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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 5 B 45/05
Rechtsgebiete: SächsStrG, SächsGemO


Vorschriften:

SächsStrG § 51
SächsGemO § 14 Abs. 1
Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ist nicht erschlossen im Sinne des Straßenreinigungsrechts, da der Straßenreinigung kein Vorteil bei der Bewirtschaftungsmöglichkeit der Fläche gegenübersteht.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 45/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Straßenreinigungsgebühren

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 28. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20. Oktober 2004 - 1 K 594/02 - geändert.

Die Bescheide der Beklagten vom 8. November 2000 und 21. Januar 2002 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13. März 2002 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren. Sie sind Eigentümer eines 5,6081 ha großen Grundstücks in Zwickau, Ortslage H. . Das Grundstück liegt mit einer Länge von 315 m an der L. Straße an und mit weiteren 491 m hinter Grundstücken, die an die L. Straße angrenzen. Das Grundstück bestand zunächst aus den Flurstücken Nr. und der Gemarkung E. . Am 4.1.2001 wurde die Verschmelzung der beiden Flurstücke zu dem Flurstück Nr. in das Grundbuch von E. eingetragen mit der Nutzungsart "L. Straße, Landwirtschaftsfläche, Unland, Verkehrsfläche, Waldfläche". 5,34 ha des Grundstücks sind mit Vertrag vom 14.7.1999 bis zum 31.10.2010 an die E. Agrarprodukt GmbH & Co. KG (heute E. Agrarprodukt GmbH) zu einem jährlichen Pachtzins von 801,00 DM verpachtet worden. Diese Fläche wird ausschließlich landwirtschaftlich genutzt.

Der Stadtrat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 27.4.2000 eine "Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt Zwickau ab dem 1.7.2000 (Neufassung)". Diese wurde am 25.5.2000 ausgefertigt und am 31.5.2000 öffentlich bekannt gemacht. Diese Satzung hat u.a. folgenden Wortlaut:

"§ 1

Allgemeines

Abs. 1

Die Stadt Zwickau betreibt die Reinigung der öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage, bei Bundesstraßen, Landstraßen und Kreisstraßen jedoch nur die Ortsdurchfahrten, als öffentliche Einrichtung mit Anschluss- und Benutzungszwang, soweit die Reinigung nicht nach §§ 3 und 4 dieser Satzung den Grundstückseigentümern oder Besitzern übertragen ist (...)

Abs. 2

Verpflichtete im Sinne dieser Satzung sind Eigentümer oder Besitzer der durch die öffentlichen Straßen erschlossenen Grundstücke.

Dies sind die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die

a) an eine öffentliche Straße angrenzen und durch diese erschlossen werden (Anlieger)

oder

b) ohne an eine öffentliche Straße anzugrenzen, über diese erschlossen werden (Hinterlieger).

(...)

Abs. 3

Eigentümer oder Besitzer von Grundstücken, die nur zum Teil an eine öffentliche Straße angrenzen und im Übrigen hinter einem anderen Grundstück an dieser Straße liegen, gelten anteilig als Anlieger und Hinterlieger.

Abs. 4

Grundstück im Sinne dieser Satzung ist das Buchgrundstück.

Abs. 5

Erschlossen ist ein Grundstück dann, wenn

a) ein Zuweg (Zugang, Zufahrt) zu der der Reinigung unterliegenden öffentlichen Straße (Erschließungsstraße) besteht oder

b) die Schaffung eines Zuwegs (Zugang, Zufahrt) zu der der Reinigung unterliegenden öffentlichen Straße (Erschließungsstraße) tatsächlich und rechtlich möglich ist.

(...)

Abs. 7

Bestandteil dieser Satzung ist das anliegende Straßenverzeichnis, das die zu reinigenden Straßen nach Straßenart, nach Anzahl der durchzuführenden Straßenreinigungen und nach Wahrnehmung der Straßenreinigungspflicht der Stadt Zwickau bzw. den Eigentümern oder Besitzern zuordnet.

Abs. 8

Die nach anderen Rechtsvorschriften bestehende Verpflichtung des Verursachers, außergewöhnliche Verunreinigungen unverzüglich zu beseitigen, befreit die nach dieser Satzung Verpflichteten nicht von ihrer Reinigungspflicht.

§ 2

Umfang der Reinigungspflicht

Abs. 1

Die Reinigungspflicht umfasst die Reinigung der Anliegerseite der Fahrbahnen und Gehwege. (...)

§ 3

Übertragung der Reinigungspflicht auf die Anlieger

Abs. 1

Die Reinigung i.S.v. § 2 Abs. 1 aller öffentlichen Straßen und Wege innerhalb der geschlossenen Ortslagen wird den Eigentümern oder Besitzern der durch die öffentlichen Straßen erschlossenen Grundstücke übertragen, soweit nicht gemäß § 5 dieser Satzung in Verbindung mit dem Straßenverzeichnis eine Reinigung durch die Stadt Zwickau erfolgt.

Die Reinigung i.S.v. § 2 Abs. 1 der Gehwege erfolgt ausschließlich durch die Eigentümer oder Besitzer der durch die öffentlichen Straße erschlossenen Grundstücke.

(...)

