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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 5/6/5 Sa 527/99
Rechtsgebiete: ArbZG, EG-Verordnung Nr. 3820/85, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbZG § 3
EG-Verordnung Nr. 3820/85 Art. 6
BGB § 134
BGB § 139
BGB § 612
ZPO § 138
§ 3 ArbZG ist auch auf Berufskraftfahrer anwendbar. Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 eröffnet dem Arbeitgeber des Verkehrsgewerbes keine Erweiterung der nach § 3 ArbZG zulässigen Arbeitszeitgrenzen.

Verstößt die in einem Arbeitsvertrag getroffene Arbeitszeitregelung gegen § 3 ArbZG, so ist diese nach §§ 134, 139 BGB nichtig. An Stelle der nichtigen Regelung tritt bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine andere Arbeitszeit die nach § 3 ArbZG gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit als Regelarbeitszeit.

Grundsätzlich ist jede über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus gehende Arbeitsleistung zu vergüten, wenn eine Vereinbarung zum Freizeitausgleich von Mehrarbeit fehlt oder der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände seiner Beschäftigung nicht zu der Inanspruchnahme des Freizeitausgleichs in der Lage ist.

Mehrarbeitsstunden, welche die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschreiten, können weder Gegenstand eines vertraglich vereinbarten Pauschalgehalts noch Gegenstand eines vertraglich vereinbarten Freizeitausgleichs sein.

Bestreitet der Arbeitgeber das Vorhandensein von Mehrarbeit, dann muß ein Berufskraftfahrer, der einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung geltend macht, im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Hat er für jeden Mehrarbeitstag Angaben zum Ablauf seiner Arbeitszeit gemacht, indem er den Arbeitsbeginn, die Art der Tätigkeit bis zum Fahrtbeginn, den Fahrtbeginn, die Fahrstrecke, die Ankunftszeit, die Art der Tätigkeit nach Fahrtende bis zum Arbeitszeitende und ggf. die fahrt- oder arbeitszeitverlängernden Vorkommnisse bezeichnet, dann ist der im Güterfernverkehr unternehmerisch tätige Arbeitgeber verpflichtet, für jeden der angegebenen Mehrarbeitstage im einzelnen die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die vom Arbeitnehmer dargelegte Mehrarbeitszeit nicht richtig sein kann. Dazu gehört auch die Vorlage der arbeitgeberseitigen Zeit- und Routenplanung für den jeweils betroffenen Fahrauftrag. Die Vorlage von Fahrtenschreiberaufzeichnungen reicht weder zur Begründung des Mehrarbeitsvergütungsanspruchs noch dazu aus, einen solchen Anspruch in Frage zu stellen.


Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Rechtsbeständigkeit eines Teilurteils des Arbeitsgerichts, soweit der Kläger durch dieses Teilurteil in der Frage der Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung von Überstunden unterlegen ist.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.07.1997 als Fernfahrer beschäftigt. Ende September 1998 kündigte er zum 31.10.1998. Der schriftliche Arbeitsvertrag, auf den Bezug genommen wird, legte ein Bruttogehalt von 2.700,00 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden fest. 200,00 DM des Monatsgehaltes von 2.700,00 DM waren für den Fall zum Abzug vorgesehen, daß von dem Kläger grob fahrlässig ein Transportschaden herbeigeführt werden würde. Dem Kläger wurden jeweils bestimmte Speditionsaufträge (von dem Disponenten der Beklagten zusammengestellte Touren) zur Durchführung übertragen. Nach deren jeweiliger Erledigung und Rückankunft im Betrieb der Beklagten erhielt er dann einen neuen Auftrag zugeteilt. Die jeweiligen Fahrten, die manchmal mehrere Tage in Anspruch nahmen, führte der Kläger mit dem LKW S ... durch.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Vergütung für Überstunden in den Monate Juli (23 Arbeitstage) und August (21 Arbeitstage) und bis zum 19. September (17 Arbeitstage) 1998 geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in seinem Arbeitsvertrag getroffene Regelung sei wegen Verstoßes gegen § 3 Arbeitszeitgesetz rechtsunwirksam. Die unwirksame Regelung sei durch eine wirksame Regelung zu ersetzen, danach seien von ihm wöchentlich nur 40 Stunden, insgesamt nur 488 Stunden geschuldet gewesen. Bei einem Stundenlohn von 15,58 DM (3 x 2.700,00 DM : 13 Wochen : 40 Stunden) habe er Anspruch auf Zahlung von 5.343,94 DM. Diese 343 Überstunden entsprechende Klageforderung ergebe sich auf der Basis eines Saldos von 831 Arbeitsstunden (Bl. 6 d. A.) abzüglich der nach der Maßgabe einer 40-Stunden-Woche in dem von dem Anspruch erfassten Zeitraum lediglich zu leistenden 488 Arbeitsstunden. Zur Frage der Pausen- und Ruhezeiten hat der Kläger ergänzend angegeben, das ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug habe über keine Schlafmöglichkeit verfügt. Er habe (quer) auf dem Fahrer- und Beifahrersitz mit dem Schalthebel im Rücken schlafen müssen.

