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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 5 BS 71/04
Rechtsgebiete: GG, BAföG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2
BAföG § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 (Fassung 22.5.1990)
1. Eine Wohnung der Eltern i.S.d. § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG (Fassung 22.5.1990) kann nicht angenommen werden, wenn die Eltern bzw. der Elternteil des Auszubildenden aus zwingenden persönlichen Gründen nicht mehr die Möglichkeit haben/hat, über ihre/seine Wohnverhältnisse frei zu bestimmen (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 27.2.1992, NVwZ 1992, 887 [888]).

2. Lebt ein geschiedener Elternteil eines volljährigen Auszubildenden mit seinem neuen Lebenspartner und dessen minderjährigem Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der Wohnung des Lebenspartners und lehnt dieser berechtigt die Aufnahme des Auszubildenden in seine Wohnung ab, so kann der Elternteil des Auszubildenden jedenfalls dann frei über seine Wohnverhältnisse verfügen, wenn keines der Mitglieder einer solchen Lebensgemeinschaft aus zwingenden Gründen auf die Hilfe eines anderen Mitgliedes angewiesen ist, die nur in einer Lebensgemeinschaft mit dem Elternteil des Auszubildenden, nicht aber auch in einer Begegnungsgemeinschaft geleistet werden kann.

3. Weder Art. 6 Abs. 1 und 2 GG noch Art. 2 Abs. 1 GG gebieten in einem solchen Fall, dem Schutz der nichtehelichen und nichtfamiliären Lebensgemeinschaft ein stärkeres Gewicht beizumessen als dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen Verwendung von Mitteln der Ausbildungsförderung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 71/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausbildungsförderung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für ein noch durchzuführendes Beschwerdeverfahren

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik

am 16. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin C. S. für ein noch durchzuführendes Verfahren der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. Dezember 2003 - 13 K 3609/03 - wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die am 1986 geborene Antragstellerin begehrt Ausbildungsförderung für den Besuch der 12. Klasse des H. -Gymnasiums in R. . Ihre Eltern wurden im Mai 1997 geschieden. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin wurde beiden Elternteilen gemeinsam belassen. Der Vater der Antragstellerin lebt seit 1997 mit seiner Lebensgefährtin in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen mit deren 17-jährigen Tochter. Sie bewohnen eine im Alleineigentum der Lebensgefährtin stehende Doppelhaushälfte in R. mit einer Gesamtwohnfläche von 80 m2. Nach den Angaben der Antragstellerin und einer eidesstattlichen Versicherung ihres Vaters und deren Lebensgefährtin befinden sich im Erdgeschoss des Hauses eine Wohnküche, das Bad und ein 13 m2 großes, von der Tochter der Lebensgefährtin bewohntes Zimmer. Im ausgebauten Dachgeschoss befindet sich das Schlafzimmer.

Die Antragstellerin lebt seit dem 1.7.2003 in einer eigenen Wohnung in R. . Bis zu diesem Zeitpunkt wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter in der elterlichen Wohnung in R. . Ihre Mutter verlegte ihren Wohnsitz am 15.8.2003 nach C. .

Am 30.6.2003 beantragte die Antragstellerin Ausbildungsförderung. Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 3.9.2003 den Antrag mit der Begründung ab, dass die Ausbildungsstätte von der Wohnung des Vaters aus erreichbar sei. Den daraufhin von der Antragstellerin gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Ausbildungsförderung zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 12.12.2003 ab.