§ 5

Anschluss- und Benutzungszwang

Abs. 1

Der Anschluss- und Benutzungszwang besteht für Anlieger- und Hinterliegergrundstücke i.S.v. § 1 dieser Satzung, die im Anschlussgebiet liegen. Zum Anschlussgebiet gehören alle öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, die nach Maßgabe des anliegenden Straßenverzeichnisses mit Ausnahme der Gehwege gemäß §§ 3 und 4 dieser Satzung von der Stadt Zwickau gereinigt werden. Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme ins Zwangsanschlussgebiet oder auf Verbleib im Zwangsanschlussgebiet besteht nicht.

Abs. 2

Der Anschluss- und Benutzungszwang entsteht mit dem Inkrafttreten der Satzung, mit der die öffentliche Verkehrsfläche, an der Anlieger- oder Hinterliegergrundstücke liegen, in das Straßenverzeichnis aufgenommen wird. Es erlischt mit dem Inkrafttreten der Satzung, mit der diese öffentliche Verkehrsfläche im Straßenverzeichnis gestrichen wird.

Abs. 3

Mit dem Entstehen des Anschluss- und Benutzungszwanges tritt an die Stelle der Reinigungspflicht der Eigentümer oder Besitzer gemäß §§ 3 und 4 dieser Satzung die Gebührenschuld nach Maßgabe dieser Satzung. Die Pflicht zur Reinigung und Winterwartung der Gehwege bleibt hiervon unberührt.

(...)

§ 7

Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang

Abs. 1

Von der Verpflichtung zum Anschluss- und zur Benutzung wird auf Antrag befreit, wenn der Anschluss und die Benutzung aus besonderen Gründen, auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls, nicht zumutbar ist. Der Antrag auf Befreiung ist unter Angabe der Gründe schriftlich bei der Stadt Zwickau einzureichen.

Abs. 2

Die Befreiung kann befristet, unter Bedingungen, Auflagen und Widerrufsvorbehalt erteilt werden.

§ 8

Benutzungsgebühren

Die Stadt erhebt Gebühren für die Benutzung der städtischen Straßenreinigung.

§ 9

Gebührenmaßstab und Gebührensätze

Abs. 1

Maßstab für die Benutzungsgebühr ist die Grundstücksseite der Straße, durch die das Grundstück erschlossen ist (Frontlänge) und die Anzahl der Reinigungen.

Abs. 2

Bei Anliegern sind die Grundstücksseiten zu berücksichtigen, die an die zu reinigenden öffentlichen Straßen angrenzen, von denen aus das Grundstück i.S. des § 1 Abs. 5 erschlossen ist.

Abs. 3

Bei Hinterliegern werden die Grundstücksseiten berücksichtigt, die zu reinigenden öffentlichen Straßen zugewandt sind. Als "zugewandt" wird eine Grundstücksseite angesehen, wenn sie parallel oder in einem Winkel von kleiner als 45o zur Straße verläuft. Verläuft die zugewandte Grundstücksseite nicht parallel zur Straße, so wird die senkrechte Projektion von der Straße zur äußeren Grundstücksbegrenzung als Längenbegrenzung zugrunde gelegt. Abs. 4

Bei den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Grundstücksseiten werden zusätzlich zu der angrenzenden Grundstücksseite die der Straße zugewandten Grundstücksseiten berücksichtigt. Als der Straße zugewandt gelten Grundstücksseiten, wenn sie parallel oder in einem Winkel von weniger als 45o zur Straße verlaufen. Verlaufen zugewandte Grundstücksseiten nicht parallel zur Straße, so wird die senkrechte Projektion von der Straße zur äußeren Grundstücksbegrenzung als Längenbegrenzung zugrunde gelegt.

(...)

Abs. 9

Bei der Feststellung der jeweils zuzurechnenden Frontlängen werden Bruchteile eines Meters bis zu 50 cm einschließlich abgerundet und über 50 cm aufgerundet.

Abs. 10

Bei einmal wöchentlicher Reinigung beträgt die Benutzungsgebühr jährlich je Meter Frontlänge 2,12 DM = 1,08 €

Wird mehrmals wöchentlich gereinigt, vervielfacht sich die Benutzungsgebühr entsprechend.

§ 10

Gebührenpflicht

Abs. 1

Die Pflicht, Gebühren zu entrichten, entsteht jeweils zu Beginn des Kalenderjahres, frühestens jedoch mit dem Beginn der planmäßigen Reinigung der Straße oder dem Vorhandensein einer rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeit zur Straße. Sie endet mit dem letzten des Monats, mit dem die planmäßige Reinigung der Straße eingestellt wird oder die rechtliche und tatsächliche Zuwegungsmöglichkeit zur Straße entfällt.

Abs. 2

Die Gebührenschuld entsteht jeweils zum Ende eines Kalenderjahres für das jeweilige Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum). (...)

§ 11

Gebührenpflichtige

Abs. 1

Gebührenpflichtig, d.h. Schuldner der Straßenreinigungsgebühr ist der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks,

a) das unmittelbar an einer öffentlichen Straße liegt und über diese erschlossen wird (Anlieger) oder

b) das ohne an eine öffentliche Straße anzugrenzen, über diese erschlossen wird (Hinterlieger).

Mehrere Gebührenpflichtige im Sinne von Abs. 1 sind Gesamtschuldner.

(...)

§ 15

Übergangsbestimmungen

Abs. 1

Für den Zeitraum vom 01.07.2000 - 31.12.2000 entsteht die Gebührenschuld in Abweichung zu § 10 Abs. 2 der Satzung zum Ende des 2. Kalenderhalbjahres 2000 für das 2. Kalenderhalbjahr 2000 (Veranlagungszeitraum).

(...)

§ 16

Inkrafttreten

Abs. 1

Diese Satzung tritt am 01.07.2000 in Kraft.

Abs. 2

Gleichzeitig treten außer Kraft:

1. die Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt Zwickau vom 20.05.1998,

(...)"

Das Straßenverzeichnis zur Straßenreinigungssatzung lautet auszugsweise wie folgt:

"Straßen Teilbereich von bis Anzahl Reinigung Stadt Eigentümer Woche oder Besitzer

L. ehem. Ortsgrenze letzte Bebauung 1 X Str./HÜ (nach Haus-Nr. ) Haus-Nr. "

Mit dem an die Kläger gerichteten "Änderungs-Abgabenbescheid 2000" vom 8.11.2000 für das Flurstück setzte die Beklagte die Straßenreinigungsgebühr für die wöchentliche Reinigung der L. Straße für das zweite Halbjahr des Jahres 2000 auf 854,36 DM fest. Das entspricht 436,83 €. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 315 m Anliegerfront und 491 m Hinterliegerfront zu einem Gebührensatz von 2,12 DM je Meter Frontlänge.

Ihren dagegen eingelegten Widerspruch begründeten die Kläger mit der rein landwirtschaftlichen Nutzung des veranlagten Flurstücks, das von der L. Straße aus keine Zufahrt habe. Erreichbar sei das Flurstück über den einzigen noch vorhandenen Wirtschaftsweg außerhalb der Ortslage. Weder die Pächterin des Grundstücks noch sie als Rentner seien in der Lage, die Gebühren zu übernehmen. Daraufhin hat die Beklagte die festgesetzte Gebühr bis zur Rechtskraft des Bescheides gestundet (Beiakte, S. 51 f., 41 ff.).

Mit einem an den Kläger zu 1 adressierten Bescheid vom 21.1.2002 für das Flurstück setzte die Beklagte die Gebühr für die wöchentliche Reinigung der L. Straße für das Jahr 2002 auf 870,48 € fest. Dem lagen 315 m Anliegerfront und 491 m Hinterliegerfront mit einem Hebesatz von jeweils 1,08 € zugrunde. Auch dagegen legten die Kläger Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.3.2002 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Das Flurstück , das innerhalb einer geschlossenen Ortslage läge, grenze an die L. Straße an und sei über diese durch einen Zuweg (Zugang/Zufahrt) erschlossen. Durch die Landwirtschaft werde das Grundstück sinnvoll wirtschaftlich genutzt. Ein solches Anwesen profitiere ebenfalls von der besseren Zugangsmöglichkeit durch die gereinigte Straße.

Am 12.4.2002 erhoben die Kläger Klage gegen die Gebührenbescheide der Beklagten vom 8.11.2000 und 21.1.2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 13.3.2002. Im Laufe des Verfahrens nahm die Klägerin zu 2 nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts ihre Klage hinsichtlich des Bescheids vom 21.1.2002 zurück. Zur Begründung ihrer Klage führten die Kläger im Wesentlichen aus: Die Straßenreinigungssatzung sei rechtswidrig, da sie keine Ausnahmeregelung für Sonderfälle enthalte. Zudem gebe es teilweise keine Rechtsgrundlage für die Satzung. Der statuierte Anschluss- und Benutzungszwang sei weder in der Sächsischen Gemeindeordnung noch im Sächsischen Straßengesetz vorgesehen. Die Rechtswidrigkeit erstrecke sich auf die Erhebung von Benutzungsgebühren. Darüber hinaus liege das Grundstück nicht innerhalb einer geschlossenen Ortslage und sei durch die zu reinigende Straße mangels eines bestehenden Zugangs nicht erschlossen. Sie und die Pächter beführen das Grundstück nicht über die L. Straße, die Bewirtschaftung erfolge über die Hinterliegergrundstücke. Durch die Gebühren seien sie übermäßig belastet. Zum einen liege das Grundstück mit der gesamten Breitseite an der L. Straße, weshalb die mögliche Schmutzverursachung in keinem Verhältnis zum Reinigungsvorteil stünde. Zum anderen überstiegen die Reinigungsgebühren die Pachteinnahmen, so dass eine wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks nicht mehr möglich sei. Außerdem sei eine landwirtschaftliche Nutzung innerhalb der Ortslage der Beklagten nicht ortsüblich. Nur ein kleiner Teil der Grundstücke werde landwirtschaftlich genutzt. So trage ein nur geringer Teil der Grundstückseigentümer einen Großteil der Gesamtgebührenbelastung. Des weiteren verstoße der Gebührenmaßstab der Satzung gegen das Kostendeckungsprinzip und das Äquivalenzprinzip.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und nahm auf den Widerspruchsbescheid Bezug. Ergänzend führte sie aus: Eine Ausnahmeregelung für Sonderfälle sei nicht notwendig, da § 7 StrRS die Möglichkeit einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang vorsehe. Außerdem bestehe gegebenenfalls die Möglichkeit eines Erlasses nach § 3 Abs. 1 Ziff. 5 Buchst. a SächsKAG i.V.m. §§ 227 ff. AO. Im Zusammenhang mit der Erschließung sei das Interesse des Eigentümers an einer Anbindung des Grundstücks nicht von Relevanz. Die Gebührenpflicht hänge weder von einer tatsächlichen Schmutzverursachung noch von einem Reinigungsvorteil ab. Für die Auferlegung der Reinigungspflicht bzw. entsprechender Kosten sei lediglich die Erschließung von Grundstücken durch öffentliche Straßen erforderlich, nicht dagegen deren tatsächliche Benutzung. Im Stadtgebiet der Beklagten seien von den 5.500 für die Straßenreinigungsgebühr veranlagten Grundstücken 93 Grundstücke landwirtschaftlich genutzt. Deren Frontmeterlänge betrage 13.639 m, die Gesamtfrontmeterlänge liege bei 207.000 m. Die Anzahl der landwirtschaftlichen genutzten Grundstücke sei kein sachgerechtes Kriterium für die Beurteilung der Ortsüblichkeit der Landwirtschaft. In den neuen Bundesländern seien die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke wegen der kollektivierten Landwirtschaft der DDR nach wie vor größer. Vielmehr vermittelten die Grundstücksfrontmeter zur gereinigten Straße den wirtschaftlichen Vorteil als Voraussetzung der Gebührenerhebung.