Die Beklagte hält die arbeitsvertragliche Stunden- und Vergütungsabrede für wirksam. Sie habe im übrigen weder Überstunden angeordnet noch seien die vom Kläger angegebenen Stundenzahlen zutreffend, ihre Disponenten würden auch keine Touren zusammenstellen, die nicht in 8 oder 10 Stunden zu bewältigen seien. Die Aufstellungen des Klägers seien zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten akzeptiert worden. Die angegebenen Stunden stünden auch im Widerspruch zu den vom Kläger vorgelegten Fahrtenschreiberkopien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen, soweit diese auf Vergütung der Überstunden gerichtet war. Gegen dieses dem Kläger am 15.07.1999 zugestellte Urteil richtet sich seine am 16.08.1999 beim Thüringer LAG eingegangene und nach entsprechender Fristverlängerung am 18.10.1999 begründete Berufung.

In der Berufungsinstanz verfolgen beide Parteien unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte und des beiderseitigen in Bezug auf den Anfall von Überstunden vom Kläger ergänzten Tatsachenvortrags ihr Rechtsschutzbegehren fort.

Der Kläger hat seinen Vortrag nach gerichtlicher Auflage des Landesarbeitsgerichts in einer nach den einzelnen Tagen unterscheidenden Aufstellung (Bl. 342 ff. d. A.) seiner Arbeitszeit substantiiert. Demgegenüber verweist die Beklagte auf einen von ihr gefertigten auszugsweisen Vergleich (Bl. 379, 380) mit der vom Kläger zu den Akten gereichten Tätigkeitsübersicht, aus welcher sich eine wesentlich geringere Anzahl von Stunden ergibt.

Der Kläger behauptet, er sei vom Sohn des Beklagtengeschäftsführers bei Beginn seiner Tätigkeit am 09.12.1997 belehrt worden, daß er beim Be- und Entladen seines Fahrzeuges anwesend sein müsse, um die Sicherung und Kontrolle der Ladung durchzuführen. Die von der Beklagten auszugsweise vorgelegten Arbeitsstundenzahlen seien schon deshalb unvollständig, weil dort lediglich die auf den Fahrtenschreiberblättern ersichtlichen Lenkzeiten zusammengerechnet worden seien. Im übrigen habe seine Arbeit mit der Übernahme der Mitteilung der jeweiligen Tour, der Übernahme der Ladungspapiere, der Mitteilung, wann und bei wem er welche Waren aufladen müsse und der Durchsprache der Fahrstrecke mit dem Disponenten begonnen. Auch das Herstellen der Fahrbereitschaft des LKWs, das Anhängen des Hängers, die Überprüfung der Fahrsicherheit, der Einkauf der Autobahnvignetten, das Betanken, das Wechseln von Reifen und das wöchentliche Waschen des Lastzugs sei zur Arbeitszeit zu zählen. Der Sohn des Beklagtengeschäftsführers habe ihn auch angewiesen, die Fahrtenschreiberblätter zu manipulieren. Nachdem er diesen in Bezug auf die Lenkzeitüberschreitungen angesprochen habe, habe er zur Anwort bekommen, dann müsse er eben mit 2 Scheiben fahren. Durch andere Kollegen sei ihm dann erklärt worden, wie man es anstellt, daß auf einer Scheibe, der Mogelscheibe, die vorgeschriebenen Lenk- und Pausenzeiten nachgewiesen sind. Diese Vorgehensweise sei überwiegend während seiner Tätigkeit angewandt worden, da die ihm übertragenen Touren nie in der gesetzlich festgelegten Lenkzeit hätten bewältigt werden können. Von den Disponenten sei hierauf nicht geachtet worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Suhl, die Beklagte zu verurteilen, 5.343,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 22.12.1998 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, bereits bei der Einteilung durch die Disponenten werde darauf geachtet, daß Fahrtzeitüberschreitungen vermieden werden. Der Fahrer müsse dann nach eigenem Ermessen über die kürzeste und effizienteste Fahrtroute entscheiden. Die Festgehaltsregelung berücksichtige Auftragsspitzen und Auftragslöcher im Speditionsgewerbe. Dies werde bei ganzjähriger Beschäftigung ausgeglichen. Deshalb würden auch mögliche "Überstunden" nicht registriert, die Beklagte habe, außer indirekt über die Fahrtenschreiberblätter, keine Möglichkeit diese zu erfassen. Die vom Kläger vorgelegte Auflistung sei nicht richtig. Dies könne beispielhaft am 27.07.1998 verdeutlicht werden. Dort müsse der Kläger das Fahrtenschreiberblatt vorschriftswidrig gewechselt haben. Ähnliche Erscheinungen seien am 28.07., 29.07., 30.07. und 31.07. erkennbar. Unter Betrachtung der Monatsleistung sei auch keine Fahrtzeitüberschreitung erkennbar. Die beim Be- und Entladen verbrachte Zeit sei nicht als Arbeitszeit zu rechnen. Der Kläger habe weder für die Beladung noch für die Entladung selbst zu sorgen. Darüber hinaus verweist die Beklagte auf den von ihr gefertigten auszugsweisen Vergleich (Bl. 379, 380) mit der vom Kläger zu den Akten gereichten Tätigkeitsübersicht, aus welcher sich eine wesentlich geringere Anzahl von Stunden ergebe.

Wegen der Gesamtheit des schriftsätzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts das persönliche Erscheinen des Klägers und des Beklagtengeschäftsführers angeordnet. Der Beklagtengeschäftsführer leistete dieser Ladung erst nach vorangegangener Verurteilung zu einem Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens Folge.

