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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 1 Sa 578/03
Rechtsgebiete: BGB, BAT-O


Vorschriften:

BGB § 612 a
BAT-O § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 25.09.2003, Az.: 3 Ca 659/03, abgeändert.

(1) Es wird festgestellt, dass die der Klägerin erteilte Anweisung, im Aufwachraum der Frauenklinik der Beklagten zu arbeiten, unwirksam ist.

(2) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie zu beschäftigen.

(3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.077,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.09.2003 zu zahlen.

2) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien sind die Wirksamkeit einer Versetzung sowie Vergütungsansprüche streitig.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahre 1987 beschäftigt, seit dem Jahre 1990 als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie.

Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 27.01.2003 eine Abmahnung, mit der gerügt wurde, dass die Klägerin am 17.01.2003 vor einer Operation ein falsches Narkosemittel aufgezogen habe. Dadurch sei es zu unnötigen Verzögerungen und Wartezeiten gekommen. Die Klägerin könne nicht entschuldigen, dass sie wegen einer bevorstehenden größeren gynäkologischen Operation zur Zeit psychisch sehr belastet sei.

Mit Schreiben vom 22.01.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie von ihrem Recht aus § 7 Abs. 2 BAT-O Gebrauch mache, durch das Gesundheitsamt die Dienstfähigkeit der Klägerin feststellen zu lassen. Sie - die Beklagte - könne nicht ausschließen, dass ein Abusus von Medikamenten vorliege, nachdem die Klägerin bei einem Gespräch am 21.01.2003 eingeräumt habe, dass sie aufgrund von Schmerzen des öfteren Medikamente einnehme und darüber informiert habe, dass die bevorstehende Operation sie psychisch sehr belaste.

Das amtsärztliche Gutachten vom 05.02.2003 gab in der Anamnese das jetzige Befinden der Klägerin wie folgt wieder:

Frau W. berichtet über Schmerzen im Bereich des linken Beines im Zusammenhang mit einem Treppensturz vor neun Monaten. Die Einnahme von Analgetika sei in diesem Zusammenhang notwendig gewesen. Die Tabletteneinnahme sei für die Dauer von fünf bis sechs Wochen erfolgt. Eingenommen wurden Aspirin und Berlosin oder Gelonida, maximal ein bis zwei Tabletten täglich insgesamt.

Eine Abhängigkeit von Medikamenten, Alkohol und Drogen wurde durch die Probandin negiert.

Frau W. berichtet ferner über Probleme im beruflichen Umfeld mit einer direkten Vorgesetzten, mit welcher sie wiederholt Auseinandersetzungen gehabt hätte. Infolge dieser Problematik habe sie bedingt durch Aufregung Fehlhandlungen begangen. Sie gebrauchte in diesem Zusammenhang das Wort Mobbing. Ihre Lebensqualität sei durch die beruflichen Auseinandersetzungen erheblich beeinträchtigt.

Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Gutachtens lautet:

Aus gutachterlicher Sicht liegt bei der Probandin eine reaktive Depression im Zusammenhang mit einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz vor. Hinweise auf das Vorliegen einer Medikamenten-, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit konnten weder bei der klinischen Untersuchung noch im Gespräch festgestellt werden. Die Angaben der Probandin sind durch die Gutachterin nachvollziehbar.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit als Krankenschwester Dienstfähigkeit vorliegt. Das Gutachten schließt wie folgt:

Empfohlen wird ein erneutes Gespräch mit allen Beteiligten, um für die Arbeitnehmerin eine Optimierung der Arbeitsbedingungen zu bewirken. Sollten nach wie vor Zweifel an der Dienstfähigkeit ihrer Arbeitnehmerin bestehen, empfiehlt es sich, ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag zu geben.

Unter dem 18.02.2003 hat die Beklagte das folgende Schreiben an die Klägerin gesandt:

Sehr geehrter Frau W.,

mit diesem Schreiben fasse ich das Ergebnis unseres Gespräches vom 12.02.2003 zusammen:

1) Ab sofort sind Sie auf der Station Chirurgie III in der Allgemeinpflege eingesetzt.