Mit Urteil vom 20.10.2004 wies das Verwaltungsgericht Chemnitz die Klage ab und ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Es sei obergerichtlich nicht geklärt, ob landwirtschaftlich genutzte Grundstücke erschlossen im Sinne von § 51 Abs. 5 SächsStrG seien. In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus:

Die Bescheide seien auf der Grundlage der §§ 8 ff. StrRS ergangen. Die Satzung sei formell rechtmäßig, der gebührenrechtliche Teil sei auch materiell rechtmäßig. Die Satzung selbst beruhe auf § 51 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 SächsStrG, der die reinigungspflichtigen Gemeinden berechtige, durch Satzung die Verpflichtung zur Reinigung der öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage ganz oder teilweise den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen oder diese zu den entsprechenden Kosten heranzuziehen. Die von der Beklagten vorgenommene Ausgestaltung der Abgabe als Benutzungsgebühr sei nicht zu beanstanden - auch wenn die Leistung der Straßenreinigung nur fingiert in Anspruch genommen werde und der Sache nach letztlich ein Vorteils- oder Interessentatbestand vorhanden sei. Die Kläger seien gebührenpflichtig, da ihr Grundstück unmittelbar an dem von der Beklagten gereinigten Abschnitt der L. Straße liege und durch diese erschlossen werde. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2000 und im Jahr 2002 habe rechtlich und tatsächlich eine Zufahrt von der L. Straße zum klägerischen Grundstück bestanden.

Der Einwand der Kläger, ihr Grundstück werde von der L. Straße nicht erschlossen, weil es landwirtschaftlich genutzt werde, greife nicht durch. § 51 Abs. 5 SächsStrG verbiete es nicht, Eigentümer und Besitzer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen. Die durch die Zufahrt von der Straße vermittelte Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks stelle einen sachlichen Grund dar für die Heranziehung von Landwirten zu Straßenreinigungsgebühren. Der Begriff des "Erschlossenseins" setze keine bestimmte Art der Grundstücksnutzung voraus. Für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren sei die Möglichkeit der baulichen Nutzung nicht erforderlich. Der Begriff sei nicht wie in § 133 Abs. 1 BauGB zu verstehen. Ebenso sei die in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 SächsStrG angeführte geschlossene Ortslage nicht mit dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gleichzusetzen. Für die straßenrechtliche Abgrenzung komme es auf einen weitläufigen Rahmen örtlicher Bebauung an. Diese müsse sich nur nach den gröberen Umrissen des örtlichen Bebauungsbereiches gegenüber dem freien Gelände absetzen. Nach diesen Grundsätzen verlaufe die L. Straße im streitgegenständlichen Bereich nicht im freien Gelände. An die einseitige Bebauung schließe sich sowohl vor als auch nach dem streitgegenständlichen Bereich eine beidseitige Bebauung an.

Der Rechtmäßigkeit der gebührenrechtlichen Regelungen stehe nicht entgegen, dass die Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 5 und 7 StrRS) nichtig seien, da dies nicht zur Nichtigkeit der übrigen Satzungsbestimmungen führe. §§ 5 und 7 StrRS verstießen gegen § 14 Abs. 1 SächsGemO, weil es kein öffentliches Bedürfnis für einen Anschluss- und Benutzungszwang an eine Straßenreinigungseinrichtung gebe. Zur Durchführung der Reinigung und zur finanziellen Beteiligung der Anlieger sei die Beklagte schon nach § 51 Abs. 1 und Abs. 5 SächsStrG berechtigt.

Gebührensatz und Gebührenmaßstab seien nicht zu beanstanden. Der Einwand, dass die Gebühren höher als der Pachtzins seien, sei nicht im Festsetzungs-, sondern im Erlassverfahren zu prüfen. Eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks und des Verhältnisses der Gebühren zum erzielbaren Ertrag würde die mit der Satzung bezweckte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zunichte machen. Aus demselben Grund sei auch ein etwaiger Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Ein Verstoß gegen das Erdrosselungsverbot liege nicht vor, da die Straßenreinigungsgebühr unabhängig von den mit dem Grundstück zu erzielenden Einnahmen sei.