Der Kläger erklärte in dieser Verhandlung: "Die Fahrtenschreiberblätter sind zur Ermittlung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit nicht geeignet, da geringe Geschwindigkeiten, wie z.B. beim Rangieren nicht erfasst werden. Sie sind auch noch nicht einmal zur Erfassung der tatsächlichen Lenkzeiten geeignet, weil die Fahrtenschreiberblätter in einem Betrieb, wie dem der Beklagten, bei Überschreitung der Lenkzeiten manipuliert werden müssen, damit bei einer Kontrolle keine Strafe wegen Lenkzeitüberschreitung erfolgt. Wie das geht, wird jedem Fernfahrer beigebracht, die Manipulation meiner Fahrtenschreiberblätter beruht auf der Anweisung des Sohnes des Beklagtengeschäftsführers."

In der Berufungsverhandlung hat der Beklagtengeschäftsführer mehrfach erklärt, daß es in seinem Betrieb keine Überstunden geben würde. Unter anderem hat er ausgeführt: "Der Kläger hat Überstunden gemacht, weil er mit der Zeit nicht zurecht gekommen ist"; "Es gibt keine Überstunden. Wir können dies gar nicht zulassen, dann rechnet sich das nicht"; "Nach Stunden wird bei uns überhaupt nicht abgerechnet. Wenn der Kläger sich danach nicht richtet, kann ich nichts dafür."

Auf die Frage des Gerichts, wie es bei alledem denn sein könne, daß der Kläger die im Güterfernverkehr gesetzlich vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten einhalten könne und trotzdem die ihm zugeteilten Fahraufträge ohne Überstunden erledigen könne, erklärte der Beklagtengeschäftsführer: "Dafür ist der Kraftfahrer verantwortlich. Der Kläger hat eigenverantwortlich seine Fahrtroute abzuwickeln und die Sozialvorschriften einzuhalten. Wenn er Pausen und Standzeiten nicht einhält, kann ich nichts dafür. Wenn er trotzdem auf den Hof zurückkommt und sich meldet, bekommt er einen neuen Auftrag. Seine Pausen und Ruhezeiten kann er bei den Standzeiten einhalten. Seine Schlafzeiten kann er in der Schlafkabine verbringen. Ich bin nicht überzeugt davon, daß der Kläger die vorgeschriebenen Lenkzeitunterbrechungen eingehalten hat, man siehtŽs ja, daß sie wahrscheinlich nicht eingehalten worden sind."

Nachdem der Kläger daraufhin ein Foto der Fahrerkabine seines LKWs vorlegte, aus dem sich das Nichtvorhandensein einer Schlafkabine ergab und der Beifahrersitz mit einer Kühlbox belegt war und dieses dem Beklagtengeschäftsführer vorgehalten wurde, erklärte dieser: "Der Kläger kann ja die Kühlbox vom Beifahrersitz nehmen und sich dann über die Sitze legen".

Auf Frage des Gerichts nach der Möglichkeit der Überprüfung der Originalaufzeichnungen des Fahrtenschreibers des Klägers erklärte der Beklagtengeschäftsführer, diese seien nicht mehr verfügbar.

Entscheidungsgründe:

Auf die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist das Teilurteil des Arbeitsgerichts in Bezug auf den Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung abzuändern. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf gesonderte Bezahlung der von ihm geleisteten Arbeitsstunden, soweit in dem von ihm herangezogenen Zeitraum Juli bis September 1998 auf die Wochenarbeitszeit bezogen eine Zahl von 48 Arbeitsstunden überschritten worden ist. Dies folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag unter Berücksichtigung der in §§ 612 Abs. 1, 134, 139 BGB und § 3 ArbZG getroffenen Bestimmungen.