2) Diese vorübergehende Versetzung für einen Circazeitraum von drei Monaten ist mit dem Betriebsrat und Ihrem bisherigen Fachvorgesetzten im ärztlichen Dienst, Herrn Chefarzt Dr. R., am 12.02.2003 in Ihrer Gegenwart besprochen worden.

3) Ihr neues Einsatzgebiet soll dazu dienen, Ihre persönliche und berufliche Situation dahingehend zu klären, dass Sie Ihre Arbeit in unserem Hause ohne weitere Beanstandungen unsererseits fortführen können.

4) Anfang Mai werde ich die Stationsleitung und die Pflegedienstleitung befragen, inwiefern Ihr Einsatz zur Zufriedenheit auf der Chirurgie III verlaufen ist. Von dieser Beurteilung werde ich eine Rückversetzung in den Bereich der Fachkrankenpflege für Anästhesie abhängig machen.

Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren beruflichen und persönlichen Werdegang alles Gute.

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessvertreters vom 24.02.2003 zur Abmahnung, zur Versetzung auf die Station Chirurgie III und zum Vorwurf des Drogenmissbrauchs Stellung genommen (vgl. 23 - 27 d. A.). Die Klägerin lässt insbesondere bestreiten, dass ihr bei der Vorbereitung der Narkosemittel ein Fehler unterlaufen sei. Sie habe sowohl das an der Tafel angeschriebene Narkosemittel NLA als auch das nach Zuruf durch eine Kollegin geänderte Narkosemittel EN/ATC bereitgehalten. Erst im Rahmen der Operation habe der Chefarzt das Narkosemittel Thio verlangt, das nach den vorangegangenen Anordnungen nicht verlangt worden sei. Dennoch sei es zu keiner Verzögerung gekommen, denn das Narkosemittel sei binnen fünf bis zehn Sekunden aufgezogen gewesen.

Die Klägerin war vom 21.01.2003 bis 12.06.2003 arbeitsunfähig erkrankt. Am 16.06.2003 ist ihr das Schreiben der Beklagten vom 05.05.2003 zugegangen, das sich auf den Arbeitseinsatz der Klägerin ab 12.05.2003 bezog und in dem der Klägerin mitgeteilt wurde, dass sie ab diesem Datum ihren Dienst in der Anästhesie-Abteilung wieder aufnehme. Das Schreiben schließt:

Wie Sie aus den Erörterungen in der Vergangenheit wissen, besteht für uns bis auf Weiteres nicht die Möglichkeit, Sie mit Bereitschaftsdiensten zu beauftragen.

Entgegen der Ankündigung aus dem Schreiben vom 05.05.2003 wurde die Klägerin bei Wiederaufnahme der Arbeit nach ihrer Erkrankung am 12.06.2003 nicht in der Anästhesie-Abteilung eingesetzt, sondern in der etwa drei Kilometer vom Haupthaus entfernten Frauenklinik. Dort war mit Arbeitsbeginn der Klägerin ein Aufwachraum eingerichtet worden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Aufwachraum mit Geräten ausgestattet war oder im Laufe der Zeit ausgestattet wurde, die den Anforderungen der Intensivüberwachung und Intensivtherapie entsprechen.

Die Klägerin wurde seit 03.01.2005 wieder in der Anästhesie-Abteilung, folglich an ihrem alten Arbeitsplatz, beschäftigt. Mit diesem Datum wurde nach der Darstellung der Klägerin der Aufwachraum in der Frauenklinik abgeschafft.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin im September 2004 aus personenbedingten Gründen zum 31.03.2005 gekündigt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Versetzung in die Frauenklinik sei unwirksam, da sie willkürlich erfolgt sei. Auch habe die dort von ihr auszuübende Tätigkeit nicht den Tätigkeitsmerkmalen ihrer Vergütungsgruppe entsprochen, da die im neu eingerichteten Aufwachraum zu erledigenden Aufgaben von jeder Schwesternschülerin verrichtet werden könnten. Mangels entsprechender Ausstattung mit Geräten handele es sich nicht um einen Wachraum für Intensivbehandlung und -überwachung. Die Beklagte sei zu verpflichten, sie als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie zu beschäftigen. Die Beklagte schulde die Vergütung, die ihr durch die unwirksame Versetzung entgangen sei. Für Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienste habe sie nach dem Durchschnitt der Monate November 2002 bis März 2003 519,36 € brutto monatlich verdient. Für die Monate ab April 2003 ergebe dies einen Betrag von 2.077,44 € brutto.

