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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: A 4 B 554/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: A 4 B 554/07

Verkündet am 21.7.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Flüchtlingsanerkennung und Abschiebungsschutz

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 21. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20. November 2006 - A 6 K 1305/02 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beteiligte wendet sich gegen ein Urteil, durch das die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung der Klägerin verpflichtet wurde.

Die muslimische Klägerin wurde in (Kosovo) geboren und spricht albanisch. Sie verließ den Kosovo mit ihrer Familie (u. a. ihrem geborenen Vater , dem Kläger des Parallelverfahrens A 4 B 629/07) im Jahr 1991 und reise auf dem Landweg nach Deutschland ein.

Mit Anwaltsschreiben vom 13.3.1991 stellten die Eltern der Klägerin für sich und ihre Kinder Asylanträge. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Familienmitglieder seien albanische Volkszugehörige. Der Vater und die minderjährigen Brüder der Klägerin hätten sich vor der Ausreise politisch betätigt. Der Vater gehöre einer politischen Gruppierung an, die sich für eine freie Republik Kosovo einsetze. Er habe mit anderen Angehörigen dieser Gruppe Parolen an Wände geschrieben und sich an mindestens sieben Demonstrationen beteiligt. Bei einer Demonstration im Februar 1991 seien Fernsehaufnahmen gemacht worden, auf denen u. a. der Vater zu erkennen gewesen sei. Er habe sich selbst und seine beiden Söhne im Fernsehen gesehen. Noch in derselben Nacht sei gegen 1.00 Uhr die Polizei in der elterlichen Wohnung erschienen. Der Vater und ihre Brüder hätten sofort gewusst, dass man sie "holen" wolle und sie seien durch ein Fenster auf der Rückseite des Hauses geflohen. Nachdem die Mutter der Polizei erklärt habe, sie wisse nicht, wo sich ihr Mann und die beiden Söhne aufhielten, hätten die Polizisten die Wohnung durchsucht und ihre Mutter geschlagen. Der Vater habe sich in der Zwischenzeit mit seinen Söhnen bei seiner Schwester versteckt; anschließend sei die Familie nach Deutschland geflohen.

Mit Anwaltsschreiben vom 7.9.1994 nahm die Klägerin ihren Asylantrag zurück. Ihre Mutter sei schwer erkrankt und wolle mit der Klägerin in ihre jugoslawische Heimat zurück. Ob die Klägerin in der Folgezeit ausreiste, konnte im Berufungsverfahren nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 1994 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - das Asylverfahren der Klägerin ein und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nicht vorlägen. Zugleich wurde die Abschiebung nach Jugoslawien angedroht.

Mit Anwaltsschreiben vom 2000 stellte die Klägerin einen Folgeantrag. Es liege ein neues Beweismittel vor. Aufgrund einer Bescheinigung der "Romani Union" vom 2000 stehe fest, dass die Klägerin wie ihre Familie zum Volk der Roma gehöre. Diese Volkszugehörigkeit könne auch durch Zeugenaussagen belegt werden. Angehörigen der Roma drohe im Kosovo Verfolgung durch ethnische Albaner.

Mit Bescheid vom .9.2002 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 1994 hinsichtlich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Darüber hinaus wurde die Klägerin aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass die Klägerin die Ausreisefrist nicht einhalte, wurde eine Abschiebung in die "Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)" angedroht. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, ein weiteres Asylverfahren sei gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen, also Wiederaufgreifensgründe gegeben seien. Dies sei hier nicht der Fall. Als Angehörige der Volksgruppe der Ashkali drohe der Klägerin keine politische Verfolgung. Zur Bevölkerungsgruppe der Roma im Kosovo gehörten unter anderem die romanisch sprechenden ethnischen Roma, die albanisch sprechenden Ashkali und die ebenfalls albanisch sprechenden sogenannten Ägypter. Unabhängig von einer Zuordnung in eine dieser Untergruppen drohe weder in der Provinz Kosovo noch im restlichen Jugoslawien eine staatliche Verfolgung.

Wiederaufgreifensgründe zu § 53 AuslG seien ebenso wenig gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 53 AuslG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere bestehe keine individuelle konkrete Gefahrenlage. Die Klägerin habe sich bereits 1999 im Ausland aufgehalten. Die allgemeine Situation von Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo begründe keine extreme konkrete Gefährdung eines jeden Einzelnen i. S. v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Das Haus der Familie befinde sich nach Auskunft des "Kosovo Information Project" in gutem Zustand.

