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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 7/8 Sa 40/05
Rechtsgebiete: BGB, Richtlinie des Thüringer Innenministeriums


Vorschriften:

BGB § 670 analog
Richtlinie des Thüringer Innenministeriums über den Ersatz von Sachschäden vom 14.07.1994
Zum Aufwendungsersatzanspruch für die Beschädigung eines im Anschluss an eine Dienstfahrt im Bereich der Dienststelle abgestellten Privat-Pkw
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 29.07.2004 - 1 Ca 715/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz für die Beschädigung ihres abgestellten Pkw.

Die Klägerin ist Lehrerin an der Regelschule in K.. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT-O Anwendung. Ab 01.08.2002 war sie nach § 12 Abs. 1 BAT-O mit 16 Pflichtstunden an die Regelschule in S. abgeordnet und erteilte in der Folgezeit an beiden Schulen jeweils ganze Tage Unterricht. Die Klägerin wohnt in E. Für den Schulweg nach K bzw. S. nutzte sie ihren privaten PKW.

Am 26.03.2003 hatte die Klägerin ab 7 Uhr 30 Unterricht in S.. Zuvor nahm sie auf telefonische Bitte des Direktors der Regelschule in K. dort einen dienstlichen Gesprächstermin wahr. Sie fuhr mit ihrem PKW nach K. und im Anschluss an die Besprechung zum Unterricht nach S.. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte sie den Termin in K. wegen ihrer Unterrichtsverpflichtung in S. nicht wahrnehmen können. Der knappen Zeit wegen stellte sie ihren PKW kurz vor Unterrichtsbeginn auf dem Wirtschaftshof der Regelschule in S. ab. Als sie nach Unterrichtsende nach Hause fahren wollte, war die Fahrertür eingetreten. Der Täter konnte nicht ermittelt werden. Der Kostenvoranschlag für die Reparatur beläuft sich auf 1.066,71 €, deren Erstattung die Klägerin zuzüglich einer Auslagenpauschale über 20,00 € im Rechtsstreit hier wegen Dienstunfalls verlangt.

Der Beklagte hat auf der Grundlage des § 88 ThürBG den Ersatz von Sachschäden bei Ausübung oder infolge des Dienstes mit Richtlinie des Innenministeriums vom 14.07.1994 (Thür StAnz 1994, 2119) in der hier maßgeblichen Fassung vom 11.12.2001 (Thür StAnz 2002, 67) - im folgenden Sachschadenrichtlinie - geregelt, die nach Ziff. 10 auf Arbeitnehmer sinngemäß anzuwenden ist. Sie hat - soweit hier von Interesse - folgenden Inhalt:

5.2

Ersatz für die Beschädigung, Zerstörung oder das Abhandenkommen von Fahrzeugen nach deren Abstellen auf einer Straße, einem Parkplatz oder einem anderen dafür vorgesehenen Platz wird nicht geleistet.

5.7

Der Ersatz für die Beschädigung oder Zerstörung von Fahrzeugen beschränkt sich im Einzelfall auf höchstens 332,34 €.

5.8

Die Beschränkung nach Tz. 5.7 entfällt für Schäden, die entstanden sind

a) an anerkannt privateigenen Kraftfahrzeugen (§ 6 Abs. 2 ThürRKG) bei Dienstreisen oder Dienstgängen, für die die Anerkennung gilt,

b) bei einer Dienstreise oder einem Dienstgang an anderen privaten Fahrzeugen,

- deren Einsatz auf ausdrückliches Verlangen oder durch Einflussnahme des Dienstherren erfolgte. Das Verlangen bzw. die Einflussnahme müssen vorher schriftlich festgehalten worden sein,

- die aus triftigen Gründen zur Durchführung einer Dienstreise oder eines Dienstganges benutzt werden und deren Benutzung im Einzelfall oder allgemein gestattet worden ist. In Ausnahmefällen kann die Genehmigung nachträglich erteilt werden.

Triftige Gründe sind insbesondere gegeben, wenn

- der Beamte den Ort des Dienstgeschäftes mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln nicht oder nicht rechtzeitig erreichen kann,

- durch die Benutzung des Fahrzeuges voraussichtlich eine erhebliche Zeitersparnis eintritt, so dass noch weitere, insbesondere termingebundene oder andere dringende Dienstgeschäfte wahrgenommen werden können oder

- dem Beamten - z. B. wegen der Art und Schwere der Behinderung - die Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel nicht zugemutet werden kann.

