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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: D 6 B 726/06
Rechtsgebiete: SächsDO, StPO


Vorschriften:

SächsDO § 12
StPO § 153a
Die Bestimmung des § 12 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SächsDO, wonach auf Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt nur erkannt werden darf, wenn dies zusätzlich zu einer durch ein Gericht oder eine Behörde rechtskräftig gegen den Beamten verhängten Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Aufgaben anzuhalten, ist auf Fälle der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO nicht anwendbar.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: D 6 B 726/06

In der Disziplinarrechtssache

wegen Förmlichen Disziplinarverfahrens

hat der 6. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, die Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und Meng sowie die Beamtenbeisitzerin Sehrig und der Beamtenbeisitzer Leufertz auf die Hauptverhandlung vom 7. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Einleitungsbehörde wird das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6. September 2006 - D 10 K 2422/05 - geändert.

Der Beamte wird in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 versetzt.

Der Beamte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich seiner notwendigen Auslagen.

Tatbestand:

Der 1949 geborene Beamte absolvierte nach dem Abschluss der Polytechnischen Oberschule eine Ausbildung zum Korpus-Gürtler. Am 1.11.1969 trat er in den Dienst der ehemaligen Deutschen Volkspolizei ein. Zum 1.7.1992 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeihauptkommissar der Besoldungsgruppe A 12 ernannt. Nach Abschluss der Überprüfung auf eine Tätigkeit für das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit wurde ihm mit Wirkung vom 8.8.1997 die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Seit dem 1.8.1991 war der Beamte bei der Polizeidirektion mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des Leiters des Stabsbereichs Öffentlichkeitsarbeit beauftragt. Infolge einer Strukturveränderung wurde er mit Wirkung vom 1.5.1998 zur Inspektion Prävention/Öffentlichkeitsarbeit, Fachdienst Öffentlichkeitsarbeit/Bürgerreferent umgesetzt und als Leiter des Fachdienstes eingesetzt. Seit dem 10.10.2005 ist der Beamte bis auf weiteres der Verkehrspolizeiinspektion, FD Verkehrsunfallaufnahme , zugeteilt.

In der Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum 1.10.1996 bis 30.9.1999 erreichte der Beamte 4,72 Punkte (entspricht den Anforderungen). Für den Zeitraum vom 1.10.1999 bis 1.10.2002 erhielt er 4,52 Punkte.

Der Beamte ist seit 1998 in zweiter Ehe verheiratet. Er hat eine erwachsene Tochter aus erster Ehe. Der Beamte erhält monatliche Bezüge in Höhe von 3.366,69 € brutto (Stand April 2004). Seine Ehefrau ist Grundschullehrerin. Die finanziellen Verhältnisse des Beamten sind geordnet. Bis auf die hier in Rede stehenden Vorwürfe ist der Beamte disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bautzen - Strafrichter - vom 14.6.2004 - 4 D Cs 160 Js 7623/04 - wurde gegen den Beamten wegen Diebstahls eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 60,- € festgesetzt, weil er am 7.4.2004 gegen 12.10 Uhr in den Geschäftsräumen des -Marktes , , drei Lautsprecherstecker "Monsterkabel", vergoldet, im Gesamtwert von 119,97 € entwendet habe, um die Ware ohne Bezahlung für sich zu behalten. Auf seinen Einspruch gegen den Strafbefehl hat das Amtsgericht Bautzen das Verfahren in der Hauptverhandlung vom 7.12.2004 gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.000,- € eingestellt. Gemäß dem Protokoll über die Hauptverhandlung vom 7.12.2004 wurde die "ärztliche Stellungnahme von Frau Dr. vom 29.11.2004" - richtig: Stellungnahme der Diplom-Psychologin , Psychologische Psychotherapeutin, vom 21.11.2004 - in das Verfahren eingeführt. Der Vorsitzende hat in der Hauptverhandlung erklärt, dass es um einen Wert von 100,- € gehe, es sich nach der ärztlichen Stellungnahme um eine Affekthandlung nach § 21 StGB handele und die Geldbuße im Vergleich zum Normalfall angemessen zu erhöhen sei, um den disziplinarischen Überhang auszugleichen.