Mit der am .9.2002 vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz erhobenen Klage (Az. A 6 K 1305/02) machte die anwaltlich vertretende Klägerin geltend, sie sei jugoslawische Staatsangehörige und gehöre zur Volksgruppe der Roma (nicht: Ashkali) aus dem Kosovo. Sie sei 1994 (muss heißen: 1991) geflohen, weil sie einer Gruppe angehört habe, die im Kosovo verfolgt worden sei. Nach dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien habe sich die Situation der Roma im Kosovo nicht verbessert, sondern verschlechtert. Der Nationalismus der Kosovo-Albaner sei wieder aufgeblüht. Eine Rückkehr in den Kosovo sei ausgeschlossen. Mit Schriftsatz vom .12.2001 legte die Klägerin zum Nachweis ihrer Abstammung einen Ausweis der "Romani Union" vor.

Mit Beschluss vom 22.9.2006 trennte das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Asylanerkennung ab (A 6 K 563/06) und stellte das Verfahren wegen Rücknahme des Antrags auf Asylanerkennung ein.

Mit Urteil vom 20.11.2006 - A 6 K 1305/02 - verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Serbiens vorliegen. Zugleich hob es Nr. 2 und 3 des Bescheids des Bundesamts vom 12.9.2002 insoweit auf, als der Klägerin die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) angedroht wurde. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Rechtslage habe sich durch das Inkrafttreten des Zuwanderungs-gesetzes zum 1.1.2005 nachträglich zu Gunsten der Klägerin geändert. Nach den im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen sei die Klägerin politisch Verfolgte i. S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG. Als Angehörige der Minderheit der Roma drohe der Klägerin bei einer Rückkehr in den Kosovo erhebliche Gefahr durch nichtstaatliche Akteure. Eine inländische Fluchtalternative in anderen Teilen Serbiens bestehe nicht.

Der Beteiligte hat gegen das ihm am 22.12.2006 zugestellte Urteil am 28.12.2006 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 20.9.2007 (dem Beteiligten zugestellt am 2.10.2007) hat der Senat die Berufung zugelassen.

Der Beteiligte hat die Berufung mit einem am 22.10.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 18.10.2007 begründet. Der Klägerin drohe als Angehöriger der Roma keine Gruppenverfolgung. Dies gelte auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Abschiebungsschutz sei ebenso wenig zu gewähren. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht habe eine Gruppenverfolgung von Roma mit Urteil vom 19.5. 2009 - A 4 B 229/07 - verneint. Soweit die Klägerin im Jahr 2007 einen Reisepass der Republik Serbien beantragt habe, ändere dies nichts am fortbestehenden Rechtsschutzinteresse für die erhobene Klage; die Klägerin habe sich auch nicht etwa unter den Schutz der Republik Serbien gestellt.

Der Beteiligte beantragt schriftsätzlich,

die Klage unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist ebenfalls auf ihr Zulassungsvorbringen und verteidigt das angegriffene Urteil. Ihr drohe nach wie vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure; in ihrem Heimatort bestehe eine besondere Gefahrenlage.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20.11.2006 - A 6 K 1305/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Chemnitz A 6 K 1305/02, die Senatsakten A 4 B 15/07 und A 4 B 554/07 sowie auf die Behördenakte des Bundesamts in den Asylverfahren der Klägerin und ihres Vaters verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beteiligte - entsprechend seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 13.7.2009 - in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Beteiligten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, weil die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (siehe 1.) noch einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots hat (siehe 2.). Dies gilt sowohl hinsichtlich Serbiens als auch hinsichtlich des Kosovo.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Flüchtlingsanerkennung (§ 60 Abs. 1 AufenthG), hilfsweise - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - die Feststellung von Abschiebungsverboten (zur sachdienlichen Antragstellung: BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, BVerwGE 131, 198). Über einen Anspruch der Klägerin auf Asylanerkennung hat der Senat dagegen nicht mehr zu entscheiden.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798) sowie § 60 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162). Damit sind auch die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) eingetretenen Rechtsänderungen zugrunde zu legen.

