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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 5 B 429/05
Rechtsgebiete: SächsStrG, SächsKAG, AO, SächsGemO, SächsLKrO


Vorschriften:

SächsStrG § 21
SächsKAG § 1 Abs. 2
SächsKAG § 3 Abs. 1 Nr. 4c Satz 3
SächsKAG § 9 Abs. 1
SächsKAG § 36
AO § 191
AO § 231 Abs. 1
SächsGemO § 10 Abs. 2
SächsLKrO § 9 Abs. 1
SächsLKrO § 9 Abs. 2
1. Sondernutzungsgebühren sind keine Benutzungsgebühren i.S.d. § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 SächsKAG

2. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 9 Abs. 1 SächsKAG knüpft an den entsprechenden Begriff i.S.d. § 10 Abs. 2 SächsGemO und § 9 Abs. 1 und 2 SächsLKrO an.

3. Öffentliche Straßen sind keine öffentlichen Einrichtungen im Sinne der kommunalrechtlichen Vorschriften.

4. Sondernutzungsgebühren sind Abgaben i.S.d. § 36 SächsKAG.

5. Eine wirksame Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch schriftliche Mahnung sieht u.a. voraus, dass diese an den Abgabenschuldner gerichtet wird und sie ihm gegenüber vor Ablauf der Verjährungsfrist bekanntgegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt erst mit Zugang der schriftlichen Mahnung beim Abgabenschuldner.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 429/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Haftungsbescheids für Sondernutzungsgebühr für den " " in der Straße in Dresden/1992

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2006

am 30. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgericht Dresden vom 10. Dezember 2003 - 12 K 770/02 - wird geändert.

Der Haftungsbescheid der Beklagten vom 6. November 2000 (PKN 6020 6621/4889) und deren Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2002 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Berufung gegen die Abweisung seiner Klage, mit der er die Aufhebung eines Haftungsbescheides für rückständige Sondernutzungsgebühren begehrt.

Der Kläger betrieb zusammen mit zwei weiteren Geschäftspartnern seit Anfang der neunziger Jahre auf der P. Straße in Dresden den Imbissverkauf " ". Hierfür gründete er mit seinen Geschäftspartnern die nicht im Handelsregister eingetragene " - -OHG" (im Folgenden: OHG). Am 1992 schied der Gesellschafter K. aus der OHG aus. Seine Anteile flossen zu gleichen Teilen dem Kläger und dem weiteren Gesellschafter M. zu. Am 1.3.1994 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die OHG seit dem 1.7.1993 - nur noch - als Verwaltungsgesellschaft und eine " Gastronomie & Veranstaltungs GmbH" (im Folgenden: GmbH) als Betriebsgesellschaft fungiere. Am 1994 übertrug der Gesellschafter M. im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Landgericht Dresden (Az.: 48-0-421/94) seinen Gesellschaftsanteil an der OHG auf den Kläger, der die Firma als Einzelhandelskaufmann fortführte. Weder das Ausscheiden von Gesellschaftern noch die Beendigung der OHG wurden im Handelsregister eingetragen.

Mit Bescheid vom 8.12.1992 (Az.: 6020 6621/4889) setzte die Beklagte gegenüber der OHG Sondernutzungsgebühren in Höhe von insgesamt 54.000,- DM für die "Sondernutzung öffentlichen Verkehrsraumes durch Aufstellung eines Imbissverkaufspavillons (78 m2)) und Außenbestuhlung für gastronomische Freiplatzversorgung (78 m2)" im Jahre 1992 fest. Gegen den Bescheid wurde kein Widerspruch eingelegt.

Mit an die OHG gerichtetem Schreiben vom 13.8.1993 teilte die Beklagte mit, dass kein Zahlungseingang festgestellt werden könne und forderte die OHG auf, den mit Bescheid vom 8.12.1992 festgesetzten Betrag zu überweisen. Gegenüber der OHG vorgenommene Vollstreckungsversuche des Vollstreckungsbeamten der Beklagten am 2.8.1994 und 5.8.1994 blieben mangels Anwesenheit von Mitarbeitern der OHG ohne Erfolg.

