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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.09.2004
Aktenzeichen: 8 Ta 67/04
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 104
InsO § 55
InsO § 209
InsO § 210
1. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kann ein Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO gegen den Insolvenzverwalter zumindest zugunsten eines Altmassegläubigers nicht mehr ergehen. Ob ein Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten eines Neumassegläubigers noch ergehen kann, bleibt unentschieden.

2. Unbeschadet der Regelung in § 12 a ArbGG betrifft die beantragte Festsetzung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten in der Berufungsinstanz eine Altmasseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 2 Ziff. 1 i. V. m. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO, wenn der prozessuale Kostenerstattungsanspruch vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden ist. Dies ist der Fall, wenn die Masseunzulänglichkeit nach Rechtshängigkeit der zugrunde liegenden Klage angezeigt worden ist.


Tenor:

wird die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Jena vom 17.03.2004 - 4 Ca 247/02 - kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I

Nachdem am 31.03.2002 vom Amtsgericht Gera über das Vermögen des Gemeinschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter das seit 01.04.1992 bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 15.03.2002 (Bl. 11 d. A.; das Datum des Schreibens "15.03.2001" ist offensichtlich ein Irrtum) zum Ablauf des 31.07.2002.

Mit der am 31.07.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage im Ausgangsverfahren, die dem Beklagten am 08.08.2002 zugestellt wurde, begehrte der Kläger die Zahlung von Vergütung für die Monate April bis Juli 2002.

Mit Schreiben vom 02.09.2002 an das Amtsgericht Gera zeigte der Beklagte die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 S. 2 InsO an; die Anzeige wurde im amtlichen Mitteilungsblatt des Amtsgerichtes, der "Ostthüringer Zeitung", am 11.09.2002 veröffentlicht.

Das Arbeitsgericht Gera gab der Feststellungsklage mit Urteil vom 28.10.2002 statt; die dagegen vom Beklagten zum Thüringer Landesarbeitsgericht am 05.12.2002 eingelegte Berufung führte im Termin zur Berufungsverhandlung vom 30.10.2003 zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches.

Mit Beschluss vom 19.11.2003 wurden dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 12.11.2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung der zweitinstanzlichen Anwaltskosten gem. § 104 ZPO gegen den Beklagten.

Mit Beschluss vom 17.03.2004 lehnte die Rechtspflegerin die Kostenfestsetzung ab und stellte fest, dass die nach dem Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 19.11.2003 - 2 Sa 654/02 - von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten € 1.763,73 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.11.2003 betragen. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nach der InsO die Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Folge habe, dass die Zwangsvollstreckung wegen Altmasseverbindlichkeiten i. S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig sei und dass es sich bei dem vom Kläger geltendgemachten Kostenerstattungsanspruch um eine solche Altmasseverbindlichkeit handele, denn der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entstehe - zunächst aufschiebend bedingt durch den Erlass einer vollstreckbaren Kostengrundentscheidung nach § 91 ff ZPO - bereits mit Eintritt der Rechtshängigkeit. Deshalb hätte nur die Feststellung der Zahlungspflicht des Kostenschuldners erfolgen können, nicht aber ein Kostenfestsetzungsbeschluss als Vollstreckungstitel erlassen werden können.

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.03.2004 zugestellten Beschluss legte der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.04.2004, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Jena einging, sofortige Beschwerde ein, und zwar beschränkt auf die Ablehnung der Kostenfestsetzung.

Er meint, dass es sich wegen der Sonderregelung des § 12 a ArbGG bei dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch im arbeitsgerichtlichen Verfahren um eine Neumasseverbindlichkeit handele; der Anspruch auf Kostenerstattung für das Berufungsverfahren sei erst mit Einlegung des Rechtsmittels und nicht mit Einreichung der Klage entstanden.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.04.2001 nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Der Auflage des Beschwerdegerichts, unter Vorlage eines Zahlenwerks darzulegen, dass die Masse auch zur Erfüllung von Neumasseverbindlichkeiten nicht ausreichen würde, ist der Beklagte mit dem Hinweis nicht nachgekommen, dass es sich vorliegend um eine Altmasseverbindlichkeit handele.

