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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 5 BS 295/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hindert das Oberverwaltungsgericht nicht daran, neue unstrittige oder offenkundige Umstände zu berücksichtigen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 295/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Bewilligung eines Integrationshelfers zur Schulbegleitung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt

am 29. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Oktober 2006 - 13 K 1942/06 - wird mit den Maßgaben zurückgewiesen, dass die Verpflichtung der Antragsgegnerin nur bis zur Fortsetzung der Leistung durch die Stadt Chemnitz und ab dem Tag der Zustellung dieses Beschlusses nur in einem Umfang von bis zu 23 Stunden wöchentlich besteht.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A. T. , Dresden, bewilligt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30.10.2006 - 13 K 1942/06 - ist unbegründet. Die von der Antragsgegnerin fristgerecht dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung. Das Oberverwaltungsgericht ist indes durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht gehindert, neue zwischen den Beteiligten nicht umstrittene sowie offenkundige Umstände zu berücksichtigen und im Tenor klarzustellen.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum Ende des Schuljahres 2006/2007, die Kosten eines Integrationshelfers für wöchentlich 27 Stunden für den Besuch der Montessori-Mittelschule in Chemnitz zu übernehmen. Der Anspruch ergebe sich aus § 35a SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Der Antragsteller leide längerfristig an einer seelischen Beeinträchtigung in Gestalt von Hyperaktivität verbunden mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS), welche ohne unterstützende Maßnahmen dazu führten, dass er über einen längeren Zeitraum nicht konzentriert arbeiten könne, den Unterricht störe und Konflikte mit seinen Mitschülern provoziere. Diese Probleme erreichten ein solches Ausmaß, dass sie eine Beschulung an einer regulären Schule ohne zusätzliche unterstützende Maßnahmen ausschlössen. Den Einschätzungen des Regionalschulamtes Dresden lasse sich kein Vorrang des Besuchs einer Förderschule gegenüber einer integrativen Beschulung entnehmen. Die Möglichkeit, dass der Antragsteller schulrechtlich auch eine Förderschule besuchen könne, stehe auch vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Nachranggrundsatzes dem Anspruch auf Eingliederungshilfe durch einen Integrationshelfer nicht entgegen. Zwar führe nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts bereits die schulrechtliche Wahlmöglichkeit bei fehlender eindeutiger Zuweisung zu einer Schulform durch das Regionalschulamt dazu, dass der Zusatzkosten verursachenden Alternative der Eingliederungshilfe grundsätzlich der Nachrang der Sozialleistungen und der Mehrkostenvorbehalt entgegen gehalten werden könne. Ungeachtet dessen, dass dieser Ansatz der Kammer nicht unproblematisch erscheine, habe aber auch nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die kostengünstigere Alternative zurückzutreten, wenn diese nach den besonderen Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen unzumutbar sei. So verhalte es sich hier. Dem Antragsteller sei bei summarischer Prüfung ein Schulwechsel auf die Förderschule und der Abbruch der integrativen Unterrichtung an der Montessori-Mittelschule unter Berücksichtigung seines Lebenslaufes, seiner bisherigen Schullaufbahn, der Art seiner seelischen Beeinträchtigung und der Entwicklung, die er an der Montessori-Mittelschule genommen habe, nicht zuzumuten. Sein bisheriges Leben sei von einem Wechsel der Bezugspersonen geprägt gewesen und seine schulische Laufbahn sei unstet verlaufen. Insbesondere hätte der Besuch einer Förderschule mit einer kompletten Schulverweigerung geendet. Den aktenkundigen Begutachtungen und Stellungnahmen lasse sich demgegenüber entnehmen, dass der Antragsteller auf der Montessori-Mittelschule eine langsame, aber spürbar positive Entwicklung nehme.