Die Klägerin hat beantragt:

1) Es wird festgestellt, dass die am 12.06.2003 an die Klägerin erteilte Anweisung, ab sofort im Aufwachraum der Frauenklinik der Beklagten zu arbeiten, unwirksam ist.

2) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie weiterzubeschäftigen.

3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.077,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch, als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie beschäftigt zu werden. Der Arbeitsvertrag habe sich nicht auf diese Tätigkeit konkretisiert. Zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit gehöre nach den Merkmalen der Vergütungsgruppe im Übrigen die Tätigkeit in Wachstationen. Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf die Ableistung von Rufbereitschaften und Bereitschaftsdiensten bestehe nicht. Über den Anspruch der Klägerin, als Fachkrankenschwester beschäftigt zu werden, bestehe kein Streit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 82 - 86 d. A.) Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Der Klage ist unter Abänderung des angefochtenen Urteils stattzugeben.

I) Auf den Antrag der Klägerin ist festzustellen, dass die der Klägerin erteilte Weisung, im Aufwachraum der Frauenklinik der Beklagten zu arbeiten, unwirksam ist.

1) Der Antrag ist zulässig.

Das für die Klage gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, denn das von der Klägerin angestrebte Urteil ist in seiner ideellen Rechtskraftwirkung geeignet, eine tatsächliche Unsicherheit in Bezug auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis zu beseitigen.

Die Parteien streiten über den Umfang des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, nämlich über die Frage, ob die Beklagte die Klägerin wirksam in den in der Frauenklinik eingerichteten Wachraum versetzen durfte. Die Rechtsfrage ist durch die ab 03.01.2005 erfolgte Rückversetzung der Klägerin in die Anästhesie-Abteilung des Krankenhauses nicht obsolet geworden, da die Wiederverwendung der Klägerin an ihrer alten Arbeitsstelle mit Personalmangel begründet wurde und daher wieder aufgehoben werden kann.

2) Die Feststellungsklage ist begründet. Die Anweisung der Beklagten zur Arbeitsleistung im Wachraum der Frauenklinik ist unwirksam.

a) Die Klägerin schuldet im arbeitsvertraglichen Rahmen die Tätigkeit einer Fachkrankenschwester für Anästheologie und Intensivtherapie. Dies ergibt sich aus den Merkmalen der Vergütungsgruppe Kr. VI Fallgruppe 6 a und b, in die die Klägerin eingruppiert ist. In die Fallgruppe 6 a sind Krankenschwestern mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung für den Operationsdienst bzw. für den Anästhesiedienst eingruppiert, die im Organisationsdienst als Operationsschwestern oder als Anästhesieschwestern tätig sind. In die Fallgruppe 6 b sind Krankenschwestern mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung in der Intensivpflege/-medizin in Einheiten für Intensivmedizin mit entsprechender Tätigkeit eingruppiert.

Ist der Arbeitsbereich einer Angestellten lediglich durch die Nennung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag konkretisiert, so erstreckt sich nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.10.2002 (6 AZR 643/00, n. v.), worauf das Arbeitsgericht insoweit zu Recht abstellt, das Direktionsrecht auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die die Arbeitnehmer eingestuft sind.

b) Die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob sich die Tätigkeit der Klägerin durch deren mehr als 13-jährige Beschäftigung in der Anästhesie-Abteilung auf die Tätigkeit einer Fachkrankenschwester für Anästheologie und Intensivtherapie konkretisiert hat, ist nicht entscheidungserheblich. Die Konkretisierung auf diese Tätigkeit ergibt sich bereits aus der Vergütungsgruppe, in die die Klägerin eingruppiert ist.

