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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: 7 Sa 745/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123
Bei Übertragung von hoheitlichen Befugnissen (hier: polizeiliche Aufsichtsbefugnisse nach § 139 b GewerbeO) darf regelmäßig nach einer 1970 noch nicht abgeschlossenen MfS-Mitarbeit gefragt werden (im Anschluß an BAG vom 28.05.1998, AP Nr. 46 zu § 123 BGB).
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Freistaates wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 16.06.1999, 2 Ca 3422/95, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im nunmehr vierten Prozeß über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS.

Seit 01.12.1991 war der zuvor bei der Treuhandanstalt tätige Kläger im Amt für Arbeitsschutz G. als Abteilungsleiter im Technischen Aufsichtsdienst beschäftigt, zuletzt gegen eine Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT - O. Er war nach dem im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Arbeitszeugnis mit den Rechten und Befugnissen des Gewerbeaufsichtsbeamten nach § 139 b GewerbeO ausgestattet (Bl. 176 d. A.). Im Bewerbungsverfahren hatte er am 17.06.1991 im Fragebogen für den öffentlichen Dienst angegeben, als Betriebsdirektor/Personalleiter des VEB I. H. zwangsweise Kontakte zum MFS gehabt zu haben und als Student zwecks Aufnahme einer hauptamtlichen Tätigkeit nach Ende des Studiums ohne Erfolg angesprochen worden zu sein. Die Überprüfung des Kläger durch die Gauck-Behörde ergab, dass er Informeller Mitarbeiter des MfS war und zwar zunächst als Student aufgrund Verpflichtungserklärung vom 13.11.1961 und später als Personalleiter/Betriebsdirektor des VEB I. H. aufgrund Verpflichtungserklärung vom 23.04.1968. Die zweite IM-Phase endete 1975. Die Gauck-Auskunft ging dem Beklagten am 09.08.1994 zu, der den Kläger am 16.8.1994 anhörte und mit Schreiben vom 30.09.1994 außerordentlich zum 15.10.1994 kündigte (Bl. 13 d. A.). Seither wird der Kläger nicht mehr beschäftigt. Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Gera Kündigungsschutzklage. Dieser - erste - Prozeß wurde unter der Geschäftsnummer 6 Ca 3115/94 geführt.

Mit Schreiben vom 27.12.1994 kündigte der Beklagte hilfsweise ordentlich zum 31.03.1995 (Bl. 14 d. A.). Der Kläger klagte. Das - zweite - Kündigungsschutzverfahren 5 Ca 142/95 wurde vom Arbeitsgericht Gera nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit der außerordentlichen Kündigung ausgesetzt.

Mit Schreiben vom 31.07.1995 (Bl.11 d. A.) erklärte der Beklagte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und kündigte mit Schreiben vom 04.08.1995 erneut hilfsweise ordentlich zum 30.09.1995 (Bl. 12 d. A.). Der Kläger klagte gegen beide Beendigungstatbestände. Er verlangte die Feststellung der Unwirksamkeit von Anfechtung und Kündigung nebst Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und seine Weiterbeschäftigung (Bl. 3 d. A.). Der - dritte - Prozeß erhielt die Geschäftsnummer 2 Ca 2697/95.

Im - ersten- Prozeß 6 Ca 3115/94 stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 11.09.1995 die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 30.09.1994 fest. Der Beklagte akzeptierte die Entscheidung. Sie wurde rechtskräftig. Im - dritten - Prozeß 2 Ca 2687/95 trennte das Arbeitsgericht daraufhin den Rechtsstreit über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 04.08.1995 zum 30.09.1995 und über die Weiterbeschäftigung ab. Dieser - vierte - Prozeß erhielt die Geschäftsnummer 2 Ca 3422/95. Er wurde nach § 148 wegen Vorgreiflichkeit der Verfahren 2 Ca 2697/95 (Anfechtung) und 5 Ca 142/95 (ordentliche Kündigung vom 27.12.1994 zum 31.3.1995) nach § 148 ZPO ausgesetzt (Bl. 147 d. A.).

Im - dritten- Prozeß 2 Ca 2687/95 erkannte das ArbG mit Urteil vom 05.03.1996 (Bl. 54 - 68 d. A.), daß die Anfechtung des Beklagten vom 31.07.1995 nach § 123 BGB wirksam ist. Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Er legte die im Urteil des Landesarbeitsgerichtes vom 23.07.1997, 4 Sa 165/96, zugelassene Revision zum Bundesarbeitsgericht ein (2 AZR 11/98), nahm dann aber die Klage mit Schriftsatz vom 26.08.1998 zurück (Bl. 148 d. A.), wozu das Bundesarbeitsgericht - wie beide Parteien vortragen - wegen doppelter Rechtshängigkeit zum Verfahren 5 Ca 142/95 - geraten habe (Bl. 31 - 168 d. A.).

