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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 9 Sa 120/2000
Rechtsgebiete: BRTV, ZPO, SGB III


Vorschriften:

BRTV § 16
BRTV § 4 Nr. 5.1
BRTV § 3 Nr. 1.4
BRTV § 16 Abs. 1
BRTV § 16 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2
SGB III § 211 Abs. 3
Beginn des Laufs einer an die erste Frist anknüpfenden zweiten Ausschlussfrist bei einer zweistufigen Verfallsklausel (hier § 16 Abs. 2 BRTV)

Soweit der Beginn der zweiten Stufe auf eine Ablehnung bzw. Überlegungsfrist der Gegenpartei abstellt, beginnt der Lauf der an die erste Frist anknüpfenden zweiten Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung mit der Ablehnung oder dem Ablauf der Überlegungsfrist auch für noch nicht fällige Ansprüche, wenn Grund und Umfang des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt feststehen.

Revision zugelassen


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 22.02.2000 - Az.: 8 Ca 2300/99 - wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Bezahlung von 68,5 sogenannten Ansparstunden hat.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 12.03.1997 als Baumaschinist beschäftigt. Er verdiente 21,05 DM brutto pro Stunde.

Zwischen den Parteien existiert gem. § 3 Ziff. 1.4 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) eine Vereinbarung über die betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum. Die Beklagte hat dementsprechend ein Ausgleichskonto geführt. Nach dieser Vereinbarung war die Auszahlung des Guthabens, das nicht mehr durch arbeitsfreie Tage innerhalb des Ausgleichszeitraums ausgeglichen werden kann, mit der Lohnzahlung für April am 15.05. des jeweiligen Kalenderjahres zur Auszahlung fällig.

In dem Zeitraum vom 15.02.1999 bis zum 23.02.1999 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 08.03.1999 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

Sehr geehrter Mitarbeiter,

im Rahmen der Lohnabrechnung Februar 1999 erfolgte hinsichtlich der Ansparstunden bei einigen Mitarbeitern eine Korrektur.

Diese Korrektur ergibt sich aus der Anrechnung von Ansparstunden bei krankheitsbedingter Abwesenheit und witterungsbedingtem Arbeitsausfall im Schlechtwetterzeitraum.

Das heißt, daß bei Mitarbeitern, die krankgeschrieben waren und gleichzeitig auf den Baustellen aufgrund ungünstiger Witterung nicht gearbeitet werden konnte, für diesen Zeitraum das Ansparstundenkonto belastet wurde.

Somit erfolgt eine Gleichstellung erkrankter und gesunder Mitarbeiter bei Zusammentreffen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und witterungsbedingtem Arbeitsausfall.

Gesetzliche Grundlage bilden hierfür § 4, Nr. 5.1 BRTV, § 211 Abs. 3 SGB III sowie § 3 Nr. 1.4 BRTV.

...

Ausweislich der Lohnabrechnung für den Monat Februar 1999 (Bl. 6 d. A.) hat die Beklagte 68,5 Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitguthaben des Klägers zur Bezahlung des Krankheitszeitraums im Februar 1999 verwendet.

Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 19.03.1999 wandte sich der Kläger daraufhin an die Beklagte. In dem Schreiben heißt es u. a.:

...

Wie Sie wissen, war unser Mandant im Februar 1999 vorübergehend arbeitsunfähig krank. ...

Unter dem 08.03.1999 erhielt unser Mandant Ihre Hausmitteilung 8/1999, "Erläuterung zur Lohnabrechnung 02/1999".

Darin erklären Sie, daß es im Rahmen der Lohnabrechnung für Februar 1999 eine Korrektur hinsichtlich der Anspruchsstunden gäbe. Sie kündigen in Ihrem Schreiben an, daß ... für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit Ansparstunden unseres Mandanten verrechnet werden würden. Dies bedeutet, daß unser Mandant mit der Lohnabrechnung für April 1999 einen entsprechend niedrigeren Betrag für Ansparstunden erhält, da Sie die Ansparstunden auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten anrechnen. Wir machen Sie darauf aufmerksam, daß diese Vorgehensweise nicht zulässig ist. Insbesondere ist diese Vorgehensweise nicht durch die von Ihnen zitierte Regelung im BRTV bzw. im SGB III gedeckt.

