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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 5 BS 231/06
Rechtsgebiete: VwGO, SächsKAG, TwGS, AbwGS


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
SächsKAG § 2 Abs. 1 Satz 2
SächsKAG § 2 Abs. 2
TwGS § 3 Abs. 1
TwGS § 3 Abs. 2
TwGS § 3 Abs. 4
TwGS § 3 Abs. 4 Satz 1
TwGS § 3 Abs. 4 Satz 2
TwGS § 3 Abs. 5
AbwGS § 3 Abs. 1
AbwGS § 4
AbwGS § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 231/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Wasser- und Abwassergebühren; Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel

am 20. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 28. August 2006 - 6 K 494/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.131,90 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 28.8.2006, mit dem die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin vom 22.3.2006 gegen den Trinkwassergebührenbescheid des Antragsgegners vom 6.3.2006 und gegen seinen Abwassergebührenbescheid vom 15.3.2006 angeordnet worden ist, ist unbegründet. Die von ihm dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin mit der Begründung angeordnet, dass die angefochtenen Bescheide nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig seien, weil es ihnen an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlagen fehle. Da es sich bei den hier streitigen Gebühren um periodische Abgaben handele, müsse die Satzung jeweils eine hinreichend bestimmte Regelung zum Veranlagungszeitraum treffen, da die Wassergebührensatzung des Antragsgegners vom 24.9.2003 (in der Fassung vom 29.9.2005) - TwGS - und seine Abwassergebührensatzung vom 24.1.2003 in den Fassungen vom 9.4.2003 - bis 31.12.2003 - und - ab 1.1.2004 - vom 6.11.2003 die Gebührenschuld jeweils zum Ende des Veranlagungszeitraumes entstehen lassen. Die Satzungen ließen nicht erkennen, für welchen Zeitraum die Gebührenschulden entstehen. Zwar deuteten die Regelungen der Satzungen darauf hin, dass die Gebühren für ein Kalenderjahr erhoben werden; insbesondere werde auch die Grundgebühr für jeweils ein Jahr festgesetzt. Nicht erkennbar sei, ob das Erhebungsjahr mit dem Kalenderjahr identisch sei. Die Bescheide ließen vielmehr erkennen, dass der Antragsgegner in seiner Verwaltungspraxis von einem anderen Verständnis des Veranlagungszeitraumes ausgehe. Zudem enthielten die Satzungsklauseln jeweils den Zusatz "in der Regel". Dem Bürger sei es daher unmöglich anhand objektiver Kriterien festzustellen, wann die Gebührenschulden entstehen. Vielmehr werde die gebotene satzungsrechtliche Ausgestaltung unzulässig auf die Bescheidebene verlagert. Fehle es an einer hinreichend bestimmten Definition des Veranlagungszeitraumes in der Satzung, folge daraus deren Gesamtnichtigkeit.

Dem hält die Beschwerde des Antragsgegners entgegen, dass die Bescheide auf Grundlage wirksamer Satzungen erlassen wurden. Das Entstehen der Abgabenschuld sei gemäß den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes - SächsKAG - geregelt. Sowohl § 3 Abs. 1 TwGS als auch § 3 Abs. 1 AbwGS ließen die Gebührenpflicht, bei der es sich um die abstrakte Gebührenschuld handele, zu Beginn des Veranlagungszeitraumes entstehen. Eine Notwendigkeit zur Regelung auch der konkreten Gebührenschuld lasse sich § 2 Abs. 2 SächsKAG nicht entnehmen. Lediglich für Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, fordere ein Teil der Rechtsprechung die Festlegung eines Zeitintervalls, für welches die Gebühren anfallen sollen. Es sei zweifelhaft, ob man dies auch § 2 Abs. 2 SächsKAG entnehmen könne. Jedenfalls sei dieses Zeitintervall in den Satzungen festgelegt worden, nämlich auf regelmäßig ein Jahr (§ 3 Abs. 4 TwGS, § 4 Abs. 1 AbwGS). Die satzungsrechtlichen Normen seien auch hinreichend bestimmt. Es ergebe sich, dass die Abrechnung in der Regel einmal jährlich erfolge, nämlich entsprechend der jeweiligen Ablesung der Trinkwasserzähler. Dies sei auch eine praktische Notwendigkeit, denn es sei bei 20.000 Benutzern der Einrichtungen nicht möglich, alle Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erheben. Bislang seien die Satzungsregelungen vom Verwaltungsgericht nicht beanstandet worden. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht bislang den nunmehr zur Nichtigkeit führenden Veranlagungszeitraum von einem Jahr als normativ hinreichend festgelegt angesehen. Maßgebend sei lediglich eine angemessene Bestimmtheit der Normen, die auch die Eigenarten der Lebenssachverhalte berücksichtigen müsse. Es genüge die Bestimmbarkeit des Veranlagungszeitraums. Dem stehe nicht entgegen, dass der Antragsgegner den einjährigen Veranlagungszeitraum in der Satzung als Regelfall vorsehe. Soweit in Ausnahmefällen eine abweichende Regelung durch den Antragsgegner möglich sei, sei ihm ein Ermessensspielraum eingeräumt worden, wenn ein Sachverhalt vom Regelfall abweiche. Beispielhaft seien Gewerbetreibende in der Satzung angeführt, deren Lebensverhältnisse sich von denen privater Benutzer unterschieden.

