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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 7 Sa 354/99
Rechtsgebiete: GesO, ZPO


Vorschriften:

GesO § 11
GesO § 13
GesO § 17
ZPO § 240 a. F.
Masseforderungen nach § 13 GesO sind gegen den Verwalter direkt durchzusetzen. Für eine Klage auf Feststellung zur Tabelle nach § 11 Abs. 3 GesO bzw. entsprechend §§ 240 ZPO a. F. 146 Abs. 3 KO fehlt das Feststellungsinteresse.
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Gesamtvollstreckungsverwalters wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 08.12.1998, 4 Ca 928/98, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt, eine vom beklagten Verwalter bestrittene Forderung im Rang nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO zur Tabelle festzustellen.

Der Kläger war ursprünglich (Fremd-)Geschäftsführer der S. M. GmbH S. (im folgenden S.). Auf den Geschäftsführervertrag vom 29.03.1994 wird Bezug genommen. Mit der Muttergesellschaft, der T. AG, schloß er folgende undatierte Zusatzvereinbarung:

Für den Fall, daß die S. umstrukturiert oder liquidiert wird, verpflichtet sich die T. AG, Herrn S. ein angemessenes anderes Aufgabengebiet unter Beibehaltung der Geschäftsführerbezüge anzubieten.

Die T. AG stellt Herrn S. von allen Haftungsrisiken frei, die sich aus einer vorhergehenden Geschäftsführertätigkeit in der S. ergeben könnten.

Am 01.05.1996 ging die S. in die Gesamtvollstreckung. Der Verwalter kündigte "das Anstellungsverhältnis" mit Schreiben vom 01.05.1996 zum 15.05.1996. Der Kläger erhielt Konkursausfall- und Arbeitslosengeld. Im Juni verklagte er die T. AG beim Landgericht Meiningen und verlangte in der Sache Erfüllung der Zusatzvereinbarung. Die Kammer für Handelssachen verwies den Rechtsstreit mit Beschluß vom 30.10.1996 an das Arbeitsgericht Suhl (Bl. 22 d. A.). Am 01.11.1996 ging auch die T. AG in die Gesamtvollstreckung. Zum Verwalter wurde der Beklagte bestellt.

Gestützt auf die Zusatzvereinbarung meldete der Kläger mit Schreiben vom 28.11.1996 für den Zeitraum 16.05.1996 bis 31.12.1999 Zahlungsansprüche gem. Geschäftsführervertrag vom 29.03.1994 in Höhe von insgesamt 454.725,00 DM als bevorrechtigte Forderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO zur Konkurstabelle an (Bl. 39/40 d. A.). Der Verwalter widersprach (Bl. 41 d. A.) und kündigte ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis vorsorglich fristlos. Das Kündigungsschreiben vom 17.02.1997 (Bl. 79/80 d. A.) ging dem Kläger am 19.02.1997 zu. Der Kläger nahm das unterbrochene Verfahren beim Arbeitsgericht Suhl wieder auf, stellte auf Hinweis des Gerichtes die Klage auf den Verwalter um und hat - nach vielfach geänderten Anträgen - schließlich noch verlangt, für den Zeitraum 16.05.1996 bis 19.02.1997 eine Gesamtforderung in Höhe von 98.440,17 DM im Rang nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO zur Tabelle festzustellen (Bl. 120/121 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08.12.1998 stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe das Angebot einer anderen angemessenen Beschäftigung unterlassen und sich damit wegen Nichteinhaltung der den Kläger absichernden Zusatzvereinbarung nach den §§ 278, 823, 831 BGB schadenersatzpflichtig gemacht. Der beklagte Verwalter verfolgt mit seiner Berufung weiterhin die Klageabweisung.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Verwalters hat Erfolg. Die Klage ist unschlüssig und damit abzuweisen. Das angegriffene Urteil ist weder in der Begründung noch im Ergebnis richtig.

A. Der - ausgeurteilte - Klageantrag bedarf der Auslegung. Wenn der Kläger auch die Verurteilung des Verwalters zur Vornahme der verlangten Forderungsfeststellung verlangt, handelt es sich nicht um eine Leistungsklage, sondern um eine Forderungsfeststellungsklage nach Maßgabe des § 11 GesO bzw. § 146 KO.

B. Die Zulässigkeit des Rechtsweges für diese Forderungsfeststellung ist nach § 65 ArbGG nicht mehr zu prüfen. Fehlerhaft hat das Arbeitsgericht - es spricht immer noch von sachlicher Zuständigkeit - auf die Rechtswegrüge des beklagten Verwalters aber nicht vorab durch Beschluß nach § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG, sondern in Gründen des Endurteils entschieden. Der Verwalter hat dies hingenommen, obwohl die Begründung nicht haltbar ist. Eine Zuständigkeit aufgrund "gewisser Nähe" der behaupteten Forderung zu einem Arbeitsverhältnis gibt es nicht. Welche Forderung das Arbeitsgericht zugrundelegt, wird nicht erläutert. Ob der Verweisungsbeschluß des Landgerichtes trotz anschließendem Parteiwechsel und objektiver Klageänderung nach § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG bindet, ist zweifelhaft.

C. Für eine Forderungsfeststellungsklage zur Tabelle ist - wie sonst auch - ein Feststellungsinteresse erforderlich. Daran fehlt es, wenn der Verwalter - wie hier - im Wege der Leistungsklage direkt auf Zahlung in Anspruch genommen werden könnte.

