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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.08.2009
Aktenzeichen: NC 2 B 421/08
Rechtsgebiete: KapVO


Vorschriften:

KapVO § 14 Abs. 3 Nr. 3
KapVO § 16
1. Ein Krankenversorgungsabzug von 30 % ist in der Tiermedizin weiterhin nicht zu beanstanden.

2. Bei der Schwundberechnung ist auf die formelle Zugehörigkeit der Studenten zum Semester abzustellen. Unerheblich ist, ob im Einzelfall der Studierende die Zulassungsvoraussetzungen zu bestimmten Studienabschnitten durch bestandene studienbegleitende Leistungskontrollen oder Prüfungen nachgewiesen hat.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: NC 2 B 421/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium Tiermedizin, 1. FS, WS 2008/09

Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald

am 17. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 17. November 2008 - NC 2 L 1278/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht ihren Antrag, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2008/2009 vorläufig zum Studium der Tiermedizin im 1. Fachsemester zuzulassen, abgelehnt. Es geht davon aus, dass die für den Studiengang Tiermedizin festgesetzte Zulassungszahl von 147 Studienplätzen kapazitätserschöpfend ist.

Hiergegen wendet die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ein, soweit das erstinstanzliche Gericht von insgesamt 104 Stellen ausgegangen sei, stimme das zwar mit dem Kapazitätsbericht überein. Die bei den Kapazitätsberechnungsunterlagen befindlichen Vorlesungsverzeichnisse wiesen jedoch auf eine erhebliche Personalfluktuation hin. Deshalb sei zweifelhaft, ob von 104 Stellen ausgegangen werden könne. Der 30-prozentige Krankenversorgungsabzug sei mit höherrangigem Recht nicht mehr vereinbar. Der dem Abzug zugrunde liegende Bericht des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst aus dem Jahr 1986 sei veraltet. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich inzwischen wesentlich geändert. Es befänden sich erheblich mehr Mitarbeiter in der Fort- und Weiterbildung zum Fachtierarzt. So seien zahlreiche neue Fachtierarztbezeichnungen geschaffen worden. Zudem sei die Gebührenordnung für Tierärzte grundlegend geändert worden. Die durchschnittliche Dauer der Behandlung korrespondiere mit der entsprechenden Vergütung für die tierärztliche Tätigkeit. Die tierärztliche Gebührenordnung lasse es zudem zu, dass der behandelnde Tierarzt - ähnlich wie bei Privatpatienten - bis zum Dreifachen des üblichen Satzes abrechnen könne. Damit stelle sich die Frage, ob es an einer tierärztlichen Klinik so etwas Ähnliches wie "Privatpatienten" gebe. Beim Krankenversorgungsabzug müssten die Privatpatienten außer Betracht bleiben. Gerügt wird darüber hinaus, die Schwundberechnung der Universität Leipzig sei fehlerhaft, weil sie auf einer Fortzählung der Fachsemester und der Studierendenzahl beruhe. Dabei werde verkannt, dass ab dem 5. Fachsemester nur diejenigen Studierenden bei der Schwundberechnung mitgezählt werden dürfen, die die tierärztliche Vorprüfung bestanden hätten. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass Studenten, die die tierärztliche Vorprüfung nach acht Fachsemestern nicht bestanden hätten, zwangsweise exmatrikuliert würden.

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch in Hochschulzulassungsverfahren grundsätzlich beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 3.7.2002 - NC 2 C 2/02 - juris), führen nicht zu einer Änderung des angegriffenen Beschlusses.

1. Das Verwaltungsgericht ist von einer zutreffenden Stellenzahl ausgegangen. Der Hinweis der Antragstellerin auf die große Personalfluktuation kann die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach zum Stichtag 1.2.2008 104 Stellen, davon 46 für wissenschaftliche Mitarbeiter, zu berücksichtigen sind, nicht ernstlich in Zweifel ziehen. Gerade im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter gibt es naturgemäß eine erhebliche Fluktuation. Der Senat hat die Zahl von 46 besetzbaren Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter bereits in den Vorjahren anhand des jeweils vorgelegten Besetzungsvergleichs Plan/Ist einer Überprüfung unterzogen (vgl. Beschl. v. 25.6.2007 - NC 2 C 59/06 -). Hinweise darauf, dass nunmehr mehr Stellen vorhanden sind, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. Hiergegen spricht auch der allgemeine Personalabbau an der Universität Leipzig.

2. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, der vorgenommene pauschale 30-prozentige Krankenversorgungsabzug gem. § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO beruhe auf einer Norm, die mit höherrangigem Recht unvereinbar sei. Der Senat hat im Beschluss vom 18.6.2001 - NC 2 C 32/00 - ausgeführt:

"Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem aus Art. 28 Abs. 1 SächsVerf/Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 SächsVerf/Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip (Art. 1 SächsVerf/Art. 20 Abs. 1 GG) folgenden Kapazitätserschöpfungsgebot vereinbar. Der Senat hält insoweit an seiner im Beschluss vom 26.7.1999, aaO, geäußerten Auffassung fest (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.7.2000 - 10 N 1392/00 u.a. - und OVG Berlin, Beschl. v. 6.9.2000 - 5 NC 5.00 -).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.10.1991 - 1 BvR 393, 610/85 -, BVerfGE 85, 36) hat der Verordnunggeber bei der erforderlichen Abwägung und Konkretisierung der widerstreitenden Grundrechtspositionen, also des Zugangsrechts der Hochschulbewerber, der Forschungs- und Lehrfreiheit der Hochschullehrer (Art. 5 Abs. 3 GG) sowie den Ausbildungsbedürfnissen der bereits zugelassenen Studenten, einen nicht unerheblichen Gestaltungsfreiraum. Die Konkretisierung muss jedoch den Bedingungen rationaler Abwägung genügen. Der Normgeber muss von Annahmen ausgehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen und eine etwaige Kapazitätsminderung auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken. Die verfassungsrechtlich gebotene verwaltungsgerichtliche Inhaltskontrolle setzt voraus, dass die Annahmen und Wertungen des Normgebers, die seine Abwägung bestimmt haben, im verwaltungsrechtlichen Rechtsstreit offengelegt werden. Ein offensichtlicher Abwägungs- und Ableitungsfehler lässt sich nicht ohne weiteres dadurch rechtfertigen, dass Erwägungen, die bei der Schaffung einer kapazitätsbestimmenden Norm als untauglich bewertet wurden, nachträglich als tragende Gründe angeführt werden. Zur Überprüfung einer kapazitätsbestimmenden Regelung, die Zahlen und Formeln als Tatbestandsmerkmale verwendet, ist ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte unerlässlich. Da jede Quantifizierung das Ergebnis einer Ableitung ist, ermöglicht nur die Kenntnis des Ableitungszusammenhangs die Nachprüfung, ob die umstrittene Norm den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt.

Grundlage des in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO normierten pauschalen Krankenversorgungsabzugs von 30 vom Hundert ist der Bericht des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst vom 18.6.1986 über den Personalbedarf für Krankenversorgung und diagnostische Untersuchungen in der Lehreinheit Tiermedizin. Die Norm leidet allerdings unter einem Ableitungsmangel, da bei der Erstellung des Berichts und bei der auf diesem beruhenden Normsetzung hinsichtlich der befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter der Doppelabzug wegen Überschneidung von Krankenversorgung und Fort- und Weiterbildung nicht erkannt wurde. Dieser Ableitungsmangel führt jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zur Nichtigkeit der Norm.