Am 10.1.2005 haben die Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und führen zu deren Begründung im Wesentlichen aus: Ihrer Meinung nach sei ihr Grundstück nicht im Sinne von § 51 Abs. 5 SächsStrG erschlossen. Generell müsse geklärt werden, ob ein rein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, unabhängig ob innerhalb oder außerhalb der Ortslage belegen, dem Begriff der "Erschließung" im Gebühren- bzw. Abgabenrecht zugänglich sei. Dabei sei zu beachten, dass sich die Bewirtschaftungsmöglichkeit des Grundstücks durch eine Straßenreinigung nicht verbessere. Zudem erfolge hier die Bewirtschaftung über einen Wirtschaftsweg, belegen auf dem Flurstück . Bei einer Benutzung der L. Straße und einer übermäßigen Verschmutzung der Fahrbahn wäre der Verursacher ohnehin, unabhängig von der regelmäßigen Reinigung, zur Beseitigung der Verschmutzung verpflichtet. Die Veranlagung der Kläger zur Straßenreinigungsgebühr sei ein Verstoß gegen die Abgabengerechtigkeit. Landwirtschaftlich genutzte Grundstücke seien im allgemeinen größer als gewerblich genutzte Grundstücke oder Grundstücke mit Wohnbebauung. Der Nutzen bzw. der Gewinn, der aus landwirtschaftlich genutzten Flächen gezogen werden könne, sei aber deutlich geringer. Im Übrigen führe die Teilnichtigkeit zur Nichtigkeit der gesamten Satzung. Die wesentliche Regelung des Anschluss- und Benutzungszwanges könne nicht losgelöst betrachtet werden. Die in § 7 StrRS geregelten Befreiungstatbestände hätten Auswirkungen auch auf die Gebührenpflichtigkeit.

Der Kläger zu 1 beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20. Oktober 2004 - 1 K 594/02 - zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 8. November 2000 und 21. Januar 2002 und ihren Widerspruchsbescheid vom 13. März 2002 aufzuheben.

Die Klägerin zu 2 beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20. Oktober 2004 - 1 K 594/02 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2000 und ihren Widerspruchsbescheid vom 13. März 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Eine einseitige Bebauung werde überwiegend als ausreichend für das Vorhandensein einer geschlossenen Ortslage angesehen. Hinsichtlich der Zufahrtsmöglichkeit zu dem Grundstück sei zu berücksichtigen, dass diese auch genutzt worden sei. Das Verhältnis der Gebührenhöhe zu dem zu erzielenden Pachtzins sei eine Frage des Erlassverfahrens. Gehe § 5 StrRS ins Leere, gehe auch § 7 StrRS ins Leere.

Mit Bescheid vom 11.8.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2005 hat die Beklagte den Klägern die Straßenreinigungsgebühr teilweise erlassen - und zwar für das Jahr 2000 in Höhe von 334,44 € und für das Jahr 2002 in Höhe von 664,89 €. Die auf einen weitergehenden Erlass bzw. die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang beim Verwaltungsgericht Chemnitz erhobene Klage (1 K 1778/02) blieb erfolglos (Urteil vom 28.6.2005). Gegen dieses Urteil ist beim erkennenden Senat ein Antrag auf Zulassung der Berufung anhängig (5 B 525/05).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn H. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28.3.2007. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Chemnitz (1 K 594/02 und 1 K 1778/02), die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Parallelverfahrens 5 B 525/05 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 8.11.2000 und 21.1.2002 und ihr Widerspruchsbescheid vom 13.3.2002 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Festsetzung der Straßenreinigungsgebühren für das Flurstück der Gemarkung E. , betreffend das zweite Halbjahr 2000 sowie das Jahr 2002, ist rechtswidrig. Sie ist von der als Rechtsgrundlage herangezogenen Satzung der Beklagten vom 25.5.2000 über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt Zwickau ab dem 1.7.2000 (Neufassung) - StrRS -, die ihrerseits u.a. auf § 51 Abs. 5, Abs. 1 SächsStrG basiert, nicht gedeckt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 StrRS betreibt die Beklagte die Reinigung der öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage (...) als öffentliche Einrichtung mit Anschluss- und Benutzungszwang, soweit die Reinigung nicht nach §§ 3 und 4 dieser Satzung den Grundstückseigentümern oder Besitzern übertragen ist. Verpflichtete im Sinne dieser Satzung sind die Eigentümer oder Besitzer der durch die öffentlichen Straßen erschlossenen Grundstücke (§ 1 Abs. 2 Satz 1 StrRS). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StrRS wird die Reinigung aller öffentlichen Straßen und Wege innerhalb der geschlossenen Ortslagen den Eigentümern oder Besitzern der durch die öffentlichen Straßen erschlossenen Grundstücke übertragen, soweit nicht gemäß § 5 der Satzung in Verbindung mit dem ihr angefügten Straßenverzeichnis eine Reinigung durch die Beklagte erfolgt. Der Anschluss- und Benutzungszwang besteht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StrRS für alle Anlieger- und Hinterliegergrundstücke im Sinne von § 1 StrRS, die im Anschlussgebiet liegen. Zum sog. Anschlussgebiet gehören die nach Maßgabe des anliegenden Straßenverzeichnisses nach §§ 3 und 4 der Satzung von der Beklagten zu reinigenden öffentlichen Straßen, Wege und Plätze - mit Ausnahme der Gehwege (§ 5 Abs. 1 Satz 2 StrRS). Mit dem Entstehen des Anschluss- und Benutzungszwanges - durch Aufnahme in das der Satzung angefügte Straßenverzeichnis und Inkrafttreten der Satzung - tritt nach § 5 Abs. 3 Satz 1 StrRS an die Stelle der Reinigungspflicht der Eigentümer oder Besitzer die Gebührenschuld nach Maßgabe der Satzung.