I. Wie im Konkurs ist in der Gesamtvollstreckung bei Passivprozessen zu unterscheiden zwischen dem Teilungsmassegegenstreit und dem Schuldenmassestreit. Beim Teilungsmassegegenstreit steht der Massegläubiger nach § 13 GesO grundsätzlich außerhalb des Insolvenzverfahrens. Er ist befugt, seine Forderung gegen den Verwalter im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, muß allerdings mit der Masseunzulänglichkeit rechnen. Beim Schuldenmassestreit kann der Insolvenzgläubiger seine Forderung nur nach Maßgabe des Anmelde- und Verteilungsverfahrens gem. §§ 11, 14, 17 und 18 GesO verfolgen. Eine vom Verwalter bestrittene Forderung muß durch Feststellungsklage - nach § 11 Abs. 3 GesO oder bei schon anhängiger Forderung entsprechend §§ 240 ZPO a. F., 146 Abs. 3 KO - geltend gemacht werden. Die Klage des Insolvenzgläubigers gegen den Verwalter auf unmittelbare vorweggenommene Leistung umgeht dieses Verteilungsverfahren und ist daher unzulässig.

II. Der Kläger macht nach Klageantrag und Klagebegründung Gehaltsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis geltend. Darunter mögen auch Vergütungsansprüche des abhängigen Fremdgeschäftsführers einer GmbH fallen. Er kommt aber auf den falschen Weg, weil er nicht zwischen Masse- und Gesamtvollstreckungsforderungen unterscheidet. Das Arbeitsgericht war ihm auch keine Hilfe. Er verlangt zunächst die Feststellung rückständiger Vergütungsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung am 01.11.1996, und zwar ab 16.05.1996. Er sieht nicht, daß er damit (unechte) Masseforderungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO geltend macht, die nicht in die Tabelle aufgenommen werden und im Wege der Leistungsklage direkt gegen den Verwalter durchgesetzt werden können. Für Vergütungsansprüche aus der Zeit nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung (01.11.1996 bis 19.02.1997) gilt das gleiche. Sie sind (echte) Masseforderungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO, da das behauptete Arbeitsverhältnis vom Verwalter erst zum 19.02.1997 gekündigt wurde. Für eine Feststellung der bestrittenen Gehaltsforderung zur Tabelle besteht im Blick auf den Vorrang der Leistungsklage kein rechtlich anzuerkennendes Interesse.

III. Nicht richtig ist die Auffassung der Berufung, die Klage sei nach § 146 Abs. 4 KO unzulässig. Zwar hat das Arbeitsgericht das Verhältnis von § 11 Abs. 3 GesO zu § 146 Abs. 3 KO entsprechend nicht problematisiert. War bei Eröffnung der Gesamtvollstreckung ein Rechtsstreit über die Forderung schon anhängig, ist das entsprechend § 240 ZPO a. F. unterbrochene Verfahren nach den konkursrechtlichen Bestimmungen aufzunehmen. Einer neuen Klage stünde der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Unabhängig von der Identität des Streitgegenstandes vor und nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung kann dieser Gesichtspunkt nach Abtrennung der Forderungsfeststellungsklage und Klagerücknahme im übrigen keine Rolle mehr spielen. Das Kostenargument der Berufung erledigt sich mit § 269 Abs. 3 ZPO. In der Sache hat der Kläger eine neue Klage nach § 11 Abs. 3 GesO erhoben, die allerdings wegen Vorranges der Leistungsklage unzulässig. ist.

IV. Da der Kläger in der ersten Instanz gewonnen hat, wäre eine Klageänderung in der Berufungsinstanz an eine Anschlußberufung gebunden. Hier wird über Berufsanträge entschieden, nicht über Klageanträge. Von einer Anschlußberufung hat der Kläger zu Recht abgesehen.

1. Eine Änderung der Forderungsfeststellungsklage in eine Zahlungsklage macht dann Sinn, wenn dem Kläger vorab zu begleichende Vergütungsansprüche nach § 13 GesO tatsächlich zustehen. Als Anspruchsgrundlage kommt allein die mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossene Zusatzvereinbarung in Betracht, die aber nur einen Anspruch auf Vertragsabschluß im Sinne einer Einstellungszusage begründet. Hierzu hat das Arbeitsgericht das erforderliche gesagt. Es hat auf Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Zusatzvereinbarung verwiesen, der Klage aber dennoch stattgegeben und Erfüllungsansprüche festgestellt, nämlich Gehaltsforderungen aus einem Arbeitsverhältnis nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO. Entscheidungsformel und Gründe schließen einander aus.

2. Eine Änderung der Forderungsfeststellungsklage dahin, daß die streitige Forderung als Schadensersatz im Rang nach § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO zur Tabelle festgestellt wird, hat der Kläger im Berufungserwiderungsschriftsatz erwogen. Die erforderliche Anschlußberufung wollte er aber nicht erheben. Auch das war vernünftig. Abgesehen davon, daß eine Schadensersatzforderung bislang nicht zur Tabelle angemeldet wurde, hätte sich zwar der Streit um den Vorrang erledigt, nicht aber der Streit darüber, ob eine Schadensersatzforderung dem Grunde und in der geltend gemachten Höhe besteht. Die vom Arbeitsgericht bejahten Schadensersatzansprüche sind möglicherweise aus der Vertragshaftung begründet (§ 325 BGB). Zum Verschulden findet sich im angegriffenen Urteil allerdings kein Wort. Worauf die dort angezogene deliktische Haftung "des Beklagten" (Verwalter oder Gemeinschuldnerin?) gestützt werden soll, ist unerfindlich. Am Rande sei darauf aufmerksam gemacht, daß eine Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin wohl im Arbeitsverhältnis erfolgen müßte. Eine Aktiengesellschaft braucht keinen GmbH-Geschäftsführer. Dennoch werden Netto-Bezüge geltend gemacht.

V. Die Kosten des Rechtsstreites hat der unterlegene Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Für die Zulassung der Revision gibt es keinen Grund.

Ende der Entscheidung

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