Von daher hätte die Beklagte die Klägerin unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 BAT-O durchaus in den Wachraum der Frauenklinik versetzen können, wenn es sich dabei im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3 zur Fallgruppe 6 b der Vergütungsgruppe Kr. VI um eine Wachstation handelte, die für Intensivbehandlung und Intensivüberwachung eingerichtet war. Unter einer Einrichtung wird dabei nicht die Benennung eines beliebigen Raumes des Krankenhauses als Wachraum zu verstehen sein, sondern dessen Ausstattung mit entsprechenden Apparaten, wie sie in der von der Klägerin vorgelegten Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten aufgeführt sind. Die Klägerin bestreitet, dass der Wachraum der Frauenklinik die entsprechende apparative Ausstattung aufwies.

c) Auch dies kann jedoch dahinstehen, denn die ab 12.06.2003 angewiesene Versetzung der Klägerin zum Dienst im Wachraum der Frauenklinik ist nicht durch dienstliche oder betriebliche Gründe im Sinne des § 12 Abs. 1 BAT-O veranlasst. Dies ergibt sich aus der Vorgeschichte der Versetzung.

Die Beklagte hat die Klägerin nach dem mit der Abmahnung vom 27.01.2003 gerügten angeblichen Fehlverhalten (Nichtbereitstellen des verlangten Narkosemittels) vom 17.01.2003 einer Reihe von personellen Maßnahmen ausgesetzt. Bereits mit Schreiben vom 22.01.2003, demnach noch vor Ausspruch der Abmahnung, wurde die Klägerin aufgefordert, sich durch das Gesundheitsamt auf ihre Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen. Den Untersuchungstermin hatte die Beklagte selbst arrangiert. Sie fand einen Tag später, am 23.01.2003, statt. Nach Vorliegen der amtsärztlichen Stellungnahme vom 05.02.2003 führte die Beklagte am 12.02.2003 ein Gespräch mit der Klägerin, dessen Ergebnis sie mit Schreiben vom 18.02.2003 zusammenfasste. Danach wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung in der Allgemeinpflege in der Station Chirurgie III eingesetzt. Für den Einsatz war ein Zeitraum von drei Monaten vorgesehen. Die Beklagte kündigte an, dass sie von der Beurteilung ihres Einsatzes die Rückversetzung in den Bereich der Fachkrankenpflege für Anästhesie abhängig machen werde.

aa) Die Versetzung der Klägerin in eine Abteilung der Allgemeinpflege war vom Direktionsrecht der Beklagten nicht gedeckt, worauf auch die Klägerin in der Stellungnahme ihres Prozessvertreters vom 24.02.2003 hinwies. Die Beklagte beharrte mit vorgerichtlichem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 05.03.2003 auf der Rechtmäßigkeit der Versetzung, worauf die Klägerin am 19.03.2003 Klage erhob. Nach dem Gütetermin vom 14.04.2003 teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.05.2003 mit, dass die Klägerin mit Schreiben vom 05.05.2003 wieder in der Anästhesie-Abteilung beschäftigt werde. Im Schreiben vom 05.05.2003 kündigte die Beklagte auch an, dass die Möglichkeit, die Klägerin mit Bereitschaftsdiensten zu beauftragen, bis auf Weiteres nicht bestehe. Das Schreiben vom 05.05.2003 war an die Klägerin im Hause adressiert. Die Klägerin persönlich erhielt es erst am 16.06.2003 ausgehändigt.

bb) Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte erneut umdisponiert. Sie wies die Klägerin, die sich am 12.06.2003 nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit telefonisch bei der Beklagten gemeldet hatte, um ihren bevorstehenden Einsatz zu klären, an, sich in der Frauenklinik einzufinden. Dort habe sie einen Aufwachraum zu betreuen. Unstreitig existierte bis zu diesem Zeitpunkt kein eigener Aufwachraum in der Frauenklinik. Die Patientinnen waren bis dahin nach der Operation auf die Zimmer in der Station gebracht worden.