1. Da die Klägerin ihren ersten Asylantrag 1994 zurückgenommen hat, handelt es sich bei ihrem im Mai 2000 gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag. Dieser Antrag genügt den Anforderungen des § 71 AsylVfG nicht (siehe 1.1.). Unabhängig davon scheidet eine Flüchtlingsanerkennung der Klägerin auch deshalb aus, weil Angehörige der Roma keiner Gruppenverfolgung unterliegen (siehe 1.2.).

1.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbare Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens insbesondere voraus, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder neue Beweismittel vorliegen und dass die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 - 9 C 285/86 -, juris Rn. 18). Der Folgeantrag muss binnen dreier Monate gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Diese Voraussetzungen sind für den Folgeantrag der Klägerin nicht erfüllt. Zur Begründung dieses Antrags hat die Klägerin geltend gemacht, die von ihr vorgelegte Bescheinigung der "Romani Union" sei ein neues Beweismittel i. S. v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, das ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma belege. Dies trifft ersichtlich nicht zu. "Neue Beweismittel" i. S. der angesprochenen Regelung sind nur solche Beweismittel, die geeignet sind, das bisherige Tatsachenvorbringen eines Asylantragstellers zu stützen; § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG betrifft neue Beweismittel für "alte" Tatsachen (vgl. Nachweise bei Marx, AsylVfG, 6. Aufl., § 71 Rn. 265).

Auf eine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma hatte sich weder die Klägerin noch ein anderes Familienmitglied im ersten Asylantrag berufen. Mit Anwaltsschreiben vom .3.1991 hatte die Familie vielmehr vorgetragen, sie seien albanische Volkszugehörige und würden wegen politischer Aktivitäten des Familienvaters und der Söhne für eine Unabhängigkeit des Kosovo verfolgt. Dass der geborenen Klägerin die nunmehr geltend gemachte Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma im ersten Asylverfahren unbekannt gewesen sein sollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insoweit berücksichtigt der Senat - wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen - auch, dass der Vater der Klägerin, Herr , seine angebliche Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma erst im September 2001 geltend gemacht hat. Dass dem Vater eine Zugehörigkeit der Familie zu dieser Volksgruppe deutlich später bekannt gewesen sein sollte als seiner Tochter, erscheint in hohem Maße unverständlich.

Ausgehend von diesen Erwägungen lagen die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vor.

1.2. Selbst wenn mit dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts von einem hinreichenden Folgeantrag sowie davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Klägerin um eine Angehörige der Volksgruppe der Roma handelte, würde ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung (§ 3 Abs. 4 AsylVfG) insgesamt ausscheiden.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist die Ausländer Flüchtling, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist.

Einer solchen Bedrohung ist die Klägerin weder in Serbien noch im Kosovo ausgesetzt; einer abschließenden Klärung ihrer Staatsangehörigkeiten bedarf es insoweit nicht.

Die Klägerin ist im Jahr 1991 als Staatsangehörige der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien ausgereist. Da die Republik Serbien Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Jugoslawien wurde, ist mangels anderweitiger greifbarer Anhaltspunkte (wie etwa der Ausstellung eines kosovarischen Reisepasses) nach wie vor von einer serbischen Staatsangehörigkeit des Klägerin auszugehen, die im Jahr 2007 auch einen Pass der Republik Serbien beantragt hat. Insoweit berücksichtigt der Senat auch, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Abspaltung des Kosovo im Jahr 2008 und dessen Anerkennung als eigenständiger Staat - u. a. durch die Beklagte - als völkerrechtswidrig, insbesondere als Verstoß gegen die Resolution 1244 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bezeichnet hat. Ausgehend von diesem rechtlichen Standpunkt der Klägerin läge es nahe, eine eigenständige kosovarische Staatsangehörigkeit als völkerrechtswidrig mit der Folge abzulehnen, dass für eine Flüchtlingsanerkennung der Klägerin ausschließlich auf die Verhältnisse in der Republik Serbien abzustellen wäre.

Einen solchen Schluss hat die Klägerin indessen nicht gezogen; sie begehrt vielmehr eine Flüchtlingsanerkennung hinsichtlich des Kosovo oder Serbiens. Ob der seit vielen Jahren in Deutschland lebenden Klägerin, die eine dauerhafte Rückkehr in den Kosovo ablehnt, wegen ihrer kosovarischen Herkunft zugleich Staatsangehörige der - völkerrechtlich nicht durchweg anerkannten - Republik Kosovo sein kann (zur Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf einen solchen Personenkreis siehe VGH BW, Urt. v. 24.9.2008, NVwZ-RR 2009, 354 f.), mag dahinstehen. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet jedenfalls deshalb insgesamt aus, weil der Klägerin weder in Serbien noch im Kosovo eine Verfolgung i. S. v. 60 Abs. 1 AufenthG droht (zum Prüfungsmaßstab bei mehrfacher Staatsangehörigkeit BVerwG, Beschl. v. 10.8.2006, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 340).

