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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 13.02.2001
Aktenzeichen: 5 Sa 27/2000
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach, Außenkammern Mühlhausen, vom 22.11.1999, 5 Ca 263/99, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die erstinstanzlich entstandenen Kosten des Rechtsstreits.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung, die der Beklagte dem Kläger gegenüber ausgesprochen hat.

Der Kläger war bei dem Beklagten, einer Firma, die Autoreparaturen und Autokosmetik betreibt, seit dem 05.08.1998 zu einem Bruttogehalt von 2.500,00 DM beschäftigt. Am 29.03.1998 kam es zwischen den Parteien zu einem Streitgespräch. Dieses entstand, nachdem der Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen aushändigte. In diesen Abmahnungen wurde dem Kläger zur Last gelegt, dass er während der Arbeitszeit Privattelefongespräche geführt habe und dass er die vereinbarte Arbeitszeit nicht einhalten würde. Über den weiteren Hergang und den Inhalt des Streitgespräches haben die Parteien unterschiedliche Angaben gemacht.

Im Ergebnis des Streites kündigte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29.03.1999 fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 29.03.1999 zu.

Der Beklagte behauptet, der Kläger habe ihn in dem genannten Streitgespräch beleidigt und bedroht. Er habe sich u. a. wie folgt geäußert: "Dir fehlen mal ein paar richtige auf die Fresse, aber ich mach mir die Finger an Dir nicht schmutzig. Ich kenne aber jemanden, der Dich schon lange auf dem Kicker hat; arrogantes Schwein. Du hast noch nie richtig gearbeitet in deinem Leben; pass nur auf, wenn nachher meine Alte kommt, dass sie Dir nicht auch noch eine aufs Maul haut."

Das Arbeitsgericht hat zur Frage der Wahrheit der vorgenannten Behauptungen des Beklagten Beweis durch Vernehmung des Zeugen G. erhoben.

In seinem auf der Grundlage dieser Beweisaufnahme ergangenen Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch ordentliche Kündigung zum 30.04.1999 beendet worden ist und im übrigen die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht war der Auffassung, dass der Aussage des Zeugen G., der Kläger habe dem Beklagten gesagt: "Ich hau Dir ein paar in die Fresse; arrogantes Schwein" nicht glaubwürdig sei, weil der Zeuge G. sich definitiv nur an diese Äußerung, nicht aber an die sonstigen Begleitumstände des Streitgesprächs habe erinnern können. Das Arbeitsverhältnis habe aber mit Ablauf des 30.04.1999 sein Ende gefunden, weil der Beklagte durch Ausspruch der Äußerung der Kündigung zum Ausdruck gebracht habe, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf jeden Fall gelöst werden solle und das Kündigungsschutzgesetz in dem Betrieb des Beklagten keine Anwendung finde.

Gegen das dem Beklagten am 17.12.1999 zugestellte Arbeitsgerichtsurteil hat er am 17.01.2000 beim Thüringer Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese Berufung am 14.02.2000 begründet.

Der Beklagte hält die Beweiswürdigung des arbeitsgerichtlichen Urteils für fehlerhaft. Darüber hinaus könne der Hergang und der Inhalt des Streitgespräches auch noch durch den Zeugen S. belegt werden, der sich zum fraglichen Zeitpunkt vor der Tür der Werkhalle befunden habe, um rote Kennzeichen an einen Pkw zu montieren.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Eisenach, Außenkammern Mühlhausen, vom 22.11.1999, 5 Ca 263/99, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Darüber hinaus rügt er die Verspätung zum Beweis der Beklagtenbehauptungen, den Zeugen S. anzugeben. Im übrigen sei dieser Zeuge zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht anwesend gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch die nochmalige Vernehmung des Zeugen G. und durch Vernehmung des erst in der Berufungsbegründungsschrift angebotenen Zeugen S..

Entscheidungsgründe:

I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Aufgrund der in der Berufungsverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den Beklagten in grober Form beleidigt und bedroht hat.