Am 27.1.2004 hat die Antragstellerin beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht den Antrag gestellt, ihr für ein noch durchzuführendes Verfahren der Beschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für ein noch durchzuführendes Beschwerdeverfahren ist zulässig, aber nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12.12.2003 setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit seines Erfolgs voraus. Hierzu bedarf es der Feststellung, dass bei summarischer Prüfung des beabsichtigten Rechtsmittels der Ausgang des Verfahrens als zumindest offen erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn der vom Hilfe Begehrenden vorgetragene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 8.1.2001 - 5 BS 312/00 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, dass die Antragstellerin einen auf die Bewilligung von Ausbildungsförderung gerichteten Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Sie habe insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass hinsichtlich der Wohnung ihres - neben der Mutter - ebenfalls sorgeberechtigten Vaters in R. die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG erfüllt seien. Es fehle bereits an der Glaubhaftmachung der Behauptung, dass die Lebensgefährtin des Vaters die Aufnahme der Antragstellerin in die in ihrem Eigentum stehende Doppelhaushälfte ablehne. In ihrer - undatierten - eidesstattlichen Versicherung erkläre die Lebensgefährtin lediglich, dass ihr die Wohnung in der K. Straße in R. gehöre, in der sie mit ihrer Tochter S. und dem Vater der Antragstellerin gemeinsam lebe. Sie beziffere dabei die Wohnungsgröße mit 80 m2 und benenne die Raumaufteilung wie folgt: Flur, Wohnküche, Bad und das Zimmer der Tochter S. im Erdgeschoss sowie das eigene Schlafzimmer im Obergeschoss. Demgegenüber habe die Lebensgefährtin des Vaters keine Erklärung des Inhaltes abgegeben, dass sie nicht bereit sei, die Antragstellerin für die Dauer des letzten Schuljahres in ihre Wohnung aufzunehmen. Insbesondere lasse sich ein derartiger Erklärungsinhalt ihrer vorgelegten eidesstattlichen Versicherung nicht entnehmen, soweit dort die Wohnfläche und Raumaufteilung dargelegt werde. Eine Wohnfläche von 80 m2 würde für einen Vier-Personen-Haushalt zumindest durchschnittlichen Anforderungen genügen. Zudem sei es nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass zwei gleichaltrige Mädchen gemeinsam einen Raum nutzen könnten, wie es insbesondere auch in Studentenwohnheimen u.a. praktiziert werde.

Selbst wenn glaubhaft gemacht worden wäre, dass die Lebensgefährtin des Vaters der Antragstellerin es ablehne, diese in die Wohnung K. Straße aufzunehmen, wäre ein Anordnungsanspruch betreffend Ausbildungsförderung ausgeschlossen, weil ihr Vater nach wie vor über die Möglichkeit verfüge, über seine Wohnverhältnisse frei zu entscheiden. Er sei daran nämlich nicht aus zwingenden persönlichen Gründen gehindert. Es genüge entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht, dass die Lebensgefährtin ihres Vaters ihre Aufnahme in die Wohnung K. Straße berechtigt ablehne. Ihr Vater sei weder mit seiner neuen Partnerin verheiratet noch sei aus dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Kind hervorgegangen. Demgegenüber sei unbeachtlich, dass er ein gutes Verhältnis zur Tochter seiner Lebensgefährtin pflege. Der Vater der Antragstellerin könne aber, wie oben ausgeführt, über seine Wohnverhältnisse frei bestimmen und für die Dauer des letzten Schuljahres mit der Antragstellerin eine gemeinsame Wohnung beziehen, ohne dass hierdurch der Schutzbereich des Art. 6 GG hinsichtlich der neuen Beziehung berührt werde. Das öffentliche Interesse an einer finanziellen Entlastung der staatlichen Förderungsverwaltung genieße deshalb weiter den Vorrang gegenüber dem Interesse des Elternteils und seines Lebenspartners - mit dem er nicht verheiratet ist - ohne das auszubildende Kind zusammenzuwohnen.

Die Antragstellerin trägt in ihrem Antragsschriftsatz vor, dass das Zimmer der Tochter der Lebensgefährtin ihres Vaters 13 m2 groß sei. Neben der Tochter der Lebensgefährtin sei für sie in diesem Zimmer kein Platz. Das Zimmer sei so klein, dass nicht einmal alle Sachen der Tochter der Lebensgefährtin ihres Vaters in dem Zimmer untergebracht werden könnten. Es sei deshalb nicht möglich, noch ein weiteres Bett, einen zweiten Schreibtisch und einen weiteren Schrank in diesem Zimmer unterzubringen. Im Hinblick auf den Besuch unterschiedlicher Schulen würden sich die beiden Mädchen nur gegenseitig stören. Zudem bestehe zwischen ihnen keine persönliche Beziehung. Unzumutbar sei es auch, sie, die Antragstellerin, im gemeinsamen Schlafzimmer ihres Vaters und seiner Lebensgefährtin unterzubringen. Eine Übernachtung in der Wohnküche des Einfamilienhauses sei ebenfalls nicht möglich. Dieser Raum werde von allen genutzt. Dort stehe der Fernseher. Es werde in der Küche gekocht.