Am 5.1.1995 ging bei der Beklagten ein vom Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer verfasstes Schreiben der GmbH vom 13.12.1994 ein. In diesem Schreiben heißt es u. a.:

"Ihre Zahlungsaufforderungen zu Bescheiden der Sondernutzung von öffentlichem Verkehrsraum der Gaststätte " " mit Außenplätzen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Durch Registratur, Widersprüche sowie mehrmaligen persönlichen Vorsprachen in den verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung möchte ich Sie hiermit nochmals in Kenntnis setzen, dass Ihre Zahlungsaufforderungen falsch adressiert sind und für das Jahr 1992 fehlerhaft berechnet wurden. Der dazu erfolgte Widerspruch wurde leider bis zum heutigen Tage nicht beschieden.

Klarstellung:

1. Der Bauherr und Betreiber der Gaststätte " " war die Gastronomie und Veranstaltungs GmbH, deren alleiniger Gesellschafter Herr ist. Sitz der Gesellschaft und Postanschrift ist im Kopfbogen erkennbar.

2. Die OHG war aus banktechnischen Gründen Eigentümer und Vermieter des Anlagevermögens. Diese OHG wurde per 03.06.1994 aufgelöst und gewerberechtlich abgemeldet. Der alleinige Besitzer und Vermieter ist mit Gerichtsbeschluß Herr , .

Wir bitten Sie, diese Rechtsfragen für Ihre Zahlungsaufforderungen zu beachten."

Mit Haftungsbescheid vom 6.11.2000 (PKN 6020 6621/4889) nahm die Beklagte den Kläger "als Gesamtrechtsnachfolger und Mitgesellschafter der OHG" für die aus der Sondernutzung der P. Straße durch Aufstellung eines Imbissverkaufspavillons und gastronomischer Freiplatzversorgung im Jahre 1992 entstandenen und mit Gebührenbescheid vom 8.12.1992 festgesetzten Sondernutzungsgebühren in Anspruch. Den gegen diesen Haftungsbescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit dem Kläger am 8.3.2002 zugestellten Bescheid vom 26.2.2002 zurück.

Am 8.4.2002 erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Dresden Klage mit dem Antrag, den Haftungsbescheid der Beklagten vom 6.11.2000 und deren Widerspruchsbescheid vom 26.2.2002 aufzuheben. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Beklagten fehle das für den Erlass des Haftungsbescheides notwendige rechtliche Interesse, da er Gesamtrechtsnachfolger der OHG sei und als solcher ohnehin für deren Verbindlichkeiten einzustehen habe. Er könne als Gesamtrechtsnachfolger nicht gleichzeitig Haftungsschuldner sein. Eigentlicher Schuldner und Haftungsschuldner dürften wegen der Nichtanwendbarkeit des § 128 HGB nach Auflösung einer OHG nicht identisch sein. Er, der Kläger, sei nicht mehr Dritter im Sinne der Vorschrift. Im Übrigen sei hinsichtlich der Gebührenforderung Zahlungsverjährung eingetreten.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und führte zur Begründung aus, dass die Haftungstatbestände aus Rechtsnachfolge und aus § 128 Satz 1 HGB nebeneinander stünden.

Mit Urteil vom 10.12.2003 wies das Verwaltungsgericht Dresden die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Der Kläger habe auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Nr. 4c SächsKAG, § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid für die Sondernutzungs-gebührenschuld in Anspruch genommen werden dürfen. § 191 Abs. 1 AO erfasse auch zivil-rechtliche Haftungsansprüche. Hier bestehe ein auf § 128 Satz 1 HGB beruhender Haftungs-anspruch. Die Haftungstatbestände aus Gesamtrechtsnachfolge und aus § 128 Satz 1 HGB stünden selbstständig nebeneinander.

