bietet das Sportgymnasium Leipzig die Voraussetzung, die schulische Ausbildung mit der gleichzeitigen Förderung besonderer sportlicher Begabungen zu verbinden. Inhalte der leistungssportlichen Ausbildung und Organisation der schulischen Abläufe sind auf die systematische Talentförderung abzustimmen (vgl. Ziffer 1 des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus - Schulrechtliche und schulorganisatorische Regelungen für die Arbeit der "Sportbetonten Schulen" im Freistaat Sachsen vom 13.2.2003 [MBl.SMK 2003, 94], geändert durch Erlass vom 30.11.2005 mit Wirkung vom 1.8.2004 [MBl.SMK 2005, S. 514]). Auch aus diesen Vorgaben, die zudem der gesellschaftlichen Bedeutung des Leistungssports gerecht werden, ergeben sich Unterschiede zu anderen Gymnasien in Lehrstoff und Bildungsgang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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