Die Lebensgefährtin ihres Vaters lehne es deshalb ab, sie in ihr Haus aufzunehmen. Diese Ablehnung sei auch berechtigt, da es die räumlichen Verhältnisse nicht zuließen, die Antragstellerin in das Haus der Lebensgefährtin ihres Vaters aufzunehmen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könne ihr Vater auch nicht mehr frei über seine Wohnverhältnisse bestimmen. Ihm sei es nicht zumutbar, während des letzten Schuljahres der Antragstellerin aus der mit seiner Lebensgefährtin gemeinsam bewohnten Wohnung auszuziehen, um bis zum Schulabschluss mit seiner Tochter zusammenzuwohnen. Ihr Vater habe bereits 1997 zusammen mit seiner Lebensgefährtin den Entschluss gefasst, eine umfassende Lebensgemeinschaft auf Dauer einzugehen. Er habe sich auch um das leibliche Kind seiner Lebensgefährtin wie um sein eigenes Kind gekümmert. Die tiefe innere soziale Bindung ihres Vaters an seine Lebensgefährtin und deren Tochter sei Teil seines Menschseins. Wegen des Menschseins komme ihm ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, eine Menschenwürde, die nicht verletzt werden dürfe. Seine Menschenwürde werde aber dadurch verletzt, wenn ihm im Interesse der Entlastung der staatlichen Förderungsverwaltung zugemutet würde, die bereits auf Dauer eingegangene Lebensgemeinschaft zu unterbrechen und die tiefe Bindung zu den Menschen zumindest abzuschwächen, die bislang einen großen Teil seines Lebens ausgemacht hätten. Die Lebensgemeinschaft ihres Vaters stehe nicht nur unter dem Schutz des Art. 1 GG, sondern auch unter dem Schutz des Art. 6 GG. Die Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 6 GG entspreche damit einem modernen Familienbegriff. Die Gesellschaft habe sich seit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes verändert. Ehen würden häufig geschieden. Die Partner würden neue Beziehungen eingehen. Die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder lebten bei dem einen oder anderen Elternteil und dessen neuen Partner. Auf diese Weise werde eine neue Familie gegründet, die ebenfalls des grundgesetzlichen Schutzes bedürfe. Viele Paare entschlössen sich auch, ohne Trauschein zusammenzuleben. Häufig würden in diesen Familien auch nichteheliche Kinder geboren. Auch eine solche Gemeinschaft bedürfe unabhängig davon, ob Kinder aus ihr hervorgegangen seien oder nicht, des grundgesetzlichen Schutzes vor Eingriffen in die Gemeinschaft.

Der Begriff der Familie müsse deshalb weit verstanden werden, um der heutigen Zeit gerecht zu werden. Andernfalls wäre nur ein Teil der Bevölkerung vom Grundrechtsschutz erfasst. Dies könne aber nicht der Wunsch der Verfassungsväter gewesen sein. Vielmehr solle der engste persönliche Bereich geschützt werden, der damals noch aus der Ehe und den ehelich geborenen Kindern bestanden habe. Im Hinblick auf die Änderung der Zeiten müsse der Schutzbereich des Art. 6 GG angepasst und erweitert werden.

Mit diesem Vorbringen hat die Antragstellerin keine Gründe vorgetragen, die den Ausgang des Beschwerdeverfahrens zumindest als offen erscheinen lassen.

Der Anspruch der Antragstellerin auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Besuch der 12. Klasse des H. -Gymnasiums in R. richtet sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG. Danach wird Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt.