a) Der Zeuge S. hat angegeben, dass der Beklagte den Kläger in den an der Seite der Werkhalle befindlichen Büro zwei Zettel übergeben hat. Als der Zeuge sich dann auf den Weg zu den vor der Werkhalle befindlichen Kraftfahrzeug gemacht habe, um dort rote Nummernschilder anzuschrauben, habe er beim Rausgehen mitbekommen, dass das vorher im normalen Ton geführte Gespräch in einer abweichenden Tonlage geführt wurde. Er habe zunächst empörende Worte gehört und zwar von Seiten des Klägers, so etwas wie: "das kann doch nicht wahr sein". Daraus habe sich dann ein mehr und mehr aggressiver Tonfall entwickelt und im weiteren Verlauf habe der Zeuge gehört, wie der Kläger gegenüber dem Beklagten geäußert habe: "man sollte Dir mal auch eine auf die Fresse hauen". Es seien auch noch andere lautstarke Äußerungen gefallen, an die er sich im einzelnen aber nicht mehr erinnern könne. Erinnern könne er sich aber jedenfalls daran, dass der Kläger den Beklagten als arrogantes Schwein bezeichnet hat. Die Äußerungen "du arrogantes Schwein" seien nicht im Büro, sondern in der Halle erfolgt. Der Zeuge G. bestätigte seine bereits vor dem Arbeitsgericht getätigte Aussage, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten so etwas geäußert habe, wie "ich hau dir ein paar in die Fresse" und "arrogantes Schwein".

b) Die Aussagen der beiden Zeugen sind glaubhaft. Aufgrund der vom Zeugen G. in seiner zweitinstanzlichen Vernehmung gegebenen Ortsbeschreibung waren beide Zeugen in der Lage, die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen zu hören. Der Zeuge G. befand sich zum Zeitpunkt der Äußerungen in dem Bereich der Fahrzeughalle, in dem sich auch die beiden Streithähne aufhielten. Er stand etwa 5- 6 m entfernt. Der Zeuge S. stand vor der in dieser Hälfte der Eingangshalle befindlichen Toröffnung und war mit dem dort geparkten Auto befasst. Der Zeuge S. hat dem Gericht die räumliche Situation während der Beweisaufnahme in einer Handzeichnung dargestellt. Die Möglichkeit der Wahrnehmung der dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen war auch nicht durch einen von laufenden Maschinen oder Motoren ausgehenden Geräuschpegel eingeschränkt. Der Zeuge G. hat ausgesagt, dass der Kärcher, mit dem die Grobreinigung erfolgt und der Kompressor, mit dem die Druckluftreinigung erfolgt, zu diesem Zeitpunkt nicht in Gebrauch gewesen seien.

c) Die Aussage der beiden Zeugen sind auch glaubwürdig. Hier sind keinerlei Widersprüche erkennbar, die die Annahme des Gegenteils rechtfertigen könnten. Sie deckt sich nahezu vollständig im Bezug auf die dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen. Die zu den räumlichen und zeitlichen Abläufen differenden Wahrnehmungen der beiden Zeugen sind für die Beweiswürdigung nicht von Gewicht. Der Zeuge G. hat zwar bekundet, der Kläger sei mit dem Beklagten ca. 15 min in dessen Büro gewesen. Diesen Zeitraum hat der Zeuge S. mit maximal 2 - 3 min angegeben. Der Zeuge G. hat als den Standort der Streithähne zum Zeitpunkt der fraglichen Äußerungen das in seiner Hälfte befindliche Tor zur Fahrzeughalle angegeben. Der Zeuge S. demgegenüber den vorderen Hallenbereich, wo die Standorte im Zuge der Streitereien ständig gewechselt hätten. Dabei ist zum einen jedoch zu berücksichtigen, dass der Vorfall aus Sicht der Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung annähernd zwei Jahre zurückliegt und dass das zeitliche und räumliche Wahrnehmungsvermögen nach der Lebenserfahrung mit einer hohen Fehlerquote belastet ist. Dennoch liegen die differierenden Zeit und Ortsangaben der beiden Zeugen nicht so weit auseinander, dass die Kammer davon ausgehen muss, dass es sich nicht um aus normalen Umständen heraus nachvollziehbare Wahrnehmungsdifferenzen handelt. Es ist darüber hinaus auch nicht feststellbar, dass die beiden Zeugen ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Der Zeuge G. ist nicht im Betrieb des Beklagten beschäftigt. Der Beklagte hat ihn nach der Förderungsmaßnahme des Arbeitsamtes nicht übernommen. Der Zeuge S. ist zwar im Betrieb des Beklagten beschäftigt, seine Aussage ist aber in sich völlig widerspruchsfrei. Es gab während seiner Aussage keinerlei Anzeichen dafür, die Anlass gewesen wären, den Wahrheitsgehalt der Aussage in Zweifel zu ziehen. Es gab weder fragende Blickkontakte in Richtung des Beklagten noch Aussagewidersprüchlichkeiten, noch befragungsbedingte Richtigstellungen der Zeugenaussage. Schließlich wird die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen auch dadurch belegt, dass der Beklagte auf Vorhalt des Gerichts nach den Zeugenaussagen zumindest eingeräumt hat, dem Beklagten gegenüber geäußert zu haben "ich kenne jemanden, der Dich auf die Fresse hauen will" und auch zugegeben hat, dass das Wort arrogant gefallen sei, allerdings sei dies in einem anderen Zusammenhang geschehen. Wenn der Kläger unter dem Eindruck der Beweisaufnahme diese im Laufe des schriftlichen Parteivorbringens bislang nicht eingeräumten Äußerungen zusteht, dann spricht einiges dafür, dass der Kläger unter dem Blickwinkel des Ablaufes der Beweisaufnahme seine ursprüngliche schriftsätzliche Sachverhaltsdarstellung selbst nicht mehr für aufrechterhaltbar hält. Diese aus Opportunitätsgründen erfolgte Anpassung des Klägervorbringens an die aus dem Prozessverlauf folgenden Erkenntnis eines notwendigen Strategiewechsels im Bereich des Sachvortrages spricht ganz entschieden gegen die Glaubwürdigkeit der Sachdarstellung des Klägers und für die Richtigkeit der Zeugenaussagen.