Hiergegen wendet die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde ein, der Besuch einer Förderschule sei gegenüber einer integrativen Beschulung vorrangig. Entscheidend sei insoweit der Bescheid des Regionalschulamtes Dresden vom..6.2004, wonach die integrative Beschulung des Antragstellers widerrufen und er zum Besuch einer Förderschule für Erziehungshilfe verpflichtet worden sei. Spätere Schreiben des Regionalschulamtes Dresden, wonach einer integrativen Beschulung bei Einsatz eines Integrationshelfers zugestimmt werde, änderten an der Schulzuweisung nichts. Es handle sich lediglich um unverbindliche Stellungnahmen des Regionalschulamtes. Die integrative Beschulung an der Montessori-Mittelschule in Chemnitz sei mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten verbunden. Es ergebe sich ein Betrag von mehr als 3.000 € monatlich. Es sei auch zumutbar, den Antragsteller auf die Möglichkeit des Besuchs einer öffentlichen Förderschule zu verweisen. Die Montessori-Mittelschule mit ihren Freiräumen sei ungeeignet, dem Antragsteller klare Regeln und Strukturen vorzugeben und ihn entsprechend zu beschulen. Die Kinder- und Jugendhilfe sei nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu den schulischen Angeboten nachrangig. Erst nach Ausschöpfung der Angebote öffentlicher Schulen könne ein Rückgriff auf die Leistungen des öffentlichen Jugendhilfeträgers erfolgen. Aufgrund des Willens der Pflegeeltern solle der Antragsteller eine normale Mittelschule besuchen, obwohl er dazu nicht in der Lage sei. Die vom Verwaltungsgericht Dresden festgestellte positive Prognose beruhe auf Begutachtungen und Stellungnahmen von Personen, die an der Leistungserbringung beteiligt seien. Zumindest ein probeweiser Schulbesuch an der Förderschule für Erziehungshilfe in Chemnitz sei dem Antragsteller zuzumuten.

Dieser Vortrag rechtfertigt keine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller einen Anspruch aus § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auf Kostenübernahme für einen Integrationshelfer für den Besuch der Montessori-Mittelschule in Chemnitz hat.

Der Antragsteller ist von einer seelischen Behinderung bedroht, wovon auch beide Beteiligte übereinstimmend ausgehen. Einer Hilfeleistung kann nicht mit Erfolg der Nachrang der Jugendhilfe (vgl. § 10 SGB VIII) oder die Tatsache, dass der Besuch der Montessori-Mittelschule unverhältnismäßige Mehrkosten verursacht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII), entgegengehalten werden.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des 4. Senates der Kostenübernahme für einen Integrationshelfer an einer privaten Ersatzschule für einen Schüler, bei dem ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, regelmäßig der sozialhilferechtliche Mehrkostenvorbehalt entgegengehalten werden, wenn der Schüler auch die staatliche Förderschule besuchen kann (vgl. SächsOVG, Urt. v. 7.12.2005 - 4 B 131/05 - sowie Urt. v. 7.11.2001 - 4 B 188/05 - jeweils zu § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG). Dieser Rechtsprechung schließt sich der 5. Senat auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe an. Nach dem den sozialhilferechtlichen Regelungen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII, davor: § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG) entsprechenden § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII soll der Wahl und den Wünschen des Hilfeberechtigten (nur) entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Wenn also ein Schüler sowohl eine staatliche Förderschule als auch eine private Ersatzschule, bei deren Wahl unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen, besuchen kann, darf der Jugendhilfeträger der Kostenübernahme regelmäßig den Mehrkostenvorbehalt entgegenhalten.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt aber dann in Betracht, wenn der Besuch einer öffentlichen Schule aus besonderen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist (SächsOVG, aaO). Der Kostenvergleich darf sich nur auf geeignete Leistungen erstrecken, d.h. solche, die den konkreten Bedarf des Jugendlichen decken können (Neumann in: Hauck/Haines, SGB VIII, Stand: Nov. 2006, K § 5, RdNr. 18; Papenheim in: LPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 5 RdNr. 10). Kann der Besuch einer öffentlichen Schule den Bildungsbedarf des Schülers nicht oder nur zum Teil decken, kommt eine Verweisung auf diese Schule nicht in Betracht. Zudem ist eine wertende Betrachtungsweise unter Berücksichtigung des Gewichts, das der von dem Hilfeempfänger gewünschten Gestaltung der Hilfe im Hinblick auf seine individuelle Notsituation beizumessen ist, vorzunehmen (BVerwG, Urt. v. 17.11.1994, NJW 1995, 2428; SächsOVG aaO). Auf eine bei wertender Betrachtung unzumutbare Variante muss sich der Hilfebedürftige nicht verweisen lassen.