§ 2 Abs. 1a Satz 1 BAföG beschränkt die Ausbildungsförderung für den Besuch der o.g. Ausbildungsstätten auf Auszubildende, welche nicht bei ihren Eltern wohnen. In diesen Fällen wird Ausbildungsförderung aber nur dann geleistet, wenn von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist (Nr. 1), der Auszubildende einen eigenen Haushalt führt und verheiratet ist oder war (Nr. 2) oder einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt (Nr. 3).

Der im Falle der Antragstellerin allein in Betracht kommende Fall des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG liegt nicht vor. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Falle der Antragstellerin nicht erfüllt sind.

Der weder in § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG noch in einer Norm des Ausbildungsförderungsrechts näher bestimmte Begriff der elterlichen Wohnung ist nach Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung zu definieren. Das Gesetz knüpft als Ausgangspunkt für die hier in Streit stehende Regelung an den typischen Lebenssachverhalt an, dass die Eltern ihren Kindern regelmäßig in den Räumen Unterkunft gewähren, die ihnen selbst als Wohnung zur Verfügung stehen. Unter dem Begriff Wohnung der Eltern im Ausbildungsförderungsrecht sind deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 17.2.1993, NVwZ-RR 1993, 557, m.w.N.) grundsätzlich die Räumlichkeiten zu verstehen, in denen die Eltern des Auszubildenden ihre nicht nur vorübergehende, sondern auf eine gewisse Dauer abzielende Unterkunft nehmen, unabhängig davon, ob sie Willens sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, den Auszubildenden bei sich aufzunehmen, oder ob zwischen dem Auszubildenden und seinen Eltern noch ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Sind die Eltern geschieden, gilt dies für jeden Elternteil entsprechend, wenn den Eltern die elterliche Sorge für das minderjährige Kind gemeinsam zusteht (hier bis zum 15.3.2004) bzw. es auf die Möglichkeit der Unterkunftsgewährung für das volljährige Kind ankommt (hier ab dem 2004).

Erhöhte Förderungsleistungen sollen nur dann erbracht werden, wenn der Auszubildende ausschließlich aus Gründen, die in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit der Ausbildung selbst stehen, außerhalb der elterlichen Wohnung untergebracht ist. Andere, z.B. soziale Gründe, wie die Erwerbstätigkeit der Eltern oder des alleinstehenden Elternteils oder beengte Wohnverhältnisse, die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirken, sind daher nicht berücksichtigungsfähig. Sofern aus derartigen Gründen der Auszubildende nicht mit seinen Eltern oder einem Elternteil zusammenleben kann, ist Abhilfe nicht durch Mittel der Ausbildungsförderung zu schaffen (BVerwG, Urt. v. 11.12.1986 - 5 C 71.85 - zitiert nach Juris).

Eine Wohnung der Eltern in dem vorgenannten Verständnis kann dagegen nicht angenommen werden, wenn die Eltern bzw. der Elternteil des Auszubildenden aus zwingenden persönlichen Gründen nicht mehr die Möglichkeit haben/hat, über ihre/seine Wohnverhältnisse frei zu bestimmen (BVerwG, Urt. v. 27.2.1992, NVwZ 1992, 887 [888]). Einen derartigen zwingenden persönlichen Grund hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 27.2.1992, NVwZ 1002, 887 [888]) für den Fall anerkannt, dass der Vater des Auszubildenden als maßgeblicher Elternteil nach Scheidung seiner mit der Mutter des Auszubildenden geschlossenen Ehe eine neue Ehe eingeht, die Stiefmutter des Auszubildenden dessen Aufnahme in ihre Wohnung berechtigt ablehnt und dem Vater des Auszubildenden im Hinblick auf die mit der neuen Ehe verbundene Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit fehlt, über seine Wohnverhältnisse frei zu entscheiden. In derartigen Fällen kann der Gesetzgeber nach der von ihm selbst geschaffenen Rechtsordnung gerade nicht davon ausgehen, dass der Auszubildende bei dem betreffenden Elternteil wohnen kann und ihm dort Unterhalt in Naturalleistung gewährt wird. Dies ist aber der tragende Grund für die in Rede stehende Einschränkung der Schülerförderung. Die Erwägung, der wieder verheiratete Elternteil habe das rechtliche Hindernis für die Aufnahme des Auszubildenden durch seine neue Eheschließung selbst herbeigeführt und dürfe für dieses seinem freien Willen unterliegende Verhalten nicht durch staatliche Ausbildungsförderung für sein Kind honoriert werden, wäre mit der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Pflicht zum besonderen Schutz der Ehe und der daraus folgenden Eheschließungsfreiheit nicht vereinbar. Denn damit würde dem geschiedenen Elternteil im Ergebnis zugemutet, bis zum Abschluss der Schulausbildung seiner Kinder aus erster Ehe im fiskalischen Interesse auf eine neue Eheschließung zu verzichten und sich ggf. mit der Führung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu begnügen, obwohl keineswegs stets von vornherein absehbar ist, ob eine Unterbringung der Kinder bei diesem Elternteil zum Zwecke ihrer Schulausbildung später überhaupt in Betracht kommt.

Einen zwingenden persönlichen Grund im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 28.4.1993, NVwZ-RR 1993, 558 [559]) auch für den Fall angenommen, dass der Elternteil des Auszubildenden mit einem nichtehelichen Lebenspartner und einem gemeinsamen Kind in der Wohnung des Lebenspartners wohnt und dieser die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung berechtigt ablehnt. In einem solchen Fall sind die Partner dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht nur durch den Willen, außerhalb der Lebensform einer Ehe auf Dauer zusammenzuleben, sondern auch und vor allem durch die ihnen gemeinsam obliegende Verantwortung für ihr gemeinsames Kind miteinander verbunden. Diese Verantwortung erfordert im Interesse einer möglichst optimalen Betreuung und Erziehung des - minderjährigen - Kindes eine häusliche Gemeinschaft der nicht verheirateten Eltern mit diesem. Die Möglichkeit, frei über ihre Wohnverhältnisse zu bestimmen, ist damit beiden Partnern der aus ihnen und einem gemeinsamen Kind bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft genommen. Eine solche Lebensgemeinschaft genießt den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG. Diese Gewährleistung schließt den Schutz gegen Maßnahmen ein, die gegen den Fortbestand der familiären Beziehung im Rahmen der bisher gelebten häuslichen Gemeinschaft gerichtet sind.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien ist die Wohnung der Mutter in C. als "Wohnung der Eltern" der Antragstellerin im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG anzusehen. Von dieser Wohnung aus ist jedoch - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar. Ein Wechsel auf ein in C. gelegenes Gymnasium ist der Antragstellerin wegen der damit verbundenen wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Ausbildung im letzten Schuljahr vor dem Abitur nicht zuzumuten.

Bei der vom Vater der Antragstellerin bewohnten Wohnung dürfte es sich zwar ebenfalls nicht um eine "Wohnung der Eltern" im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG handeln. Jedoch ist er nicht daran gehindert, frei über seine Wohnverhältnisse zu bestimmen.

Die vom Vater der Antragstellerin bewohnte Wohnung steht im Alleineigentum seiner Lebensgefährtin. Diese besitzt deshalb die alleinige Verfügungsbefugnis über die Wohnräume. Ihre Weigerung, die Antragstellerin in die Wohnung aufzunehmen, dürfte auf der Grundlage der Darlegung von Wohnfläche und Raumaufteilung berechtigt sein. Der Senat hält die Unterbringung der Antragstellerin in dem von der Tochter der Lebensgefährtin ihres Vaters bewohnten Zimmer für nicht zumutbar. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass allein die Größe des Zimmers (13 m2) der Unterbringung von zwei gleichgeschlechtlichen und zudem gleichaltrigen Jugendlichen nicht entgegensteht. Die Unzumutbarkeit der Unterbringung beider Mädchen in einem Zimmer ergibt sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit daraus, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin zwischen ihnen keine über einen längeren Zeitraum gefestigte persönliche Beziehung besteht. Verweigert in einem solchen Fall der Elternteil eines Kindes die Unterbringung des auszubildenden Kindes seines Lebenspartners in dem einzigen Kinderzimmer der Wohnung, so dürfte es sich dabei um eine berechtigte Weigerung jedenfalls dann handeln, wenn die Weigerung mit der Begründung erfolgt, im wohlverstandenen Interesse des eigenen Kindes zu handeln.