2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Beleidigungen durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erheblich Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber bedeuten, als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen (BAG, Urteil vom 17.02.2000, 2 AZR 927/98 - nicht veröffentlicht-vom 21.01.1999, AP Nr. 151 zu § 626 BGB). Dies beruht darauf, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen, noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen schützt und dass dieses Grundrecht im übrigen nicht schrankenlos gewährt, sondern insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt ist und in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen gebracht werden muss (BVerfG; vom 10.10.1995, BVerfGE 93 Seite 266). Kündigungsrechtlich ausschlaggebend ist nicht die strafrechtliche Beurteilung (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Urteil vom 01.07.1999, EzA BBig § 15 Nr. 13). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sind die nach der Beweisaufnahme feststehenden Äußerungen des Klägers "ihm ein paar in die Fresse zu hauen" und "arrogantes Schwein" grundsätzlich geeignet eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu rechtfertigen.

b) Auch im Hinblick auf die Umstände des Streitfalles ergibt sich kein andere Ergebnis. Es kommt nicht darauf an, dass es sich um eine einmalige Ehrverletzung gehandelt hat und diese in der Folge eines Streitgespräches unüberlegter Weise erfolgte. Selbst wenn man die entsprechende Erklärung des Klägers in der Berufungsverhandlung zugrundelegt "er kenne jemand, der den Beklagten auf die Fresse haut", handelt es sich nicht nur um eine schwerwiegende Kundgabe der Mißachtung und die Drohung mit einer von einer dritten Person vorzunehmenden Körperverletzung des Klägers. Die Bezeichnung des Beklagten als arrogantes Schwein enthält eine erhebliche Verletzung der persönlichen Ehre des Beklagten. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Verhalten des Klägers durch ein entsprechendes gleichgelagertes Verhalten des Beklagten provoziert worden sind. Die bloße Übergabe zweier Abmahnungen rechtfertigt ein solches Verhalten nicht. Dies bedarf keiner weiteren Ausführungen. Dem Beklagten war es nach alledem auch nicht zuzumuten, den Ablauf der Kündigungsfrist zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwarten. Einem Arbeitgeber, dem von einem Arbeitnehmer in verbal offener oder versteckter Form Schläge angedroht werden und dem gegenüber derart grobe Beleidigungen ausgesprochen werden, ist eine Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers nicht zuzumuten, wenn dem nicht seinerseits ein Verhalten zugrundelag, daß diese Reaktion des Arbeitnehmers entschuldbar macht.

c) Erst recht ist dann auch eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Jeder Arbeitnehmer muss wissen, dass ein derartiges Verhalten von seinem Arbeitgeber auf keinen Fall hingenommen wird.

d) Auch aus der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt sich kein gegenteiliges Ergebnis. Gewichtige Gesichtspunkte, die für einen Vorrang des arbeitnehmerseitigen Interesses am Bestand des Arbeitsverhältnisses sprechen, sind nicht ersichtlich. Sie sind bei einem derart gravierenden Vorfall (grobe Beleidigung des Arbeitgebers und In-Aussicht-Stellen von Schlägen) auch in der Regel nicht denkbar. Im Streitfall bestehen hierfür auch keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Vorfalls erst wenig mehr als ein halbes Jahr.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 97 Abs. 2 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren danach dem Beklagten ganz aufzuerlegen, weil er aufgrund der Benennung und daraufhin folgenden Vernehmung des Zeugen S. obsiegt hat und dieser Beweisantritt bereits in der ersten Instanz möglich war. Erst die Vernehmung des Zeugen S. in der Berufungsinstanz führte im Zusammenwirken mit den Aussagen des Zeugen G. zu einer entsprechenden Überzeugung der Kammer von der Richtigkeit des vom Beklagten der Kündigung zugrundegelegten Sachverhalts.

III. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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