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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 8 Ta 157/06
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 120
SGB XII § 90
1. Eine Abänderungsentscheidung wegen wesentlicher Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass sich die Verhältnisse nach dem Zeitpunkt des Erlasses des PKH-Bewilligungsbeschlusses geändert haben.

2. Wird ein Kündigungsrechtsstreit durch einen Abfindungsvergleich beendet, stellt bereits die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Abfindung in aller Regel ein "verwertbares Vermögen" des Arbeitnehmers i. S. der §§ 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 90 Abs. 1 SGB XII dar, weil die Forderung begründet wurde und ihre alsbaldige Tilgung bei Anwendung eines vernünftigen Maßstabes in der Regel erwartet werden kann (anderer Auffassung wohl BAG Beschuss vom 24.03.2006 - 3 AZB 12/05 - Juristisches Büro 06, 486).

3. Die Verpflichtung zur Abfindungszahlung ist deshalb als Vermögenswert bereits bei einer dem Vergleich nachfolgenden Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Auferlegung von Ratenzahlungen ggf. zu berücksichtigen. Die spätere Zahlung bewirkt keine nachträgliche Änderung der Vermögensverhältnisse, die Anlass für eine Entscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO geben könnte.


Tenor:

wird der PKH-Abänderungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Jena vom 11.09.2006 - 4 Ca 367/05 - insoweit teilweise aufgehoben, als die Klägerin zur Zahlung eines Betrages von € 590,00 verpflichtet wird.

Gründe:

I.

Im Rahmen des Ausgangsverfahrens, einer Kündigungsschutzklage, schlossen die Parteien am 04.01.2006 vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis beendet wurde und die Beklagte sich verpflichtete, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von € 5.900,00 zu zahlen; die Abfindung sollte Ende Februar 2006 fällig werden.

Mit Beschluss vom 06.02.2006 bewilligte das Arbeitsgericht unter Anordnung einer Ratenzahlung von € 15,00 der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.

Nach Zahlung der Abfindung Anfang März 2006 erließ die Rechtspflegerin den angefochtenen Beschluss, wonach die angeordnete Ratenzahlung wegen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse der Klägerin aufgehoben, die Klägerin aber gleichzeitig verpflichtet wurde, 1/10 der Abfindungssumme als einmaligen Betrag an die Staatskasse zu zahlen.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.09.2006 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 28.09.2006, der am Folgetag beim Arbeitsgericht einging, sofortige Beschwerde eingelegt und den Antrag gestellt,

den Beschluss vom 11.09.2006 dahingehend abzuändern, dass die Klägerin keinen einmaligen Betrag in Höhe von € 590,00 zu zahlen hat.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, weil die Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 ZPO zur Abänderung der bewilligten Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung von € 590,00 nicht vorgelegen haben.

Nach § 120 Abs. 4 ZPO kann der Rechtspfleger die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

Voraussetzung für ein Vorgehen nach dieser Vorschrift ist also entsprechend dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut, dass sich maßgebenden Verhältnisse nach Erlass der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe wesentlich geändert, d. h. bei Abänderung zu Lasten des Beteiligten wesentlich gebessert haben (vgl. Thomas-Putzo ZPO 26. Aufl. § 120 Rz. 9).

Die ursprüngliche Entscheidung darf also nicht geändert werden, wenn die Vermögensverhältnisse der Partei unverändert geblieben, aber zuvor, d. h. vor der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe fehlerhaft beurteilt worden sind (Zöller-Philippi ZPO 24. Aufl. § 120 Rz. 20 m. w. N.; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen Rz. 416, 425).

Dabei ist dem Rechtspfleger, der über die Abänderung entscheidet, die Prüfung verwehrt, ob die Ursprungsentscheidung richtig war. Hierüber darf nur auf Beschwerde der Staatskasse gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit Abs. 3 ZPO entschieden werden (vgl. Zöller a. a. O. Rz. 20 m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Rechtspflegerin vorliegend die Abänderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO verwehrt. Die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin haben sich nicht nachträglich verbessert.

Mit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 04.01.2006 hatte die Beschwerdeführerin einen Vermögenswert von € 5.900,00 erworben.

Denn § 90 Abs. 1 SGB XII, der in § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Bezug genommen wird, spricht das "verwertbare Vermögen" an. Dazu gehören auch Forderungen, die realisierbar sind; d. h. der Schuldner muss zahlungsbereit sein oder es müssen hinreichende Vollstreckungsaussichten bestehen (so Zöller-Philippi a. a. O. Rz. 50 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

Dazu gehören aber auch noch einzulösende Bundesschatzbriefe, Rückkaufswerte aus Lebensversicherungsverträgen, ggf. Guthaben aus Bausparverträgen etc. (vgl. Thomas-Putzo a. a. O. Rz. 18). Allen diesen Konstellationen ist gemeinsam, dass die entsprechenden Geldbeträge dem Gläubiger bzw. der Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, als solche im Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (noch) nicht zur Verfügung stehen, es aber unter normalen Umständen als sicher erwartet werden kann, dass sie ihm alsbald zur Verfügung stehen werden.

Nur diese Auffassung wird dem Rechtsbegriff des "verwertbaren" Vermögens gerecht. Abfindungen nach dem Kündigungsschutzgesetz sind also entgegen der im konkreten Fall nicht entscheidungserheblichen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 24.04.2006 - 3 AZB 12/05 - Juristisches Büro 06, 486) nicht erst dann zum "Vermögen" i. S. des § 90 Abs. 1 SGB XII zu rechnen, wenn sie tatsächlich gezahlt worden sind, sondern bereits dann, wenn sie als Forderung begründet wurden und ihre alsbaldige Zahlung bei Anwendung eines vernünftigen Maßstabs erwartet werden kann.

Es ist mangels gegenteiliger Angaben und Aktenhinweise davon auszugehen, dass auch vorliegend dieser titulierte Anspruch eine sofortige Erweiterung des Vermögens der Beschwerdeführerin bewirkt hat, weil er durchsetzbar war und offensichtlich von dem Beklagten des zugrundeliegenden Rechtsstreits vereinbarungsgemäß erfüllt wurde.

Dieser - erweiterte - Vermögensbestand lag also bereits vor, als das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 06.02.2006 der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung gewährte und dabei die beträchtliche Vermögensmehrung durch den im gerichtlichen Vergleich titulierten Anspruch auf Zahlung von € 5.900,00 offensichtlich nicht berücksichtigte.

Eine nachträgliche Verbesserung der Vermögensverhältnisse ist damit also nicht eingetreten, so dass eine Abänderung des PKH-Bewilligungsbeschlusses zu Lasten der Beschwerdeführerin nach § 120 abs. 4 ZPO nicht möglich war. Die Abänderungsentscheidung ist also insoweit aufzuheben.

Diese Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer (vgl. zuletzt Beschluss vom 07.06.2005 - 8 Ta 34/05 - n. v.).

Da die Beschwerde erfolgreich ist, bedarf es keiner Kostenentscheidung.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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