Die Reinigung des hier betroffenen Teilbereichs der L. Straße zwischen der ehemaligen Ortsgrenze (nach Hausnummer ) und der letzten Bebauung (Hausnummer ) erfolgt entsprechend des der Satzung anliegenden Straßenverzeichnisses durch die Beklagte. Dies begründet zwar nach § 5 StrRS grundsätzlich einen Anschluss- und Benutzungszwang der Kläger. Ihr in diesem Bereich teilweise an der L. Straße anliegendes, landwirtschaftlich genutztes Grundstück liegt im sog. Anschlussgebiet und befindet sich auch innerhalb einer geschlossenen Ortslage (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StrRS). Es wird aber durch die L. Straße nicht erschlossen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 5 StrRS).

Bei der Bestimmung des Begriffs der geschlossenen Ortslage ist der Begriff zugrunde zu legen, der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 SächsStrG zur Begrenzung der Ortsdurchfahrt dient und dort näher umschrieben ist. Danach ist die geschlossene Ortslage der Teil des Gemeindegebietes, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist. Einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nicht. Eine entsprechende Definition enthält § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 FStrG. Der hiernach im Straßenreinigungsrecht maßgebliche Begriff der geschlossenen Ortslage deckt sich nicht mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendeten Begriff der "im Zusammenhang bebauten Ortsteile". Vielmehr ist im Straßenrecht auf einen weitläufigen Rahmen örtlicher Bebauung abzustellen. Diese muss sich lediglich nach den gröberen Umrissen des örtlichen Bebauungsbereiches gegenüber dem freien Gelände abgrenzen. Herrscht am fraglichen Standort der Eindruck vor, sich im freien Gelände zu befinden, ist keine geschlossene Ortslage anzunehmen (BVerwG, Urt. v. 18.3.1983, BVerwGE 67, 79; NdsOVG, Beschl. v. 20.7.2004, NVwZ-RR 2005, 61; Stemshorn in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 RdNr. 409; s.a. Sieder/Zeitler/Kreuzer/Zech, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, RdNr. 92 zu Art. 51 BayStrWG, der ebenfalls eine gemeindliche Reinigungspflicht innerhalb der geschlossenen Ortslage normiert).

Ausgehend von diesen Grundsätzen befindet sich das klägerische Grundstück in einer geschlossenen Ortslage. Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Gebiet um die L. Straße in H. im Bereich ihres Grundstücks in offener Bauweise zusammenhängend bebaut - größtenteils auch zweiseitig. Dafür sprechen bereits die Kopien der Flurkarte der Gemarkung E. (Verwaltungsvorgänge der Beklagten, S. 2 und 10). Bestätigt wird diese Einschätzung durch die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Luftbildaufnahme von H. im Bereich des klägerischen Grundstücks (Gerichtsakte VG Chemnitz, S. 309). Diese vermittelt nicht den Eindruck eines freien Geländes, sondern vielmehr den einer weitläufigen örtlichen Bebauung. Ein vom freien Gelände abgegrenzter örtlicher Bebauungsbereich ist ebenfalls deutlich erkennbar auf einem größeren Kartenausschnitt der näheren Umgebung und einem entsprechenden Satellitenfoto (Quelle: http://maps.google.de/maps, Suchbegriff: "Zwickau, H. , L. Straße"). Die die L. Straße weitläufig umschließende Bebauung von H. grenzt sich ab von den umliegenden Ortslagen E. , S. , P. und R. . Dazwischen liegt freies Gelände. Diese Einordnung wird auch nicht widerlegt durch die von den Klägern im Parallelverfahren vorgelegten Fotos (Gerichtsakte des VG Chemnitz des Verfahrens 1 K 1778/02, S. 39 f.), die jeweils nur einen kleinen Ausschnitt der Gegend zeigen und keinen Gesamteindruck vermitteln können. Die darauf vor allem zu erkennende einseitige Bebauung in dem Bereich, in dem das klägerische Grundstück direkt an die Straße angrenzt, spricht nicht gegen eine geschlossene Ortslage, da sie - entsprechend der gesetzlichen Vorgaben - den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht.