Ein Ableitungsmangel führt nicht zwingend zur Verfassungswidrigkeit einer kapazitätsbestimmenden Norm. Zwar lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.10.1991, aaO) ein Ableitungsfehler nicht ohne weiteres dadurch rechtfertigen, dass Erwägungen, die bei der Schaffung einer kapazitätsbestimmenden Norm als untauglich bewertet wurden, nachträglich als tragende Gründe angeführt werden. Dies schließt aber eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Ableitungsfehlern nicht schlechthin aus. Eine Rechtfertigung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn sich der Ableitungsfehler letztlich nicht auf das Ergebnis auswirkt und nichts dafür spricht, dass der Verordnungsgeber im Falle der Kenntnis des Fehlers eine andere Entscheidung getroffen hätte. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Gemäß dem Bericht hat der tatsächliche Aufwand für tierärztliche Krankenversorgungsleistungen und diagnostische Untersuchungen bei den vier untersuchten Hochschulen - bei erheblichen Schwankungen zwischen den einzelnen Hochschulen - im Durchschnitt deutlich über 40 vom Hundert der Jahresarbeitszeit des wissenschaftlichen Lehrpersonals betragen (bei Stellenabzug mit hochschulspezifischen Werten 43,98 %, bei Stellenabzug mit Durchschnittswerten 43,65 %). Anhaltspunkte dafür, dass sich der im Hinblick auf den Doppelabzug wegen Überschneidung von Krankenversorgung und Fort- und Weiterbildung ergebende Ableitungsfehler im Ergebnis dahingehend auswirkt, dass der Krankenversorgungsabzug niedriger als 30 vom Hundert sein müsste, bestehen aufgrund des ermittelten tatsächlichen Durchschnittswertes von deutlich über 40 vom Hundert nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Untersuchung von Überschneidungen der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre unzureichend erfolgt sein sollte, was im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens jedoch nicht aufzuklären ist. Die Berücksichtigung der ganz erheblichen Differenz zwischen dem ermittelten tatsächlichen Aufwand für die Krankenversorgung und dem normativ festgesetzten Abzug käme als Rechtfertigung für den Ableitungsfehler deshalb nur dann nicht in Betracht, wenn nach der Entstehungsgeschichte der Norm anzunehmen wäre, dass der Verordnungsgeber die Differenz gewollt hätte und demnach hypothetisch im Falle des Erkennens des Ableitungsfehlers einen niedrigeren Abzugswert als 30 vom Hundert festgesetzt hätte. Letzteres wird von der Antragstellerin zwar behauptet. Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht jedoch gegen die Richtigkeit dieser Behauptung. Ursache für die im Jahre 1985 getroffene Entscheidung des Verwaltungsausschusses der ZVS, eine Untersuchung des Personalbedarfs für Krankenversorgung und diagnostische Untersuchungen in Auftrag zu geben, waren Gerichtsentscheidungen, die die Plausibilität des schon damals normierten Krankenversorgungsabzugs von 30 vom Hundert in Frage stellten (vgl. auch Becker/Hauck, NVwZ 1985, 535 [543]). Die Untersuchung diente damit der rechtlichen Absicherung und Bestätigung des bereits festgesetzten Wertes. Dafür, dass der Normgeber an dem bis dahin geltenden Krankenversorgungsabzug von 30 vom Hundert nicht mehr festgehalten hätte, wenn der ermittelte Wert unter 43 vom Hundert, aber deutlich über 30 vom Hundert gelegen hätte, bestehen nicht.

§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil die zugrundeliegende Untersuchung bereits 15 Jahre alt ist, die erheblichen mit der Herstellung der deutschen Einheit verbundenen Veränderungen nicht berücksichtigt und tatsächliche Erhebungen hinsichtlich der Universität Leipzig nicht erfolgt sind. Der Bericht ist nicht deshalb für die Universität Leipzig unerheblich, weil diese in die Untersuchung nicht mit einbezogen wurde. Denn der Verordnungsgeber darf seiner Regelung im Interesse bundeseinheitlicher Maßstäbe repräsentative Durchschnittswerte zugrunde legen. Dass die Untersuchung wegen der - historisch bedingten - Nichteinbeziehung der Universität Leipzig nicht repräsentativ ist, ist nicht ersichtlich. Es bestehen im vorliegenden Eilverfahren auch keine Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund des Zeitablaufs und den mit der deutschen Einheit verbundenen Veränderungen der anteilige tatsächliche Aufwand für tierärztliche Krankenversorgungsleistungen bei dem damit befassten wissenschaftlichen Personal im Durchschnitt deutlich zurückgegangen ist. Dabei kann in Ermangelung von Anhaltspunkten, die für einen Rückgang sprechen, dahinstehen, ob der Aufwand aufgrund eines Abbaus von wissenschaftlichem Personal eher gestiegen sein dürfte (so OVG Berlin, Beschl. v. 6.9.2000, aaO) oder ob insoweit ein Ausgleich durch die apparative Ausstattung der Hochschulen erfolgt ist.