Die in § 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ohne Begrenzung festgelegte regelmäßige Wochenarbeitszeit von 50 Stunden und erst recht die zusätzliche Festlegung einer über diese Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeitszeit für den Fall der Nichtabwicklung der Arbeitsaufgaben innerhalb dieser 50 Stunden verstößt gegen § 3 ArbZG. Diese Vorschrift verbietet auf einen Zeitraum von 6 Monaten bzw. 24 Wochen bezogen die Überschreitung einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil es im Streitfall um die zulässige Arbeitszeit eines Berufskraftfahrers im Speditionsgewerbe geht. Auch auf diese Berufsgruppe ist § 3 ArbZG in vollem Umfang anwendbar (Zmarzlik/Anzinger, § 3 ArbZG Rn. 60). Die nach Art. 189 Satz 2 EGV allgemein gültige und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar Anwendung findende Verordnung des Rates der EG vom 20.12.1985 Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. EG Nr. L 370/1; ber. ABl. EG Nr. L 206/36) und das an diese Verordnung angeglichene, den die EU-Grenzen überschreitenden Verkehr betreffende europäische Übereinkommen über die Arbeitszeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals AETR (zitiert bei Schliemann/Förster/Meyer, ArbZG Rn. 282) beschränken sich auf die Regelung der Lenkzeiten, der Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten. Insoweit legen die europäischen Rechtsnormen einen Mindeststandard fest, der von den an diese Rechtsnormen gebundenen Staaten zu Lasten der Kraftfahrer nicht unterschritten werden darf (vgl. Art. 11 der EG-Verordnung Nr. 3820/85). Die in Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 festgelegten Lenkzeiten setzen die in § 3 ArbZG gesetzten Arbeitszeitgrenzen für Berufskraftfahrer nicht außer Kraft. Zwar erlaubt Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 eine Tageslenkzeit von 9 Stunden und zweimal in der Woche sogar eine Tageslenkzeit von 10 Stunden, wohingegen § 3 Satz 1 ArbZG festlegt, daß die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich 8 Stunden nicht übersteigen darf. Dieser Unterschied führt aber deshalb nicht zu einer Außerkraftsetzung des § 3 ArbZG in der Frage der Arbeitszeitgrenzen, weil einerseits die werktägliche Arbeitszeit auch nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu 10 Stunden erhöht werden kann, wenn bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird und andererseits aufgrund der in Art. 6 Abs. 2 getroffenen Regelung, daß die Gesamtlenkzeit innerhalb eines Zeitraumes von zwei aufeinanderfolgenden Wochen 90 Stunden nicht überschreiten darf, klar ist, daß bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum des § 3 Satz 2 ArbZG eine durchschnittliche Wochenlenkzeit von 45 Stunden nicht überschritten werden darf. Das Gemeinschaftsrecht eröffnet dem Arbeitgeber des Verkehrsgewerbes danach keine Erweiterung der nach § 3 ArbZG zulässigen Arbeitszeitgrenzen. Will der Arbeitgeber die nach dem Gemeinschaftsrecht zulässigen Lenkzeiten voll ausschöpfen und verbleibt daneben vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 ArbZG kein dem Arbeitszeitgesetz Rechnung tragendes Zeitkapital mehr für die im Zusammenhang mit den Transportaufgaben stehenden Arbeitstätigkeiten, die nicht in dem Lenken des Fahrzeugs bestehen (z.B. Be- und Entladen, Wartungs- und Kontrolltätigkeiten, sowie sonstige mit dem jeweiligen Transport verbundene Nebentätigkeiten), dann muß mit der Erledigung dieser Arbeiten ein anderer Arbeitnehmer betraut werden. Da der streitgegenständliche Arbeitsvertrag mit der dort in § 3 getroffenen Bestimmung diesen zwingenden gesetzlichen Grundsätzen zuwiderläuft und darauf ausgerichtet ist, eine permanente Beschäftigung mit 50 Arbeitsstunden und bei Bedarf auch mehr zu legitimieren, ist er nach §§ 134, 139 BGB in seinem die Festlegung der Arbeitszeit bestimmenden Teil nichtig. Eine den ganzen Arbeitsvertrag erfassende Nichtigkeit scheidet aus, weil § 3 ArbZG nur den in § 3 des Arbeitsvertrages geregelten Teil verbietet und die Vertragsparteien in § 13 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich festgelegt haben, daß bei Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung die Gültigkeit des Vertrages im übrigen nicht berührt sein soll. Danach tritt im Streitfall an die Stelle des § 3 des Arbeitsvertrages für die zeitliche Beanspruchung der Arbeitskraft des Klägers die in § 3 ArbZG getroffene gesetzliche Regelung mit einer maximalen Arbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden in der Woche. Die Auffassung des Klägers, von ihm sei nur eine Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche geschuldet, ließe sich nur mit einer entsprechenden vertraglichen Festlegung, nicht aber unmittelbar aus dem ArbZG begründen. Sie läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf tarifübliche Beschäftigungszeiten begründen. Zum einen hat der Kläger diese Behauptung nicht konkretisiert, zum anderen entspricht dies auch nicht den Bedürfnissen und Üblichkeiten des Speditionsgewerbes, wie sich bereits aus der EG-Verordnung Nr. 3820/85 ergibt, die auf einen Referenzzeitraum von 2 Wochen gerechnet eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden vorsieht. Der Kläger war daher zur Auslösung des Anspruchs auf sein monatliches Gehalt verpflichtet, im Wochendurchschnitt 48 Arbeitsstunden zu leisten.

