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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: A 4 B 629/07
Rechtsgebiete: VwVfG, AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

VwVfG § 51
AsylVfG § 71
AufenthG § 60
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: A 4 B 629/07

Verkündet am 21.07.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Flüchtlingsanerkennung und Abschiebungsschutz

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 21. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Mai 2007 - A 5 K 117/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht gelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich gegen ein Urteil, durch das sie zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet wurde.

Der in (Kosovo) geborene Kläger ist Moslem. Er verließ seinen Heimatort im Jahr 1991 und reise mit seiner Familie (u. a. der geborenen Tochter , Klägerin im Parallelverfahren A 4 B 554/07) auf dem Landweg nach Deutschland. Mit Anwaltsschreiben vom 13.3.1991 stellten der Kläger und seine Familie Asylanträge. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Familienmitglieder seien albanische Volkszugehörige. Der Kläger gehöre einer politischen Gruppierung an, die sich für eine freie Republik Kosovo einsetze. Er habe mit anderen Gruppenangehörigen Parolen an Wände geschrieben und sich an mindestens sieben Demonstrationen beteiligt. Bei einer Demonstration im Februar 1991 seien Fernsehaufnahmen gemacht worden, auf denen u. a. der Kläger zu erkennen gewesen sei. Er habe sich selbst und seine beiden Söhne im Fernsehen gesehen. Noch in derselben Nacht gegen 1.00 Uhr sei die Polizei in der Wohnung des Klägers erschienen. Der Kläger und seine minderjährigen Söhne hätten sofort gewusst, dass man sie "holen" wolle und sie seien durch ein Fenster auf der Rückseite des Hauses geflohen. Nachdem die Ehefrau des Klägers der Polizei erklärt habe, sie wisse nicht, wo sich ihr Mann und die beiden Söhne aufhielte, hätten die Polizisten die Wohnung durchsucht und die Frau geschlagen. Der Kläger habe sich in der Zwischenzeit mit seinen Söhnen bei seiner Schwester versteckt; anschließend sei die Familie nach Deutschland geflohen.

Auf eine schriftliche Anfrage des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - vom 4.10.1994 teilte der ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt mit, dass er den Kläger nicht mehr vertrete; über seinen jetzigen Aufenthaltsort sei ihm nichts bekannt.

Nachdem der Aufenthalt des nach Sachsen zugewiesenen Klägers trotz Anfragen bei mehreren Behörden nicht ermittelt werden konnte, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigte mit öffentlich zugestelltem Bescheid vom 28.7.1994 ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Darüber hinaus wurde dem Kläger eine Abschiebung nach Jugoslawien angedroht. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dem Kläger drohe keine politische Verfolgung. Die von ihm geschilderten polizeilichen Maßnahmen seien wegen ihrer geringen Eingriffsintensität nicht asylrechtlich relevant.

Eine Klageerhebung durch den Kläger erfolgte nicht.

Am 11.9.2001 stellte der Kläger in Chemnitz einen Folgeantrag. Die handschriftliche Begründung des Folgeantrags lautete (übersetzt aus der serbischen Sprache) wie folgt:

"Ich (Name des Klägers) möchte hierbleiben, weil auch meine Frau und meine Tochter hier sind. Meine Frau ist bereits über 6 Jahre hier und die Kinder über 10 Jahre. In meiner Stadt herrscht ein großer Krieg, so dass ich dorthin nicht zurück kann, denn mein Haus wurde sicher niedergebrannt. Es ist nichts mehr da. Ich bitte Sie, meiner Bitte zu entsprechen"

Das vom Kläger unterschriebene Formular des Bundesamts über die "Niederschrift zu einem Asylantrag (Teil 1)" zur Antragstellung vom 11.9.2001 weist als Volkszugehörigkeit den handschriftlichen Eintrag "Roma" aus.

