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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: NC 2 B 2/09
Rechtsgebiete: SächsZZVO 2008/2009


Vorschriften:

SächsZZVO 2008/2009 § 2 Abs. 4
Zur Auslegung von § 2 Abs. 4 SächsZZVO.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: NC 2 B 2/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium Tiermedizin, 5. FS, WS 2008/2009

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald

am 30. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 1. Dezember 2008 - NC 2 L 1601/08 - geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2008/2009 vorläufig zum Studium der Tiermedizin im 5. Fachsemester zuzulassen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 1.12.2008 hat Erfolg.

Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2008/2009 vorläufig zum Studium der Tiermedizin im 5. Fachsemester zuzulassen, abgelehnt. Das Verwaltungsgericht geht in seinem Beschluss davon aus, dass die Zahl der Studierenden über der in der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Festsetzung von Zulassungszahlen an den Universitäten und Fachhochschulen im Studienjahr 2008/2009 (Sächsische Zulassungszahlenverordnung 2008/2009 - SächsZZVO 2008/2009) vom 27.6.2008 (SächsGVBl. S. 377) festgelegten Auffüllgrenze von 147 liegt. Dabei stellt das Verwaltungsgericht zur Ermittlung der Zahl der Studierenden auf die im Wintersemester 2008/2009 im 5. Fachsemester eingeschriebenen 148 Studierenden ab. Eine wörtliche Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 2 SächsZZVO 2008/2009, wonach die Studentenzahl der vorausgegangenen zwei Fachsemester maßgeblich ist, sei nicht sachgerecht. Sie würde zur Zulassung weiterer Studierender führen und widerspräche damit offensichtlich der sich aus § 2 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 4 Satz 1 SächsZZVO 2008/2009 ergebenden Absicht des Verordnungsgebers, Studienplatzbewerber nicht über die Auffüllgrenzen hinaus aufzunehmen.

Hiergegen wendet die Antragstellerin in der Begründung ihres Zulassungsantrages u. a. ein, diese Auslegung und Anwendung widerspreche dem Wortlaut von § 2 Abs. 4 SächsZZVO 2008/2009. Stelle man für die Studierendenzahl nicht auf die tatsächlich eingeschriebenen Studenten, sondern auf die Studierenden in den vorausgegangenen Fachsemestern ab, sei die Auffüllgrenze bei weitem nicht erreicht.

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch in Hochschulzulassungsverfahren grundsätzlich beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 3.7.2002 - NC 2 C 2/02 - juris), führen zu einer Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht § 2 Abs. 4 Satz 2 SächsZZVO 2008/2009 außer Acht gelassen. Danach sind bei der Ermittlung der Zahl der Studierenden die Studentenzahlen der jeweils vorausgegangenen zwei Fachsemester zugrunde zu legen. Der Senat hat bereits in den Gründen seines Beschlusses vom 29.5.2008 - NC 2 B 9/08 - ausgeführt, dass diese Vorschrift auch dann anzuwenden ist, wenn bereits die aktuellen Belegungslisten für das jeweilige Semester vorliegen. Auch dann bleiben nach dem eindeutigen Wortlaut der Sächsischen Zulassungszahlenverordnung 2008/2009 die Studentenzahlen der jeweils vorausgegangenen (niedrigeren) zwei Fachsemester maßgeblich. Mit dem Wortlaut "vorausgegangenen zwei Fachsemester" bringt der Verordnungsgeber zum Ausdruck, dass einerseits nicht die aktuellen Belegungslisten, sondern die Belegungslisten des vorausgegangenen Semesters und andererseits die Studentenzahlen in den jeweils niedrigeren Fachsemestern zugrunde zu legen sind.

Diese Regelung ist auch sachgerecht, weil regelmäßig bei der Zulassungsentscheidung die aktuellen Belegungslisten noch nicht vorliegen. Die Studenten des vorausgegangenen Fachsemesters treten - ggf. vermindert um einen gewissen Schwund, den die Verordnung aber ebenso vernachlässigt wie sonstige Zugänge - in das aktuelle Semester über und bieten somit eine geeignete Grundlage für die Bestimmung der Zahl der im aktuellen Semester zu erwartenden Studenten. Da bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen in Sachsen Studienplätze im 1. Fachsemester nur jedes Jahr angeboten werden und folglich auch die Lehrveranstaltungen in jährlichem Rhythmus wechseln, stellt die Verordnung nicht nur auf das vorausgegangene Fachsemester, sondern die beiden vorausgegangenen Fachsemester ab. Die Studenten der beiden vorausgegangenen niedrigeren Fachsemester werden nach ihrer Rückmeldung beide das Lehrangebot desselben höheren Semesters nachfragen.

Von dieser Regelung ist auch dann nicht abzuweichen, wenn feststeht, dass die Zahl der Studierenden der vorausgegangenen Fachsemester geringer war als die Zahl der tatsächlich im aktuellen Semester Studierenden. In diesem Fall führt die in der Sächsischen Zulassungszahlenverordnung getroffene Regelung zwar dazu, dass die tatsächliche Studierendenzahl oberhalb der jeweiligen Auffüllgrenze liegt. Dieses Ergebnis nimmt der Verordnungsgeber aber zugunsten eines einheitlichen und einfachen Verwaltungsvollzuges ebenso in Kauf wie den umgekehrten Fall, dass die tatsächliche Studierendenzahl unterhalb der Auffüllgrenze liegt, weil die Studierendenzahl der vorausgegangenen Fachsemester höher war als die der nunmehr tatsächlich Studierenden. Dem Verordnungsgeber ist es nicht verwehrt, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität statt des Wirklichkeits- einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu verwenden. Auch ansonsten ist das Kapazitätsrecht durch typisierende und pauschalierende Regelungen geprägt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.9.1981 - 7 N 1.79 - juris).

Nach der vom Antragsgegner übermittelten Übersicht und der Belegungsliste für das Sommersemester 2008 studierten in diesem Semester im 4. Fachsemester 138 Studenten und im 3. Fachsemester kein Student. Da die Auffüllgrenze nach Anlage 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 SächsZZVO 2008/2009 bei 147 liegt, ergeben sich neun freie Studienplätze. Die drei Beschwerdeführerinnen, die eine Zulassung zum Studium der Tiermedizin im 5. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2008/2009 begehren, haben somit einen Anspruch auf Zulassung. Die vorläufige Befriedigung dieses Anspruchs ist dringlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 1, 2 GKG (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 13.7.2005, NVwZ-RR 2006, 219).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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