Der von der Beklagten vertretenen Auffassung, mit der Zahlung von monatlich pauschal 2.700,00 DM seien alle vom Kläger abgeleisteten Arbeitsstunden abgegolten, kann nicht gefolgt werden. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung über die Leistung oder über die Bezahlung von Mehrarbeit und sind auch keine tarifvertraglichen Regelungen einschlägig, dann umfasst die Vergütungsvereinbarung lediglich die regelmäßige Arbeitszeit. Für die Vergütung der über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitszeit bildet § 612 Abs. 1 BGB die Rechtsgrundlage (BAG, Urteil vom 3.9.1997, DB 1998 S. 264 m.w.N.). Zwar heißt es in § 4 Satz 2 des Arbeitsvertrages, das Arbeitsentgelt sei ein Pauschalgehalt. Dies führt jedoch nicht zu einer Befreiung der Beklagten von ihrer Pflicht zur Vergütung der die regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden Arbeitsstunden des Klägers. Die auf der stärkeren Verhandlungsmacht des Arbeitgebers beruhende Vertragsgestaltung unterliegt der richterlichen Inhaltskontrolle. Einer richterlichen Korrektur bedarf die Vertragsgestaltung dann, wenn sie die Interessen des Arbeitnehmers unverhältnismäßig außer acht läßt (BAG, Urteil vom 24.11.1993, NZA 1994 S. 759; vgl. auch die grundlegenden Erläuterungen zur richterlichen Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen bei ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 552 ff. m.w.N.). Wie in dem vom BAG am 24.11.1993 entschiedenen Fall schlug sich auch im Streitfall die stärkere Verhandlungsmacht des Arbeitgebers durch Verwendung eines vorgefertigten Arbeitsvertragsformulars nieder. Die vorformulierte Vertragsgestaltung ließ auch die Interessen des Arbeitnehmers in unverhältnismäßiger Weise außer Betracht. Dies folgt schon aus dem in Verbindung mit dem nichtigen § 3 des Arbeitsvertrages auf der Hand liegenden und in der Berufungsverhandlung seitens deren Geschäftsführers eindrucksvoll bekräftigten Ansinnens der Beklagten, dem Kläger ohne Rücksicht für je nach Bedarf unlimitierte Arbeitszeiten maximal 2.700,00 DM brutto im Monat zu zahlen. Bei der arbeitgeberseitigen vorformulierten Festlegung einer gegebenenfalls anfallende Mehrarbeit einschließenden Pauschalvergütung muß eine im ausgewogenen Verhältnis zu dem Anfall an Mehrarbeit betragsmäßige Erhöhung des Gehaltes erkennbar sein, wenn man nicht bereits die Auffassung vertritt, daß die Zulässigkeit der Vereinbarung einer solchen Pauschalvergütung überhaupt nur auf die Arbeitsverhältnisse leitender, in einem besonderen Vertrauens- und Verantwortungsverhältnis zum Arbeitgeber stehender Angestellter beschränkt ist. Die Möglichkeit, dies beurteilen zu können, schließt regelmäßig auch eine Festlegung der Zahl der mit der Pauschalvergütung abgegoltenen Mehrarbeitstunden ein. Im Fall des Klägers kommt der in § 4 Satz 2 des Arbeitsvertrages aufgenommenen Festlegung, das Arbeitsentgelt sei ein Pauschalgehalt, allerdings bereits deshalb keine den Anspruch auf eine Mehrarbeitsvergütung ausschließende Bedeutung einer Regelung über die Bezahlung von Mehrarbeit zu, weil ein solcher Ausschluß grundsätzlich nicht eine den Rahmen der nach § 3 ArbZG zulässigen Arbeitszeit überschreitende Mehrarbeit betreffen kann. Bei der richterlichen Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen gilt nach der Rechtsprechung des BAG der Grundsatz, daß gerade unerwünschte oder gar verbotene Mehrarbeit zu vergüten ist, weil der Arbeitgeber durch die hohen Lohnkosten davon abgehalten werden soll, in derartigem Umfang Mehrarbeit zu verlangen (Urteil vom 24.11.1993 a.a.O.). Dem schließt sich das Thüringer LAG an. Dies ist eine unverzichtbare Maßnahme, um das Arbeitnehmerinteresse auf Nichtüberschreitung der wöchentlichen Beschäftigungsdauer, wie sie im Arbeitszeitgesetz normiert und deshalb auch unter Einbeziehung der Arbeitgeberinteressen nicht weiter relativierbar ist, und damit auch das Recht jedes einzelnen auf körperliche Unversehrtheit zu schützen. Die in diesem Sinne praktizierte richterliche Vertragskontrolle ist die Umsetzung der aus Art 2 Abs. 2 GG folgenden, die Rechtsprechung im Rahmen der Verteidigung des Arbeitsschutzrechts treffenden Schutzpflicht (vgl. hierzu auch ErfK-Dieterich, Art 2 GG Rn 120 - 122). Mit der Zahlung eines Monatsgehalts von 2.700,00 DM brutto war danach nur die arbeitsvertraglich geschuldete durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden abgegolten.

Die Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB, nach dem eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, liegen vor. Die vom Kläger über die regelmäßige Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus erbrachte Dienstleistung war nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Dabei kommt es nicht auf die persönliche Meinung der Beklagten von der Entgeltlichkeit an. Soweit die erbrachten Dienste in den Rahmen des vom Dienstleistenden ausgeübten Hauptberufs gehören, ist Entgeltlichkeit regelmäßig zu bejahen (Palandt-Putzo, 61. Aufl. § 612 BGB Rn 4). Diese Entgeltlichkeit konnte im Streitfall auch nicht durch Freizeitausgleich kompensiert werden. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem sonstigen Vortrag der Parteien ist ersichtlich, daß es dem Kläger oblag, gegebenenfalls anfallende Mehrarbeit durch Freizeit selbst auszugleichen und daß er dazu unter den Umständen der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistungen überhaupt imstande war. Nur für das Vorliegen einer Vereinbarung zum Freizeitausgleich von Mehrarbeit hat das BAG ausgesprochen, daß es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gebe, nach dem jede Mehrarbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zusätzlich zu vergüten ist und die Annahme einer stillschweigenden Mehrarbeitsvergütung ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 4.5.1994, DB 1994 S. 2398). Fehlt eine solche Vereinbarung oder ist der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände seiner Beschäftigung trotz einer solchen Vereinbarung nicht zu einem Freizeitausgleich in der Lage, dann ist die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit gesondert zu vergüten, wenn es sich nicht um eine nach ihrem Status und ihrer Vergütung so herausgehobene und verantwortungsvolle Stellung handelt, bei der die Vergütungspauschale die mit dieser Stellung in Zusammenhang stehende Mehrarbeit nach der Verkehrsauffassung üblicherweise einschließt. Eine Stellung bei der durch das vereinbarte Gehalt gelegentlich anfallende Mehrarbeit als abgegolten gelten kann, hatte der Kläger aber nicht inne. Dazu kommt, daß es im Streitfall um die Abgeltung von gesetzlich unzulässiger Mehrarbeit geht. Ein Anspruch auf Abgeltung der über die gesetzlich zulässigen Arbeitszeitgrenzen hinausgehenden Arbeitsleistungen kann weder durch Vertrag in einen Freizeitausgleichsanspruch umgewandelt werden noch kann die Verkehrsauffassung in einem solchen Falle eine Pauschalabgeltung mit dem Festgehalt rechtfertigen, denn die Verkehrsauffassung findet ihrer Grenzen in dem gesetzlichen Arbeitsschutz. Insoweit gilt das bereits im Vorabsatz Gesagte.