Dieses Vorbringen greift nicht durch. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht in seiner Auffassung, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beiden angefochtenen Bescheide bestehen, weil es ihnen an einer wirksamen Rechtsgrundlage mangeln dürfte. Die TwGS und die AbwGS sind nach der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nichtig, weil sie die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG vorgegebenen notwendigen Satzungsinhalte vermissen lässt.

Dies gilt zunächst für den Trinkwassergebührenbescheid des Antragsgegners vom 6.3.2006, mit dem die Antragstellerin für die Zeiträume 1.6. - 31.12.2003, 1.1. - 12.5.2004, 13.5. - 31.10.2004, 1.11. - 31.12.2004, 1.1. - 5.4.2005, 6.4. - 29.4.2005, 30.4. - 27.5.2005, 28.5. -24.6.2005, 25.6. - 29.7.2005, 30.7. - 29.8.2005, 30.8. - 29.9.2005, 30.9. - 27.10.2005, 28.10.2005 - 25.11.2005, 26.11.2005 - 31.12.2005 und 1.1. - 2.1.2006 zu Trinkwassergebühren in Höhe von insgesamt 21.208,89 € - einschließlich Grundgebühr - veranlagt worden ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG muss eine Abgabensatzung u.a. die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabe bestimmen. Bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist hierzu die Festlegung des Zeitintervalles erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urt. v. 25.2.1998 - 4 K 8/97 -, - 4 K 18/97 -, KStZ 2000, 12; Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 -, VwRR MO 1997, 13). Außerdem muss geregelt sein, ob die Gebühr bereits am Beginn des Veranlagungszeitraumes oder zu einem späteren Zeitpunkt entsteht. Diesen Anforderungen genügt die TwGS des Antragsgegners, denn sie geht gemäß § 3 Abs. 4 vom Jährlichkeitsprinzip aus und lässt sie nach § 3 Abs. 2 zum Ende des Veranlagungszeitraumes entstehen. Allerdings definiert die TwGS diesen Veranlagungszeitraum nicht. Es fehlt an einer Aussage, ob das Veranlagungsjahr mit dem Kalenderjahr identisch sein soll. Soweit die Regelung in § 3 Abs. 4 TwGS darauf hindeutet, dass es sich bei dem Veranlagungszeitraum um denjenigen zwischen zwei Ableseterminen, somit um eine auch nicht näher definierte Ableseperiode als Veranlagungszeitraum handeln soll, wird der Zeitraum nach Beginn, Dauer und Ende als variable Größe festgelegt, für den die Gebühr im Einzelfall berechnet wird. Damit kommt es zu einer Lösung des zeitlichen Zusammenhanges zwischen Leistungs- und Kalkulationszeitraum, denn letzterer ist auf das Kalenderjahr bezogen. Nach gebührenrechtlichem Wortverständnis ist ein Veranlagungszeitraum nicht ausschließlich ein Abrechnungszeitraum, für den die Gebühren unter Anwendung des Gebührensatzes für den Einzelfall ihrer Höhe nach berechnet werden sollen, sondern darüber hinaus der Bezugszeitraum, auf den sich die Kostenbetrachtung und damit auch die Kalkulation bezieht. Eine Satzungsregelung, die es der Verwaltung überlässt, den Leistungszeitraum abweichend vom Kalkulationszeitraum zu bestimmen, was etwa durch die Definition des Veranlagungszeitraumes als Ableseperiode der Fall ist, ist deswegen unzulässig (vgl. OVG Brandenburg, Urt. v. 22.8.2002 - 2 D 10/02.NE -, LKV 2003, 278).

Die TwGS entspricht offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen. Da § 3 Abs. 2 TwGS das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des Veranlagungszeitraumes knüpft, muss dieser in der Satzung ausdrücklich bestimmt werden. Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung bedarf es insoweit einer genauen Bestimmung, wobei wegen der notwendigen Deckungsgleichheit mit dem Kalkulationszeitraum in der Regel auf das Kalenderjahr abgestellt wird (vgl. Mustersatzung Schmutzwasserentsorgung des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Sachsenlandkurier 2004, 396). Die Angabe eines Zeitintervalls und des Anknüpfungstatbestandes "Ablesung" genügt nicht, da hierdurch individuelle Veranlagungszeiträume ohne Bezug zur Kalkulation geschaffen werden.