Die vom Kläger gegen die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Sondernutzungsgebührenschuld vorgebrachten Einwendungen seien bereits deshalb unbeachtlich, weil sie von ihm als mit Vertretungsmacht versehener Gesellschafter der OHG im Verfahren der Festsetzung der Sondernutzungsgebühr hätten geltend gemacht werden können. Im Übrigen seien sie nicht stichhaltig. Die vom Kläger behauptete Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten. Die erste Unterbrechung der Verjährung sei durch die an die OHG gerichtete Mahnung vom 13.8.1993 erfolgt. Die an die GmbH gerichtete Mahnung vom 23.9.1998 habe zu einer weiteren Unterbrechung der Verjährung geführt. Zwar sei die Mahnung an die GmbH und damit an den falschen Adressaten gerichtet worden. Die Berufung des Klägers auf die falsche Adressierung verstoße jedoch gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass richtiger Adressat der Gebührenforderung seiner Meinung nach die GmbH sei und dies für die künftige Post "zu beachten" sei. Er verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich nunmehr darauf berufe, dass die Beklagte dadurch fehlerhaft gehandelt habe, dass sie eben das getan habe, wozu er sie zuvor aufgefordert habe. Der Kläger habe die Beklagte durch sein Schreiben vom 13.12.1994 gerade davon abgehalten und abhalten wollen, die Mahnungen weiterhin an die OHG bzw. an ihn persönlich zu richten. Er müsse sich die an die GmbH gerichtete Mahnung persönlich zurechnen lassen, nachdem er deren Adressierung an die GmbH zuvor ausdrücklich begehrt habe. Es sei für ihn klar erkennbar gewesen, gegenüber welchem Gläubiger auf welche Schuld habe geleistet werden sollen. Es sei für ihn auch erkennbar gewesen, dass es um eine Schuld gegangen sei, die die Beklagte - bestandskräftig - der OHG zugeordnet habe - für deren Schulden der Kläger als Rechtsnachfolger habe einstehen müssen -, die aus seiner Sicht aber der GmbH hätten zugeordnet werden müssen. Die Mahnung sei somit hinreichend bestimmt gewesen und habe klar erkennen lassen, welches Verhalten vom Kläger erwartet worden sei. Die zivilrechtliche Haftung des Klägers sei ebenfalls noch nicht verjährt.

Mit Beschluss vom 22.6.2005 ließ der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden zu (5 B 360/04).

Zur Begründung seiner Berufung verweist der Kläger auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren. Hier trug er u.a. vor: Der Haftungsbescheid entbehre einer erforderlichen Rechtsgrundlage. § 191 Abs. 1 AO finde keine unmittelbare Anwendung, weil es sich bei der Sondernutzungsgebühr nicht um eine Steuer handele. Die Vorschrift sei auch nicht über § 3 Abs. 1 Nr. 4c, § 1 Abs. 2 SächsKAG entsprechend anwendbar, weil die Sondernutzungsgebühr nicht in diesen Vorschriften erwähnt sei. Die Verjährung habe nicht durch Vollstreckungsversuche gegenüber der GmbH und an sie gerichtete Mahnschreiben unterbrochen werden können, da diese nicht Adressat des Gebührenbescheides gewesen sei. Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Dezember 2003 - 12 K 770/02 - zu ändern und den Haftungsbescheid der Beklagten vom 6. November 2000 (PKN 6020 6621/4889) sowie deren Widerspruchbescheid vom 26. Februar 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen und im Zulassungsverfahren.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Beklagten (eine Heftung und ein Aktenordner), die Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Dresden (12 K 770/02) sowie die Verfahrensakte des Zulassungsverfahrens vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (5 B 360/04) vor. Auf diese Akten sowie auf die im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Bezugnahme auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999, NVwZ 2000, 67).

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die auf Aufhebung des Haftungsbescheides der Beklagten vom 6.11.2000 (PKN 6020 6621/4889) und deren Widerspruchsbescheides vom 26.2.2002 gerichtete Klage abgewiesen. Diese Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Haftungsbescheid findet entgegen der Auffassung des Klägers seine Rechtsgrundlage in § 191 Abs. 1 Abgabenordnung (AO 1977) in der hier maßgeblichen Fassung vom 16.3.1976 (BGBl. I S. 613). Die Vorschrift findet nach § 36, § 3 Abs. 1 Nr. 4c Satz 3 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes (SächsKAG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 16.6.1993 (SächsGVBl. S. 502) auf Sondernutzungsgebühren im Sinne des § 21 des Straßengesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz - SächsStrG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 21.1.1993 (SächsGVBl. S. 93) entsprechende Anwendung. § 36 SächsKAG sieht vor, dass die §§ 3, 5 und 6 entsprechend für sonstige öffentlich-rechtliche Abgaben und Umlagen gelten, die von Gemeinden, Gemeindeverbänden, Landkreisen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen mit Ausnahme des Landeswohlfahrtsverbandes (nach § 36 SächsKAG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.8.2004 [SächsGVBl. 418, ber. in SächsGVBl. 2005, S. 306], des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen) erhoben werden, soweit nicht eine besondere gesetzliche Regelung besteht.