Wegen dieses Sachverhalts untersagte der Leiter des Polizeipräsidiums Dresden dem Beamten mit Verfügung vom 14.4.2004 die Führung der Dienstgeschäfte. Mit Verfügung vom 11.6.2004 wurde das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet und die vorläufige Dienstenthebung angeordnet. Mit Verfügung der Einleitungsbehörde vom 27.9.2005 wurde die vorläufige Dienstenthebung aufgehoben.

Am 17.11.2005 ist die Anschuldigungsschrift der Polizeidirektion vom 28.10.2005 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Hierin wird der Beamte angeschuldigt, gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes verstoßen zu haben, indem er am 7.4.2004 im -Markt des in vergoldete Lautsprecherstecker im Wert von 119,97 € in der Absicht weggenommen habe, sich diese rechtswidrig zuzueignen. Ein Polizeivollzugsbeamter, der einen außerdienstlichen Diebstahl begehe, sei aus dem Dienst zu entfernen, sofern keine durchgreifenden Milderungsgründe vorlägen. Hier sei vom Milderungsgrund der einmaligen, persönlichkeitsfremden Augenblickstat auszugehen. Der Beamte habe kurzschlussartig versagt. Das Auspacken der Stecker und Liegenlassen der Verpackungen am Ort der Wegnahme zeige ein kopfloses und unüberlegtes Verhalten. Der Beamte habe die Verpackungen nicht, wie häufig bei Ladendiebstählen, in einer anderen Abteilung des Marktes verborgen. Er habe spontan zugegriffen, ohne die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens zu bedenken. Angesichts des Persönlichkeitsbildes des Beamten, wie es sich auch in der Untersuchung gezeigt habe, sei das Verhalten nicht erklärbar, so dass von einer einmaligen Gelegenheitstat auszugehen sei. Eine erhebliche Verringerung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB könne aus der Stellungnahme der Diplom-Psychologin nicht abgeleitet werden und habe auch in der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Zu Lasten des Beamten falle seine Funktion ins Gewicht. Als Pressesprecher stehe er ganz besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit und repräsentiere seine Behörde. Da die Ansehensschädigung nicht erfolgs- sondern verhaltensbezogen zu betrachten sei, spiele es keine Rolle, dass die Allgemeinheit keine Kenntnis von dem Vorfall erhalten habe.

Mit Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6.9.2006 wurde das förmliche Disziplinarverfahren eingestellt. Das Verwaltungsgericht ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

"Am 7.4.2004 suchte der Beamte in seiner Mittagspause den -Markt im in auf, um dort ein Cinch-Kabel zu kaufen. In der Fernsehabteilung sah der Beamte vergoldete Lautsprecherstecker. Er entnahm dem Regal drei Packungen mit je vier Lautsprechersteckern und legte sie in seinen Einkaufskorb. Im Warengang kam ihm der Zeuge entgegen. Der Beamte bemerkte den Zeugen und hatte Blickkontakt zu ihm. Der Beamte wusste jedoch nicht, dass es sich bei dem Zeugen um den Warenhausdetektiv handelte. Der Zeuge ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Um sich die Stecker näher anzusehen, entnahm der Beamte eine Packung Stecker dem Einkaufskorb und griff unter der eingeschobenen Plastikabdeckung in die Verpackung hinein, wobei die Stecker aus der Verpackung fielen. Der Beamte steckte die Stecker in seine Jackentasche und öffnete noch die zwei weiteren Packungen, deren Inhalt er ebenfalls einsteckte. Die Verpackungen legte der Beamte am Entnahmeort ab und begab sich zur Kasse. An der Kasse bezahlte der Beamte das Kabel. Der Zeuge , der sich im Nebengang befunden hatte, als der Beamte die Stecker auspackte, hatte dort ein Rascheln gehört. An der Kasse fiel dem Zeugen auf, dass der Beamte, der zuvor mehrere Verpackungen im Einkaufskorb hatte, nunmehr außer dem Kabel keine weiteren Gegenstände im Korb mit sich führte. Er sprach den Beamten nach dem Kassiervorgang an und bat ihn mit in das Büro. Der Zeuge fragte den Beamten, ob er nicht vergessen hätte etwas zu bezahlen. Dies gab der Beamte sofort zu. Bei der Feststellung der Personalien gab der Beamte seinen Beruf an. Aufgrund der Berufszugehörigkeit des Beamten informierte der Zeuge das zuständige Polizeirevier. Der Beamte bezahlte die Stecker und entrichtete die so genannte Fangprämie in Höhe von 75,- €."