Beim Arbeitsgericht Gera wurde jetzt der ausgesetzte - zweite - Prozeß 5 Ca 142/95 wieder aufgenommen. Der Beklagte nahm in der Kammerverhandlung vom 17.12.1998 die dort angegriffene Kündigung vom 27.12.1994 zurück. Der Kläger war einverstanden und nahm seine Klage zurück (Bl. 27. d. A.).

Nun wurde der übriggebliebene und ebenfalls ausgesetzte - vierte - Prozeß 2 Ca 3422/95 wieder aufgenommen, um dessen Entscheidung es jetzt geht. Der Kläger stellte im Kammertermin vom 28.04.1999 zu Protokoll (Bl.87 d. A.) den Antrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtung vom 31.07.1995 noch durch die Kündigung vom 04.08.1995 aufgelöst worden ist. Im übrigen nahm er seine Klage zurück.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 16.06.1999 stattgegeben, auf dessen Tatbestand nach § 543 Abs.1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtung sei unwirksam. Zwar lägen die Voraussetzungen nach § 123 BGB vor, da die Frage nach einer MfS-Zusammenarbeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht jedenfalls hinsichtlich der 1970 noch nicht abgeschlossenen zweiten IM-Phase zulässig gestellt und wahrheitswidrig beantwortet worden sei. Das Anfechtungsrecht sei aber nach § 242 BGB ausgeschlossen, da sich die Täuschung unter Berücksichtigung von Art, Ausmaß, Verlauf der Berichtstätigkeit und der lange zurückliegenden Zeit nicht mehr auf die Eignung für die Tätigkeit als Abteilungsleiter auswirke. Die ordentliche Kündigung sei sozialwidrig.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 15.11.1999 zugestellte Urteil am 15.12.1999 Berufung einlegen lassen, die nach Verlängerung der Begründungsfrist zum 28.01.2000 am 28.01.2000 begründet wurde.

Die Berufung rügt, die Klage gegen die Anfechtung sei schon deshalb abzuweisen, weil es an einer wirksamen Klagerhebung nach § 253 ZPO durch Klageschrift und Zustellung fehle. Mit der Entscheidung über einen nicht rechtshängigen Gegenstand habe das Arbeitsgericht gegen elementare Grundsätze des Prozeßrechtes verstoßen. Die Entscheidung sei aber auch in der Sache falsch. Die Anfechtung greife durch, wie das Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 05.03.1996 selbst erkannt und das Thüringer Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 23.07.1997 bestätigt habe. Wenn diese Entscheidungen auch durch Klagerücknahme gegenstandslos seien, verdienten sie bei natürlicher Betrachtungsweise Beifall. Auf die nachfolgende ordentliche Kündigung komme es daher nicht mehr an. Aufgrund seiner IM-Tätigkeit fehle dem Kläger aber die Eignung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Neben diesem personenbedingten Kündigungsgrund habe das Arbeitsverhältnis wegen Falschbeantwortung des Fragebogens auch verhaltensbedingt gekündigt werden können.

Die Berufung beantragt,

Das Urteil des Arbeitsgericht Gera vom 16.6.1999 - 2 Ca 3422 / 95 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt ,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er macht geltend, das Anfechtungsrecht sei schon nach § 144 BGB ausgeschlossen. Mit seiner Kündigung habe der Beklagte das Arbeitsverhältnis bestätigt. Im übrigen liege die im Januar 1975 endende Zusammenarbeit mit dem MfS so lange zurück, daß sie juristisch nicht mehr verwertet werden dürfe. Die Frage nach dieser Zusammenarbeit sei also unzulässig gewesen. Letztlich sei der Anfechtungsgrund nach mehrjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit völlig verblasst, so daß die Anfechtung auch nach § 242 BGB ausgeschlossen sei. Die Kündigung sei sozialwidrig.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 28.01.2000 und die Berufungserwiderung vom 31.03.00 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

A)

Die auslegungsbedürftige Klage ist zulässig :