Mit Bescheid vom 18.9.2002 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. Ebenso wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 28.10.1994 hinsichtlich der Feststellung zu § 53 AuslG abgelehnt. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalte, wurde eine Abschiebung in die "Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)" angedroht. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, ein weiteres Asylverfahren sei gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen, also Wiederaufgreifensgründe gegeben seien. Dies sei hier nicht der Fall. Als Angehörigen der Volksgruppe der Ashkali drohe dem Kläger keine politische Verfolgung. Zur Bevölkerungsgruppe der Roma im Kosovo gehörten unter anderem die romanisch sprechenden ethnischen Roma, die albanisch sprechenden Ashkali und die ebenfalls albanisch sprechenden sogenannten Ägypter. Unabhängig von einer Zuordnung in eine dieser Untergruppen drohe weder in der Provinz Kosovo noch im restlichen Jugoslawien eine staatliche Verfolgung. Das Vorbringen des Klägers, sein Haus sei niedergebrannt, sei offensichtlich falsch, denn das "Kosovo Information Project" habe mitgeteilt, dass sich das Haus seiner Familie in einem guten Zustand befinde. Wiederaufgreifensgründe zu § 53 AuslG seien ebenso wenig gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 53 AuslG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere bestehe keine individuelle konkrete Gefahrenlage. Der Kläger habe sich bereits 1999 im Ausland aufgehalten. Die allgemeine Situation von Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo begründeten keine extreme konkrete Gefährdung jedes Einzelnen i. S. v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

Mit der am 26.9.2002 vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz erhobenen Klage (Az.: A 5 K 1346/02) machte der anwaltlich vertretende Kläger geltend, er sei jugoslawischer Staatsangehöriger und gehöre zur Volksgruppe der Roma (nicht: Ashkali) aus dem Kosovo. Er sei 1994 (muss heißen: 1991) geflohen, weil er einer im Kosovo verfolgten Gruppe angehört habe. Nach dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien habe sich die Situation der Roma im Kosovo nicht verbessert, sondern verschlechtert. Der Nationalismus der Kosovo-Albaner sei wieder aufgeblüht. Eine Rückkehr in den Kosovo sei ausgeschlossen. Er habe kein Haus mehr und es gebe für ihn auch keine Arbeit. Ein Leben in einem Flüchtlingslager sei unzumutbar. Bei dem vom "Kosovo Information Project" fotografierten Haus handele es sich zwar um das Haus des Klägers. Es sei - entgegen den ursprünglichen Angaben - zwar nicht abgebrannt, aber längst von Albanern bewohnt. Er müsste um sein Leben fürchten, wenn er ernsthaft vorhätte, in sein Haus einzuziehen. Roma würden im Kosovo als Fremde angesehen, auch die internationalen Sicherheitskräfte der UNMIK seien zur Schutzgewährung nicht in der Lage.

Mit Beschluss vom 26.2.2007 trennte das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Abschiebungsschutz ab und stellte das Verfahren A 5 K 1346/02 wegen Rücknahme des Antrags auf Asylanerkennung ein. Das abgetrennte Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen A 5 K 117/07 fortgeführt. In diesem Verfahren legte der Kläger die Kopie eines Mitgliedsausweises einer Roma-Organisation des Bezirks sowie mehrere ärztliche Schreiben vor. Das letzte ärztliche Schreiben vom 14.8.2006 weist aus, dass der Kläger nach einer stationären Behandlung bei "allgemeinem Wohlbefinden" entlassen wurde.

Mit Urteil vom 8.5.2007 - A 5 K 117/07 - verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Serbiens vorliegen. Zugleich hob es Nr. 2 und 3 des Bescheids des Bundesamts vom 18.9.2002 insoweit auf, als dem Kläger die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) angedroht wurde. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Klägers lasse eine Änderung der Sachlage erkennen. Die Rechtslage habe sich nach Erlass des Bescheid vom 18.9.2002 durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1.1.2005 nachträglich zu Gunsten des Klägers geändert. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei der Kläger politisch Verfolgter i. S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG. Als Angehöriger der Minderheit der Roma drohe dem Kläger Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Eine inländische Fluchtalternative in anderen Teilen Serbiens bestehe nicht.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23.5.2007 zugestellte Urteil am 25.5.2007 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 29.10.2007 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat die Berufung mit einem am 23.11.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 21.11.2007 begründet und auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag verwiesen. Die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung lägen nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils im Umfang der Berufungszulassung abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil; ihm drohe nach wie vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure.