Die Beklagte hat für die betrieblichen Gründe der Versetzung geltendgemacht, sie habe in der Frauenklinik einen Aufwachraum benötigt und für diesen wiederum qualifiziertes Personal. Die Klägerin besitze die erforderliche Qualifikation.

Damit sind die betrieblichen Gründe nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte hätte angesichts der geschilderten Vorgeschichte erläutern müssen, weshalb gerade bei Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit durch die Klägerin nach ihrer Wiedergenesung ein Aufwachraum in der Frauenklinik eingerichtet wurde, woraus sich also die immanenten betrieblichen Gründe ergaben, wenn sie nicht nur darin gelegen haben, eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin außerhalb der Anästhesie-Abteilung der Hauptklinik zu schaffen. In diesem Zusammenhang wäre darzulegen gewesen, weshalb die Beklagte ihre mit Schreiben vom 05.05.2003 mitgeteilte Entscheidung, die Klägerin wieder in der Anästhesie-Abteilung einzusetzen, durch eine gegenteilige Entscheidung widerrufen hat.

Der Geschehensablauf lässt nur den Schluss zu, dass die Gründe für die Versetzung vorgeschoben sind und gerade nicht betrieblich veranlasst sind. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die ursprünglich beabsichtigte Versetzung auf eine Abteilung der Allgemeinpflege mit Beanstandungen begründet hatte, die ihre Ursache in der persönlichen und beruflichen Situation der Klägerin hatten. Von der Bewährung der Klägerin sollte ihre Wiederverwendung in der Abteilung für Anästhesie abhängig gemacht werden. Dann jedoch wollte die Beklagte die Klägerin auch ohne diese Bewährung erneut am alten Arbeitsplatz einsetzen (Schreiben vom 05.05.2003). Dies wiederum sollte ab dem 12.06.2003 nicht mehr gelten. Mit rational nachvollziehbaren Gründen und mit unabhängig von der Person der Klägerin gegebenen betrieblichen Gründen hat das alles nichts mehr zu tun.

d) Die Versetzung der Klägerin in den Wachraum der Frauenklinik ist aber auch deshalb unwirksam, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstößt. Das Maßregelungsverbot ist ein Sonderfall der Sittenwidrigkeit (BAG vom 22.05.2003, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit). Die Klägerin hat einen Verstoß gegen § 242 BGB geltendgemacht und Willkür behauptet und auch insoweit die Versetzung angegriffen.

aa) Die zulässige Rechtsausübung der Klägerin auf die die Beklagte mit einer benachteiligenden Maßnahme reagiert hat, war die Stellungnahme der Klägerin vom 24.02.2003. Die Klägerin hat damit von ihrem Recht aus § 13 Abs. 2 BAT-O Gebrauch gemacht, sich zur Abmahnung zu äußern. Sie hat ferner im gleichen Schreiben der ursprünglich ausgesprochenen Versetzung in die Allgemeinpflege widersprochen und sich gegen den Vorwurf des Medikamentenmissbrauchs gewandt. Schließlich hat die Klägerin ihre Rechte zulässig durch die Klageerhebung ausgeübt. Die Beklagte hat zunächst eingelenkt und die Versetzung rückgängig gemacht. Sie hat dann jedoch erneut auf einer Versetzung bestanden, die von der Klägerin als Benachteiligung empfunden werden musste. Tragender Beweggrund und wesentliches Motiv der Beklagten für diese Maßnahme ist nach der Überzeugung des Gerichts die Tatsache, dass die Klägerin ihre Rechte wahrnahm. War die mit Schreiben vom 18.02.2003 ausgesprochene Versetzung zum Zwecke der Bewährung noch eine Maßregel, die nicht durch eine Gegenwehr der Klägerin veranlasst war, so ist für die Versetzung vom 12.06.2003 der Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung und Maßregelung zu bejahen. Die Beklagte hat nämlich unter dem Eindruck der Klage die Versetzung nur scheinbar zurückgenommen. Durch die Schaffung eines formal den Tätigkeitsmerkmalen der Klägerin entsprechenden Arbeitsplatzes hat die Beklagte ihr ursprüngliches Ziel weiterverfolgt, der Klägerin durch eine Versetzung, die sie als Benachteiligung empfinden musste, einen "Denkzettel" zu verpassen.

