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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2000
Aktenzeichen: 9 Ta 137/2000
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 62 Abs. 1
ArbGG § 62 Satz 3
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 707 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil ist das Rechtsmittel der Beschwerde nicht gegeben. Ein solcher Beschluß ist nur unter der Voraussetzung einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit anfechtbar.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 11.10.2000 - Az.: 3 Ca 2057/2000- wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten am Arbeitsgericht Erfurt um Vergütungsansprüche.

Im Termin vom 22.08.2000 war die Beklagte säumig. Daraufhin hat das Arbeitsgericht Erfurt ein Versäumnisurteil erlassen, mit dem der Klage stattgegeben worden ist. Dieses Versäumnisurteil ist der Beklagten am 24.08.2000 zugestellt worden.

Mit beim Arbeitsgericht am 30.08.2000 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und außerdem beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil einzustellen. Eine Begründung des Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung enthält dieser Schriftsatz nicht.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 11.10.2000 den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des Beschlusses im einzelnen wird auf Blatt 47 der Akte Bezug genommen. Gemäß der Rechtsmittelbelehrung ist gegen den Beschluss für die Beklagte das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben.

Die Beklagte hat gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 16.10.2000 zugestellten Beschluss mit beim Arbeitsgericht am 30.10.2000 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung hat sich die Beklagte darauf berufen, dass ihr durch die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil ein nicht ersetzbarer Nachteil entsteht. Dem Kläger sei am 11.10.2000 auf ausdrücklichen Antrag hin eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils erteilt worden. Infolgedessen müsse die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen ihn als den im Titel angegebenen Vertreter der Beklagten einleiten wird. Vorliegend sei wegen Vermögenslosigkeit des Vollstreckungsgläubigers nicht damit zu rechnen, dass im Falle der Abänderung oder Aufhebung des Versäumnisurteils eine Rückzahlung an die Beklagte erfolgen könne. Dass der Kläger vermögenslos sei, ergebe sich aus einer Auskunft des Amtsgerichts Erfurt vom 07.11.2000, nach der der Kläger mehrmals eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 11.10.2000 abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 22.08.2000 einstweilen einzustellen.

Demgegenüber beantragt der Kläger,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht in genügendem Umfang glaubhaft gemacht hat, dass ihr die Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt. Allein die Tatsache, dass der Kläger den Offenbarungseid abgegeben hat, stelle noch keinen nicht zu ersetzenden Nachteil dar. Sollte die Beklagte tatsächlich in der Hauptsache obsiegen, werde der Kläger im Falle erfolgreicher Vollstreckungsmaßnahmen Schadensersatz leisten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

Gegen den Beschluss, mit welchem das Arbeitsgericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt hat, ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.

Mit dem Beschluss vom 11.10.2000 hat das Arbeitsgericht Erfurt eine Entscheidung gem. den §§ 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG, 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO getroffen.

Nach weit überwiegender und zutreffender Auffassung ist die Beschwerde gegen eine solche Entscheidung gem. § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO jedoch ausgeschlossen (vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl.; § 707 Rz 22 und § 769 Rz 13 m. w. N.; Düvell, Lübke, Arbeitsgerichtsverfahren, § 62 Rz 17; Disbauer 1993 e, Rz 1714; Thomas Putzo, 22. Aufl., § 62 ZPO, Rz 17; anderer Auffassung, jedoch ohne Begründung: Erfurter Kommentar § 62 ArbGG, II. 3. Rz 11 c). Diese Auffassung vertritt auch das Thüringer Landesarbeitsgericht (vgl. LAG Thüringen vom 29.12.1997, 9 Ta 135/97; Thüringer LAG vom 25.10.1999, 4 Ta 141/99; Thüringer LAG vom 05.06.2000, 9 Ta 61/2000).

Danach sind Beschlüsse, mit denen die (Nicht)-Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet wird, nur unter der Voraussetzung einer "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" anfechtbar. Diese Auffassung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Möglichkeit, eine nach geltendem Recht unanfechtbare Entscheidung gleichwohl mit einem Rechtsmittel anzugreifen, auf wirkliche Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss, in denen es darum geht, eine Entscheidung zu beseitigen, die mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist (BGH vom 08.10.92, VII ZB 3/92, NJW 93, 136).

Von einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit in dem dargelegten Sinne kann bei dem Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt keine Rede sein.

Die Beklagte hat den gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mit keinem Wort begründet. Auch die im Rahmen der Einlegung der sofortigen Beschwerde abgegebene Begründung trägt den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht. Die Vollstreckung eines Zahlungstitels im Falle der Vermögenslosigkeit des Vollstreckungsgläubigers ist nämlich kein nicht zu ersetzender Nachteil i. S. von § 62 Abs. 1 ArbGG (vgl. auch LAG Frankfurt vom 08.01.1992, NZA 1992, 427).

