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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.08.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 101/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 208
Bietet der Arbeitgeber nach verlorenem Kündigungsschutzprozeß die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung in Höhe der aufgelaufenen Annahmeverzugsvergütung an, liegt darin ein Anerkenntnis nach § 208 BGB, das die Verjährung der Annahmeverzugsansprüche unterbricht.
Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für

- Januar 1995 5.774,04 DM brutto abzüglich 2.006,49 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Februar 1995 5.774,04 DM brutto abzüglich 1.808,23 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.03.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- März 1995 5.774,04 DM brutto abzüglich 2.001,98 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.04.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- April 1995 5.774,04 DM brutto abzüglich 1.933,12 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.05.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Mai 1995 5.958,79 DM brutto abzüglich 2.002,82 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.06.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Juni 1995 5.958,79 DM brutto abzüglich 1.936,24 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.07.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Juli 1995 6.458,79 DM brutto abzüglich 2.000,78 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.08.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- August 1995 5.958,79 DM brutto abzüglich 2.006,83 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.09.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- September 1995 5.833,19 DM brutto abzüglich 2.025,87 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.10.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Oktober 1995 5.975,48 DM brutto abzüglich 2.101,80 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.11.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- November 1995 10.369,25 DM brutto abzüglich 2.034,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.12.1995 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

- Dezember 1995 5.975,48 DM brutto abzüglich 2.101,80 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 01.01.1996 aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag;

zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu 3/4 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage streiten die Parteien noch darüber, ob die wegen kündigungsbedingter Nichtbeschäftigung mit Klage vom 27.03.1998 verlangte Nachzahlung des der Höhe nach unstreitigen Gehaltes für die Zeit vom 22.09.1994 bis 31.12.1995 an der Verjährung scheitert.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils vom 20.01.1999 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Soweit im Berufungsverfahren noch erheblich hat es zur Begründung ausgeführt, die bis 31.12.1995 aufgelaufenen Gehaltsansprüche aus Annahmeverzug seien nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjährt. Zwar habe die Beklagte nach rechtskräftigem Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens dem Kläger Ende 1997 den Abschluß eines Aufhebungsvertrages gegen Abfindung in Höhe des aufgelaufenen Lohnes angeboten. Darin liege aber kein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB, da Vergleichsverhandlungen grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gegenseitigen Rechtsstandpunkte geführt würden. Deshalb sei es auch nicht treuwidrig, wenn die Beklagte sich nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen auf die Verjährung berufe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 01.02.1999 zugestellte Urteil am 26.02.1999 Berufung einlegen lassen, die nach Verlängerung der Begründungsfrist zum 26.04.1999 am 23.04.1999 begründet wurde.

Die Berufung bleibt bei ihrer Auffassung, die Verjährung sei aufgrund der geführten Vergleichsgespräche nach § 208 BGB unterbrochen worden. Darüber hinaus sei es rechtsmißbräuchlich, wenn die Beklagte Vergleichsgespräche führe, den Kläger damit von der rechtzeitigen Klageerhebung abhalte und sich dann auf Verjährung berufe.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 20.01.1999 - 5 Ca 101/99 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für

September 1994 1.002,77 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.10.1994

abzgl. 519,47 DM netto

Oktober 1994 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.11.1994

abzgl. 2.299,91 DM netto

November 1994 10.019,69 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.12.1994

abzgl. 1.990,62 DM netto

Dezember 1994 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.01.1995

abzgl. 2.002,50 DM netto

Januar 1995 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.02.1995

abzgl. 2.006,49 DM netto

Februar 1995 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.03.1995

abzgl. 1.808,23 DM netto

März 1995 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.04.1995

abzgl. 2.001,98 DM netto

April 1995 5.774,04 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.05.1995

abzgl. 1.933,12 DM netto

Mai 1995 5.958,79 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.06.1995

abzgl. 2.000,82 DM netto

Juni 1995 5.958,79 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.07.1995

abzgl. 1.936,24 DM netto

Juli 1995 6.458,79 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.08.1995

abzgl. 2.000,78 DM netto

August 1995 5.958,79 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.09.1995

abzgl. 2.006,83 DM netto

September 1995 5.833,19 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.10.1995

abzgl. 2.025,87 DM netto

Oktober 1995 5.975,48 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.11.1995

abzgl. 2.101,80 DM netto

November 1995 10.369,25 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.12.1995

abzgl. 2.034,00 DM netto

Dezember 1995 5.975,48 DM brutto zzgl. 4 % seit dem 01.01.1996

abzgl. 2.101,80 DM netto

(Die Zinsen werden aus dem sich jeweilig ergebenden Nettobetrag geltend gemacht)

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil nicht für berufungsfähig und verteidigt die Entscheidung im übrigen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist entgegen der Auffassung der Beklagten statthaft. Der Kläger hat gegen die Abweisung seiner Klage auf Zahlung des Gehaltes für die Zeit vom 22.09.1994 bis 31.12.1995 nebst Zinsen Berufung eingelegt. Das Arbeitsgericht hat diese noch zur Entscheidung gestellten Vergütungsansprüche (Antrag vom 23.12.1998, Bl. 176 d. A.) zutreffend mit 10.000,67 DM bewertet (= 97.833 DM brutto abzüglich 87.833,32 DM). Der Beschwerdewert nach § 64 Abs. 2 ArbGG ist somit ohne weiteres erreicht. Die bezifferten Zinsen bleiben als Nebenforderung bei der Streitwertfestsetzung außer Ansatz (§ 4 ZPO), was das Arbeitsgericht übersehen hat.