Ein geringerer Krankenversorgungsabzug als 30 vom Hundert wäre im Übrigen auch dann nicht vorzunehmen, wenn sich entgegen der Auffassung des Senats aus dem Ableitungsmangel die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO ergeben sollte. Im Falle der Verfassungswidrigkeit der Norm müsste im Wege richterlicher Notkompetenz ein Ersatzmaßstab festgesetzt werden, der den widerstreitenden Interessen der Studienbewerber einerseits und der Hochschullehrer und der bereits zugelassenen Studenten andererseits Rechnung trägt. Wenn - wie hier - keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Norm im Ergebnis dem Kapazitätserschöpfungsgebot widerspricht, also nichts dafür spricht, dass der tatsächlich für die Krankenversorgung benötigte Zeitanteil unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Krankenversorgung sich teilweise mit Aus- und Fortbildung sowie Forschung und Lehre überschneidet, geringer als 30 vom Hundert ist, kann ein Ersatzmaßstab nicht in der Weise festgesetzt werden, dass von dem normativen Wert von 30 vom Hundert zum Ausgleich für die nicht erkannte Überschneidung ein Abzug gemacht wird. Ein solcher Ersatzmaßstab stünde nicht im Einklang mit der Realität und dem Willen des Verordnungsgebers und würde einseitig den Interessen der Studienbewerber in einer sachlich nicht begründeten Weise gegenüber den Interessen der Hochschullehrer und der bereits zugelassenen Studenten den Vorzug geben. Ein Ersatzmaßstab müsste deshalb in der Weise gebildet werden, dass von dem sich aus dem Bericht ergebenden tatsächlichen Durchschnittswert von 43 vom Hundert zum Ausgleich der erkannten Fehler ein Abzug vorgenommen wird. Dass dieser Abzug in einer Größenordnung vorzunehmen wäre, die ein Ergebnis von unter 30 vom Hundert zur Folge hätte, ist nicht ersichtlich. Etwas anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Korrektur durch eine Erhöhung der Lehrverpflichtung der von der Überschneidung der Krankenversorgung mit der Fort- und Weiterbildung betroffenen Stellengruppen um eine oder zwei LVS erfolgen würde."

Die Beschwerdebegründung kann diese Erwägungen nicht ernsthaft in Zweifel ziehen. Der Senat hält deshalb auch nach einer nochmaligen Prüfung an seiner Rechtsprechung fest.

Angesichts dessen, dass der 1986 festgestellte tatsächliche Aufwand für tierärztliche Krankenversorgungsleistungen und diagnostische Untersuchungen deutlich über 40 % der Jahresarbeitszeit des wissenschaftlichen Lehrpersonals (im Mittel zwischen 43 % und 44 %) lag, enthält der Pauschalwert von 30 % einen erheblichen "Puffer", durch den nicht nur der Doppelabzug wegen der Überschneidung von Krankenversorgung und Fort- und Weiterbildung abgepuffert wird, sondern auch andere mögliche Ungenauigkeiten und eine mangelnde Aktualität aufgefangen werden (allgemeine Auffassung der Obergerichte, vgl. z. B. zuletzt BayVGH, Beschl. v. 14.5.2009 - 7 CE 09.10087 u. a. - juris, sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.6.2007 - 5 NC 1.07 - juris).

Dies gilt auch für eine von der Antragstellerin angeführte mögliche höhere Weiterbildungsquote. Zudem ist die behauptete Erhöhung der Quote eine reine Spekulation. Bereits Anfang der 80er Jahre waren in den Altbundesländern zahlreiche Weiterbildungsgebiete und Fachtierarztbezeichnungen vorhanden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg a. a. O. Rn. 16 m. w. N.). Die spätere Schaffung von weiteren Fachtierarztbezeichnungen lässt keinen Schluss auf eine höhere Weiterbildungsquote zu. Vielmehr ist es genauso gut möglich, dass sich derselbe Anteil von in der Weiterbildung befindlichen Tierärzten lediglich auf eine größere Zahl von Weiterbildungsgängen verteilt. Hinweise darauf, dass sich der Anteil der Krankenversorgungsleistungen, die zugleich Weiterbildungsfunktion haben, maßgeblich verändert hätte, liegen somit nicht vor.