Triftige Gründe sind nicht schon dann gegeben, wenn der Kostenvergleich nach § 6 Abs. 1 S. 2 ThürRKG zu Gunsten der Kraftfahrzeugbenutzung ausfällt,

c) an anerkannt privateigenen Kraftfahrzeugen und anderen privaten Fahrzeugen bei Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststelle, wenn das Fahrzeug ausschließlich wegen einer Dienstreise oder eines Dienstganges benutzt werden sollte oder benutzt wurde und dem Beamten dafür die Genehmigung erteilt wurde. Die Genehmigung kann in Ausnahmefällen nachträglich erteilt werden. Die Beweisführung, dass das Fahrzeug ausschließlich wegen einer Dienstreise oder eines Dienstganges benutzt worden ist und an den anderen Tagen für den Weg nach und vor der Dienststelle außer aus schwerwiegenden Gründen nach Tz. 5.1 nicht eingesetzt wurde, liegt beim Beamten.

5.8.1

Tz. 5.2 gilt nicht in den Fällen der Tz. 5.8 a und b, wenn das Fahrzeug aus dienstlichen Gründen auf den Fahrten zum oder vom Geschäftsort sowie während einer dienstlichen Tätigkeit am Ort des Dienstgeschäftes auf einer Straße, einem Parkplatz oder einem anderen dafür vorgesehenen Platz abgestellt wird.

5.8.2

Tz. 5.2 gilt nicht im Fall der Tz. 5.8 c, wenn das Fahrzeug vor Antritt oder nach Beendigung der Dienstreise oder des Dienstganges aus dienstlichen Gründen an oder in unmittelbarer Nähe der regelmäßigen Dienststelle abgestellt wird.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch seien nicht erfüllt. Die auf Arbeitnehmer anwendbare Sachschadenrichtlinie schließe in Ziff. 5.2 den Ersatz für die Beschädigung eines abgestellten Fahrzeuges grundsätzlich aus. Die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände nach Ziff. 5.8.1 und 5.8.2 seien mangels Genehmigung der Nutzung des privaten PKW nicht gegeben. § 670 BGB analog scheide als Anspruchsgrundlage aus, weil der Dienstgang nach K. jedenfalls zu dem Zeitpunkt beendet gewesen sei, als die Klägerin ihren Unterricht in S. angetreten habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 06.01.2005 zugestellte Urteil am 25.01.2005 Berufung einlegen lassen, die am 24.02.2005 begründet wurde.

Die Berufung meint weiterhin, der geltend gemachte Schaden sei gem. § 670 BGB analog bzw. nach der Sachschadenrichtlinie zu erstatten. Die Richtlinie schließe zwar Ersatz für die Beschädigung eines abgestellten PKW grundsätzlich aus. Die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände seien aber erfüllt. Fehlerhaft beanstande das Arbeitsgericht, dass die Nutzung des privaten PKW für die Dienstfahrt nach K. nicht genehmigt worden sei. Dem Direktor der Schule in K. sei klar gewesen, dass die angeordnete Dienstreise nur mit dem eigenen PKW möglich gewesen sei. Er habe die Genehmigung erteilt (Beweis: Zeugnis des Schulleiters Apel).

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts E. vom 29.07.2004, 1 Ca 715/04 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.086,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Er meint, die Klage sei weder aus § 670 BGB entsprechend begründet, noch aufgrund der Sachschadenrichtlinie. Der eingetretene Schaden stehe nicht in Zusammenhang mit der Dienstfahrt und wäre auch entstanden, wenn die Klägerin sogleich nach S. gefahren wäre. Die Fahrt zur Arbeitsstelle zähle aber nicht zum Betätigungsfeld des Arbeitgebers.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat ihre Klage zu Recht abgewiesen. Es fehlt an der Anspruchsgrundlage.

I. Auf vertragliche oder deliktische Verschuldenshaftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wird der Klaganspruch nicht gestützt. Dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Der Wirtschaftshof der Regelschule S. war kein Lehrerparkplatz. Davon abgesehen könnte der Beklagte die dort abgestellten Fahrzeuge auch nicht gegen Vandalismus schützen (vgl. BAG vom 25.05.2000, 8 AZR 518/99).