Der Senat braucht jedoch diese Frage nicht weiter zu vertiefen, da der Vater der Antragstellerin nicht daran gehindert ist, frei über seine Wohnverhältnisse zu bestimmen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Lebensgemeinschaft des Vaters der Antragstellerin mit seiner Lebenspartnerin nicht den Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG genießt. Ebenfalls kann sich der Vater der Antragstellerin nicht deshalb auf Art. 6 Abs. 2 GG berufen, weil er gegenüber der Tochter seiner Lebenspartnerin die Funktion des Vaters übernommen hat und sich insoweit eine enge persönliche Beziehung entwickelt hat.

Der Ehebegriff im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG setzt eine nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften geschlossene Ehe, d.h. unter Mitwirkung des Staates in Gestalt eines Standesbeamten, voraus (BVerfGE 31, 58 [82 f.]; 53, 224 [245]). Das Bundesverfassungsgericht definiert Ehe als das auf Dauer angelegte und zuvor staatlich beurkundete Zusammenleben von Mann und Frau in einer umfassenden (unauflöslichen) Lebensgemeinschaft (BVerfGE 10, 59 [66]; 62, 323 [330]; 76, 1). Folglich fallen nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern unter Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 9, 20 [34 f.]; 36, 146 [165]; 82, 6 [16]).

Auch wenn die zwischen dem Vater der Antragstellerin und seiner Lebensgefährtin bestehende Gemeinschaft keine bloße Begegnungsgemeinschaft, sondern eine - nichteheliche - Lebensgemeinschaft ist, wird sie nach den vorgenannten Grundsätzen nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst.

Der Familienbegriff des Art. 6 Abs. 2 GG knüpft ebenso wie der Ehebegriff an das bürgerlich-rechtliche Institut der Familie an (BVerfGE 6, 55 [82]). Familie ist die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (BVerfGE 10, 59 [66]; 80, 81 [90]). Die Lebensgemeinschaft des Vaters der Antragstellerin mit seiner Lebenspartnerin und deren - minderjährigem - Kind erfüllt diese Anforderung an eine Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG nicht. Es fehlt an dem Merkmal der unmittelbaren Beziehung zwischen dem Vater der Antragstellerin als Vater des Kindes seiner Lebenspartnerin. Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin, ihr Vater habe in der von ihm gelebten Lebensgemeinschaft die Rolle des Vaters für das Kind seiner Lebenspartnerein übernommen, das seinen leiblichen Vater bereits frühzeitig durch Tod verloren habe. Auch bei dieser Konstellation fehlt es an den Merkmalen des bürgerlich-rechtlichen Instituts der Familie. Eine solche Lebensgemeinschaft wird deshalb ebenfalls nur durch Art. 2 Abs. 1 GG erfasst.

Im Gegensatz zum Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verbietet Art. 2 Abs. 1 GG nicht schlechthin Maßnahmen, die gegen den Fortbestand der nichtehelichen und nichtfamiliären Lebensgemeinschaft gerichtet sind. § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG als die eine solche Maßnahme ermöglichende Vorschrift ist Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 2. Halbsatz GG. Verfassungsmäßige Ordnung ist die Gesamtheit der der Verfassung gemäßen Rechtsordnung. Voraussetzung ist, dass das die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkende Gesetz formell und materiell verfassungsmäßig ist.