Das Arbeitsgericht geht ohne weiteres von der Zulässigkeit "der Festellungsklage" aus, die Berufung in der Sache von zwei Feststellungsklagen (§ 260 ZPO), nämlich der schriftsätzlich angekündigten (zulässigen) Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 04.08.1995 und der (unzulässigen) Klage gegen die Anfechtung vom 31.07.1995, die vor dem Bundesarbeitsgericht zurückgenommen worden war und deren neue Erhebung im Rechtsstreit hier nach Auffassung der Berufung am Prozeßrecht scheitert, was das Arbeitsgericht aber übersehen habe. Die Berufung übersieht, daß die vermisste Klageschrift nach § 253 ZPO entbehrlich war. Eine Klage kann im Termin durch Antragstellung zu Protokoll erweitert werden (261 Abs. 2, 297 S. 2 ZPO), allerdings um den Preis einer Vertagung, sofern vom Beklagten verlangt (§ 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Die Feststellung nach § 4 KSchG, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 04.08.1995 nicht zum 30.09.1995 aufgelöst worden ist, setzt denknotwendig voraus, daß zum Zugang dieser Kündigung (oder zum Ablauf der Kündigungsfrist) ein Arbeitsverhältnis überhaupt noch bestanden hat. Ein nicht mehr bestehendes Arbeitsverhältnis kann durch eine Kündigung nicht aufgelöst werden (KR - Friedrich, 5. Aufl. 1999, § 4 KSchG Rz. 252). Die Frage der Wirksamkeit der Anfechtung vom 31.07.1995 war im Kündigungsschutzprozeß also ohnehin zu prüfen, ohne daß eine zusätzliche Klage erforderlich war, die auch nicht zulässig dem § 4 KSchG nachgebildet werden konnte, da eine Anfechtung eben keine Kündigung ist. Nur § 4 KSchG gestattet (und verlangt) die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Willenserklärung (Kündigung). Ansonsten gilt § 256 ZPO. Es kann nicht angenommen werden, daß der Kläger mit seinem zu Protokoll erklärten Klagantrag eine nicht notwendige und unzulässige Feststellungsklage erheben wollte. Er wollte deutlich machen, daß die Kündigungsschutzklage nicht an der seiner Meinung nach unwirksamen Anfechtung scheitert. Das ist ein Begründungselement und keine eigene Klage. Ob die Anfechtung vom 31.07.1995 tatsächlich unwirksam ist, ist eine Frage der Begründetheit der Kündigungsschutzklage (BAG vom 11.02.1981, AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969).

B)

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Sie kann keinen Erfolg haben, weil das Arbeitsverhältnis durch die Anfechtung vom 31.07.1995 aufgehoben wurde und zwar rückwirkend (§ 142 BGB ) zum Zeitpunkt seiner Außer-Vollzugsetzung am 15.10.1994. Die angegriffene Kündigung vom 04.08.1995 konnte das nicht mehr bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.1995 auflösen. Auf ihre Wirksamkeit kommt es nicht an.

I.

Bei gleichem Sachverhalt kommt das Arbeitsgericht Gera im angegriffenen Urteil zum Ergebnis, daß die Anfechtung vom 31.07.1995 unwirksam ist, die nach dem Urteil der gleichen Kammer vom 05.03.1996 wirksam gewesen sein soll. Immerhin hatte das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung bestätigt. Selbstverständlich sind die vorausgegangenen Entscheidungen wegen Klagerücknahme rechtlich wirkungslos, aber doch tatsächlich in der Welt. Der angegriffenen Entscheidung fehlt es schon deshalb an Überzeugungskraft, weil nicht deutlich wird, warum die erste Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das inzwischen zur Anfechtung wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer Stasi-Mitarbeit Stellung genommen hatte (Urteil vom 28.05.1998, AP Nr.46 zu § 123 BGB; zuletzt Urteil vom 06.07.2000, 2 AZR 543/99), falsch gewesen sein soll.

II.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der rechtzeitigen (§ 124 BGB) Anfechtung nach § 123 Abs.1 BGB sind erfüllt.

1.