II. Auf verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatz hat die Klägerin keinen Anspruch:

1. § 670 BGB analog setzt voraus, dass der Arbeitnehmer sein Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers ohne besondere Vergütung in dessen Betätigungsbereich einsetzt, womit der Arbeitgeber das Schadensrisiko zu tragen hat (BAG vom 08.05.1980, 3 AZR 82/79, und seither). Benutzt der Arbeitnehmer für den Weg zur Arbeit und zurück ein eigenes Fahrzeug, wird er nicht im Betätigungsbereich des Arbeitgebers tätig. Es ist Sache des Arbeitnehmers, wie er den Weg zur Arbeit zurücklegt. Das Abstellen des Fahrzeuges ist dem Dienst vorgelagert und erfolgt nicht in Ausübung des Dienstes (BAG vom 25.05.2000, a. a. O; vgl. zum Beamtenrecht OVG Saarland vom 14.01.2004,1 Q 2/03).

Wäre die Klägerin also ohne das Dienstgeschäft in K. wie sonst auch direkt zum Unterricht nach S. gefahren, würde ein Erstattungsanspruch ohne Weiteres ausscheiden. Der dienstliche Umweg ändert daran nichts. Das Dienstgeschäft war nämlich mit Ankunft in der Schule in S. beendet. Weitere Dienstfahrten, für die der Pkw hätte vorgehalten werden müssen (BAG vom 14.12.1995, 8 AZR 875/94), standen nicht an. Damit hat sich das mit der Dienstfahrt nach K. verbundene Schadensrisiko nicht verwirklicht. Der Schaden am abgestellten Fahrzeug ist nicht in Ausübung des Dienstes entstanden. Es fehlt an der Kausalität.

2. Aus der Sachschadenrichtlinie ergeben sich keine weitergehenden Ansprüche:

Nach Ziff. 5.2 ist der Ersatz für die Beschädigung eines abgestellten Fahrzeuges grundsätzlich ausgeschlossen. Für das hier streitige Schadensereignis gilt keine Ausnahme.

Der Ausnahmetatbestand nach Ziff. 5.8.1 scheitert daran, dass das Fahrzeug nicht aus dienstlichen Gründen auf der Dienstfahrt abgestellt und dann beschädigt wurde. Der Schaden ereignete sich nicht auf dem Parkplatz in K., sondern nach Beendigung der Dienstfahrt auf dem Wirtschaftshof der Schule in S.. Auf den Streit über die Genehmigung der Benutzung des privaten Pkw für die Dienstfahrt kommt es also nicht an.

Die Tatsache, dass die Klägerin im Anschluss an die Dienstfahrt an der Schule in S. Unterricht hatte und sie ihren Pkw deshalb dort abstellte, begründet auch nicht den Ausnahmetatbestand nach Ziff. 5.8.2. Mit Verweis auf den Fall der Ziff. 5.8 c wird - u.a. - vorausgesetzt, dass der PKW ausschließlich wegen der Dienstreise benutzt wurde. Die Klägerin fuhr aber immer mit ihrem Pkw zur Arbeit. Es fehlt an der Kausalität zwischen Dienstfahrt und Schaden. Ob die Klägerin von ihrer Wohnung zum Dienst nach S. fährt und nach Unterrichtsende die Dienstfahrt nach K. durchführen soll, oder - wie hier - zunächst dienstlich nach K. fährt und dann zum Unterricht nach S., macht keinen rechtserheblichen Unterschied. Der Streit über die Genehmigung kann also auch hier offen bleiben.

Die Schadenrichtlinie knüpft an die Rechtsprechung des BAG zu § 670 BGB analog an. Erstattungsfähig sind nur Sachschäden in Ausübung und infolge des Dienstes, also im Betätigungsbereich des Arbeitgebers. Das ist der Fall, wenn ein privater Pkw aus dienstlichen Gründen auf einer Dienstreise abgestellt und dann beschädigt wird. Die Fahrt zur Arbeit ist keine Dienstreise. Das Schadensrisiko für den Arbeitsweg (einschließlich Abstellen des Fahrzeugs) hat der Arbeitnehmer zu tragen. Etwas Anderes gilt nur, wenn er sein Fahrzeug ausschließlich deshalb für den Arbeitsweg benutzt, weil er mit dem Pkw eine Dienstfahrt durchführen muss.

B. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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