Da die Höhe der Vergütung für die vom Kläger geleistete Mehrarbeit von den Arbeitsvertragsparteien nicht bestimmt war, kommt es nach § 612 Abs. 2 BGB in Ermangelung einer Taxe auf die übliche Vergütung an. Danach gilt wegen der quantitativen Mehrleistung der für den Kläger bestehende arbeitsvertragliche Stundenlohn bzw. der anteilige Monatslohn auch ohne vertragliche Regelung als stillschweigend für die Mehrarbeitszeit vereinbart. Die pro Mehrarbeitsstunde fällige Vergütung des Klägers berechnet sich danach zunächst aus seinem Monatsgehalt von 2.700,00 DM x 3 Monate : durchschnittlich 13 Wochen : 48 Arbeitsstunden mit 12,98 DM. Hinzu kommt ein Überstundenzuschlag in Höhe von 25 %. Ein solcher Überstundenzuschlag besteht im Thüringer Verkehrsgewerbe, soweit kein Freizeitausgleich möglich ist (§§ 6 Ziff. 1 und 7 Ziff. 1 Manteltarifvertrag vom 12.07.1994). Diese tarifliche Regelung ist bezüglich des Überstundenzuschlags, abweichend von dem bereits aus dem für die reguläre Arbeitszeit gezahlten Monatsgehalt herausrechenbaren Stundenlohn als solchem, als die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzusehen. Für die Ausurteilung weitergehender Zeitzuschäge, wie sie in § 7 MTV für Sonn- und Feiertagsarbeit und Arbeit in der Zeit von 0.00 - 6.00 Uhr vorgesehen sind, fehlt es an einer konkreten Berechnung des Klägers. Es ist nicht Sache des Gerichts, alle rechnerisch denkbaren Ansatzpunkte für ein Erreichen der Klageforderung auszuschöpfen, wenn diese noch nicht einmal von dem Sachvortrag des Klägers erfasst und nicht so vorbereitet sind, daß diese unschwer nachvollzogen werden können.

Bei der Berechnung der dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.1998 bis 19.09.1998 zustehenden Mehrarbeitsvergütung ist zugrundezulegen, daß von ihm in diesem Zeitraum insgesamt 835 Arbeitsstunden geleistet worden sind. Der Kläger hat die von ihm geltend gemachte Mehrarbeit jedenfalls in der Berufungsinstanz schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Mittels der von ihm nach dem nachfolgenden Schema vorgelegten und jeden einzelnen Tag erfassenden Aufstellung

Tag/Jahr|Ort/Beginn/Art der Tä-tigkeit (Fahrzeugübernahme etc.)|Fahrtbeginn|Fahrstrecke|fahrzeitverlängernde Vorkommnisse (Ruhezeiten Stau, Ladezeiten)|Ankunftsort/Ankunftszeit|weitere Tätigkeit vor Arbeitszeitende (Entladen, Wartezeit beim Kunden etc.)|Ende der Tätigkeit|Gesamtstunden mit Pausen|Gesamtstunden ohne Pausen

hat er Angaben zum Ablauf seiner Arbeitszeit gemacht und damit den vom BAG (Urteil vom 04.05.1994 a.a.O. und Urteil vom 25.11.1993, DB 1994 S. 1931) geforderten ins einzelne gehenden Vortrag geleistet, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Monat Juli 1998 insgesamt 331,5 Arbeitsstunden, für den Monat August 1998 insgesamt 299 Arbeitsstunden und für den Monat September 1998 bis zum 19. September insgesamt 204,5 Arbeitsstunden. Für alle 3 Monate ergibt sich ein Saldo von 835 Arbeitsstunden. Diesen im Speditionsgewerbe zur Begründung einer auf Mehrarbeitsvergütung gerichteten Klage notwendigen Vortrag hat die Beklagte schon nicht in der nach § 138 ZPO erforderlichen Weise durch ihren eigenen Vortrag entkräftet, so daß das beklagtenseitige Bestreiten der von dem Kläger angegebenen Mehrarbeitszeit bereits aus formalen Gründen keine Berücksichtigung finden kann. Die kommentarlose Auflistung der Arbeitszeiten in dem streitgegenständlichen Zeitraum durch die Beklagte reicht angesichts der vom Kläger für die jeweiligen Zeitaufwände im einzelnen abgegebenen Erläuterungen nicht aus. Die Beklagte hätte zu den Verhältnissen eines jeden einzelnen der vom Kläger aufgelisteten Tage Stellung nehmen müssen.