Sondernutzungsgebühren sind sonstige öffentlich-rechtliche Abgaben im Sinne der vorgenannten Vorschrift, da sie entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Kommunalabgaben in der Gestalt von Benutzungsgebühren im Sinne des § 9 Abs. 1 SächsKAG sind.

Kommunalabgaben, auf die § 3 SächsKAG unmittelbare Anwendung findet, sind nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 2 SächsKAG Steuern, Benutzungsgebühren, Beiträge, Aufwandsersatz, die Kurtaxe, die Fremdenverkehrsabgabe und abgabenrechtliche Nebenleistungen (Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge). Aus diesem Abgabenkatalog kommt für die Bestimmung des Rechtscharakters der Sondernutzungsgebühr allein die Benutzungsgebühr in Betracht. Diese wird in § 9 Abs. 1 SächsKAG als eine Gebühr für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Gemeinde oder eines Landkreises definiert. Die Vorschrift knüpft dabei ersichtlich an den Begriff der öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 10 Abs. 2 und 3 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 14.6.1999 (SächsGVGBl. S. 346) bzw. § 9 Abs. 1 und 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen (SächsLKrO) in der Fassung vom 19.7.1991 (SächsGVBl. S. 577) an.

Unter einer öffentlichen Einrichtung im Sinne der vorgenannten kommunalrechtlichen Bestimmungen ist jede Einrichtung zu verstehen, die von der Gebietskörperschaft (Gemeinde oder Landkreis) durch Widmungsakt der allgemeinen Benutzung durch ihre Angehörigen und in ihrem Gebiet niedergelassenen Vereinigungen zugänglich gemacht und von der Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse unterhalten wird. Der Begriff der "Einrichtung" ist dabei als jede Zusammenfassung von Personen und Sachmitteln zu verstehen, die von der Gemeinde bzw. dem Landkreis im Rahmen ihrer jeweiligen Verbandskompetenz des Art. 28 Abs. 2 GG geschaffen wird.

Öffentlich wird eine Einrichtung, wenn sie durch Widmung dem von dem Widmungszweck erfassten Personenkreis nach allgemeiner und gleicher Regelung zur Benutzung, sei es aufgrund freier Entschließung, sei es im Rahmen des Benutzungszwangs, offen steht.

Öffentliche in der Straßenbaulast der nachgenannten kommunalen Körperschaften stehenden Straßen sind keine öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden und der Landkreise. Die oben zitierten kommunalrechtlichen Vorschriften über kommunale öffentliche Einrichtungen gewähren den Berechtigten definitive Ansprüche auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung. Bei Straßen verhält es sich demgegenüber grundlegend anders: Sie dürfen entweder im Rahmen des Gemeingebrauchs zulassungsfrei (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SächsStrG) oder aber in der Form der Sondernutzung kraft behördlicher Erlaubnis (§ 18 SächsStrG) genutzt werden; in letzterer Hinsicht besteht aber im Unterschied zu § 10 Abs. 2 und 3 SächsGemO und § 9 Abs. 1 und 2 SächsLKrO kein gesetzlich gebundener Anspruch, sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Sondernutzungsgebühren werden somit nicht für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 SächsKAG erhoben mit der Folge, dass sie keine Benutzungsgebühren im Sinne der vorgenannten Vorschrift darstellen.