II

Die nach § 104 Abs. 3 i. V. mit § 567 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet, weil die Rechtspflegerin den Antrag des Klägers auf Festsetzung der Kosten gegen den Beklagten zu Recht und mit völlig zutreffender Begründung zurückgewiesen hat.

Dabei schadet es nicht, dass der Kläger keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat, denn sein Begehren, den Ablehnungsbeschluss aufzuheben und die beantragten Kosten festzusetzen, wird aus seinen Darlegungen hinreichend deutlich.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1)

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts stimmen seit Inkrafttreten der InsO darin überein, dass Altmasseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit einer Leistungsklage verfolgt werden können, weil wegen des Vollstreckungsverbots in § 210 InsO das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage entfallen ist, sondern nur noch in Form einer Feststellungsklage (vgl. BGH Urteil vom 03.04.2003 - IX ZR 101/02 - ZIP 03, 914; BAG Urteil vom 12.12.2001 - 9 AZR 459/2000 - EZA § 210 InsO Entscheidung 1; BAG Urteil vom 22.03.2003 - 1 AZR 541/02 - EzA § 111 BetrVG 2001 Entscheidung 1).

Das Gleiche soll auch für sogenannte Neumasseverbindlichkeiten i. S. des § 209 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 InsO gelten, wenn der Insolvenzverwalter darlegt und beweist, dass die Masse auch zur Befriedigung dieser Ansprüche nicht mehr ausreicht oder wenn er eine erneute Masseunzulänglichkeit gem. § 208 ZPO anzeigt (so BGH a. a. O.; BAG Urteil vom 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 - EzA § 209 InsO Entscheidung 1; BAG Urteil vom 18.11.2003 - 1 AZR 30/03 - EzA § 113 BetrVG 2001 Entscheidung 2; BAG Urteil vom 15.06.2004 - 9 AZR 431/03 - z. V. v.).

Diese Rechtsprechung ist von einzelnen Landesarbeitsgerichten auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren in dem Sinne angewendet worden, dass Anzeige der Masseunzulänglichkeit der Erlass eines gegen die Masse gerichteten Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht mehr zulässig bzw. ein bereits ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben sei (vgl. LAG Düsseldorf 17.03.2003 - 16 Ta 269/03 - NZA-RR 03, 549; LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26.03.2001 - 1 Ta 12/01 - ZIP 01, 657).

Diese Rechtssprechung betrifft allerdings nur Altmasseverbindlichkeiten, also Fälle, bei denen der Kostenerstattungsanspruch vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden war.

Sie entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter der Geltung der Konkursordnung (vgl. BAG Urteil vom 20.05.1987 - 4 AZR 648/86 - AP Nr. 4 zu § 60 KO; vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss vom 04.08.2000 - 9 Ta 198/00 - Betriebsberater 2001, 528 LS).

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte geht dagegen teilweise noch davon aus, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht hindert, sondern dass sie im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen wäre (vgl. OLG Naumburg Beschluss vom 27.12.2001 - 13 W 430/01 - Rpfl 2002, 332; OLG Hamm Beschluss vom 11.03.2002 - 4 W 111/01 - ZIP 2002, 993, noch zur KO ergangen; OLG Hamm Beschluss vom 29.07.2002 ZInsO 2002, 831; vgl. LG Köln Beschluss vom 10.02.2004 - 11 T 11/04 - ZInsO 04, 456; anderer Auffassung OLG Düsseldorf ZInsO 03, 713; OLG München Beschluss vom 03.04.2003 - 11 W 2839/01 - RVG report 04, 40 LS, LG Kassel Beschluss vom 02.03.2004 - 2 T 18/04 - ZInsO 04, 400).

Die maßgebende Kommentarliteratur nimmt auch in den neuesten Auflagen diese Diskussion praktisch nicht zur Kenntnis (vgl. Zöller-Herget ZPO 24. Aufl. § 104 Rz. 21; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO 62. Aufl. § 104 Rz. 13).