bb) Es wurde bereits erläutert, dass betriebliche Gründe für eine Versetzung der Klägerin in die Frauenklinik nicht ersichtlich sind. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beklagte zunächst wegen der von der Klägerin selbst eingeräumten psychischen Belastung aufgrund der damals bevorstehenden Operation zur Entfernung der Gebärmutter (Uterusexstirpation - vgl. amtsärztliches Gutachten vom 05.02.2003) den Einsatz der Klägerin in der Anästhesie-Abteilung vorübergehend für nicht vertretbar halten konnte, wäre dieser Grund nach der Wiedergenesung der Klägerin gerade weggefallen. Die Beklagte hat trotz einer positiven Beurteilung der Dienstfähigkeit der Klägerin durch die Amtsärztin und trotz der Wiedergenesung nach einer längeren Krankheitsphase die Klägerin versetzt, ohne auch nur zu prüfen, ob die ursprünglichen Bedenken hinsichtlich des Einsatzes in der Anästhesie-Abteilung, wenn sie denn jemals begründet waren, weiterhin bestanden haben. Auch daraus ergibt sich, dass die Versetzung als Maßregelung anzusehen ist.

II) Die Beklagte schuldet die geltend gemachte Vergütung für Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienste.

Der Klägerin sind die zulagenpflichtigen Dienste im Zusammenhang mit ihrer Versetzung entzogen worden. Auch hier sind betriebliche Gründe i. S. des § 12 Abs. 1 BAT-O nicht ersichtlich, so dass eine zulässige Versetzung in Dienste ohne Rufbereitschaft und Bereitschaft nicht vorliegt. Die Dienste sind weiterhin zu vergüten (ErfK, Preis, § 611 BGB Rnr. 713).

Der Entzug der Dienste ist aber auch deshalb unwirksam, weil er ebenfalls gegen das Maßregelungsverbot verstößt. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 05.05.2003 mitgeteilt, dass trotz der damals vorgesehenen Wiederverwendung in der Anästhesie-Abteilung bis auf Weiteres keine Möglichkeit bestehe, die Klägerin mit Bereitschaftsdiensten zu beauftragen. Auch dies ist eine Maßnahme, für die andere Gründe als die der Benachteiligung der Klägerin nicht erkennbar sind.

Zur Höhe der geltend gemachten Zulage hat sich die Beklagte nicht geäußert, so dass der Vortrag der Klägerin lediglich auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen ist. Insoweit hat die Klägerin zutreffend vorgetragen. Sie hat den Durchschnitt eines 5-monatigen Referenzzeitraums ermittelt. Daraus ergibt sich eine monatliche Zulage von 519,36 €. Der eingeklagte Betrag beläuft sich auf einen 4-fachen Monatsbezug, der ab April 2003 geltend gemacht wird. Insoweit war die Zulage während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gem. den §§ 37 Abs. 2 i. V. mit 47 Abs. 2 BAT-O für die Dauer von sechs Wochen zu bezahlen. Die Zulagen für die restlichen 2 1/2 Monate fielen in die Monate Juni (ab 16.06.2003), Juli und August 2003.

III) Der Antrag der Klägerin, sie als Fachkrankenschwester für Anästhesiologie und Intensivtherapie zu beschäftigen, ist ebenfalls begründet.

Soweit die Klägerin die Weiterbeschäftigung begehrt, ist der Antrag auszulegen. Da im vorliegenden Verfahren keine Weiterbeschäftigung nach ausgesprochener Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens begehrt wird, bezieht sich der Anspruch notwendig auf die vertragsgemäße Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis. Dieser Anspruch ergibt sich aus den vertraglichen Pflichten des Arbeitgebers (ErfK, a. a. O., Rnr. 825, 826). Sollte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.03.2005 gekündigt worden sein, besteht der Anspruch nur bis zu diesem Zeitpunkt. Einer entsprechenden Klarstellung im Tenor des Urteil bedurfte es nicht.

Die Beklagte hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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