Das Verwaltungsgericht vertritt demgegenüber die Auffassung, dass ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren im Sächsischen Straßengesetz diese dennoch Benutzungsgebühren im Sinne des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes seien. Zur Begründung bezieht es sich zum einen auf eine Kommentierung zu Art. 18 BayStrWG (Wiget in Zeitler, BayStrWG, RdNr. 32 zu Art. 18), die auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof seiner im Urteil vom 3.4.1998 (8 B 97.2351 - zit. nach Juris) dargelegten Auffassung über die Einordnung von Sondernutzungsgebühren als Benutzungsgebühren im Sinne des Art 8 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung vom 4.4.1993 (GVBl. S. 264). Ungeachtet des Umstandes, dass weder der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch Wiget ihre Auffassungen näher begründen - Wiget führt lediglich aus, dass es sich bei Sondernutzungsgebühren dem Rechtscharakter nach um Benutzungsgebühren im Sinne Art. 21 Kostengesetz (KG) i.d.F. der Bek. vom 25.6.1996 (GVBl. S. 43) und des Art. 8 KAG i.d.F. der Bek. vom 4.4.1993 (GVBl. S. 264) handele -, können insoweit die in den die Einordnung von Sondernutzungsgebühren als Benutzungsgebühren im Sinne des bayerischen Kommunalabgabenrechts regelnden Rechtsvorschriften enthaltenen Rechtsgrundsätze nicht der Rechtslage im Freistaat Sachsen zugrunde gelegt werden. So bestimmt die letztgenannte Vorschrift in ihrem Absatz 1 Satz 1, dass Gemeinden, Landkreise und Bezirke für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen und ihres Eigentums Benutzungsgebühren erheben können. Sie beschränkt somit nicht wie § 9 Abs. 1 SächsKAG die Erhebung von Benutzungsgebühren auf die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen, sondern erweitert die Erhebungsmöglichkeit von Benutzungsgebühren auch auf die Benutzung von Eigentum der in Art. 8 BayKAG genannten Körperschaften.

Das Verwaltungsgericht begründet seine Auffassung über Sondernutzungsgebühren als Benutzungsgebühren im Sinn des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes zum anderen mit dem Grundsatz, dass für Sachbereiche, die hinreichend ähnliche Strukturen aufweisen wie die der Abgabenordnung unterworfenen, auch ohne besondere Verweisung generell Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend herangezogen werden könnten. Im Hinblick auf die die entsprechende Anwendung des § 3 SächsKAG und damit die in dieser Vorschrift aufgeführten Vorschriften der Abgabenordnung regelnde Vorschrift des § 36 SächsKAG, die auch die von den dort genannten Körperschaften zu erhebenden Sondernutzungsgebühren erfasst, ist kein Raum für die Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes außerhalb einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 191 Abs. 1 AO hier gegeben sind. Nach dieser Vorschrift kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Abgabe haftet. Haftungsansprüche im Sinne der vorgenannten Vorschrift können sich dabei sowohl aus dem Abgabenrecht als auch aus dem Zivilrecht ergeben. Dass die Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO auch die zivilrechtliche Haftung erfasst, folgt bereits aus ihrem Wortlaut. So spricht Absatz 1 schlechthin von der Haftung "kraft Gesetzes", ohne eine Einschränkung auf Steuergesetze zu machen. Absatz 4 enthält eine besondere Regelung der Verjährung für den Fall, dass sich die Haftung "nicht aus den Steuergesetzen" ergibt. Da sich die Regelung in Absatz 4 auf diejenige in den Absätzen 1 bis 3 bezieht, wäre sie unverständlich, wenn man unterstellen wollte, dass sich § 191 Abs. 1 AO nur auf die Haftung nach Steuerrecht beschränke. Denn solchenfalls ginge die Vorschrift in Absatz 4 ins Leere.

Unabhängig hiervon ist die Erfassung der Haftungsansprüche zivilrechtlicher Art durch § 191 Abs. 1 AO auch mit den Gesetzesmaterialien zu belegen. Nach der Gesetzesbegründung bezieht sich die Vorschrift auf die Haftungsgrundlagen des Steuerrechts wie des "bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, soweit sie auch auf Steuerschulden anwendbar sind", wobei der Fall der GbR nach §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausdrücklich ausgeführt ist (BTDrs VI/1982 zu § 172 S. 159, vgl. hierzu BFH, Urt. v. 23.10.1985 - VIIR 187/82 - zitiert nach Juris).