Wie vom Verwaltungsgericht Dresden zutreffend festgestellt, liegt hier ein besonderer Ausnahmefall, in dem der Besuch einer öffentlichen Schule nicht möglich oder unzumutbar ist, vor. Aus diesem Grund ist die Jugendhilfe auch nicht nachrangig.

Nach der im Eilverfahren regelmäßig allein gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass eine sinnvolle Beschulung des Antragstellers an einer Förderschule für Erziehungshilfe nicht möglich oder jedenfalls nicht zumutbar ist. Hierauf deutet bereits das Gutachten der Schule für Erziehungshilfe Dresden vom 10. September 2003 hin, wonach die Schule für Erziehungshilfe für den Antragsteller ungeeignet sei und eine integrative Beschulung an der Mittelschule empfohlen wird. Hierfür spricht auch der gescheiterte Versuch, den Antragsteller nach seinem stationären Aufenthalt in der Uniklinik Leipzig 2004 in einer Schule für Erziehungshilfe in Dresden zu beschulen, der mit Schulverweigerung endete. Auch die Einschätzung des Jugendamtes der Antragsgegnerin vom . November 2005, wonach der Antragsteller unter normalen durchschnittlichen Bedingungen keine Chance hat, entsprechend seinen Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Begabungen gefördert und Wissen und Werte vermittelt zu bekommen, spricht für die Ungeeignetheit oder Unzumutbarkeit des Besuchs einer Förderschule für Erziehungshilfe. Dieser Befund wird bekräftigt durch das von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegte aktuelle Gutachten der Chefärztin und Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Dr. med. . Z. , die zusammenfassend feststellt, dass bei dem Antragsteller ein schwer ausgebildetes Krankheitsbild mit einer bereits begonnen Persönlichkeitsfehlentwicklung vorliege. Eine altersgerechte soziale Teilhabe sei nur durch besondere individuelle Maßnahmen der Begleitung möglich. Die Gewährleistung dieser Maßnahme habe eine deutlich verbesserte Anpassungsleistung in der Schule erbracht. Die Beschulungsfähigkeit des Antragstellers sei infrage gestellt, falls die unterstützenden Maßnahmen wegfielen. Die Gutachterin Dr. Z. ist nicht an der Leistungserbringung beteiligt; der Senat hat keinen Grund, an ihrer Einschätzung zu zweifeln. Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidung auch, dass der Antragsteller über eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit verfügt und an der Mittelschule im Durchschnitt gute Leistungen erbringt (vgl. die Zensuren in der Halbjahresinformation der Mittelschule Klasse 8 vom 10. Februar 2006), andererseits aber noch erhebliche Probleme im Umgang mit seinen Mitschülern hat, die sich bei dem Besuch einer Förderschule für Erziehungshilfe, wo er auf weitere Schüler mit Verhaltens- und Erziehungsproblemen stoßen würde, verschärfen dürften. Die Tatsache, dass der Antragsteller gute Leistungen erbringt und sich sein Sozialverhalten gebessert hat, spricht auch gegen die Einschätzung der Antragsgegnerin, die Montessori-Mittelschule sei für den Antragsteller nicht geeignet.