Der Beteiligte stellt keinen Antrag. Er macht geltend, dass Angehörigen von Minderheiten im Kosovo keine gruppengerichtete Verfolgung drohe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Chemnitz A 5 K 1346/02 und A 5 K 117/07, die Senatsakten A 4 B 316/07 und A 4 B 629/07 sowie auf die Behördenakte des Bundesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, weil der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (siehe 1.) noch einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots hat (siehe 2.). Dies gilt sowohl hinsichtlich Serbiens als auch hinsichtlich des Kosovo.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Flüchtlingsanerkennung (§ 60 Abs. 1 AufenthG), hilfsweise - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - die Feststellung von Abschiebungsverboten (zur sachdienlichen Antragstellung: BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, BVerwGE 131, 198). Über einen Anspruch des Klägers auf Asylanerkennung hat der Senat dagegen nicht mehr zu entscheiden.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798) sowie § 60 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162). Damit sind auch die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) eingetretenen Rechtsänderungen zugrunde zu legen.

1. Da der erste Asylantrag des Klägers bereits 1994 bestandskräftig abgelehnt wurde, handelt es sich bei dem im September 2001 gestellten Asylantrag des Klägers um einen Folgeantrag. Dieser Antrag genügt den Anforderungen des § 71 AsylVfG nicht (siehe 1.1.). Unabhängig davon scheidet eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers auch deshalb aus, weil Angehörige der Roma keiner Gruppenverfolgung unterliegen (siehe 1.2.).

1.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbare Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens insbesondere voraus, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder neue Beweismittel vorliegen und dass die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigeren Entscheidung schlüssig dargelegt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 - 9 C 285/86 -, juris Rn. 18). Der Folgeantrag muss binnen dreier Monate gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Diese Voraussetzungen sind für den Folgeantrag des Klägers ersichtlich nicht erfüllt. Zur Begründung dieses Antrags hat sich der Kläger ausweislich der Bundesamtsakte nicht auf eine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der der Roma, sondern auf den langjährigen Aufenthalt seiner Frau und Tochter in Deutschland, auf Kriegshandlungen in der Stadt sowie auf die Zerstörung seines Hauses berufen. Dieses Vorbringen berührt weder die tragende Begründung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts vom 28.7.1994, noch enthält sie die schlüssige Darlegung eines anderweitig begründeten Anspruchs auf eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung. Für eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung ist die Dauer des Aufenthalts von Familienangehörigen in Deutschland rechtlich unerheblich. Hinsichtlich der vorgetragenen Kriegshandlungen ist die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht gewahrt. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht in der Stadt , sondern in der Stadt gelebt hat, wo sich unstreitig auch sein - nicht etwa abgebranntes - Haus befindet.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass das vom Kläger unterschriebene Formular des Bundesamts über die "Niederschrift zu einem Asylantrag (Teil 1)" zur Antragstellung vom 11.9.2001 als Volkszugehörigkeit den handschriftlichen Eintrag "Roma" ausweist, ist ein Wiederaufgreifensgrund ebenso wenig schlüssig dargetan. Seinen ersten Asylantrag hatte der Kläger - wie die übrigen Mitglieder seiner Familie - darauf gestützt, dass er als albanischer Volkszugehörige wegen politischer Aktivitäten verfolgt wurde.

Dass dem geborenen Kläger die nunmehr geltend gemachte Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma im ersten Asylverfahren unbekannt gewesen sein sollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insoweit berücksichtigt der Senat - wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen - auch, dass die Tochter des Klägers, Frau (Klägerin im Parallelverfahren A 4 B 554/07), ihren ausdrücklich auf eine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma gestützten Folgeantrag bereits im Mai 2000, also deutlich mehr als ein Jahr vor dem Kläger gestellt hat. Dass der Tochter eine Zugehörigkeit der Familie zu dieser Volksgruppe deutlich eher bekannt gewesen sein sollte als dem Kläger, erscheint in hohem Maße unverständlich.