Die zivilrechtliche Haftung des Klägers als Gesellschafter für die Sondernutzungsgebühr der OHG ergibt sich ihrerseits aus § 128 Satz 1 HGB. Danach haften die Gesellschafter der OHG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Die Haftung besteht für alle Arten von Verbindlichkeiten der OHG, mithin auch für abgabenrechtliche, gesamtschuldnerisch neben den anderen Gesellschaftern und akzessorisch. Der Inanspruchnahme des Klägers als Haftender im Sinne des § 191 Abs. 1 AO steht nicht entgegen, dass er im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides bereits Gesamtrechtsnachfolger der im Jahre 1994 erloschenen OHG gewesen ist. Die Haftung des Klägers als ehemaliger Gesellschafter der erloschenen OHG für deren Abgabenschuld besteht auch nach der Auflösung der OHG und der damit eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge weiterhin nach § 128 Satz 1 HGB fort (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 30. Aufl., § 128 RdNr. 4). Dies gilt auch dann, wenn der nach § 128 Satz 1 HGB haftende Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger der erloschenen OHG wird. In diesem Fall stehen die beiden Haftungstatbestände selbstständig nebeneinander. Die Auffassung des Klägers, die Haftung aus § 128 Satz 1 HGB erlösche im Fall der Gesamtrechtsnachfolge, findet keine Stütze im Gesetz.

Der Kläger kann aber dem Haftungsbescheid mit Erfolg entgegen halten, im Zeitpunkt seines Erlasses sei im Verhältnis zur Beklagten als Abgabengläubigerin die Zahlungsverjährung (§ 228 AO) hinsichtlich der mit Bescheid vom 8.12.1992 gegenüber der OHG festgesetzten und geltend gemachten Sondernutzungsgebühren eingetreten mit der Folge, dass er nicht ergehen durfte (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO). § 228 AO findet über § 3 Abs. 1 Nr. 5a i.V.m. § 36 SächsKAG entsprechende Anwendung. Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich die Zahlungsverjährung nicht nach § 21 Abs. 2 Sächsisches Verwaltungskostengesetz -SächsVwKG -, wonach der Anspruch auf Zahlung von Kosten und Gebühren innerhalb von drei Jahren nach der Entstehung des Anspruchs erlischt, da es sich bei den Sondernutzungsgebühren nicht um Kosten und Gebühren im Sinne der vorgenannten Vorschrift handelt.

Die im § 228 AO festgelegte fünfjährige Verjährungsfrist lief gemäß § 229 Abs. 1 AO ab dem 1.1.1993. Der Senat kann die Frage offen lassen, ob die Beklagte die Zahlungsverjährung erstmals durch ihre an die OHG gerichtete Mahnung vom 13.8.1993 wirksam unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO) hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe durch die Vorlage eines Absendervermerkes auf der Annahme-Anordnung, der Kopie der Mahnung und die Einstellung einer Mahngebühr in die Forderungsaufstellung vom 23.9.1998 die Absendung der Mahnung hinreichend nachgewiesen, zutreffend ist. Auch wenn es nach dem Lösungsansatz des Senats für die Entscheidung nicht darauf ankommt, sieht er sich aber zu dem Hinweis veranlasst, dass eine Mahnung, die eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs im Sinne des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO darstellt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dem Adressaten vor Ablauf der Verjährungsfrist bekannt gegeben werden muss, d.h. ihm zugehen muss. Ihre bloße Absendung genügt nicht (s. Kruse in Tipke/Kruse, AO, Stand März 2004, § 231 RdNr. 10, mit weiteren Nachweisen).