Das zur Straßenreinigungsgebühr veranlagte, landwirtschaftlich genutzte, Grundstück der Kläger wird durch die L. Straße jedoch nicht im Sinne von § 51 Abs. 5 Satz 1 SächsStrG und § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 StrRS erschlossen. Die Frage, ob landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Sinne des Straßenreinigungsrechts erschlossen sind, ist bisher obergerichtlich kaum beantwortet. Das dürfte vor allem auf die unterschiedlichen Landesgesetze zurückzuführen sein. So ist für die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr teilweise nur erforderlich, dass das Grundstück an der jeweiligen Straße anliegt (vgl. § 41 Abs. 5, Abs. 6 StrGBW, § 52 Abs. 3 NdsStrG). In einigen Bundesländern entsteht die Gebührenpflicht für anliegende bzw. angrenzende sowie für die durch die Straße erschlossenen Grundstücke (vgl. § 51 Abs. 4 BayStrWG, § 17 Abs. 3 Satz 2 StrG Rh.-Pf., § 50 Abs. 4 Nr. 3 StrWG-MV). Im Freistaat Sachsen ist die Verpflichtung allein an die Erschließung des Grundstücks durch die öffentliche Straße geknüpft. Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück wird durch die zu reinigende Straße jedoch nicht erschlossen, da es diesem Grundstück an einer innerhalb geschlossener Ortslagen üblichen und sinnvollen Nutzung fehlt. Der Senat schließt sich in dieser Frage der mit überzeugenden Gründen vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 26.2.2003, NVwZ-RR 2004, S. 68) und vom Verwaltungsgericht Leipzig (Urt. v. 20.7.1998, VwRR MO 1998, 274) vertretenen Auffassung an.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 StrRS sind Verpflichtete im Sinne dieser Satzung die Eigentümer oder Besitzer der durch die öffentlichen Straßen erschlossenen Grundstücke. Dies sind nach Satz 2 die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an eine öffentliche Straße angrenzen und durch diese erschlossen werden (Anlieger) - Buchstabe a - oder die, ohne an eine öffentliche Straße anzugrenzen, über diese erschlossen werden (Hinterlieger) - Buchstabe b -. Nach § 1 Abs. 5 StrRS ist ein Grundstück erschlossen, wenn ein Zuweg (Zugang, Zufahrt) zu der der Reinigung unterliegenden öffentlichen Straße (Erschließungsstraße) besteht - Buchstabe a - oder die Schaffung eines Zuwegs (Zugang, Zufahrt) zu der der Reinigung unterliegenden öffentlichen Straße (Erschließungsstraße) tatsächlich und rechtlich möglich ist - Buchstabe b -. Den Begriff der Erschließung hat die Beklagte unzutreffend ausgelegt.

Das Verwaltungsgericht hat richtig festgestellt, dass der Begriff des "Erschlossenseins" im Straßenrecht nicht die gleiche Bedeutung hat wie im Baurecht. Der straßenrechtliche Erschließungsbegriff ist weiter zu fassen als der baurechtliche (vgl. Stemshorn in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 RdNr. 433 ff.). Die Besonderheiten des Straßenrechts erlauben es, hinsichtlich der Erschließung auf den Vorteil abzustellen, der auf einer vorhandenen oder noch zu schaffenden Zugangsmöglichkeit von der Straße zum Grundstück beruht - sofern dadurch eine innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ermöglicht wird.

Die Rechtfertigung, Grundstückseigentümer für die Straßenreinigung mit Gebühren zu belasten, besteht darin, dass die Straßenreinigung nicht nur der Allgemeinheit zugute kommt, sondern auch im besonderen Interesse der Grundstückseigentümer liegt. Für sie wirkt sich die Straßenreinigung in Bezug auf die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Nutzung ihrer Grundstücke vorteilhaft aus. Soweit solche besonderen Vorteile jedoch nicht vorliegen, kommt mangels Erschlossenseins des Grundstücks eine Heranziehung des Eigentümers nicht in Betracht. An einem besonderen Vorteil fehlt es bei rein landwirtschaftlich genutzten Grundstücken innerhalb geschlossener Ortslagen - und zwar selbst dann, wenn ein Zugang zu dem innerörtlichen Grundstück von der Straße aus vorhanden ist. Während die innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Grundstücksnutzung im Wesentlichen geprägt ist durch eine intensive bauliche und/oder gewerbliche Nutzung bzw. eine Nutzung, die sich aus dem gemeindlichen Zusammenleben in geschlossener Ortslage ergibt, ist die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen schon vom Ansatz her üblicherweise dem Außenbereich zuzuordnen. Die typischen Belange des Zusammenlebens der örtlichen Gemeinschaft innerhalb der geschlossenen Ortslage sind bei einem landwirtschaftlichen Grundstück gerade nicht betroffen (OVG NW, aaO; VG Gießen, Urt. v. 27.5.2004, NVwZ-RR 2005, S. 131; vgl. auch VG Leipzig, aaO; a.A. zur Straßenreinigungsgebührenpflicht von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken: OVG MV, Beschl. v. 31.7.2002 - 1 L 14/02 -, zitiert nach juris, allerdings ohne nähere Begründung und unter Verweis auf überholte Rechtsprechung des OVG NW). Bei einem solchen Grundstück wird die Straße allenfalls gelegentlich im Rahmen der Bewirtschaftung genutzt. Zudem werden landwirtschaftliche Flächen üblicherweise über ein Geflecht von Wirtschaftswegen bewirtschaftet, die nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge zugelassen sind. Um baulich oder gewerblich genutzte Grundstücke zu erreichen, erfolgt dagegen eine tägliche Nutzung der Straße durch die Anwohner und ihre Besucher bzw. die Gewerbetreibenden sowie deren Zulieferer und Kunden. Außerdem wird die Straße von den entsprechenden Ver- und Entsorgungsfahrzeugen genutzt.