B. Die Berufung hat den Antrag auf Zahlung der offenen Gehälter für 9/94 bis 12/95 mehrfach geändert. Zunächst (Berufungsantrag vom 22.04.1999, Bl. 216 d. A.) wurde die Klage durch Reduzierung des abzusetzenden Arbeitslosengeldes (von 87.833,32 DM auf 44.764,81 DM) erweitert und damit der erstinstanzliche Fehler korrigiert, der nach Erfüllung der Vergütungsansprüche ab 1996 und daraufhin erfolgter übereinstimmender Teilerledigungserklärung (Bl. 68/70 d. A.) unterlaufen war. Die Klägerseite hatte bei Antragstellung am 23.12.1998 übersehen, daß die Beklagte das Arbeitslosengeld ab 1996 (selbstverständlich) abgezogen hatte. Dieser Berechnungsfehler konnte nach § 264 Ziff. 2 ZPO ohne weiteres berichtigt werden. Ob die vom Berufungsgericht angeregte Neufassung des Klageantrages (Bl. 241 d. A.) vom 15.06.2001 eine Klageänderung darstellt oder nach § 264 Ziff. 2 ZPO ohne weiteres zulässig ist, mag dahinstehen. Sie ist jedenfalls sachdienlich. Der Streit in der Berufungsinstanz geht allein darum, ob die Gehaltsforderungen vom 22.09.1994 bis 31.12.1995 verjährt sind. Das Gericht vertrat in der Berufungsverhandlung vom 08.05.2001 die Auffassung, daß nur die Ansprüche aus 1994 verjährt sein dürften. Da die Berufung die Gehaltsforderungen aus 1994 und aus 1995 aber nicht getrennt ausgewiesen, sondern einen Gesamtsaldo gebildet hatte, fehlte es an der für die Entscheidung notwendige Tatsachengrundlage. Nach § 139 ZPO war Aufklärung geboten. Die Berufung konnte sich nicht sofort erklären. Daher mußte vertagt werden (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, § 139 Rz. 19). Gegen die mit geändertem Antrag vom 15.06.2001 verlangte Vergütung hat die Beklagte der Höhe nach nichts einzuwenden. Sie beruft sich nach wie vor ausschließlich auf Verjährung. Der Streitstoff ist also gleich geblieben.

C. In der Sache ist die Berufung überwiegend begründet.

1. Die Annahmeverzugsansprüche (§§ 11 KSchG, 615 BGB) für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1995 sind nicht verjährt. Insoweit ist der Berufung stattzugeben.

Ein Vergleichsangebot kann ein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB darstellen, wenn sich aus ihm ergibt, daß der Anspruch nicht mehr bestritten werden soll (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001 § 208 Rz. 4). Zwar hat das Arbeitsgericht recht damit, daß Vergleichsverhandlungen regelmäßig unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte geführt werden und die dabei abgegebenen Erklärungen nach Scheitern der Verhandlungen dann keine Wirkung mehr haben (a. a. O.). So war es hier aber nicht. Der Streit der Parteien war geklärt. Es gab nichts mehr offenzuhalten. Das Arbeitsverhältnis war unwirksam gekündigt worden. Damit schuldete die Beklagte die aufgelaufene Annahmeverzugsvergütung für die Zeit der kündigungsbedingten Nichtbeschäftigung, was sie auch nicht in Abrede stellte. Allein die Nachberechnung machte im Blick auf die Neufestsetzung der Dienstzeit, die Tariferhöhungen und den Anspruchsübergang auf die Bundesanstalt für Arbeit Schwierigkeiten. Die Parteien führten Ende 1997 also keine Vergleichsverhandlungen über streitige Vergütungsansprüche, sondern sprachen über die Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung des unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses. Das Abfindungsangebot in Höhe der damals noch nicht bezifferten Annahmeverzugsansprüche war ein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB, der die laufende Verjährungsfrist unterbracht. Die neu anlaufende zweijährige Verjährungsfrist wurde durch die Zahlungsklage im März 1998 rechtzeitig unterbrochen (§ 209 BGB).

2. Die Annahmeverzugsansprüche aus 1994 sind dagegen verjährt. Insoweit ist die Berufung zurückzuweisen.

Das nach Ablauf der Verjährungsfrist (01.01.1997) abgegebene Anerkenntnis beseitigt die Verjährung nicht (Palandt/Heinrichs, a. a. O. Rz. 1). Insoweit kann die Beklagte den Kläger auch nicht - wie die Berufung meint - treuwidrig von der rechtzeitigen Klageerhebung (also spätestens 31.12.1996) abgehalten haben.

3. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284 Abs. 2, 288 BGB a. F.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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