Sollte die Zahlungsverjährung, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, mit der Mahnung der Beklagten vom 13.8.1993 wirksam unterbrochen worden sein, wäre dennoch im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids Zahlungsverjährung eingetreten. Die Beklagte hätte in diesem Fall die Zahlungsverjährung mit ihrer Mahnung vom 23.9.1998 nicht erneut unterbrochen, weil sie dem Abgabenschuldner nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist zugegangen wäre. Mit dem Sondernutzungsgebührenbescheid vom 8.12.1992 wurde die OHG als Abgabenschuldner in Anspruch genommen. Spätestens seit dem 1.7.1994 - an diesem Tag wurde vor dem Landgericht Dresden - Kammern für Handelssachen - der Kaufvertrag über die Übertragung des dem Gesellschafter M. zustehenden Anteils am Gesellschaftsvermögen auf den Kläger protokolliert - wurde der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der OHG und damit auch Abgabenschuldner. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass nach Auffassung des Klägers richtige Abgabenschuldnerin nicht die OHG, sondern die GmbH sei. Der Sondernutzungsgebührenbescheid wurde im Januar 1993 bestandskräftig, so dass der behauptete Mangel weder dem Abgabenbescheid noch späteren Mahnungen mit Erfolg entgegengehalten werden kann. Die schriftliche Mahnung hätte deshalb dem Kläger als Rechtsnachfolger der OHG und damit Abgabenschuldner gegenüber ausgesprochen werden müssen, um die Zahlungsverjährung wirksam zu unterbrechen. Die Beklagte richtete die Mahnung aber unstreitig an die GmbH und damit nicht an den richtigen Abgabenschuldner. Damit war die Mahnung vom 23.9.1998 nicht geeignet, eine Zahlungsverjährung herbeizuführen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger müsse diese Mahnung gegen sich persönlich gelten lassen, weil seine Berufung auf die fehlerhafte Adressierung der Mahnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Klägers vom 13.12.1994 als Aufforderung zu verstehen ist, zukünftige Mahnschreiben ungeachtet der Beurteilung der Eigenschaft des Klägers als Abgabenschuldner an die GmbH zu richten. Dem Schreiben fehlt insoweit die erforderliche Eindeutigkeit. Diese ist jedoch gerade auch im Hinblick auf die Formenstrenge und daraus folgend dem Gebot inhaltlicher Eindeutigkeit von Abgabenschulden betreffenden Schreiben Voraussetzung für die auf den im Abgabenrecht nicht ausdrücklich normierten, aber dennoch die gesamte Rechtsordnung erfassenden allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Annahme der Unbeachtlichkeit eines fehlerhaften Verhaltens des Abgabengläubigers.

Der Kläger führt in seinem Schreiben vom 13.12.1994 u.a. aus, dass die vor diesem Zeitpunkt ergangenen Zahlungsaufforderungen falsch adressiert worden seien. Bauherr und Betreiber des " " sei die GmbH gewesen. Die OHG sei aus banktechnischen Gründen Eigentümerin und Vermieterin der Anlagen gewesen. Er bitte die Beklagte, diese "Rechtsfragen" für zukünftige Zahlungsaufforderungen zu beachten.

Diese Ausführungen schließen ein wie vom Verwaltungsgericht angenommenes Verständnis des Inhalts des Schreibens nicht von vornherein aus, der Kläger habe die Beklagte auffordern wollen, entgegen der Rechtslage zukünftige Mahnungen an die GmbH zu richten. Die Ausführungen des Klägers in dem Schreiben vom 13.12.1994 können aber auch so verstanden werden, dass der Kläger gegenüber der Beklagten lediglich seine Rechtsauffassung zu der Frage nach dem richtigen Abgabenschuldner und der sich daraus für ihn ergebenden rechtlichen Konsequenzen für die zeitlich zurückliegenden und für zukünftige Zahlungsaufforderungen darlegen wollte. Die als Klarstellung bezeichneten Ausführungen in den Nrn. 1 und 2 des Schreibens, mit denen er die seiner Meinung nach fehlende Abgabenschuldnereigenschaft der OHG und eine bestehende der GmbH behauptet, legen ein solches Verständnis zumindest näher als das vom Verwaltungsgericht angenommene. Es ließe keinen Raum für die Annahme, der Kläger habe die Beklagte ungeachtet der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung aufgefordert, zukünftige Zahlungsaufforderungen an die GmbH zu richten. Im Hinblick auf die fehlende Eindeutigkeit des Inhalts des Schreibens kann somit nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe sich in Widerspruch zu seiner Aufforderung im Schreiben vom 13.12.1994 gesetzt, zukünftige Zahlungsaufforderungen ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens durch die Beklagte an die GmbH zu richten.

Aus den vorgenannten Gründen sind auch die von der Beklagten vorgetragenen Vollstreckungsversuche gegenüber der GmbH nicht geeignet gewesen, die Unterbrechung der Zahlungsverjährung zu bewirken.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass hinsichtlich der Sondernutzungsgebührenschuld im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids Zahlungsverjährung eingetreten war. Der Haftungsbescheid ist deshalb rechtswidrig mit der Folge, dass er unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts aufzuheben ist.

Beschluss vom 30. August 2006

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 27.609,76 € (entspricht 54.000,00 DM) festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG n. F., § 25 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 2 GKG a. F.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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