Ausgehend von diesen Erwägungen lagen die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vor.

1.2. Selbst wenn mit dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts von einem hinreichenden Folgeantrag sowie davon auszugehen wäre, dass es sich bei dem Kläger um einen Angehörigen der Volksgruppe der Roma handelt, scheidet ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung (§ 3 Abs. 4 AsylVfG) insgesamt aus.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist.

Einer solchen Bedrohung ist der Kläger weder in Serbien noch im Kosovo ausgesetzt; einer abschließenden Klärung seiner Staatsangehörigkeiten bedarf es insoweit nicht.

Der Kläger ist im Jahr 1991 als Staatsangehörige der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien ausgereist. Da die Republik Serbien Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Jugoslawien wurde, ist mangels anderweitiger greifbarer Anhaltspunkte (wie etwa der Ausstellung eines kosovarischen Reisepasses) nach wie vor von einer serbischen Staatsangehörigkeit des Klägers auszugehen. Insoweit berücksichtigt der Senat auch, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Abspaltung des Kosovo im Jahr 2008 und dessen Anerkennung als eigenständiger Staat - u. a. durch die Beklagte - als völkerrechtswidrig, insbesondere als Verstoß gegen die Resolution 1244 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bezeichnet hat. Ausgehend von diesem rechtlichen Standpunkt des Klägers läge es nahe, eine eigenständige kosovarischen Staatsangehörigkeit als völkerrechtswidrig mit der Folge abzulehnen, dass es für eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers ausschließlich auf die Verhältnisse in der Republik Serbien abzustellen wäre.

Einen solchen Schluss hat der Kläger indessen nicht gezogen; er begehrt vielmehr eine Flüchtlingsanerkennung hinsichtlich des Kosovo oder Serbiens. Ob der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Kläger, der eine dauerhafte Rückkehr in den Kosovo ablehnt, wegen seiner kosovarischen Herkunft zugleich Staatsangehöriger der - völkerrechtlich nicht durchweg anerkannten - Republik Kosovo sein kann (zur Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf einen solchen Personenkreis siehe VGH BW, Urt. v. 24.9.2008, NVwZ-RR 2009, 354 f.), mag dahinstehen. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet jedenfalls deshalb insgesamt aus, weil dem Kläger weder in Serbien noch im Kosovo eine Verfolgung i. S. v. 60 Abs. 1 AufenthG droht (zum Prüfungsmaßstab bei mehrfacher Staatsangehörigkeit BVerwG, Beschl. v. 10.8.2006, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 340).

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) - nachfolgend Qualifikationsrichtlinie - ergänzend anzuwenden.

Nach diesem Maßstab droht dem Kläger Verfolgung weder in Serbien noch im Kosovo. Eine Verfolgung als Angehöriger der Roma durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des serbischen oder kosovarischen Staatsgebiets beherrschen, macht der anwaltlich vertretene Kläger nicht geltend. Er verweist ausschließlich auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Roma. Die Annahme einer solchen Verfolgung setzt voraus, dass der Kläger als Angehöriger dieser Minderheit wegen "seiner Rasse bedroht" ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), dass der Staat, die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).

Nicht anders als eine staatliche Gruppenverfolgung setzt die vom Kläger geltend gemachte Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Dies erfordert Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann; daran hat die Qualifikationsrichtlinie nichts geändert (siehe BVerwG, Urt. v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, juris, m. w. N.). Eine solche Verfolgungsdichte, die die Regelvermutung eigener Verfolgung begründet, lässt sich für Angehörige der Roma weder in Serbien noch im Kosovo feststellen (so bereits SächsOVG, Urt. v. 19.5.2007 - A 4 B 229/07 -, juris).