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird ausschließlich im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt.

Wir fordern Sie deswegen schon jetzt auf, das Arbeitsentgelt unseres Mandanten, insbesondere im Hinblick auf die Ansparstunden ordnungsgemäß abzurechnen und den sich ergebenden vollen Betrag für die Ansparstunden in der Vergangenheit mit dem Gehalt für April 1999 zur Auszahlung zu bringen.

Sollten diese Aufforderung nicht nachkommen, weisen wir schon jetzt darauf hin, daß wir die Ansprüche unseres Mandanten im Klagewege geltend machen werden. .."

Die Beklagte äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 06.04.1999, das folgenden Wortlaut hat:

Sehr geehrte Damen und Herren,

...

Hinsichtlich der Ansparstunden dürfen wir darauf hinweisen, daß unsere Mandantin lediglich dann eine Verrechnung vorgenommen hat, wenn Ihr Mandant gleichzeitig, d. h. nicht ausschließlich bei Krankheit, sondern gleichzeitig witterungsbedingt nicht hätte beschäftigt werden können.

Lohnersatzleistungen bei Krankheit sollen einen Mitarbeiter immer so stellen, wie er gestanden hätte, wenn er während der gleichen Zeit im Unternehmen beschäftigt gewesen wäre. Das heißt, daß ein Mitarbeiter nicht besser aber auch nicht schlechter gestellt werden darf. Diese Grundsätze sind allgemein anerkannt und finden insbesondere bei Feiertagen, bei Streik und Aussperrung und auch bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall Anwendung. Das Vorgehen unserer Mandantin ist deshalb nicht zu beanstanden.

Sollten Ihrerseits noch Fragen bestehen, stehen wir hierfür gern zur Verfügung. Ansonsten betrachten wir die Angelegenheit als erledigt. ...

Die Beklagte hat den Kläger von dessen Arbeitsguthaben in einer Gesamthöhe von 76,5 Stunden für den Zeitraum der Nichtarbeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Lohn für 68,5 Arbeitsstunden ausgezahlt. Mit der Lohnabrechnung April sind dem Kläger die restlichen 8 Stunden des auf dem Ausgleichskonto verbliebenen Arbeitszeitguthabens bezahlt worden.

Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 13.07.1999, der beim Arbeitsgericht am 15.07.1999 einging, hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen:

Er habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, so daß eine Anrechnung von "Ansparstunden" durch die Beklagte nicht zulässig sei. Für den Fall, daß der Kläger in diesem Zeitraum nicht erkrankt gewesen sei, wäre es auch nicht zu einem witterungsbedingten Arbeitsausfall gekommen. Dies folge bereits daraus, daß der Kläger in der Zeit vom 13.01.1999 bis 11.02.1999 in der Werkstatt gearbeitet habe. Im übrigen werde bestritten, daß im Zeitraum 15.02.1999 bis zum 23.02.1999 bei der Beklagten witterungsbedingt nicht gearbeitet worden ist.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.441,93 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15.05.1999 zu bezahlen.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug vorgetragen:

Der klageweise geltend gemachte Anspruch sei verfallen, weil der Kläger diese Forderung nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 16 BRTV gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe.

Daß die Beklagte für den Zeitraum der Erkrankung des Klägers auf dessen Arbeitszeitguthaben zurückgreifen wird, habe diese dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf dessen Schreiben vom 19.03.1999 mit Schriftsatz vom 06.04.1999 mitgeteilt. Damit sei dem Kläger die Leistungsverweigerung zur Kenntnis gegeben worden. Die gerichtliche Geltendmachung sei jedoch erst mit Klageschrift vom 15.07.1999 und damit verspätet erfolgt.

Der Anspruch bestehe jedoch auch ansonsten nicht. In der Werkstatt habe der Kläger bei der Beklagten nicht gearbeitet. Insbesondere sei im Februar 1999 die Anwesenheit des Klägers in der Werkstatt weder erforderlich noch geplant gewesen. Ansonsten habe der Kläger die Baumaschine lediglich zur Reparatur in die Werkstatt gefahren.