Dem Besuch der Montessori-Mittelschule steht eine anders lautende verbindliche schulrechtliche Entscheidung des Regionalschulamtes nicht entgegen. Zwar hat dies mit Bescheid vom .6.2004 die integrative Beschulung an einer staatlichen Mittelschule widerrufen und die Verpflichtung des Antragstellers zum Besuch einer Förderschule festgestellt. Mit den nachfolgenden Schreiben vom . und . September 2005 hat das Regionalschulamt aber ausgeführt, dass im Falle der Bereitstellung eines Einzelfallhelfers auch einer integrativen Beschulung nichts im Wege stehe. Auf dem Antrag auf integrativen Unterricht im Schuljahr 2005/06, der beim Regionalschulamt am . August 2006 eingegangen ist, haben sowohl der Schulleiter der Förderschule, als auch der Schulträger und die Schulreferenten Mittelschule und Förderschule des Regionalschulamtes Chemnitz das Einvernehmen bzw. die Zustimmung zur integrativen Beschulung erklärt. Dass es sich bei diesen Einschätzungen der äußeren Form nach nicht um Verwaltungsakte handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine verbindliche Zuweisung des Antragstellers an eine private Ersatzschule wäre wegen des vorrangig in Vertragsfreiheit zu regelnden Besuches einer privaten Schule ohnehin nicht möglich (vgl. SächsOVG, Urt. v. 7.11.2001 - 4 B 188/05 -). Damit steht dem Antragsteller sowohl die Möglichkeit einer integrativen Beschulung an einer Schule in freier Trägerschaft als auch der Besuch einer Förderschule offen.

Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt der Senat indes im Tenor klar, dass die Verpflichtung der Antragsgegnerin nur in einem Umfang von bis zu 23 Stunden wöchentlich und nur bis zu einer Fortsetzung der Leistung durch die Stadt Chemnitz besteht.

Die Vertreterin der Antragstellerin hat nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 11.12.2006 mitgeteilt, dass aufgrund der guten Entwicklung des Antragstellers inzwischen die Stundenzahl des Integrationshelfers auf im Dezember 2006 25 Stunden und ab Januar 2007 23 Stunden pro Woche herabgesetzt werden konnte. Folglich besteht ein Anspruch des Antragstellers auch nur in diesem Umfang. Der Senat geht davon aus, dass die Notwendigkeit des Leistungsumfanges auch künftig ständig überprüft und soweit möglich reduziert wird.

Bis zum 28. Februar 2007 war die Antragsgegnerin für die Gewährung der Leistungen nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig, weil in ihrem Bereich die personensorgeberechtigte Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Seit 1. März 2007 lebt der Antragsteller zwei Jahre bei seiner Pflegefamilie. Sofern sein Verbleib bei dieser Pflegefamilie auf Dauer zu erwarten ist, wäre der örtliche Träger der Pflegefamilie - die Stadt Chemnitz - zuständig geworden. Allerdings bleibt die Antragsgegnerin nach § 86c SGB VIII solange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis die Stadt Chemnitz die Leistung fortsetzt.

Der Senat ist an diesen Klarstellungen nicht durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gehindert. Nach dieser Vorschrift prüft das Oberverwaltungsgericht bei einer Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Dies schließt es aber nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht neue unstrittige oder offensichtliche Umstände berücksichtigt, wenn sich hieraus keine Verfahrensverzögerung ergibt. Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist eine Verfahrensbeschleunigung. Das Gericht soll nicht von sich aus in eine zur Verzögerung des Beschwerdeverfahrens führende umfassende Überprüfung der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidungen eintreten, wenn die Beschwerdebegründung hierfür keinen Anlass bietet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146 RdNr. 43; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 146 RdNr. 13f). Dieser Sinn und Zweck würde jedoch nicht erreicht, wenn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO es dem Oberverwaltungsgericht verbieten würde, neue unstrittige oder offenkundige Umstände nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer wäre dann ggf. gehalten, nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes noch einen Antrag auf Abänderung (vgl. § 80 Abs. 7 VwGO) beim Verwaltungsgericht zu stellen. Dies wäre nicht verfahrensökonomisch (vgl. Kopp/Schenke, aaO; Meyer/Ladewig/Rudisile, aaO; ebenso, aber noch weitergehend: BayVGH, Beschl. v. 23.1.2002, NVwZ 2003, 118; Beschl. v. 27.8.2002, NVwZ-RR 2003, 154; a.A. wohl: HessVGH, Beschl. v. 5.7.2002 - 12 TG 959/02 - zitiert nach juris).

Dem Antragsteller ist nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.

Die Kostenentscheidung für das nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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