Für Serbien weist der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 22.9.2008 aus, dass die Anzahl der Angehörigen der Roma-Minderheit nach grober Schätzung von Roma-Verbänden und internationalen Nicht-Regierungs-Organisation über 500.000 liege (Lagebericht S. 14). Nach dem Lagebericht soll die Polizei nicht aktiv genug gegen Übergriffe auf Minderheiten vorgehen, wobei "Einzelfälle" immer wieder über die Medien bekannt würden. Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen führten nicht nur nach geltendem Recht, sondern auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen, wobei Übergriffe nur zögerlich verfolgt würden. Angehörige von diskriminierten Minderheiten hätten Ausweichmöglichkeiten innerhalb Serbiens, wobei Belgrad als "Auffangbecken" gelte. 12 % der Einwohner Belgrads gehörten Minderheiten an; auch die Großstädte der Wojwodina gälten als tolerant (Lagebericht S. 17). Andere Erkenntnismittel, die eine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien auch nur ansatzweise belegen könnten, liegen nicht vor. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspapier vom 10.10.2008) hält eine zwangsweise Rückkehr von Roma nach Serbien wegen der schwierigen Lebensverhältnisse für unzumutbar, belegt aber keine Fälle der asylrelevanten Verfolgung.

Im Kosovo gibt es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.2.2009 mehr als 30.000 Angehörige der Roma (davon wohl 23.000 Ashkali und Ägypter), wobei der UNHCR Ashkali und Ägypter nicht mehr zur Gruppe der Personen mit einem fortbestehenden Bedürfnis nach internationalem Schutz zählt (Lagebericht S. 16). Eine Volkszählung im Jahr 1991 habe 42.000 Roma auf dem Gebiet des Kosovo ergeben, nach Angaben von Roma-Verbänden habe die Anzahl der Roma mit rund 120.000 deutlich höher gelegen. Nach Amnesty International (Asyl-Info 3/2009, S. 6) wurden im März 2004 4.100 Angehörige von Minderheiten durch ethnisch motivierte Gewalttaten vertrieben, darunter auch Roma. Im Anschluss an den Einsatz der NATO hätten Albaner zahlreiche Häuser der Roma zerstört. Viele Angehörige der Roma lebten heute in extremer Armut, nahezu alle Roma seien von Arbeitslosigkeit betroffen. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 habe sich die Lage der Roma nicht verbessert; Roma seien von den sozialen Sicherungssystemen faktisch ausgeschlossen und kaum in der Lage, sich eine medizinische Grundversorgung zu leisten. Aktionspläne zur Integration von Roma, Ashkali und Ägyptern seien im Kosovo bislang nicht umgesetzt werden. Auf gewaltsame Repressionen durch nichtstaatliche Akteure - wie sie vom Kläger geltend gemacht wird - verweist Amnesty International dagegen nicht mehr. Das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008 führt aus, dass es seit den progromartigen Ausschreitungen von März 2004 zu keinen größeren Übergriffen gegen Roma-Gemeinschaften gekommen sei. Angehörigen der Roma, Ashkali und Ägypter drohe "in Einzelfällen" noch asylrelevante Verfolgung, wenn sie im Verdacht der Kollaboration mit der ehemaligen serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Während der vergangenen Jahre habe sich die Sicherheitssituation der Roma-Gemeinschaften allmählich verbessert. Die Sicherheitslage im Kosovo sei insgesamt auch für ethnische Minderheiten stabil. Im Bereich ihrer Siedlungen drohten den Angehörigen der Roma im Allgemeinen keine Gewaltakte. Diese Einschätzung wird durch den Lagebericht des Auswärtigen Amts bestätigt, nach dem die Anzahl ethnisch motivierter Vorfälle von 62 im Jahr 2006 auf 24 im Jahr 2007 gefallen sei (S. 14). Im Rahmen groß angelegter Wiederaufbauprojekte seien umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden, um eine dauerhafte Rückkehr von Roma etwa in der Siedlung zu ermöglichen (Lagebericht S. 16 f.). Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspaper vom 10.1.2008), die eine Rückkehr von Roma in den Kosovo als unzumutbar ansieht, beschreibt die Lage der abgeschottet von der "Außenwelt" lebenden Roma-Gemeinschaften als relativ sicher, wobei eine "asylrelevante Verfolgung" in "Einzelfällen" nur solchen Angehörigen von Minderheiten drohe, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht.