Nach allem hätte der Kläger, wenn er im Februar 1999 nicht krank gewesen wäre, aus witterungsbedingten Gründen nicht arbeiten können. Die Schwarzdeckenkolonne, zu der der Kläger gehöre, habe in diesem Zeitraum witterungsbedingt nicht gearbeitet (Beweis: Herr H., Herr K.).

Der Kläger könne deshalb von der Beklagten für den Zeitraum der Erkrankung nicht besser gestellt werden, als diejenigen Arbeitnehmer, die im gleichen Zeitraum wegen witterungsbedingten Arbeitsausfalls keinen Lohn erhalten, bzw. auch aus dem Ausgleichskonto gutgeschriebenen Lohn ausgezahlt bekommen hätten. Im Ergebnis sei die Vorgehensweise der Beklagten nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Es hat den Anspruch des Klägers nicht als verfallen angesehen.

Der Kläger habe mit dem Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 19.03.1999 den Anspruch auf Auszahlung der Gesamtansparstunden vor Fälligkeit der Zahlung am 15.05.1999 geltend gemacht. Damit sei die erste Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Abs. 1 BRTV eingehalten worden. Einer nochmaligen Geltendmachung gegenüber der Beklagten nach der Fälligkeit habe es nicht bedurft. Mit Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 15.07.1999 habe der Kläger auch die zweite Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Abs. 2 BRTV gewahrt.

Im übrigen sei bei Anwendung der Regelung des BRTV für die Verrechnung der Ansparstunden mit dem Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall keine rechtliche Grundlage vorhanden.

Auf die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO Bezug genommen.

Das Urteil des ersten Rechtszuges vom 22.02.2000 ist der Berufungsführerin am 27.03.2000 zugestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 27.03.2000 eingelegte und mittels eines am 25.04.2000 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

Das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 22.02.2000 - Az.: 8 Ca 2300/99 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist unter vertiefender Darlegung ihres erstinstanzlichen Vorbringens nach wie vor der Auffassung, daß sie für den Zeitraum der Erkrankung des Klägers auf dessen Arbeitszeitguthaben zurückgreifen konnte. Aus der Tatsache, daß der Kläger während dieser Zeit aus witterungsbedingten Gründen auch dann nicht gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre, folge, daß der Kläger nicht besser gestellt werden könne, als diejenigen Arbeiter, die während dieser Zeit aus den gleichen Gründen nicht hätten beschäftigt werden können. Auch für diese Arbeitnehmer habe nämlich für diese Zeit nach § 4, 5.1 BRTV kein Lohnanspruch bestanden.

Die Beklagte hält auch an ihrer Ansicht fest, daß der geltend gemachte Anspruch verfallen ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt die tragenden Gründe der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Insbesondere sei der Anspruch nicht gem. § 16 BRTV verfallen. Maßgeblich für den Beginn der Ausschlußfrist sei die Fälligkeit des Anspruchs, mithin der 15.05.1999. Mit dem Schreiben vom 19.03.1999 habe der Kläger die erste Stufe der Ausschlußfrist eingehalten. Die Klageschrift sei auch innerhalb der zweiten Stufe der Ausschlußfrist beim Arbeitsgericht eingegangen.

Im übrigen verstoße das Vorbringen der Beklagten gegen die zwingenden Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.

Für das Vorbringen der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung der Beklagten (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 ArbGG) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache selbst Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist verfallen, weil er nicht innerhalb der zweiten Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Abs. 2 BRTV gerichtlich geltend gemacht worden ist.

1.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung. Dieser enthält in § 16 eine zweistufige Ausschlußfrist, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen betrifft, mithin auch die streitigen Ansprüche.

In einer ersten Stufe war der Kläger danach gehalten, den Anspruch auf Zahlung von Lohn für das auf dem Ausgleichskonto befindliche Arbeitszeitguthaben in Höhe von 68,5 Stunden innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit dieses Anspruches schriftlich gegenüber der Beklagten zu erheben.

Auf den Hinweis der Beklagten vom 08.03.1999, daß für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit im Februar "eine Belastung des Ansparkontos" erfolgen wird, weil in dem gleichen Zeitraum aus witterungsbedingten Gründen nicht gearbeitet werden konnte und die dementsprechende Lohnabrechnung für den Monat Februar 1999, hat der Kläger mit dem Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 19.03.1999 reagiert. Der Beklagten ist mit diesem Schreiben deutlich geworden, daß der Kläger am 15.05.1999 die Auszahlung seines Arbeitszeitguthabens verlangt und zwar ohne die von der Beklagten vorgenommene Belastung des vorhandenen Arbeitszeitguthabens zum Zwecke der Lohnzahlung im Zeitraum 15.02.1999 bis zum 23.02.1999.

Mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer davon aus, daß der Kläger damit die erste Stufe der Ausschlußfrist des § 16 Abs. 1 BRTV gewahrt hat.

Zwar ist der Anspruch in der Regel nach seiner Fälligkeit - hier dem 15.05.1999 - geltend zu machen, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Gläubiger den Anspruch übersehen und der Schuldner mit seiner Einforderung rechnen kann. Da die tarifliche Regelung des § 16 BRTV Maximalfristen enthält, steht dem allerdings eine Geltendmachung vor dem in der Klausel genannten Zeitpunkt nicht entgegen. Wird der Anspruch - wie vorliegend - vor der Fälligkeit geltend gemacht, ist diese nur dann wirksam, wenn der Anspruch in ein konkretes Stadium seiner Entstehung getreten ist, der Schuldner also Grund und Umfang des Anspruchs bereits erkennen und damit die Geltendmachung ihrer Warnfunktion erfüllen kann. In einem solchen Fall wäre das Verlangen einer erneuten Geltendmachung bloße Förmelei (BAG vom 27.03.1996, 10 AZR 668/95, AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

So liegt es hier.

Der Beklagten war durch das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19.03.1999 klar erkennbar, daß der Kläger mit der Auszahlung des Lohnes für 68,5 Stunden des Ausgleichskontos anstelle einer Entgeltfortzahlung nicht einverstanden ist und mit der Lohnzahlung April 1999, notfalls klageweise, die Bezahlung auch dieser Arbeitsstunden fordern wird. Damit stand für die Beklagte Grund und Höhe des streitigen Anspruchs fest.

2.

Damit stellt sich die Frage der Einhaltung der zweiten Stufe der Ausschlußfrist durch den Kläger.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt bei einer zweistufigen Verfallsklausel soweit der Beginn der zweiten Stufe auf eine Ablehnung bzw. Überlegungsfrist der Gegenpartei abstellt, der Lauf der an die erste Frist anknüpfenden zweiten Ausschlußfrist für die gerichtliche Geltendmachung mit der Ablehnung oder dem Ablauf der Überlegungsfrist auch für die noch nicht fälligen Ansprüche (BAG vom 22.02.1978, 5 AZR 805/76, AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG vom 13.09.1984, 6 AZR 379/81, NZA § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 62). Nach dieser Auffassung, der sich die Kammer anschließt, ist dann aber mit dem den geltend gemachten Anspruch ablehnenden Schreiben der Beklagten vom 06.04.1999 auch der Fristablauf für die sich an die erste Stufe anschließende zweite Frist des § 16 Abs. 2 BRTV in Gang gesetzt worden und zwar auch für den zu diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen Anspruch.

Dem steht nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch nicht entgegen, daß das Bundesarbeitsgericht in einem Fall entschieden hat, daß bei vorzeitiger schriftlicher Geltendmachung die Frist für eine tariflich geregelte 14-tägige Bedenkzeit des Arbeitgebers und für die sich daran anschließende gerichtliche Geltendmachung nicht ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Geltendmachung, sondern erst ab der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen beginnt (BAG vom 27.03.1996, 10 AZR 668/95, a. a. O.).

Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß der Zweck einer tariflichen Verfallklausel darin besteht, den Arbeitnehmer dazu zu zwingen, durch rechtzeitige Klageerhebung Klarheit über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Anspruchs zu schaffen. Eine unmittelbar anschließende gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nach einer vorzeitigen schriftlichen Geltendmachung entspreche diesem Zweck nicht, weil ein solcher Zwang nur sinnvoll sei, wenn der Arbeitnehmer die Klage auch durchsetzen kann, was bei nicht fälligen Ansprüchen in der Regel nicht der Fall sei. Weiterhin stand in dem dort entschiedenen Fall wegen eines noch andauernden Kündigungsschutzprozesses noch nicht fest, ob der streitige Anspruch grundsätzlich gegeben war, mit dem Ergebnis, daß bei einem Beginn des Laufs der Frist für die gerichtliche Geltendmachung ab dem Zeitpunkt der vorzeitigen schriftlichen Geltendmachung, diese Frist bereits abgelaufen war, bevor überhaupt feststand, ob der Anspruch dem Grunde nach entstanden ist.

