Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.11.2002
Aktenzeichen: 1 Sa 462/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Der Rechtsstreit über die Rechtswirksamkeit einer im Wege der verwaltungsrechtlichen Ersatzvornahme ausgesprochenen Kündigung ist in der Regel bis zu einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des durch die nachgeordnete Behörde (hier: Landrat) angefochtenen Verwaltungsaktes (hier: Beanstandungsbescheid des Landesverwaltungsamtes) auszusetzen.
Tenor:

1. Der Rechtsstreit wird bis zu einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Landesverwaltungsamtes vom 14.02.2002, betreffend die Kündigung der Klägerin, oder bis zu einer anderweitigen Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Rechtsstreit ist gem. § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit auszusetzen.

1) Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides des Beklagten zu 1) vom 06.02.2002 ist vorgreiflich.

Die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides ist Vorfrage für die Rechtswirksamkeit der vom Beklagten zu 1) im Wege der Ersatzvornahme ausgesprochenen Kündigung vom 14.02.2002 und damit auch Vorfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites. Unerheblich ist, dass die Vorfrage nicht im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) geklärt werden kann. Es reicht aus, wenn der Beklagte zu 2) als Arbeitgeber und Vertragspartei der Klägerin die in seinem Namen ausgesprochene Kündigung nicht als seine eigene Willenserklärung gelten lassen will und gerade deshalb den Beanstandungsbescheid des Beklagten zu 1) mit Rechtsmitteln angegriffen hat.

Der Vorgreiflichkeit steht nicht entgegen, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Kündigung entschieden werden könnte, wenn das erkennende Gericht zur Auffassung gelangen würde, der Beanstandungsbescheid sei nichtig. Eine offensichtliche Rechtsunwirksamkeit des Beanstandungsbescheides haben jedoch auch die Verwaltungsgerichte in vergleichbar gelagerten Fällen nicht angenommen. Das fachfremde Landesarbeitsgericht hat sich mit einer derart weitgehenden Schlussfolgerung daher erst recht zurückzuhalten. Die Entscheidung über die verwaltungsrechtliche Vorfrage ist folglich im Verfahren über den vom Beklagten zu 2) eingelegten Widerspruch gegen den Beanstandungsbescheid zu treffen. Dieses Verfahren ist derzeit vor dem Verwaltungsgericht Weimar unter dem Az.: 6 E 296/02 anhängig.

Die Entscheidung im Verwaltungsverfahren ist schließlich deshalb vorgreiflich, weil der gesamte sonstige entscheidungserhebliche Sachverhalt unstreitig ist, so dass die abschließende Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren nur von der zur Zeit von offenen Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides abhängt (LAG Frankfurt/Main vom 12.11.1993, NZA 93, 576). Gerade wenn man mit dem Beklagten zu 1) davon ausgehen wollte, dass wegen Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eher eine klageabweisende Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zu erwarten wäre, hängt die Wirksamkeit der Kündigung allein von der Entscheidung der Vorfrage ab.

Unerheblich für die Frage der Aussetzung ist, dass der Beanstandungsbescheid, so lange er nicht auf den Widerspruch hin aufgehoben ist, als solcher rechtswirksam ist. Die Vorfrage bezieht sich nicht auf die Rechtswirksamkeit, sondern auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit derjenigen in einem Kündigungsschutzverfahren bei angefochtener Entscheidung der Hauptfürsorgestelle über die Zustimmung zur Kündigung. Allein die Rechtswirksamkeit des zustimmenden Bescheides hindert nicht die Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit (BAG vom 26.09.1991, NZA 92, 1077).

2) Das Gericht hält die Aussetzung des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen für geboten.

Bei der Ermessensentscheidung sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Folgen gegen den Zweck der Aussetzung, einander widersprechende Entscheidungen in parallel geführten Prozessen zu vermeiden, gegeneinander abzuwägen. Wegen des in arbeitsgerichtlichen Beendigungsstreitigkeiten zu beachtenden Beschleunigungsgebots hat in der Regel das Interesse an der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen zurückzutreten, es sei denn, dass die Rechtslage Anlass zu begründeten Zweifeln gibt (BAG vom 26.09.1991, a. a. O.). Das Bundesarbeitsgericht hat für die auf die Rechtslage bezogene Ausnahme von der Regel auch auf die Prozessaussichten im vorgreiflichen Verfahren abgestellt und die Aussetzung dann verneint, wenn die Prognose für den Kläger im Verwaltungsverfahren als ungünstig einzuschätzen war. Im hier gegebenen Streitfall wirft die Kündigung der Klägerin im Wege der Ersatzvornahme hochbrisante und völlig ungeklärte Rechtsfragen auf. Die Prognose, die Ersatzvornahme sei rechtmäßig, ist äußerst unsicher und eher zweifelhaft. Hinzu kommt, dass die Klägerin das vorgreifliche Verfahren, da sie als Partei nicht beteiligt sein kann, nicht beeinflussen kann. In dieser Konstellation überwiegt das Interesse der Klägerin an der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen.

Die Klägerin hat sich im Übrigen mit der Aussetzung des Verfahrens einverstanden erklärt und damit zu erkennen gegeben, dass sie die Beschleunigung des Verfahrens nicht für vordringlich hält. Dem Interesse des Beklagten zu 2) an einer raschen Entscheidung ist insoweit Rechnung getragen, als seinem im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin entsprochen wurde (Urteil vom 07.11.2002 im Verfahren 1 Sa 308/02).

Der am 12.12.2002 verkündete Beschluss war gem. § 319 ZPO analog zu berichtigen. Das vorgreifliche Verfahren betrifft nicht den Bescheid vom 14.02.2002 (Kündigung), sondern den Beanstandungsbescheid des Beklagten zu 1) vom 06.02.2002, Az.: 201.1-1442-005/01-GTH. Insoweit wird auf den beigefügten Berichtigungsbeschluss verwiesen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Der Beschluss vom 12.12.2002 wird in Ziff. 1) der Beschlussformel wie folgt geändert und berichtigt:

Der Rechtsstreit wird bis zu einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides des Beklagten zu 1), erlassen durch das Landesverwaltungsamt Weimar am 06.02.2002, Az.: 204.1-1442-005/01-GTH, oder bis zu einer anderweitigen Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück