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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 38/2001
Rechtsgebiete: NachweisG


Vorschriften:

NachweisG § 4
Zur Nachweispflicht des Arbeitgebers in Altfällen
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 19.12.2000 - 6 Ca 588/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Aufgrund befristeter Allgemeinverbindlichkeitserklärung war der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Friseurhandwerk in Thüringen vom 01.09.1995 bis 31.03.1996 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Mit ihrer Klage auf Zahlung der Differenzen zwischen der allgemeinverbindlichen Tarifvergütung und der geringeren arbeitsvertraglichen Vergütung hatte die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg, weil die Ausschlussfrist nach dem ab 23.12.1992 ebenfalls allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag nicht gewahrt war. Das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgericht vom 12.10.1999, 7 Sa 219/98, ist rechtskräftig. Die Klägerin verlangt jetzt Schadensersatz wegen Verletzung der Nachweispflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG in Höhe der verfallenen Vergütungsansprüche und der im Berufungsverfahren 7 Sa 219/98 aufgewendeten Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten.

Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 01.04.1993 enthält keinen Hinweis auf den allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag. Eine dem Nachweisgesetz entsprechende Niederschrift der Arbeitsbedingungen verlangte die Klägerin nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.12.2000 abgewiesen. Auf dessen Tatbestand wird wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge nach § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei schon unschlüssig, da das Arbeitsverhältnis bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes schon bestanden habe und nach § 4 NachwG in diesem Fall eine § 2 NachwG entsprechende Niederschrift nur auf Verlangen auszuhändigen sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 04.01.2001 zugestellte Urteil am 02.02.2001 Berufung einlegen lassen, die am 02.03.2001 begründet wurde.

Die Berufung rügt zunächst, das Arbeitsgericht habe § 4 NachwG missverstanden. Die Vorschrift sei nicht einschlägig. Die Voraussetzungen nach Satz 1 seien nicht gegeben, weil die Klägerin bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes einen schriftlichen Arbeitsvertrag gehabt habe. Satz 2 sei nicht anwendbar, weil dieser schriftliche Arbeitsvertrag keinen Hinweis nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG enthalte. Damit verbleibe es bei der Nachweis- und Ergänzungspflicht nach § 2 NachwG, die der Arbeitgeber von sich aus zu erfüllen habe. Sollte § 4 NachwG einschlägig sein, habe der nationale Gesetzgeber die Nachweisrichtlinie fehlerhaft umgesetzt. Dort werde die Nachweispflicht des Arbeitgebers bei bestehenden Arbeitsverhältnissen nämlich nicht an ein Verlangen des Arbeitnehmers gebunden.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 19.12.2000, 6 Ca 588/2000, abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 8.283,21 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11.04.1996, von weiteren 245,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 11.04.1996 sowie von 1.708,45 DM nebst 4 % Zinsen seit 11.02.2000 an die Kläger zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und hält § 4 NachwG für richtlinienkonform.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A)

Die Berufung ist unbegründet. Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder § 823 Abs. 2 BGB steht der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte zum Nachweis des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag nicht verpflichtet war.

1.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG erstreckt sich die Nachweispflicht des Arbeitgebers auch auf einen in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Versäumt ein Arbeitnehmer eine einschlägige tarifliche Ausschlussfrist, weil der Arbeitgeber auf den Tarifvertrag nicht hingewiesen hat, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht (ErfK - Preis, 2. Aufl. 2001, NachwG Einf Rz 11 f: Arbeitsgericht Frankfurt a. M. vom 25.08.1999, NZA-RR 1999, 649). Soweit hat die Berufung recht.

2.

Obwohl das Arbeitsverhältnis der Parteien bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes vom 20.07.1995 schon bestanden hat, hält die Berufung die Übergangsvorschrift nach § 4 NachwG nicht für einschlägig. Damit hat sie nicht recht. Die Vorschrift lautet:

§ 4 Übergangsvorschrift

Hat das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestanden, so ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift im Sinne des § 2 auszuhändigen. Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben enthält, entfällt diese Verpflichtung.

Nach Satz 1 wird die Nachweispflicht des Arbeitgebers in Altfällen nur ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer eine Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen verlangt. Ob das Verlangen des Arbeitnehmers oder der Nachweispflicht des Arbeitgebers an die Zwei-Monats-Frist gebunden ist, kann offenbleiben. Die Klägerin hat keinen Nachweis verlangt. Satz 2 regelt die Selbstverständlichkeit, dass "diese" Verpflichtung - also der Nachweis auf Verlangen nach Satz 1 - entfällt, wenn der Arbeitnehmer schon einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat, der den Anforderungen des Nachweisgesetzes entspricht. Die Klägerin hatte einen schriftlichen Arbeitsvertrag, allerdings ohne den von § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG verlangten Hinweis auf den anzuwendenden allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag. Einschlägig ist daher § 4 S. 1 NachwG. Die Klägerin hat von ihrem Informationsanspruch keinen Gebrauch gemacht. Eine Nachweispflicht der Beklagten bestand also nicht.

3.

Hilfsweise rügt die Berufung, der Gesetzgeber habe die Vorgaben der Nachweisrichtlinie für Altfälle fehlerhaft umgesetzt, da dort die Nachweispflicht des Arbeitgebers nicht an ein Verlangen des Arbeitnehmers gebunden sei. Sie verliert dabei aus dem Auge, dass nicht der Staat in Anspruch genommen wird, sondern die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der Nachweispflicht. Desweiteren belehrt ein Blick in Artikel 9 Abs. 2 der Nachweisrichtlinie 91/533/EWG darüber, dass dort die Nachweispflicht in Altfällen gerade an einen Antrag des Arbeitnehmers gebunden wird. § 4 S. 1 NachwG ist richtlinienkonform.

B)

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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