Ausgehend von diesen Erkenntnismitteln bestehen jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch hinsichtlich des Kosovo keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma (ebenso für Ashkali VGH BW v. 24.4.2008 - A 6 S 1026/05 -, juris). Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Berufungsverhandlung auf eine Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6.2.2009 verwiesen hat, die als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen wurde, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Pressemitteilung bietet keine Hinweise für eine politische Verfolgung von Roma und Askali, sondern verweist auf die besorgniserregende gesundheitliche Lage von Angehörigen der genannten Volksgruppen (insbesondere Kindern) in zwei näher benannten Flüchtlingslagern, die mit Blei und anderen Schwermetallen verseucht sind. Aktuelle Stellungnahmen des UNHCR oder andere Erkenntnismittel, die eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der Roma im Kosovo nahelegen, hat auch der Kläger nicht benannt.

Ein Anspruch des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung im Folgeverfahren scheidet danach insgesamt aus. Hinsichtlich der vom Kläger ursprünglich geltend gemachten Verfolgung als albanischer Volkszugehöriger einer politischen Gruppierung bleibt es damit bei der Bestandskraft des ablehnenden Bescheids des Bundesamts vom 28.7.1994, der - zutreffend - auf das Fehlen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung des 1991 aus Jugoslawien ausgereisten Klägers gestützt wurde. Aus der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung herangezogenen Qualifikationsrichtlinie lässt sich in diesem Zusammenhang nichts anders ableiten.

2. Einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten, wie ihn die Kläger hilfsweise sowohl für Serbien als auch für den Kosovo geltend machen, besteht ebenso wenig.

Der Verpflichtungsantrag zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist sachdienlich dahin auszulegen, dass der Kläger in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, BVerwGE 131, 198).

Über solche Abschiebungshindernisse ist ungeachtet von der Frage zu entscheiden, ob der Folgeantrag des Klägers insoweit die Voraussetzungen des § 71 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt (siehe BVerwG, Urt. v. 21.3.2000, BVerGE 101, 77 ff.; SächsOVG, Urt. v. 4.9.2007 - A 4 B 233/05 -, juris Rn. 28).

Von den oben genannten Abschiebungsverboten kommt auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nur subsidiärer Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Betracht. Anderweitige Gefahren i. S. v. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismitteln ersichtlich aus (siehe auch VGH BW, Urt. v. 24.4.2008 - A 6 S 1026/05 -, juris zu Roma und Ashkali im Kosovo, OVG Saarland, Beschl. v. 8.2.2008 - 2 A 16/07 -, juris zu Roma).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der Berufungsverhandlung geltend gemacht, der am geborene Kläger sei mit nahezu 70 Jahren altersbedingt nicht mehr in der Lage, sein Existenzminimum zu sichern. Als Angehöriger der Roma drohe ihm faktisch ein lebenslanger Aufenthalt in einem Flüchtlingslager, von denen einige nachweislich durch Schwermetallrückstände verseucht seien. Die Versagung von Schutz sei mit der Qualifikationsrichtlinie unvereinbar. Auf der Grundlage dieses Vorbringens liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG weder für Serbien noch für den Kosovo vor.

Bei der Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG kommt es nicht auf die Staatsangehörigkeit oder den ständigen Aufenthalt eines Ausländers an, sondern darauf, ob das Bundesamt für den betreffenden Staat bereits eine Feststellung getroffen oder der Ausländer aus anderen Gründen berechtigten Anlass für die Befürchtung hat, in den jeweiligen Staat abgeschoben zu werden (s. BVerwG, Urt. v. 2.8.2007, BVerwGE 129, 155, 161 f.; SächsOVG; Urt. v. 19.5.2007 - A 4 B 229/07 -, juris). Dies betrifft hier sowohl Serbien als auch den Kosovo. Aus den von § 60 Abs. 11 AufenthG in Bezug genommenen Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie folgt insoweit nichts anderes.

Einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Kläger nicht.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Diese Vorschrift setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07-, juris Rn. 31) - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - nach wie vor - nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 a. a. O., Rn. 32 m. w. N.).