Im Speditionsgewerbe besteht eine in der gerichtlichen Praxis nicht zu verkennende Schwierigkeit bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Mehrarbeitsvergütung. In der Regel liegt das Vorhandensein von Überstunden schon aufgrund der bei den einzelnen Fahraufträgen zurückzulegenden Kilometer und unter Berücksichtigung oftmals wochendurchgängiger Arbeitszeiten auf der Hand. Wenn der betroffene Berufskraftfahrer nicht täglich persönlich konkrete Aufzeichnungen über den Ablauf seiner Arbeitszeiten macht, dann hat er in der Regel bei unseriösen Speditionsunternehmen in Bezug auf die korrekte Abrechnung und Vergütung der von ihm geleisteten Mehrarbeitszeiten das Nachsehen und muß auch bei dem Versuch der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche allein aufgrund des einfachen Bestreitens dieser Ansprüche durch den Arbeitgeber mangels der Möglichkeit eines detaillierten eigenen Vortrags scheitern. Die Vorlage von Fahrtenschreiberscheiben, so er denn in ihrem Besitz oder im Besitz von entsprechenden Kopien ist, hilft nicht weiter. Diese haben in Bezug auf die gesamte bei der Frage der Mehrarbeitsvergütung zu berücksichtigenden Arbeitszeit und auch aufgrund der in der Branche verbreiteten Manipulierungspraxis nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Hat der Berufskraftfahrer für jeden Tag seinen Arbeitsablauf unter Angabe der Routen (ggfs. sogar noch unter Einbeziehung der zurückgelegten Kilometer) und der Angabe der jeweils im Zusammenhang mit der Fracht angefallenen Tätigkeiten oder Vorkommnisse geschildert, dann ist es Sache des Arbeitgebers, für jeden einzelnen Tag bzw. für jede einzelne Tour zu begründen, warum dort die von seinem Beschäftigten angegebenen Zeiten nicht zutreffend sein können. Dazu gehört auch, daß der Fuhrunternehmer die für die jeweiligen Touren von ihm oder seinen Disponenten erstellte Zeitkalkulation vorlegt und so erläutert, daß diese seitens des Gerichts nachvollzogen werden kann.

Deshalb genügt die Beklagte den ihrerseits bestehenden Darlegungspflichten auch nicht durch die auszugsweise (Bl. 378, 379 d. A.) für bestimmte Tage im Verhältnis zum Klägervortrag bemängelten Zeitdifferenzen. Zum einen, weil dieser Vortrag im Hinblick auf den Gesamtzeitraum unvollständig ist, zum anderen, weil dort lediglich die aus den Kopien der Fahrtenschreiberblätter ersichtlichen Lenkzeiten zusammengerechnet wurden. Darin erschöpft sich aber nicht die Arbeitszeit eines Fernfahrers. Darüberhinaus hat die Beklagte auch nichts dafür vorgetragen, daß die Fahrtenschreiberblätter im Streitfall eine sichere Beurteilungsgrundlage bilden konnten. Auch hierzu war sie verpflichtet, nachdem der Kläger im Detail geschildert hat, wie er zu einer entsprechenden Manipulation von dem Geschäftsführer der Beklagten angewiesen und von Arbeitskollegen bezüglich der Umsetzung dieser Anweisung entsprechend unterwiesen wurde. Aus dem letztgenannten Grund ist auch der Vortrag der Beklagten, mit dem sie beispielhaft am den 27.07.1998 mit Wirkung für mindestens 4 weitere Tage, nämlich den 28., den 29., den 30. und den 31.07.1998 nachweisen will, daß der Kläger durch Auswechselung des Fahrtenschreiberblattes Manipulationen des Fahrtenschreibers vorgenommen habe. Im übrigen hat der Kläger seine Forderung nach Mehrarbeitsvergütung in der Berufungsinstanz nicht mehr mit den Fahrtenschreiberunterlagen, sondern auf die bereits erwähnte Aufstellung begründet, welche die gesamte Arbeitszeit, die Lenkzeiten und die daneben bestehenden Nebentätigkeiten erfasst.