In rechtlicher Hinsicht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beamte ein schwerwiegendes Dienstvergehen i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 2 SächsBG dadurch begangen hat, dass er schuldhaft gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhaltens i.S.d. § 72 Abs. 1 Satz 2 SächsBG verstoßen hat. Es seien auch keine Anhaltspunkte für ein Fehlen der Schuldfähigkeit des Beamten ersichtlich. Die vom Amtsgericht Bautzen angenommene verminderte Schuldfähigkeit des Beamten i.S.d. § 21 StGB ändere am Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung nichts. Diebstähle von Polizeibeamten führten wegen des damit verbundenen Vertrauensverlustes und Ansehensschadens grundsätzlich zur Entfernung aus dem Dienst, sofern keine Milderungsgründe vorlägen. Vorliegend sei der Milderungsgrund der einmaligen persönlichkeitsfremden Entgleisung im Sinne einer Augenblickstat anlässlich einer besonderen Versuchung gegeben. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit der in der Anschuldigungsschrift dargelegten Wertung der Einleitungsbehörde angeschlossen. Nach Würdigung aller Umstände, des Milderungsgrundes und der gebotenen Wertung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten sei die Kammer - auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung hinterlassen habe - davon überzeugt, dass eine Entfernung aus dem Dienst nicht erforderlich sei. Es wäre grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, den Beamten in das Amt eines Polizeihauptkommissars (A 11) zurückzuversetzen. Daran sehe sich die Kammer allerdings gemäß § 12 Satz 2 SächsDO gehindert. Gegen den Beamten sei zwar nicht rechtskräftig eine gerichtliche oder behördliche Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden. Die Kammer halte es aber ausnahmsweise für geboten, § 12 SächsDO auf den Fall der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens nach Entrichtung einer Geldbuße entsprechend anzuwenden, weil die Einstellung gemäß § 153a Abs. 2 StPO durch das Gericht in der Hauptverhandlung erfolgt und zudem zuvor bereits ein Strafbefehl ergangen sei. In den Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft das Verfahren vor Erhebung einer Klage gemäß § 153a Abs. 1 StPO einstelle, nachdem sich der Betroffene zuvor mit einer Auflage einverstanden erklärt habe, könne regelmäßig nicht festgestellt werden, ob strafrechtlich und disziplinar der selbe Sachverhalt in den Blick genommen wird. In diesen Fällen komme eine analoge Anwendung des § 12 SächsDO grundsätzlich nicht in Betracht. Anders lägen die Dinge jedoch, wenn - wie hier - der Strafrichter das Strafverfahren einstellt, nachdem der strafrechtlich relevante Sachverhalt zuvor in einem Strafbefehl festgestellt wurde. Insoweit könne auch im Disziplinarrecht nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Strafbefehl aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht ergehe, einen strafrechtlichen Schuldspruch enthalte, eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetze und gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangen könne. Vor diesem Hintergrund könne die Kammer nicht unberücksichtigt lassen, dass in § 14 BDG § 153a Abs. 1 und 2 StPO ausdrücklich erwähnt seien und in der Rechtsprechung des Bundesdisziplinargerichts schon die Vorschrift des § 14 BDO auf den Fall des § 153a StPO mit der Begründung analog angewandt worden sei, der Gesetzgeber hätte die gleich gelagerten Fälle in § 14 BDO einbezogen, wenn diese Regelungen nicht erst nach der Novelle der BDO im Jahre 1967 getroffen worden wären. In der Begründung zu § 14 BDG werde ausgeführt, im neuen Disziplinargesetz werde die Streitfrage geklärt, ob und inwieweit eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden dürfe, wenn ein sachgleiches Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden sei. Dies bestätige die Auffassung der Kammer, dass weniger an eine substanzielle Änderung des bisherigen Rechts als an dessen Klarstellung gedacht worden sei. Schließlich sei das geltende sächsische Disziplinarrecht auf die differenzierten strafprozessualen Sanktionsmöglichkeiten nicht abgestimmt. Dabei komme dem Umstand, dass die bisherige bundesrechtliche Regelung dem In-Kraft-Treten des § 153a StPO zeitlich vorausgegangen sei, Bedeutung zu auch für das sächsische Landesrecht, da der Landesgesetzgeber sich an das Bundesrecht angelehnt und sich der Frage, wie im Falle der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO zu verfahren sei, nicht eigenständig angenommen habe. Die Kammer sei sich bewusst, dass das Bundesverwaltungsgericht die Frage in ständiger Rechtsprechung gegenteilig entschieden und den Ausnahmecharakter des § 14 BDO und die Unterschiede zwischen einer Bestrafung und einer Verfahrenseinstellung nach Erfüllung von Auflagen betont habe. Dem könne sich die Kammer im Hinblick auf den hier allein in Rede stehenden Fall jedenfalls dann nicht anschließen, wenn bereits der Strafrichter ausdrücklich die Beamtenstellung des Angeklagten gewürdigt und bei der Bemessung der Auflage gemäß § 153a Abs. 2 StPO berücksichtigt habe. Im Falle der Anwendbarkeit des § 12 Satz 2 SächsDO sei eine zusätzliche Maßnahme nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig. Diese liege nicht vor.