2)

Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung, dass nach Anzeige einer Masseunzulänglichkeit ein Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Insolvenzverwalter zugunsten eines Altmassegläubigers nicht mehr ergehen kann. Denn da eine Vollstreckung aus diesem Titel nach § 210 InsO ausgeschlossen ist, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Massegläubigers auf Erlangung eines nicht vollstreckbaren Titels.

Ob ein Anspruch auf eine Feststellung der Kostenschuld gegeben ist (dafür etwa LAG Baden-Württemberg a. a. O.; dagegen LG Kassel a. a. O.), bedarf hier keiner Entscheidung, weil sich die sofortige Beschwerde nicht gegen Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses richtet, so dass die von der Rechtspflegerin getroffene Feststellung der Kostenschuld des Beklagten rechtskräftig geworden ist.

3)

Die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, betrifft auch eine Altmasseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Ziff. 1 i. V. mit § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO, da sie als prozessuale Kostenerstattungsverpflichtung vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden ist.

Nach ganz allgemeiner Meinung entsteht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch mit Rechtshängigkeit der Klage als aufschiebend bedingter Anspruch, wobei die Bedingung darin besteht, dass eine Entscheidung ergeht, die dem Gegner die Kosten auferlegt. Er wandelt sich mit Erlass der Kostenentscheidung in einen auflösend bedingten Erstattungsanspruch um, auflösend bedingt, weil noch die Möglichkeit besteht, dass er in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird. Mit Eintritt der Rechtskraft der Kostenentscheidung wird der Anspruch unbedingt und fällig (vgl. Zöller-Vollkommer-Herget a. a. O. Rz. 10 vor § 91; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann a. a. O. Rz. 33 ff Übersicht § 91; Thomas-Putzo ZPO 25. Aufl. Rz. 8 ff vor § 91; MünchKomm ZPO-Betz Rnr. 5 vor § 91).

Vorliegend entstand der Kostenerstattungsanspruch also bedingt bereits mit der Zustellung der Klage am 08.08.2002; die Anzeige der Masseverbindlichkeit erfolgte erst am 02.09.2002. Es handelt sich deshalb um eine Altmasseverbindlichkeit (vgl. zu diesem Problem im Einzelnen OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.10.2001 - 10 W 1/01 - ZInsO 2001, 561). Das Beschwerdegericht kann also nicht der Auffassung des Klägers zustimmen, wonach der Anspruch erst mit Beginn der Berufungsinstanz oder gar erst mit dem Erlass der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts entstanden ist.

Die oben angeführten Grundsätze gelten auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren trotz des Ausschlusses der Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges nach § 12 a ArbGG. Denn § 12 a ArbGG schließt ja nicht völlig eine Kostenentscheidung und einen daraus schließenden Kostenerstattungsanspruch aus, sondern spricht nur aus, dass einzelne Kosten nicht erstattungsfähig sind. Die Erstattungsfähigkeit von Sachkosten, Reisekosten der Partei, hypothetische durch die Anwaltsbeauftragung ersparte Parteikosten etc. bleiben von dieser Regelung unberührt (vgl. GK-Wenzel ArbGG § 12 a Bearbeitungsstand März 2003 Rz. 19 ff, insbesondere 36 ff).

Dass die zuletzt angesprochenen Kosten vom Kläger nicht geltend gemacht werden, sondern die beantragte Kostenfestsetzung nur die Anwaltskosten der Berufungsinstanz betreffen, hindert also nicht, den Kostenerstattungsanspruch als bereits mit Rechtshängigkeit bedingt entstanden anzusehen und ihn somit als Altmasseverbindlichkeit im aufgezeigten Sinne einzuordnen.

Die Rechtspflegerin hat also zu Recht den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses abgelehnt. Die sofortige Beschwerde ist demnach mit der Kostenlast des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 1.763,00 festgesetzt.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung wird die Rechtsbeschwerde gem. § 78 i. V. mit § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG, 574 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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