Auch aus Änderungen der Gebührenordnung kann nicht auf wesentliche Änderungen bei der klinischen Krankenversorgung geschlossen werden. Jedenfalls bei den an der Klinik angestellten Professoren und Ärzten, denen - mit Ausnahme der hier außer Betracht bleibenden privaten Behandlung - keine Gebühren zufließen, sondern die alimentiert werden oder ein festes Gehalt erhalten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihre Behandlungszeit an gebührenrechtlichen Erwägungen ausrichten.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, bei der Normierung des Krankenversorgungsabzuges auf der Grundlage der entsprechenden Gutachten sei nicht berücksichtigt worden, dass beim Krankenversorgungsabzug Privatpatienten nicht zu berücksichtigen seien, gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. Vielmehr gab es auch 1986 in den Altbundesländern bereits ein Recht der Vorstände der Tierkliniken, innerhalb der Klinik Tiere privat zu behandeln und dafür ein besonderes Honorar zu fordern, sofern die Tierhalter die private Behandlung wünschten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 14.5.2009 a. a. O. Rn. 13 m. w. N.). Dafür, dass bei den der Festlegung des pauschalen Krankenversorgungsabzuges zugrunde gelegten empirischen Untersuchungen unzulässigerweise behandlungsbezogene Dienstleistungen berücksichtigt worden sind, die vom Leitungspersonal der Klinik im Rahmen der erlaubten Nebentätigkeit und damit außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit und ihres Lehrdeputats erbracht wurden, sind Anhaltspunkte weder von der Antragstellerin genannt worden noch sonst ersichtlich. Da es hier allein um die Richtigkeit des verordnungsrechtlich festgesetzten Pauschalabzuges geht, ist auch der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, wie in Leipzig die Einnahmen aus der tierärztlichen Tätigkeit von Lehrpersonen verwendet werden, nicht weiter nachzugehen.

3. Die Kapazitätsberechnung der Universität Leipzig erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die Schwundberechnung auf einer Fortzählung der Fachsemester und der Studierendenzahl beruht, unabhängig davon, ob im Einzelfall der Studierende die Zulassungsvoraussetzungen zu bestimmten Studienabschnitten durch bestandene studienbegleitende Leistungskontrollen oder Prüfungen nachgewiesen hat.

Gem. § 14 Abs. 3 Nr. 3, § 16 KapVO ist die Studienanfängerzahl zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen der Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänger an Studentinnen und Studenten in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Die Vorschriften knüpfen an die Zahl der formell für das Fachsemester eingeschriebenen Studenten an ("Abgänge"/"Zugänge"), ohne dass es darauf ankommt, ob die Betroffenen nach der jeweiligen Studienordnung einen aktuellen Anspruch auf Besuch der für ihr Fachsemester vorgesehenen Lehrveranstaltungen haben oder nicht. Im Rahmen der Schwundberechnung müssen demnach diejenigen, die trotz Fortbestehens der Immatrikulation nachweislich keine Lehrveranstaltungen mehr besuchen oder besuchen dürfen oder mangels Motivation kein ernsthaftes Studium mehr betreiben, nicht aus den Bestandszahlen herausgerechnet werden. Deshalb hat der Senat bereits in einer Mehrzahl von Verfahren festgestellt, dass nach den geltenden kapazitätsrechtlichen Regelungen keine Verpflichtung besteht, bei den Bestandszahlen in den höheren Fachsemestern nur noch diejenigen Studierenden zu berücksichtigen, die in den während des Studiums abzulegenden Zwischenprüfungen erfolgreich waren und im konkreten Semester tatsächlich Lehre nachfragen (vgl. z. B. SächsOVG, Beschl. v. 25.6.2007 - NC 2 C 56/06 -). Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der fast einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 - 7 C 66.83 - juris ; Urt. v. 20.11.1987 - 7 C 103.86 u. a. - juris; BayVGH, Beschl. v. 5.5.2009 - 7 CE 09.10086 - juris; OVG Berlin-Brandenburg a. a. O.; OVG Saarland, Beschl. v. 13.6.2007 - 3 B 194/07.NC - juris; a. A. für die nicht bestandene Vorprüfung wohl OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 6.8.1992 - 1 A 10373/91 - juris). Etwas anderes gilt nur für den Studiengang Medizin, für den die Kapazitätsverordnung ausdrücklich eine Trennung von vorklinischem und klinischen Teil und eine getrennte Berechnung nach Lehreinheiten anordnet (vgl. § 7 Abs. 3 KapVO). Diese Sonderregelung für die Humanmedizin lässt nur den Schluss zu, dass in den übrigen Fächern die Berechnung einheitlich für das gesamte Studium und ohne Rücksicht auf das Bestehen der Vorprüfung oder anderer Prüfungen erfolgen soll.