Am 24.10.2006 hat die Einleitungsbehörde auf die Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass einer Versetzung des Beamten in ein niedrigeres Amt der gleichen Laufbahn die Regelung des § 12 Satz 2 SächsDO entgegenstehe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass innerhalb des BDG die Einstellung nach § 153a StPO reine Klarstellungsfunktion habe und dies auf die SächsDO zu übertragen sei, die diese Regelung gerade nicht beinhalte, berücksichtige die mit Verfassungsrang ausgestattete Kompetenz des Landesgesetzgebers nicht. Auch der Begründung des Verwaltungsgerichts, es bestehe ein Bedürfnis, Einstellungen nach § 153a StPO in die Regelung des § 12 SächsDO einfließen zu lassen, könne nicht gefolgt werden. Die Gesetzesbegründung zu § 12 SächsDO nenne die Geldauflage nach § 153a StPO nicht, obwohl § 153a bereits 1974 eingeführt worden sei. Da die Verfahrenseinstellung in der strafrechtlichen Praxis eine gewichtige Rolle spiele, erscheine es nicht nachvollziehbar, wenn dies nach dem Willen des Gesetzgebers in den Anwendungsbereich des § 12 SächsDO fallen solle, jedoch keinerlei Erwähnung in der Gesetzesbegründung finde. Angesichts dessen sei der Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 14 BDG nicht wesentlich. Vor In-Kraft-Treten des BDG sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Lehre einer extensive Auslegung des Strafbegriffs oder gar eine Analogie richtigerweise abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht habe auch die Unterschiede zwischen einer Strafverurteilung und dem Zweck des § 153a StPO nicht ausreichend berücksichtigt. Selbst bei analoger Anwendung des § 12 Satz 2 SächsDO sei zudem die Herabstufung des Beamten in ein Amt der selben Laufbahn nicht nur möglich, sondern auch erforderlich. Im Falle des § 12 Satz 2 SächsDO gehe es nicht um den generellen Schutz des Berufsbeamtentums, sondern um die individuell notwendige Einwirkung auf den Beamten. Hier sei wesentlich, dass der Beamte im Zeitpunkt des disziplinarrechtlichen Fehlverhaltens Leiter des Fachdienstes Öffentlichkeitsarbeit/Bürgerreferent gewesen sei. Dem Beamten sei als beauftragter Pressesprecher eine besondere Integrität abzuverlangen, die dieser durch sein Fehlverhalten gröblich verletzt habe. Zudem habe das Verwaltungsgericht eine Wiederholungsgefahr zu Unrecht verneint.