Unter diesen Voraussetzungen beginnt nach der Entscheidung des BAG die Bedenkzeit für den Arbeitgeber nicht schon mit der schriftlichen Geltendmachung, sondern erst mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen, weil nach den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Umständen der Arbeitgeber erst ab diesem Moment wissen konnte, ob der streitige Anspruch dem Grunde nach gegeben war oder nicht.

Diese Begründung ist nach Auffassung der Kammer auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar.

Der hier zu entscheidende Fall stellt sich schon deshalb anders dar, weil die Beklagte in ihrem Schreiben vom 06.04.1999 den vorzeitig schriftlich geltend gemachten Anspruch des Klägers abgelehnt hat. Erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens am 07.04.1999 bei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers und nicht bereits mit dem Schreiben des Klägers vom 19.03.1999 ist der Lauf der zweiten Stufe der Ausschlußfrist in Gang gesetzt worden. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 BRTV. Dieser stellt nämlich nicht auf die Fälligkeit der Forderung ab, sondern auf die Ablehnung der gegenüber der Beklagten schriftlich erhobenen Forderung vom 19.03.1999.

Auch steht der Beginn des Laufs der zweiten Ausschlußfrist am 07.04.1999 nicht dem Zweck der Ausschlußfrist entgegen. Der Anspruch des Klägers auf Bezahlung von insgesamt 76,5 Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitguthaben stand am 07.04.1999 für beide Parteien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach fest. Gleiches trifft auf die Tatsache zu, daß die Beklagte 68,5 Arbeitsstunden aus dem Arbeitszeitguthaben des Klägers zur Bezahlung des Krankheitszeitraums im Februar 1999 verwendet hatte. Von einem Ablauf der Ausschlußfrist zu einem Zeitpunkt zu dem noch nicht feststeht, ob dieser Anspruch dem Grunde nach gegeben ist, kann damit keine Rede sein.

Nach Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlußfrist war es nun Sache des Klägers, wie angekündigt, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, um den rechtlichen Bestand der Forderung zu sichern und zwar innerhalb von zwei Monaten nach dem 07.04.1999. Nur dadurch wird dem Willen der Tarifparteien entsprochen, innerhalb von zwei Monaten nach Ablehnung des Anspruchs Klarheit zwischen den Vertragspartnern darüber zu schaffen, ob noch Ansprüche erhoben werden oder nicht. Dem steht vorliegend auch nicht die Nichtdurchsetzbarkeit des Anspruchs mangels Fälligkeit für den Zeitraum 07.04.1999 bis 14.05.1999 entgegen. Der Kläger hatte nämlich die Möglichkeit, die bis zum 07.06.1999 laufende Ausschlußfrist dadurch zu wahren, daß er entweder bis zum 14.05.1999 eine Klage auf zukünftige Leistung (§§ 257, 259 ZPO) erhebt oder aber ab dem 15.05.1999 die gerichtliche Geltendmachung im Wege der Leistungsklage zu betreiben. Er hat beides nicht getan.

Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs ist tatsächlich erst am 15.07.1999 und damit nicht innerhalb der einzuhaltenden Ausschlußfristen des § 16 Abs. 2 BRTV erfolgt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich im übrigen auch dann nicht, wenn das Schreiben der Beklagten vom 06.04.1999 nicht als Ablehnung verstanden wird. Die zweite Stufe der Ausschlußfrist beginnt dann am 21.04.1999 und endet am 21.06.1999.

Nach allem ist der geltend gemachte Anspruch verfallen.

Aus diesem Grund kann es dahinstehen, ob die Beklagte vor dem Hintergrund des § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz i. V. mit § 4 Ziff. 1, 5.1. BRTV berechtigt war, den auf dem Ausgleichskonto des Klägers gutgeschriebenen Lohn für 68,5 Stunden zum Ausgleich der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers für Monat Februar 1999 heranzuziehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision erfolgt aus dem Grund des § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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