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) - nachfolgend Qualifikationsrichtlinie - ergänzend anzuwenden.

Nach diesem Maßstab droht der Klägerin Verfolgung weder in Serbien noch im Kosovo. Eine Verfolgung als Angehörige der Roma durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des serbischen oder kosovarischen Staatsgebiets beherrschen, macht die anwaltlich vertretene Klägerin nicht geltend. Sie verweist ausschließlich auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Roma. Die Annahme einer solchen Verfolgung setzt voraus, dass die Klägerin als Angehörige dieser Minderheit wegen ihrer "Rasse" bedroht ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), dass der Staat, die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).

Nicht anders als eine staatliche Gruppenverfolgung setzt die von der Klägerin geltend gemachte Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Dies erfordert Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann; daran hat die Qualifikationsrichtlinie nichts geändert (siehe BVerwG, Urt. v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, juris, m. w. N.). Eine solche Verfolgungsdichte, die die Regelvermutung eigener Verfolgung begründet, lässt sich für Angehörige der Roma weder in Serbien noch im Kosovo feststellen (so bereits SächsOVG, Urt. v. 19.5.2007 - A 4 B 229/07 -, juris).

Für Serbien weist der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 22.9.2008 aus, dass die Anzahl der Angehörigen der Roma-Minderheit nach grober Schätzung von Roma-Verbänden und internationalen Nicht-Regierungs-Organisation über 500.000 liege (Lagebericht S. 14). Nach dem Lagebericht soll die Polizei nicht aktiv genug gegen Übergriffe auf Minderheiten vorgehen, wobei "Einzelfälle" immer wieder über die Medien bekannt würden. Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen führten nicht nur nach geltendem Recht, sondern auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen, wobei Übergriffe nur zögerlich verfolgt würden. Angehörige von diskriminierten Minderheiten hätten Ausweichmöglichkeiten innerhalb Serbiens, wobei Belgrad als "Auffangbecken" gelte. 12 % der Einwohner Belgrads gehörten Minderheiten an; auch die Großstädte der Wojwodina gälten als tolerant (Lagebericht S. 17). Andere Erkenntnismittel, die eine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien auch nur ansatzweise belegen könnten, liegen nicht vor. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspapier vom 10.10.2008) hält eine zwangsweise Rückkehr von Roma nach Serbien wegen der schwierigen Lebensverhältnisse für unzumutbar, belegt aber keine Fälle der asylrelevanten Verfolgung.

Im Kosovo gibt es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.2.2009 mehr als 30.000 Angehörige der Roma (davon wohl 23.000 Ashkali und Ägypter), wobei der UNHCR Ashkali und Ägypter nicht mehr zur Gruppe der Personen mit einem fortbestehenden Bedürfnis nach internationalem Schutz zählt (Lagebericht S. 16). Eine Volkszählung im Jahr 1991 habe 42.000 Roma auf dem Gebiet des Kosovo ergeben, nach Angaben von Roma-Verbänden habe die Anzahl der Roma mit rund 120.000 deutlich höher gelegen. Nach Amnesty International (Asyl-Info 3/2009, S. 6) wurden im März 2004 4.100 Angehörige von Minderheiten durch ethnisch motivierte Gewalttaten vertrieben, darunter auch Roma. Im Anschluss an den Einsatz der NATO hätten Albaner zahlreiche Häuser der Roma zerstört. Viele Angehörige der Roma lebten heute in extremer Armut, nahezu alle Roma seien von Arbeitslosigkeit betroffen. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 habe sich die Lage der Roma nicht verbessert; Roma seien von den sozialen Sicherungssystemen faktisch ausgeschlossen und kaum in der Lage, sich eine medizinische Grundversorgung zu leisten. Aktionspläne zur Integration von Roma, Ashkali und Ägyptern seien im Kosovo bislang nicht umgesetzt werden. Auf gewaltsame Repressionen durch nichtstaatliche Akteure - wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird - verweist Amnesty International dagegen nicht mehr. Das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008 führt aus, dass es seit den progromartigen Ausschreitungen von März 2004 zu keinen größeren Übergriffen gegen Roma-Gemeinschaften gekommen sei. Angehörigen der Roma, Ashkali und Ägypter drohe "in Einzelfällen" noch asylrelevante Verfolgung, wenn sie im Verdacht der Kollaboration mit der ehemaligen serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Während der vergangenen Jahre habe sich die Sicherheitssituation der Roma-Gemeinschaften allmählich verbessert. Die Sicherheitslage im Kosovo sei insgesamt auch für ethnische Minderheiten stabil. Im Bereich ihrer Siedlungen drohten den Angehörigen der Roma im Allgemeinen keine Gewaltakte. Diese Einschätzung wird durch den Lagebericht des Auswärtigen Amts bestätigt, nach dem die Anzahl ethnisch motivierter Vorfälle von 62 im Jahr 2006 auf 24 im Jahr 2007 gefallen sei (S. 14). Im Rahmen groß angelegter Wiederaufbauprojekte seien umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden, um eine dauerhafte Rückkehr von Roma etwa in der Siedlung Roma Mahala zu ermöglichen (Lagebericht S. 16 f.). Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspaper vom 10.1.2008), die eine Rückkehr von Roma in den Kosovo als unzumutbar ansieht, beschreibt die Lage der abgeschottet von der "Außenwelt" lebenden Roma-Gemeinschaften als relativ sicher, wobei eine "asylrelevante Verfolgung" in "Einzelfällen" nur solchen Angehörigen von Minderheiten drohe, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht.