Da im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder in Serbien noch im Kosovo ein internationaler oder innerstaatlich bewaffneter Konflikt i. S. v. Art. 15c der Qualifikationsrichtlinie besteht, der eine richtlinienkonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zur Folge hätte, richtet sich der Prüfungsmaßstab für den vom Kläger beanspruchten Abschiebungsschutz danach, ob eine allgemeine Gefahr ("Gruppengefahr") i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Vielzahl von Betroffenen oder aber eine individuelle, für den Kläger spezifische Gefahrenlage geltend gemacht wird.

Mit dem Vorbringen, als älterer Angehöriger der Roma seinen Lebensunterhalt nicht mehr sichern zu können und faktisch in einem Flüchtlingslager leben zu müssen, beruft sich der Kläger auf Gefahren, die nicht nur ihn, sondern einen großen Teil der Bevölkerungsgruppe der Roma sowohl in Serbien als auch im Kosovo treffen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Der anwaltlich vertretene Kläger macht im Berufungsverfahren nicht etwa geltend, er leide an einer individuellen behandlungsbedürftigen Erkrankung, sondern verweist auf die Schwierigkeiten bei der Sicherung des Existenzminimums als Angehöriger der Roma. Auch bei dem von ihm befürchteten langjährigen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager handelt es sich um eine Gefahr, der die Bevölkerungsgruppe der Roma in Serbien wie im Kosovo allgemein ausgesetzt ist.

Da der Kläger für solche allgemeinen Gefahren auf eine Regelung durch die oberste Landesbehörde nach § 60a AufenthG verwiesen werden muss (siehe BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 a. a. O., juris Rn. 32), könnte ihm Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur insoweit gewährt werden, als dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist. Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage in dem Sinne, dass der Kläger etwa sehenden Auges der sichere Tod oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte, lässt sich jedoch weder für Serbien noch für den Kosovo feststellen.

Die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel belegen, dass Vertriebene aus dem Kosovo (darunter auch Roma) in Serbien mit "großen Schwierigkeiten" konfrontiert sind (so etwa das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008, S. 4). Viele Vertriebene lebten in Flüchtlingslagern unter elenden Bedingungen, der Zugang zu adäquatem Wohnraum habe sich im Verlauf der letzten Jahre kaum verbessert. Erkenntnismittel, die geeignet wären, eine extreme Gefahrenlage i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für ältere Angehörige der Roma (ohne besondere Erkrankungen oder Behinderungen) zu begründen, liegen jedoch nicht vor.

Auch für den Kosovo lässt sich eine solche Gefahrenlage nicht feststellen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Fall einer Rückkehr in den Kosovo befürchten müsste, in eines der mit Schwermetallen verseuchten Flüchtlingslager bei (Lagebericht vom 2.2.2009, S. 16 f.) verbracht zu werden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der vom Kläger in der Berufungsverhandlung zitierten Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6.2.2009 nicht ansatzweise entnommen werden, dass zurückkehrende Angehörige der Roma in eines der dort genannten Lager verbracht werden. Erkenntnismittel, die auf eine extreme Gefahrenlage i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für Personen wie den Kläger schließen lassen, liegen auch für den Kosovo nicht vor. Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass die in besonderem Maße von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung betroffenen Angehörigen von Roma-Gemeinschaften weitgehend auf sich selbst und auf familiäre Unterstützung angewiesen sind (Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008, S. 3 f.; Amnesty International, Asyl-Info 3/2009, S. 6 f.).

Diesen Umständen ist jedoch nicht durch die Gewährung eines individuellen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern durch eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a AufenthG Rechung zu tragen (siehe oben).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz.

Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 18.9.2002 mit der Zielstaatsbezeichnung "Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)" trotz der heute abweichenden Zielstaatsbezeichnungen nicht zu beanstanden (siehe VGH BW, Beschl. v. 22.7.2008 - 11 S 1771/08 -, juris m. w. N.).

Dementsprechend ist das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beteiligten sind nicht in entsprechender Anwendung von § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil der Beteiligte keinen Antrag gestellt und so ein eigenes Kostenrisiko vermieden hat.

Ende der Entscheidung

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