Die Einleitungsbehörde beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6.9.2006 - D 10 K 2422/05 - aufzuheben und den Beamten wegen eines Dienstvergehens in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 zu versetzen.

Der Beamte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe die Anwendung des § 12 SächsDO zu Recht bejaht. Durch die Einstellung gemäß § 153a StPO habe das Strafgericht zu erkennen gegeben, dass es sich hier um ein weniger schweres Unrecht handele als es bei der Verhängung eines Strafbefehls gegeben wäre. Gleichwohl handele es sich bei der Einstellung gemäß § 153a StPO nicht um eine sanktionslose Einstellung des Strafverfahrens. § 12 SächsDO solle dem Beamten vor einer - insbesondere finanziellen - doppelten Bestrafung wegen der selben Tat schützen. Vorliegend sei die Tat mit der Zahlung von 1.000,- € gesühnt worden. Nach strafgerichtlicher Ansicht sei der Zahlung dieses Betrages dem Ausgleich des getätigten Unrechts unter Berücksichtigung aller Täter- und Tatumstände in ausreichenden Maße Rechnung getragen worden. Das Verwaltungsgericht sei weiter zutreffend davon ausgegangen, dass kein Bedürfnis bestehe, auf den Beamten disziplinarrechtlich individuell einzuwirken.

Dem Senat liegen vor die Gerichtsakten der I. Instanz einschließlich der von der Einleitungsbehörde dem Gericht vorgelegten Vorgänge, die insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Einleitungsbehörde ist begründet. Das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6.9.2006 ist zu ändern und der Beamte in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 zu versetzen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3, § 7 SächsDO).

1. Die Einleitungsbehörde hat auf die Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung eingelegt. Sie ist mit den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts einverstanden, dass der Milderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat vorliegt und deshalb die Versetzung des Beamten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt ausreichend, aber erforderlich ist. Anders als das Verwaltungsgericht ist sie jedoch der Auffassung, dass dieser Maßnahme § 12 Satz 2 SächsDO nicht entgegen steht. Die Berufung ist deshalb, wie der Vertreter der Einleitungsbehörde in der Hauptverhandlung vor dem Senat klargestellt hat, auf die Frage beschränkt, ob die von der Einleitungsbehörde und dem Verwaltungsgericht übereinstimmend für angemessen gehaltene Disziplinarmaßnahme der Versetzung in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 verhängt werden kann oder ob dies mit Rücksicht auf § 12 Satz 2 SächsDO unzulässig ist. Es spricht viel dafür, dass diese Beschränkung zur Folge hat, dass für den Senat nicht nur die Tat- und Schuldfeststellungen der ersten Instanz sowie deren Würdigung als Dienstvergehen bindend sind, sondern dass mit bindender Wirkung auch die Angemessenheit der Versetzung des Beamten in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 feststeht (so BVerwG, Urt. v. 20.2.2001 - 1 D 7.00 -, BVerwGE 114, 50).

Letztlich kann dies aber dahinstehen, da auch nach Auffassung des Senats die Versetzung des Beamten in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 aus den vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegten Gründen erforderlich, aber auch ausreichend und damit schuld- und tatangemessen ist. Die Maßnahme ist entgegen der Auffassung des Beamten nicht wegen überlanger Verfahrensdauer und des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte und der sich anschließenden vorläufigen Dienstenthebung im Zeitraum vom 14.4.2004 bis 27.9.2005 unangemessen. Eine überlange Verfahrensdauer liegt nicht vor. Das förmliche Disziplinarverfahren wurde am 11.6.2004 eingeleitet, dann gemäß § 14 Abs. 1 SächsDO wegen des anhängigen Strafverfahrens ausgesetzt und in der Folge ordnungsgemäß fortgeführt. Die vorläufige Dienstenthebung und das vorangegangene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen Umstand dar, der bei Dienstvergehen der vorliegenden Art auch ein Absehen von der Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt rechtfertigen kann. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Falle von vorsätzlichen Straftaten, insbesondere Diebstahlshandlungen, von Polizeivollzugsbeamten regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst die erforderliche Disziplinarmaßnahme darstellt. Nur im Falle des Vorliegens von Milderungsgründen kommt - wie hier - die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt in Betracht. Eine nur im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme bleibt jedoch stets erforderlich.