Soweit der Antragsgegner insoweit darauf verweist, dass es bei einer kalenderjahrbezogenen Veranlagung praktische Probleme gäbe, wenn die Ablesung der Wasserzähler aller Benutzer an ein und demselben Tag erfolgen müsse, überzeugt diese Argumentation nicht. Denn ein Wasserzähler zeigt immer nur den aktuellen Verbrauchsstand an. Eine Aufteilung der zu einem bestimmten Ablesetermin ermittelten Verbrauchsdaten auf einzelne Zeitabschnitte innerhalb der Abrechnungsperiode ist daher nicht ohne weiteres möglich. Daher enthält § 3 Abs. 5 TwGS auch eine - nach summarischer Prüfung nicht zu beanstandende - Regelung, wonach die durch Ablesung ermittelten Verbrauchszahlen dem Zeitanteil nach aufzuteilen sind. Hierdurch wird auch die Abrechnung eines bestimmten Veranlagungszeitraumes ermöglicht, unabhängig davon, wann die Ablesung erfolgt. Erfolgt etwa die Ablesung im Februar eines Jahres und der Veranlagungszeitraum ist das Kalenderjahr, müssen die ermittelten Verbrauchszahlen auf das abgelaufene Kalenderjahr und das laufende Kalenderjahr aufgeteilt werden. Erhoben werden können nur die Gebühren für das abgelaufene Jahr, da die Abgabenschuld für das laufende Kalenderjahr noch nicht entstanden ist. Es kommt daher nicht darauf an, wann die Ablesung erfolgt, sofern dieser Zeitpunkt jedenfalls nicht vor dem Entstehen der Gebührenschuld liegt.

Im Übrigen entspricht die Argumentation des Antragsgegners auch nicht den tatsächlichen Verhältnissen, denn in dem angefochten Trinkwassergebührenbescheid führt er selbst verschiedene Zeiträume auf, denen Verbrauchszahlen zugeordnet werden, die offensichtlich sämtlich durch Ablesung zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt wurden. Eine Systematik ist nicht feststellbar.

Insoweit ergeben sich auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Trinkwassergebührenbescheides wegen Nichtigkeit der TwGS. Denn die Antragstellerin als Gewerbetreibende unterfällt § 3 Abs. 4 Satz 2 TwGS, wonach der Antragsgegner solchen gegenüber im Gegensatz zu anderen Benutzern einen anderen Veranlagungszeitraum festlegen können soll. Mit dieser Öffnungsklausel überträgt der Satzungsgeber die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG Festsetzungsbefugnis in unzulässiger Weise auf die Verwaltung, anstelle sie selbst vorzunehmen. Durch die Formulierung "in der Regel" in § 3 Abs. 4 Satz 1 TwGS ermöglicht der Satzungsgeber der Verbandsverwaltung darüber hinaus weitere Festsetzungsbefugnisse, die wegen § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG jedoch nur ihm selbst obliegen. Wenn er in Ausnahmefällen eine Abweichung vom Regelfall als zulässig erachtet, muss der Satzungsgeber diese Ausnahmefälle und den für sie geltenden abweichenden Veranlagungszeitraum selbst definieren.

Auch der Abwassergebührenbescheid vom 15.3.2006 begegnet ernstlichen rechtlichen Zweifeln im Hinblick auf die Wirksamkeit der ihm zugrunde liegenden Abwassergebührensatzung des Antragsgegners. Denn die in § 4 AbwGS getroffenen Regelungen zum Veranlagungszeitraum entsprechen im Wesentlichen den in der vom Senat aus vorstehenden Gründen für nichtig erachteten TwGS. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einräumung von Festsetzungsbefugnissen für die Verbandsverwaltung in nicht näher definierten Ausnahmefällen. Soweit § 4 Abs. 2 AbwGS als Veranlagungszeitraum die jeweilige "Ableseperiode" festlegt, ist diese Regelung ebenfalls zu unbestimmt. Denn sie führt dazu, dass individuelle Veranlagungszeiträume geschaffen werden. Mit der Ablesung entsteht die Gebührenschuld an diesem Tag für den betroffenen Benutzer. Auch hier sind Beginn, Dauer und Ende des Veranlagungszeitraumes variabel festgelegt (vgl. OVG Brandenburg, Urt. v. 22.8.2002 - 2 D 10/02.NE -, LKV 2003, 278), so dass die AbwGS denselben rechtlichen Bedenken unterliegt wie die TwGS.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004 (s. Anh. in Beck-Texte im dtv, VwGO, 30. Auflage), den Streitwert in abgabenrechtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit einem Viertel des in der Hauptsache nach § 52 Abs. 3 GKG festzusetzenden Streitwertes zu bemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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