Darüberhinaus ist die Berufungskammer unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens und der im Rahmen ihrer Anhörung nach § 141 ZPO gemachten Aussagen der Parteien und des in der Berufungsverhandlung insgesamt gewonnenen, auch die Gepflogenheiten des Speditionsbetriebs der Beklagten erfassenden Eindrucks auch von der Richtigkeit der Klägerbehauptungen überzeugt. Der Kläger hat die an ihn gerichteten Fragen des Gerichts zu den in seiner Stundenaufstellung angegebenen Arbeitsabläufen in nachvollziehbarer Weise und frei von Widersprüchen beantwortet. Er hat insbesondere anhand der "Nürnberg-Tour" noch einmal im einzelnen im Detail dargestellt, in welchem Maß zusätzlich zu den reinen Lenkzeiten bei den einzelnen Touren weitere Arbeitszeiten angefallen sind. Er hat von der Beklagten angeordnete und von ihm durchgeführte Manipulationen der Fahrtenschreiberaufzeichnungen ungeschminkt eingeräumt. Daß er dies ohne Rücksicht auf etwaige daraus ihn selbst treffende Sanktionen getan hat, bestätigt seine Glaubwürdigkeit. Das Verhalten des Beklagtengeschäftsführers war hingegen von dem ständigen Versuch gekennzeichnet, den Fragen des Gerichts auszuweichen. Antworten erfolgten unpräzise und liefen im Ergebnis jedesmal auf eine Pauschalablehnung der Existenz von Mehrarbeit in seinem Betrieb bzw. der Pauschalablehnung der Vergütungspflichtigkeit dieser Mehrarbeit hinaus. Besonders das mehrfache geradezu trotzhafte Beharren darauf, daß es in seinem Betrieb grundsätzlich keine Überstunden gebe, spricht schon gegen seine Glaubwürdigkeit. Daß in einem Speditionsbetrieb keine Mehrarbeit anfällt, widerspricht nämlich schon angesichts der im Transportgewerbe nicht 100%ig kalkulierbaren Verkehrsbedingungen jeglicher Lebenserfahrung. Noch unglaubwürdiger wird die Aussage des Beklagten unter Hinzuziehung seiner nach der Methode, "daß nicht sein kann, was nicht sein darf" gegebenen Begründung, daß man Überstunden nicht zulassen könne, weil sich dies nicht rechne. In Wirklichkeit will danach auch der Beklagtengeschäftsführer die Existenz von Mehrarbeit in seinem Betrieb nicht ausschließen. Was er aber auf jeden Fall ausschließen will, ist von ihm zu vergütende Mehrarbeit, weil sich diese für Ihn nicht rechnet und weil er deshalb erkennbar auf dem Standpunkt steht, daß die bei ihm beschäftigten Fernfahrer eben so lange zu ihrem Festgehalt arbeiten müssen, bis sie ihre Touren erledigt haben. Dem entspricht seine Arbeitsvertragsgestaltung und dies hat er in der Berufungsverhandlung bekräftigt. Nachdem vom Gericht in der Berufungsverhandlung gewonnenen Eindruck betrachtet der Beklagtengeschäftsführer die Erforderlichkeit von (unbezahlter) Mehrarbeit quasi als Strafe dafür, daß der betreffende Fahrer die jeweilige Tour nicht in seiner regulären Arbeitszeit geschafft hat. Die Auffassung des Beklagtengeschäftsführers, der einzelne Fahrer sei dafür verantwortlich, daß die einzelnen Fahraufträge ohne Überstunden und dazu noch unter Einhaltung der vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten erledigt werden könnten, ist nicht nur rechtsirrig, sie ist auch hinsichtlich der Gesundheit seiner Fahrzeugführer und der mit diesen im Straßenverkehr zusammentreffenden Verkehrsteilnehmer in höchstem Maße verantwortungslos. Vielmehr ist es seine Aufgabe als Betriebsinhaber die Touren so zu organsieren, daß die nationalen Arbeitsschutz- und die gemeinschaftsrechtlichen Lenkzeitvorschriften eingehalten werden können. Daß dies im Betrieb der Beklagten nicht der Fall ist, belegen in deutlicher Weise die Äußerungen ihres Geschäftsführers in der Berufungsverhandlung. Im Gegenteil, die Betriebsführung der Beklagten provoziert geradezu Rechtsverstöße gegen das Arbeits- und Lenkzeitrecht. Wie die Äußerung des Beklagtengeschäftsführers in der Berufungsverhandlung, der Kläger könne ja seine gesetzlichen Ruhezeiten quer in der Fahrerkabine liegend (also mit dem Schalthebel im Rücken!) verbringen, zeigt, auch unter beispielloser gesundheitlicher Ausbeutung seiner Beschäftigten. Und wie die glaubwürdige Aussage des Klägers zu den im Betrieb der Beklagten gängigen Fahrtenschreibermanipulationen zeigt, auch unter systematischem Einsatz von krimineller Energie. Wer in einer derartigen, gegen jeglichen Arbeitsschutz gerichteten Art und Weise mit der Zielrichtung der Kostenminimierung argumentiert, dem kann auch im Hinblick auf seine Einlassungen zu der Frage des Umfangs im Streit stehender Mehrarbeitsstunden kein Glauben geschenkt werden.

Die dem Kläger geschuldete Mehrarbeitsvergütung ergibt sich aus der Differenz der nach den glaubwürdige Angaben des Klägers tatsächlich geleisteten 835 Stunden zu den arbeitsvertraglich für den Zeitraum vom 01.07.1998 bis 19.09.1998 geschuldeten Arbeitsstunden. Bei der Berechnung der für diesen Zeitraum vom Kläger geschuldeten Arbeitsstunden ist zugrundezulegen, daß von ihm in diesem Zeitraum eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden (Wochenarbeitszeit 48 Stunden) zu erbringen war. Danach war der Kläger in der Zeit vom 01.07.1998 bis 19.09.1998 zur Ableistung von 560 Arbeitsstunden verpflichtet (Juli 216 Stunden, August 208 Stunden, September 136 Stunden). Er hat daher Anspruch auf Vergütung von 275 Mehrarbeitsstunden. Unter Zugrundelegung eines Stundenlohns von 12,98 DM ergibt sich ein Betrag von 3.569,50 DM. Unter Berücksichtigung eines Überstundenzuschlags von 25 % (892,38 DM) erhöht sich dieser Betrag auf 4.461,88 DM, was einem Betrag von 2.281,32 Euro entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und erfasst den Streitgegenstand, soweit er in der Berufungsinstanz entschieden wurde. Hinsichtlich der für die erste Instanz erforderlichen Kostenverteilung entscheidet das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses dieses Berufungsurteils in seinem die Widerklage erfassenden Schlussurteil. Danach trägt der Kläger von den in der Berufung hinsichtlich des Teilurteils des Arbeitsgerichts angefallenen Kosten 16,5 % und die Beklagte 83,5 %. Dies entspricht dem Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens unter Zugrundelegung dessen, daß 5.343,94 DM eingeklagt waren und 4.461,88 DM zugesprochen wurden.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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