2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht der Versetzung des Beamten in das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 11 § 12 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SächsDO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf auf Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt nur erkannt werden, wenn dies zusätzlich zu einer durch ein Gericht oder eine Behörde rechtskräftig gegen den Beamten verhängten Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Aufgaben anzuhalten.

a) Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO stellt, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht, keine durch ein Gericht oder eine Behörde rechtskräftig gegen den Beamten verhängten Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme dar. Nach dem Wortlaut des § 12 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SächsDO besteht vorliegend somit kein Maßnahmeverbot.

b) Die Regelung des § 12 SächsDO ist auch einer ausdehnenden Auslegung nicht zugänglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit in seiner grundlegenden Entscheidung zu § 14 BDO vom 11.12.1990 - 1 D 13.90 - (BVerwGE 86, 379 [381 f.]) zutreffend ausgeführt, dass das Wesen der Regelung als Ausnahme gegenüber der aus den verschiedenen Zwecken von Straf- und Disziplinarrecht abzuleitenden materiellrechtlichen wie prozessualen Eigenständigkeit beider Rechtsgebiete eine ausdehnende Auslegung der Norm verbietet.

Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine ausdehnende Auslegung nicht geboten. Die fehlende Geltung des Maßnahmeverbots nach § 12 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SächsDO für die Fälle der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO, insbesondere nach § 153a Abs. 2 StPO, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf. Denn eine strafrechtliche Verurteilung unterscheidet sich von einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO erheblich, weshalb hier nicht gleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden.

c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Vorschrift auch nicht entsprechend auf den hier vorliegenden Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO durch das Strafgericht anzuwenden.

Die entsprechende Anwendung einer Norm setzt eine Gesetzeslücke voraus. Diese ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem dargestellten Ausnahmecharakter des § 12 SächsDO vorhanden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1990, aaO). Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass § 153a StPO Jahre nach Einfügung des § 14 BDO Gesetz wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesem Umstand bereits für die Analogiefähigkeit des § 14 BDO keine Bedeutung beigemessen (vgl. Urt. v. 11.12.1990, aaO). Erst recht kann dieser Umstand für die Analogiefähigkeit des § 12 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SächsDO nicht herangezogen werden, da die Sächsische Disziplinarordnung erst viele Jahre nach der Einfügung des § 153a StPO erlassen wurde und davon ausgegangen werden muss, dass dem sächsischen Gesetzgeber die hier in Rede stehende Problematik bekannt war. Die Frage der analogen Anwendung des § 14 BDO auf die Fälle der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO war gerade in der Zeit vor dem Gesetzesbeschluss am 27.1.1994 aufgrund der Rechtsprechung des Bundesdisziplinargerichts ein Thema. Aufgrund des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.1990, aaO, war jedoch klar, dass eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO nur im Falle einer ausdrücklichen Aufnahme in § 12 SächsDO ein Maßnahmeverbot zu begründen vermag.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung der Staatsregierung zu § 12 SächsDO (LT-Drs. 1/3397). Es heißt dort: "Durch diese Bestimmung soll der Tatsache Rechung getragen werden, dass es bei einer durch Strafe oder Ordnungsmaßnahmen geahndeten Tat, die zugleich ein Dienstvergehen darstellt, häufig nicht mehr erforderlich ist, auch noch disziplinär einzuschreiten. In diesen Fällen ist dem Zweck des Disziplinarrechts bereits durch die Verhängung einer Strafe oder Ordnungsmaßnahme Genüge getan." Die Auflage gemäß § 153a StPO wird nicht erwähnt. Im weiteren Verlauf der Begründung wird § 14 BDO herangezogen. Wie bereits ausgeführt muss davon ausgegangen werden, dass der Staatsregierung und den mit dem Gesetzentwurf und dessen Begründung betrauten Bediensteten im Jahre 1993 die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nichtanwendbarkeit des § 14 BDO im Falle der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO bekannt war. Gerade die vom Verwaltungsgericht herangezogene Gesetzesbegründung zu § 14 BDG macht deutlich, dass es eine rechtspolitische Frage darstellt, ob die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO mit einer strafrechtlichen Verurteilung gleichgestellt werden soll oder nicht. Hat sich der Gesetzgeber nach dem klaren Wortlaut der Norm für eine bestimmte Lösung entschieden, ist es den Gerichten verwehrt, im Wege der Analogie die Entscheidung des Gesetzgebers abzuändern.