Der Kläger hat den Beklagten über seine Stasi-Vergangenheit getäuscht. Er hat die im Einstellungsverfahren vorgelegte Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS falsch beantwortet, da sich die angegebenen "zwangsweise Kontakte" als Informelle Mitarbeit aufgrund Verpflichtungserklärung entpuppten. Im Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 08.07.1997, AP Nr. 39 zu Art. 2 GG) und des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O.) nimmt der Kläger hin, daß der öffentliche Arbeitgeber vor Einstellung grundsätzlich nach einer MfS-Zusammenarbeit fragen darf, und verteidigt sich mit den zeitlichen Schranken des Fragerechtes. Das Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) verlangt nämlich, den Zeitablauf zu berücksichtigen, und hält die Frage nach einer vor 1970 abgeschlossenen Tätigkeit nur bei besonders schwerer Verstrickung zulässig oder dann, wenn spätere Verstrickungen für sich allein genommen noch keine eindeutige Entscheidung zulassen. Im Umkehrschluß heißt das nicht, daß die Frage nach einer nach 1970 liegenden MfS-Tätigkeit immer zulässig wäre. Auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.05.1998 (a. a. O.) hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21.07.1999 (AP Nr. 44 zu Art.2 GG) klargestellt, daß keine formale Stichtagregelung gewollt war. Hier mag offenbleiben, ob nach der erste IM-Phase, die vor 1970 abgeschlossen war, noch gefragt werden durfte. Gefragt werden durfte jedenfalls nach der zweiten IM-Phase, die 1970 nicht abgeschlossen war. Der Zeitablauf allein führt also nicht - wie der Kläger meint - zu einem juristischen Verwertungsverbot. Das Arbeitsgericht stellt - im Ansatz richtig - auf den Grad der Verstrickung ab, lässt aber den entscheidenden Punkt außer Betracht, ob nämlich die Stasi-Belastung für die konkrete Tätigkeit eignungsrelevant ist. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten Urteil vom 28.05.1998 (a. a. O.) erkannt, daß bei Übertragung von hoheitlichen Befugnissen regelmäßig nach einer 1970 noch nicht abgeschlossenen MfS-Mitarbeit gefragt werden darf. Beim Kläger geht es um eine hervorgehobene Leitungsfunktion, die mit polizeilichen Aufsichtsbefugnissen nach § 139 b GewerbeO ausgestattet war. Zudem war die zweite IM-Phase schon nach Dauer (1968 bis Januar 1975) und Umfang der Berichtstätigkeit nicht unbedeutend. Immerhin fertigte der Kläger fünf eigene Berichte unter Decknamen und sein Führungsoffizier 19 Treffberichte sowie sechs Berichte nach mündlicher Information. Selbst wenn diese - auch personenbezogene - Berichtstätigkeit harmlos gewesen sei sollte und der Kläger sich dem MfS zu entziehen versucht hatte, war die Frage nach dieser Zusammenarbeit mit dem MfS für die in Aussicht genommene Tätigkeit zulässig.

2.

Die unrichtige Beantwortung des Fragebogens war kausal für den späteren Abschluß des Arbeitsvertrages, da die Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS sonst nicht gestellt worden wäre. Auch der Kläger behauptet nicht, daß er in jedem Fall ("blind") habe eingestellt werden sollen.

3.

Der Kläger handelte arglistig. Er wußte, daß seine Angaben im Fragebogen unrichtig sind, und verzichtet auf die mit Blick auf den Zeitablauf häufig gehörte Entschuldigung, in der Erinnerung seien berufliche Kontakte und IM-Tätigkeit zusammengeflossen. Sie wäre ohne plausible Erläuterung auch nicht glaubhaft (Thüringer Landesarbeitsgericht vom 07.07.1998, 7 Sa 152/97).

III.

Das Anfechtungsrecht ist nicht nach § 144 BGB ausgeschlossen. Der Beklagte wollte mit den Kündigungen den fehlerhaften Arbeitsvertrag nicht als gültig anerkennen, sondern im Gegenteil auf jeden Fall beenden. Nicht Bestätigung, sondern Beendigung war das Ziel, sei es über die Anfechtung oder über die Kündigung.

IV.

Die Ausübung des Anfechtungsrechtes war nicht treuwidrig (§ 242 BGB). Anders als § 626 BGB oder § 1 KSchG bei Kündigung verlangt § 123 Abs.1 BGB bei Anfechtung keine Interessenabwägung. Das Interesse am Erhalt eines durch Täuschung zustandegekommenen Rechtsverhältnisses ist nicht schützenswert. Es geht hier nicht um Bestandsschutz, sondern um den Schutz der Willensfreiheit. Unerheblich ist deshalb auch, ob ein verständiger Arbeitgeber bei Kenntnis aller Umstände von der Einstellung abgesehen hätte. Allerdings muß die Rechtslage des Beklagten zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung vom 31.07.1995 noch beeinträchtigt gewesen sei. Das ist der Fall. Abzustellen ist nämlich auf die geschuldete Arbeitsleistung und den mit der Fragestellung verfolgten Zweck (BAG, a. a. O.). Die konspirative IM-Tätigkeit beeinträchtigt noch heute die mit polizeilichen Befugnissen ausgestattete und zu besonderer Verschwiegenheit verpflichtende (§ 139 b Abs. 1 S. 3 GewerbeO) öffentliche Überwachungsaufgabe der Gewerbeaufsicht. Daran ändert nichts, daß der Kläger nach dem erteilten Arbeitszeugnis fachlich einwandfrei gearbeitet hat.

C.

Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Für eine erneute Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung. Inzwischen gibt es zum Anfechtungsrecht wegen der sog. Stasi-Lüge eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die grundsätzlichen Fragen sind geklärt.

Ende der Entscheidung

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