Auch Tatsachen dafür, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Erfurt im Ergebnis mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, also greifbar gesetzeswidrig, sind für das Beschwerdegericht ebenfalls nicht zu erkennen. Ebensowenig sind Tatsachen ersichtlich, die auf einen Nichtigkeitsgrund i. S. von § 579 Abs. 1 ZPO hinweisen.

Das Versäumnisurteil vom 22.08.2000 ist auch in gesetzlicher Weise ergangen. Insbesondere war die Beklagte zum Termin vom 22.08.2000 ordnungsgemäß geladen.

Nach der vorliegenden Gründungsurkunde handelt es sich bei der Beklagten um ein allgemeines Handelsunternehmen mit eingetragenem Sitz in England und Wales, deren Stammkapital 1.000,00 britische Pfund bei beschränkter Haftung der Anteileigner beträgt (Gründungsurkunde Ziff. 2, Ziff. 3 (a) (1) Ziff. 4, Ziff. 5), mithin um eine juristische Person. Die Errichtung der Beklagten erfolgte ausweislich der vorgelegten Unterlagen nach dem "The company act 1985" (Gesetz zum Gesellschaftsrecht 1985). Die Vertretung im Rechtsverkehr richtet sich nach der Satzung der Beklagten. Danach sind die Direktoren allgemein und uneingeschränkt befugt, die Gesellschaft als Bevollmächtigte zu vertreten (Ziff. 2 c der Satzung).

Ausweislich des Protokolls vom 22.06.1999, Ziff. 4, war Herr B. Direktor bei der Beklagten.

Die Beklagte ist zum Termin am 22.08.2000 ordnungsgemäß geladen worden. Ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 10 d. A.) ist die Zustellung an die E. C. L.., vertreten durch Herrn J. Bl. erfolgt. Damit ist anhand der Zustellungsurkunde klar erkennbar, dass die Zustellung an den satzungsmäßigen Vertreter der Beklagten erfolgen sollte. Sie genügt damit dem Erfordernis des § 171 Abs. 2 ZPO. Herr B. ist "Vorsteher" im Sinne dieser Vorschrift, weil er nach o. g. Satzung als Direktor allgemein und uneingeschränkt befugt ist, die Beklagte nach außen hin zu repräsentieren. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurden im übrigen von Herrn B. unter dem 29.08.2000 "als gesetzlicher Vertreter der E. C. L." bevollmächtigt (Bl. 27 d. A.).

Unschädlich ist auch, dass die Ladung zum Termin am 22.08.2000 im Wege der Ersatzzustellung erfolgt ist. Dafür, dass ein besonderes Geschäftslokal der Beklagten zum Zeitpunkt der Zustellung vorhanden war, ist nichts ersichtlich und angesichts der Darlegungen der Beklagten, dass das Gewerbe zum 02.05.2000 abgemeldet wurde, ist dies auch nicht anzunehmen.

Damit hat die Möglichkeit bestanden, die Zustellung in der Wohnung des Vertreters der Beklagten durch Übergabe an dessen Ehefrau ordnungsgemäß zu bewirken (§§ 184 Abs. 2, 181 Abs. 1 ZPO).

Letztlich ist auch in dem Rubrum des Versäumnisurteils vom 22.08.2000 die E. C. L. als beklagte Partei bezeichnet und nicht deren Vertreter, Herr B.. Damit bezeichnet dieses Urteil nicht etwa Herrn B. als Vollstreckungsschuldner, sondern die E. C. L..

Im Ergebnis liegen weder im Hinblick auf das Versäumnisurteil vom 22.08.2000 noch hinsichtlich des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 11.10.2000 die Voraussetzungen einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit vor.

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist auch nicht deshalb gegeben, weil der angefochtene Beschluss mit einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung versehen war.

Das Arbeitsgericht Erfurt hat den angefochtenen Beschluss zwar mit der Rechtsmittelbelehrung über die sofortige Beschwerde versehen. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung eröffnet jedoch die Rechtsmittelinstanz nicht, wenn das Rechtsmittel nach dem Gesetz nicht statthaft ist (BAG vom 10.12.1986, BAGE 53, 396, 401 in AP Nr. 3 zu § 566 ZPO).

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung zur Einigung der Beschwerde veranlasst worden ist, sind gem. § 8 Abs. 1 GKG keine Gerichtskosten zu erheben (BAG vom 15.12.1986, AP Nr. 1 zu § 8 GKG).

Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden getroffen werden (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1, 62 Abs. 2 ArbGG).

Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde nicht gegeben (§ 70 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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