Ausgehend von diesen Erkenntnismitteln bestehen jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch hinsichtlich des Kosovo keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma (ebenso für Ashkali VGH BW v. 24.4.2008 - A 6 S 1026/05 -, juris). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Berufungsverhandlung auf eine Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6.2.2009 verwiesen hat, die als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen wurde, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Pressemitteilung bietet keine Hinweise für eine politische Verfolgung von Roma und Askali, sondern verweist auf die besorgniserregende gesundheitliche Lage von Angehörigen der genannten Volksgruppen (insbesondere Kindern) in zwei näher benannten Flüchtlingslagern, die mit Blei und anderen Schwermetallen verseucht sind. Aktuelle Stellungnahmen des UNHCR oder andere Erkenntnismittel, die eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der Roma im Kosovo nahelegen, hat auch die Klägerin nicht benannt.

Ein Anspruch der Klägerin auf Flüchtlingsanerkennung im Folgeverfahren scheidet danach insgesamt aus. Aus der vom Prozessbevollmächtigten des Klägerin in der mündlichen Verhandlung herangezogenen Qualifikationsrichtlinie lässt sich in diesem Zusammenhang nichts anders ableiten.

2. Einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten, wie ihn die Klägerin hilfsweise sowohl für Serbien als auch für den Kosovo geltend macht, besteht ebenso wenig.

Der Verpflichtungsantrag zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist sachdienlich dahin auszulegen, dass die Klägerin in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, BVerwGE 131, 198).

Über solche Abschiebungshindernisse ist ungeachtet von der Frage zu entscheiden, ob der Folgeantrag der Klägerin insoweit die Voraussetzungen des § 71 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3.2000, BVerGE 101, 77 ff.; SächsOVG, Urt. v. 4.9.2007 - A 4 B 233/05 -, juris Rn. 28).

Von den oben genannten Abschiebungsverboten kommt auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nur subsidiärer Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Betracht. Anderweitige Gefahren i. S. v. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismitteln ersichtlich aus (siehe auch VGH BW, Urt. v. 24.4.2008 - A 6 S 1026/05 -, juris zu Roma und Ashkali im Kosovo, OVG Saarland, Beschl. v. 8.2.2008 - 2 A 16/07 -, juris zu Roma).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Berufungsverhandlung - anders als im Parallelverfahren des geborenen Vaters der Klägerin - zum subsidiären Abschiebungsschutz keine besonderen Umstände zur Person der Klägerin vorgetragen, sondern auf ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma verwiesen sowie darauf, das der Klägerin ein langjähriger Aufenthalt in einem Flüchtlingslager drohe, von denen einige nachweislich durch Schwermetallrückstände verseucht seien. Die Versagung von Schutz sei mit der Qualifikationsrichtlinie unvereinbar.

Einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat die Klägerin auf der Grundlage dieses Vorbringens nicht.