An der formellen Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen keine Bedenken. Dies gilt ebenfalls für die materielle Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Materiell verfassungsgemäß ist ein Gesetz, wenn es den inhaltlichen Vorgaben des Grundgesetzes in vollem Umfang entspricht. Die gesetzliche Bestimmung darf keinem Satz der geschriebenen Verfassung aber auch keinem der sie übergreifenden und durchdringenden allgemeinen Rechtsgrundsätze, namentlich nicht dem Grundsatz der Rechtstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip widersprechen (BVerfGE 6, 32 [41]; 10, 354 [363]; 14, 288 [305 f.]; 17, 306 [313]; 65, 196 [210]). Die gesetzliche Regelung muss insbesondere einen legitimen Belang des Gemeinwohls verfolgen und ihre Ausgestaltung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben. Dieser bietet - vorbehaltlich besonderer verfassungsrechtlicher Gewährleistungen - in materieller Hinsicht den Maßstab, nach dem die Handlungsfreiheit eingeschränkt werden darf (BVerfGE 75, 108 [154 f.]; 80, 137 [153]; 90, 145 [172]; 96, 10 [21]; 97, 271 [286]). Der Einzelne muss sich deshalb grundsätzlich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren sieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt (BVerfGE 4, 7 [16]; 8, 274 [329]; 19, 93 [96]); 50, 256 [262]; 59, 275 [279]). Ein die Handlungsfreiheit beschränkendes Gesetz darf daher keinesfalls die unantastbare Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen.

Gemessen an diesen Anforderungen gebietet Art. 2 Abs. 1 GG nicht, die Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Fällen der vorliegenden Art Ausbildungsförderung zu leisten ist, weil andernfalls die Gemeinschaft nicht mehr als nichteheliche und nichtfamiliäre Lebensgemeinschaft, sondern nur noch als Begegnungsgemeinschaft gelebt werden könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mitglieder einer solchen Lebensgemeinschaft nicht aus zwingenden Gründen auf gegenseitige Hilfe angewiesen sind, die nur in einer Lebens-, nicht aber auch in einer Begegnungsgemeinschaft geleistet werden kann.

Die Vorschrift mit dem vom Senat verstandenen Regelungsinhalt verfolgt einen legitimen Belang des Gemeinwohls, nämlich staatliche Förderungsleistungen sparsam zu verwenden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der so verstandenen Vorschrift nicht entgegen. Bei der Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG (für eine Schulausbildung) handelt es sich um Ausbildungsförderung für einen überschaubaren Zeitraum von wenigen Jahren. Dem Elternteil des Auszubildenden und seinem Lebenspartner wird somit das Leben einer Begegnungsgemeinschaft nur für einen relativ kurzen Zeitraum zugemutet. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass ein Kind des Lebenspartners in diese Gemeinschaft eingebunden ist. Ob eine andere rechtliche Beurteilung für den Fall angezeigt ist, dass die Mitglieder der Lebensgemeinschaft auf gegenseitige, nur in einer Lebensgemeinschaft leistbaren Hilfe angewiesen sind, bedarf hier keiner weiteren Prüfung. Die Antragstellerin hat nichts für das Bestehen einer solchen Lebensgemeinschaft zwischen ihrem Vater und seiner Lebenspartnerin sowie deren Kind vorgetragen. Die Übernahme der Vaterrolle allein reicht für die Annahme einer solchen Lebensgemeinschaft nicht aus.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass mit einer Nichtförderung der Antragstellerin die Menschenwürde ihres Vaters verletzt wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 5, 85 [204] st. Rspr.) sieht mit der Menschenwürde einen sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Die so definierte Menschenwürde wird im vorliegenden Fall nicht tangiert. Dem Vater wird zwar zugemutet, während der Ausbildung der Antragstellerin am Gymnasium zusammen mit ihr eine eigene Wohnung zu beziehen, um somit seiner der Tochter gegenüber bestehenden Unterhaltspflicht - hier in Naturalleistung - nachzukommen. Der Umstand, dass er damit die Lebensgemeinschaft mit seiner Lebenspartnerin und deren Kind vorübergehend aufgeben muss und mit ihnen nur noch eine Begegnungsgemeinschaft leben kann, stellt weder seine Subjektqualität prinzipiell in Frage noch macht es ihn zum bloßen Objekt staatlichen Handelns.

Der Antrag hat deshalb keinen Erfolg.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Gerichtsgebühren nicht entstanden sind und Kosten nicht erstattet werden (§ 188 Satz 2, § 166 VwGO, § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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