Die Gesetzesbegründung zu § 14 BDG (abgedruckt bei Czapski/Claußen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, 9. Aufl., S. 309 f.) enthält zunächst den auch vom Verwaltungsgericht zitierten Satz, dass im neuen Bundesdisziplinargesetz die Streitfrage geklärt wird, ob und inwieweit eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden darf, wenn ein sachgleiches Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist. In der Gesetzesbegründung wird aber unmittelbar anschließend folgendes ausgeführt: "Auf der Basis des geltenden Rechts wird ein Doppelahndungsverbot überwiegend nicht angenommen, weil die Disziplinarordnungen des Bundes und der Länder ein solches nicht vorsehen und die Voraussetzungen einer Analogie zu dem Doppelahndungsverbot nach einer Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme als nicht gegeben angesehen werden. Ein Bedürfnis hierzu hingegen wird überwiegend bejaht und muss tatsächlich auch als vorhanden angesehen werden, weil auf der Grundlage des § 153a StPO erbrachte Geldzahlungen oder sonstige Leistungen von den Betroffenen als ein der Geldstrafe vergleichbares Übel empfunden wird und es außerdem nicht verständlich ist, warum zwar bei vorausgegangener Bestrafung auf eine Disziplinarmaßnahme verzichtet werden soll, nicht aber dann, wenn das Strafverfahren bei geringer Schuld eingestellt wird. Durch Absatz 1 wird diesem praktischen Regelungsbedürfnis Rechnung getragen." Daraus wird deutlich, dass es sich insoweit nicht um eine rechtliche, sondern um eine rechtspolitische Streitfrage gehandelt hat. Zur Klärung rechtspolitischer Streitfragen ist jedoch ausschließlich der Gesetzgeber berufen.

3. Eine Abkürzung der Frist, nach der dem Beamten wieder ein Amt mit höherem Endgrundgehalt verliehen werden darf, kommt bereits angesichts des Alters des Beamten im Hinblick auf das in § 33 Abs. 3 SächsBG normierte grundsätzliche Verbot einer Beförderung innerhalb von zwei Jahren vor Erreichen der Altersgrenze, die bei Polizeivollzugsbeamten gemäß § 151 Abs. 1 SächsBG mit Vollendung des 60. Lebensjahres erreicht wird, nicht in Betracht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt, ohne dass sich die Amtsbezeichnung ändert, gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 SächsBG einer Beförderung laufbahnrechtlich gleichsteht. Im Übrigen wäre eine Abkürzung der Frist auch im Hinblick auf die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht angezeigt (§ 7 Abs. 3 Satz 2 SächsDO), da das förmliche Disziplinarverfahren, wie oben bereits ausgeführt, am 11.6.2004 eingeleitet, dann gemäß § 14 Abs. 1 SächsDO wegen des anhängigen Strafverfahrens ausgesetzt und in der Folge ordnungsgemäß fortgeführt wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 106 Abs. 3 Satz 2, § 105 Abs. 1 Satz 1, 1. HS SächsDO.

Das Urteil ist mit der Verkündung rechtskräftig (§ 82 SächsDO).

Ende der Entscheidung

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