Es ist auch nicht ersichtlich, welcher Sondervorteil einer rein landwirtschaftlich genutzten Fläche durch eine Reinigung der vor dieser verlaufenden Straße erwachsen soll. Die Bewirtschaftungsmöglichkeit der als Acker oder Wiese genutzten Fläche verbessert sich durch die Reinigung der Straße nicht. Hygienegesichtspunkte spielen insoweit keine Rolle. Ästhetische Gesichtspunkte sind regelmäßig unbeachtlich. Auch unter dem Gesichtpunkt der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erlangt das landwirtschaftlich genutzte Grundstück durch die Reinigung der öffentlichen Straße üblicherweise keinen besonderen Vorteil. Wird nämlich die angrenzende Straße infolge der landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung über das übliche Maß hinaus verunreinigt, z.B. bei einer Verschmutzung der Straße durch Ackerfahrzeuge oder Viehtrieb, hat der Eigentümer - worauf auch die Kläger hinweisen - die Verunreinigung unabhängig von der gemeindlichen Straßenreinigung unverzüglich zu beseitigen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsStrG). Auf die nächste Durchführung der öffentlichen Straßenreinigung kann und darf der Verursacher wegen der sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergebenden Reinigungspflicht nicht warten. Wird hingegen eine nicht über das übliche Maß hinausgehende Verunreinigung öffentlich gereinigt, so ist ein Vorteil für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Zusammenhang mit der Benutzung rein landwirtschaftlicher Grundstücke nicht gegeben (vgl. OVG NW, aaO).

Da der Vorteil, der den Klägern aus der landwirtschaftlichen Nutzung ihres Grundstücks bzw. dessen Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung erwächst, entgegen der Auffassung der Beklagten zum Zweck der Straßenreinigung keinen Bezug hat und es deshalb an einer Erschließung fehlt, kann letztlich dahinstehen, auf welchem Weg die Zufahrt auf das Grundstück tatsächlich erfolgt und welche rechtliche Qualität die Zufahrtsmöglichkeit hat. Das Argument der Kläger, dass ihre Pächterin das Grundstück über einen Wirtschaftsweg auf dem Flurstück Nr. bewirtschafte, verdeutlicht indes zudem diesen fehlenden Bezug. Gestützt wird es durch die Angaben des Zeugen H. , an dessen Glaubwürdigkeit der Senat keinen Zweifel hat. Der Zeuge H. hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.3.2007 bekundet, dass seine Mitarbeiter bereits in den Jahren 2000 und 2002 angewiesen gewesen seien, das Grundstück der Kläger vom K. , der auf der Flurstücksgrenze der Flurstücke und verläuft, aus anzufahren und zu bewirtschaften. Wegen des fehlenden Bezugs zwischen Vorteil und Straßenreinigung kann auch offen bleiben, welchen Hintergrund die auf einigen - teilweise nach 2000/2002 aufgenommenen - Luftbildern erkennbaren Spuren haben, die gegenüber der Werkstraße auf das Grundstück der Kläger führen.

Aufgrund der fehlenden Erschließung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks im Sinne des Straßenreinigungsrechts ist nicht mehr zu klären, ob - wie das Verwaltungsgericht meint - die in der Satzung der Beklagten getroffenen Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 5 und 7 StrRS) gegen § 14 Abs. 1 SächsGemO verstoßen, deren Nichtigkeit aber nicht zur Nichtigkeit der übrigen Satzungsbestimmungen führt. Unabhängig davon, ob nicht die Regelung des § 51 Abs. 1 und Abs. 5 SächsStrG als Spezialregelung dem § 14 Abs. 1 SächsGemO vorgeht, hat der Senat jedenfalls Zweifel daran, dass es an einem öffentlichen Bedürfnis für den Anschluss- und Benutzungszwang fehlt und §§ 5 und 7 StrRS deshalb nicht mit der höherrangigen Norm vereinbar sind.

Nach § 14 Abs. 1 SächsGemO kann die Gemeinde bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Anlagen zur Wasserversorgung, Ableitung und Reinigung von Abwasser, Fernwärmeversorgung und ähnliche dem öffentlichen Wohl, insbesondere dem Umweltschutz dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen, (...), (Benutzungszwang) vorschreiben. Das öffentliche Bedürfnis ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und immer dann zu bejahen, wenn Gründe der gesundheitspolizeilichen Gefahrenabwehr oder ausreichende Gründe zur Förderung der Allgemeinheit vorliegen. In diesem Sinne liegt ein öffentliches Bedürfnis vor, wenn für die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges ausreichende generelle Gründe des öffentlichen Wohls sprechen, ohne dass sie bei jedem einzelnen Grundstück vorliegen müssen. Fiskalische Interessen allein können ein öffentliches Bedürfnis nicht begründen. Die Aufzählung der Einrichtungen in § 14 Abs. 1 SächsGemO ist nicht abschließend. Sie wird durch den unbestimmten Rechtsbegriff "ähnliche dem öffentlichen Wohl, insbesondere dem Umweltschutz dienende Einrichtungen" ergänzt. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die Straßenreinigung (Krieger/Bromberger/Eichert/Wagner, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, § 14, Erläuterungen 1 und 3; Brüggen/Heckendorf, SächsGemO, § 14 RdNr. 54 f.). Dementsprechend ist der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17.6.1998 (SächsVBl. 1998, 240) davon ausgegangen, dass Anknüpfungspunkt für die Heranziehung zu den Kosten der Straßenreinigung die fingierte Inanspruchnahme der Einrichtung "Straßenreinigung" ist und die Straßenreinigungsabgabe nach § 51 Abs. 5 Satz 1 SächsStrG als Benutzungsgebühr im Sinne von §§ 9 ff. SächsKAG zu qualifizieren ist.

Da die Berufung bereits aus den oben ausgeführten Gründen Erfolg hat, ist dem weiteren Vorbringen der Kläger zur Angemessenheit der Gebühr nicht näher nachzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.307,31 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG in Übereinstimmung mit Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - NVwZ 2004, S. 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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