§ 14 Abs. 3 Nr. 3 und § 16 KapVO verstoßen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dem aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 29 SächsVerf ableitbaren Kapazitätserschöpfungsgebot ist ein bestimmtes Modell zur rechnerischen Erfassung des Schwundverhaltens der Studenten im Verlauf des Studiums nicht zu entnehmen. Den kapazitätsbestimmenden Stellen steht es mithin frei, die künftige Entwicklung der Studentenzahl rechnerisch in einem Schwundausgleichsfaktor auszudrücken, der entsprechend dem "Hamburger Modell" von einem gleichmäßigen Verlauf der Lehrnachfrage über alle in die Berechnung einbezogenen Fachsemester ausgeht (BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 a. a. O. Rn. 10; Urt. v. 20.11.1987 a. a. O.).

Zwar liegen dieser Schwundberechnung Modellannahmen (Fiktionen) zugrunde. Die Schwundquotenbildung unterstellt, dass ein in Verlauf des Studiums geringer werdender Ausbildungsaufwand mit einem erhöhten Ausbildungsaufwand zu Beginn des Studiums kompensiert wird. Sie beruht also auf der Fiktion der beliebigen Teilbarkeit und Austauschbarkeit aller im Studienverlauf nachgefragten Lehre. Hinzu kommt, dass unterstellt wird, dass die Studenten das Studium in der Regel studienplangemäß ohne nennenswerte Abweichungen oder Verzögerungen in der Regelstudienzeit durchlaufen. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, bilden diese Annahmen die Wirklichkeit nicht vollständig ab. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Dem Verordnungsgeber ist es nicht verwehrt, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität statt eines Wirklichkeits- ein Wahrscheinlichkeitsmodell zu verwenden und mit Annahmen zu arbeiten. Auch ansonsten ist das Kapazitätsrecht durch typisierende und pauschalierende Regelungen geprägt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.9.1981 - 7 N 1.79 - juris; SächsOVG, Beschl. v. 5.8.2009 - NC 2 B 427/08 -). Der Verordnungsgeber muss nicht das gerechteste und beste Rechenmodell wählen, sondern nur ein sachgerechtes und vertretbares. Ein solches bildet das "Hamburger Modell". Die Annahmen dieses Modells sind kapazitätsfreundlich. So wird entgegen der in Wirklichkeit bestehenden Spezialisierung der Lehrstühle und der Unterschiede der Lehrinhalte - insbesondere zwischen vorklinischen und klinischen Fächern - zugunsten einer höheren Kapazität von der beliebigen Austauschbarkeit der Lehre ausgegangen. Auch die Zugrundelegung der Regelstudienzeit vernachlässigt die tatsächlich vorhandenen Studenten, die nach der Regelstudienzeit noch Lehre nachfragen und wirkt somit kapazitätserhöhend.

Ein anderes, wirklichkeitsnäheres Modell wäre kaum praktikabel oder seinerseits Einwendungen ausgesetzt. Eine verlässliche Aussage darüber, ob ein immatrikulierter Student wirklich das Studium ordnungsgemäß betreibt, ist in aller Regel - jedenfalls mit vertretbarem Aufwand - nicht möglich. Rechnet man pauschal die Studenten, die die Zwischenprüfung nicht bestanden haben oder zu exmatrikulieren sind, heraus, wie es die Antragstellerin vorschlägt, würde dies in Widerspruch zu der Grundannahme des gewählten Modells stehen, dass die Studenten das Studium plangemäß und in der Regelstudienzeit absolvieren. In diesem Fall müssten - um im geänderten System zu bleiben - kapazitätsmindernd Studierende berücksichtigt werden, die nach Ablauf der Regelstudienzeit noch Lehre nachfragen oder nach nicht bestandener Zwischenprüfung Lehrveranstaltungen eines Semesters wiederholen. Ein solches Modell wäre aber jedenfalls nicht eindeutig vorzugswürdig und muss deshalb nicht gewählt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 1, 2 GKG (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 13.7.2005, NVwZ-RR 2006, 219).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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