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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.11.2000
Aktenzeichen: 1 Sa 762/99
Rechtsgebiete: BeschFG


Vorschriften:

BeschFG § 1 Abs. 3
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinen Entscheidungen vom 22.03.2000 - 7 AZR 581/98 und vom 28.06.2000 - 7 AZR 920/98 (AP Nr. 1 und 2 zu § 1 BeschFG 1996) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach der Arbeitgeber im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung die Wahl hatte, sich auf die erleichterten Befristungsmöglichkeiten nach dem BeschFG auch dann zu berufen, wenn ein Sachgrund vereinbart war. Nunmehr ist - ggf. durch Auslegung - zu ermitteln, auf welche Befristungsgrundlage die Parteien den Vertrag bei seinem Abschluß gestellt haben. An diese Abrede sind die Parteien gebunden.
Tenor:

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 11.11.1999, Az.: 6/11 Ca 236/99, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis wegen einer Befristung mit dem 31.05.1999 geendet hat.

Die Klägerin war aufgrund Arbeitsvertrages vom 07./15.08.1996 für die Zeit vom 15.08.1996 bis 07.06.1997 beim Beklagten als Angestellte eingestellt worden. Im Arbeitsvertrag (Bl. 6, 7 d. A.) ist ein Grund für die Befristung nicht angegeben. Es ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig geworden, dass die Einstellung zur Vertretung einer im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerin erfolgte.

Am 09.06.1997 schlossen die Parteien einen Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 8, 9 d. A.). Darin wird der vorangegangene Vertrag dahingehend geändert, dass die Klägerin mit Wirkung ab 08.06.1997 auf bestimmte Zeit für folgende Aufgaben von begrenzter Dauer weiterbeschäftigt wird: Zuarbeit im Zusammenhang mit der Abarbeitung von Rückständen in der Widerspruchsbearbeitung, längstens bis 31.05.1999.

Die Klägerin war in Vergütungsgruppe VII BAT-O eingruppiert.

Mit ihrer Klage vom 25.01.1999 hat die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass über den 31.05.1999 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht,

sowie

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Angestellte mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VII BAT-O weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Vertrag vom 09.06.1997 sei nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz wirksam befristet, weil der vorangegangene Vertrag wegen eines Sachgrundes befristet gewesen sei. Auch sei im Vertrag vom 09.06.1997 ein Sachgrund nicht vereinbart worden. Ein Sachgrund könne bereits deshalb nicht gegeben sein, weil nicht absehbar gewesen sei, in welcher zeitlichen Perspektive die Rückstände tatsächlich abgearbeitet hätten werden können.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 145 - 149 d. A.) Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Die Auslegung des Klageantrages ergibt, dass die Klägerin die in § 1 Abs. 5 S. 1 BeschFG vorgesehene gerichtliche Entscheidung erstrebt.

II) Die Klage ist auch begründet.

1) Der Befristungskontrolle unterliegt der letzte am 09.06.1997 geschlossene Arbeitsvertrag. Unschädlich ist, dass die Klägerin bereits vor dem Ablauf der Höchstbefristung Klage erhoben hat. Die Frist des § 1 Abs. 5 S. 1 BeschFG ist gewahrt.

2) Die Befristungsabrede vom 09.06.1997 bedurfte einer Rechtfertigung, denn sie war geeignet, den der Klägerin zustehenden Kündigungsschutz zu umgehen.

3) Die Befristung ist unwirksam, weil eine nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz zulässige Befristung nicht vorliegt.

Die Parteien haben den Vertrag vom 06.07.1997 nicht nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristet. Sachgründe für eine Befristung sind vom Beklagten nicht behauptet worden.

a) Nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 22.03.2000 und 28.06.2000 (AP Nr. 1 und Nr. 2 zu § 1 BeschFG 1996) ist ein Vertrag nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristet, wenn die Parteien die Befristung hierauf stützen wollten. Dies muss nicht ausdrücklich geschehen. Nachdem § 1 BeschFG kein Zitiergebot enthält, kann sich der Parteiwille, eine Befristung nach dieser Vorschrift zu vereinbaren, auch aus den Umständen ergeben. Hieran ist vor allem dann zu denken, wenn die Befristung einer Rechtfertigung bedurfte und bei Vertragsschluss über andere gesetzliche Befristungstatbestände oder Sachgründe nicht gesprochen wurde und zur Rechtfertigung der Befristungsabrede lediglich das Beschäftigungsförderungsgesetz in Betracht kommt. Wurden dagegen der Befristungsabrede andere gesetzliche Befristungstatbestände oder Sachgründe zugrundegelegt oder lagen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BeschFG ersichtlich nicht vor, so kann der Vertrag regelmäßig nicht als ein nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristeter Vertrag angesehen werden.

Mit den zitierten Entscheidungen weicht das Bundesarbeitsgericht von seiner früheren Rechtsprechung ab (BAG vom 06.12.1989, AP Nr. 13 zu § 1 BeschFG 1985), wonach der positiven Angabe der Befristungsgrundlage kein, andere Befristungsgrundlagen ausschließender Inhalt, beigemessen werden konnte und deshalb der Arbeitgeber auch nicht an den vereinbarten Sachgrund gebunden gewesen wäre. Nunmehr hat die Abrede über einen Sachgrund als Befristungsgrundlage die Bedeutung, dass kein Vertrag nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz vorliegt (vgl. zu allem Gotthardt, Urteilsanmerkung zu BAG vom 22.03.2000, EzA Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985 Klagefrist, Ziff. 2. b.).

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im Arbeitsvertrag vom 06.07.1997 ein Sachgrund für die Befristung angegeben. Die Klägerin hat "Zuarbeit im Zusammenhang mit der Abarbeitung von Rückständen in der Widerspruchsbearbeitung, längstens bis 31.05.1999" zu leisten. Darin liegt eine Zweck- und Zeitbefristung. Mit einer Zweckbefristung ist notwendigerweise ein Sachgrund vereinbart (Ascheid-Preis-Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 620 BGB Rnr. 262). Der Sachgrund ist aber auch mit der "Abarbeitung von Rückständen" ausdrücklich benannt.

Der Beklagte zieht sich für seine Auffassung, es liege kein Sachgrund vor, darauf zurück, dass der Sachgrund nicht hinreichend bestimmt sei, weil der Umfang der Rückstände aus der Vereinbarung nicht ersichtlich sei. Letztlich macht der Beklagte geltend, dass ein Sachgrund überhaupt nicht vorlag. Dies ist jedoch unerheblich. Bei der Frage, ob eine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz vorliegt oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob eine materielle Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass der vereinbarte Sachgrund auch tatsächlich gegeben ist (Gotthardt, a. a. O., Ziff. 3. c. aa.). Entscheidend ist, welche Befristungsgrundlage die Parteien gewollt haben. Für die hier streitige Befristungsabrede haben die Parteien Sachgründe zur Rechtfertigung der Befristung angenommen.

Der Beklagte hat gem. § 98 ZPO die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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