Bei der Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG kommt es nicht auf die Staatsangehörigkeit oder den ständigen Aufenthalt eines Ausländers an, sondern darauf, ob das Bundesamt für den betreffenden Staat bereits eine Feststellung getroffen oder der Ausländer aus anderen Gründen berechtigten Anlass für die Befürchtung hat, in den jeweiligen Staat abgeschoben zu werden (s. BVerwG, Urt. v. 2.8.2007, BVerwGE 129, 155, 161 f.; SächsOVG; Urt. v. 19.5.2007 - A 4 B 229/07 -, juris). Dies betrifft hier sowohl Serbien als auch den Kosovo. Aus den von § 60 Abs. 11 AufenthG in Bezug genommenen Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie folgt insoweit nichts anderes.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Diese Vorschrift setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07-, juris Rn. 31) - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - nach wie vor - nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 a. a. O., Rn. 32 m. w. N.).

Da im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder in Serbien noch im Kosovo ein internationaler oder innerstaatlich bewaffneter Konflikt i. S. v. Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie besteht, der eine richtlinienkonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zur Folge hätte, richtet sich der Prüfungsmaßstab für den von der Klägerin beanspruchten Abschiebungsschutz danach, ob eine allgemeine Gefahr ("Gruppengefahr") i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Vielzahl von Betroffenen oder aber eine individuelle, für die Klägerin spezifische Gefahrenlage geltend gemacht wird.

Mit dem Vorbringen, als Angehörige der Roma faktisch in einem Flüchtlingslager leben zu müssen, beruft sich die Klägerin auf Gefahren, die nicht nur sie, sondern einen großen Teil der Bevölkerungsgruppe der Roma sowohl in Serbien als auch im Kosovo treffen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Damit handelt es sich um eine Gefahr, der die Bevölkerungsgruppe der Roma in Serbien wie im Kosovo allgemein ausgesetzt ist.

Da die Klägerin für solche allgemeinen Gefahren auf eine Regelung durch die oberste Landesbehörde nach § 60a AufenthG verwiesen werden muss (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 a. a. O., juris Rn. 32), könnte ihr Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur insoweit gewährt werden, als dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage in dem Sinne, dass die Klägerin etwa sehenden Auges der sichere Tod oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte, lässt sich jedoch weder für Serbien noch für den Kosovo feststellen.

Die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel belegen, dass Vertriebene aus dem Kosovo (darunter auch Roma) in Serbien mit "großen Schwierigkeiten" konfrontiert sind (so etwa das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008, S. 4). Viele Vertriebene lebten in Flüchtlingslagern unter elenden Bedingungen, der Zugang zu adäquatem Wohnraum habe sich im Verlauf der letzten Jahre kaum verbessert. Erkenntnismittel, die geeignet wären, eine extreme Gefahrenlage i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für Angehörige der Roma (ohne besondere Erkrankungen oder Behinderungen) zu begründen, liegen jedoch nicht vor.

Auch für den Kosovo lässt sich eine solche Gefahrenlage nicht feststellen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Fall einer Rückkehr in den Kosovo befürchten müsste, in eines der mit Schwermetallen verseuchten Flüchtlingslager bei Mitrovica (Lagebericht vom 2.2.2009, S. 16 f.) verbracht zu werden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsverhandlung zitierten Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6.2.2009 nicht ansatzweise entnommen werden, dass zurückkehrende Angehörige der Roma in eines der dort genannten Lager verbracht werden. Erkenntnismittel, die auf eine extreme Gefahrenlage i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für Personen wie die Klägerin schließen lassen, liegen auch für den Kosovo nicht vor. Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass die in besonderem Maße von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung betroffenen Angehörigen von Roma-Gemeinschaften weitgehend auf sich selbst und auf familiäre Unterstützung angewiesen sind (Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008, S. 3 f.; Amnesty International, Asyl-Info 3/2009, S. 6 f.).

Diesen Umständen ist jedoch nicht durch die Gewährung eines individuellen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern durch eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a AufenthG Rechung zu tragen (siehe oben).

Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz.

Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 12.9.2002 mit der Zielstaatsbezeichnung "Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)" trotz der heute abweichenden Zielstaatsbezeichnungen nicht zu beanstanden (siehe VGH BW, Beschl. v. 22.7.2008 - 11 S 1771/08 -, juris m. w. N.).

Dementsprechend ist das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Ende der Entscheidung

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