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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 282/04
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 17 Abs. 3 2. Hs.
Zur Entbehrlichkeit von tatrichterlichen Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnisses des Betroffenen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ss 282/04

In dem Bußgeldverfahren

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit,

hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 05.08.2004, der Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Pesta und Richterin am Landgericht Hager

am 22. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 05.08.2004 wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 250,- € festgesetzt.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens erster Instanz. Ferner trägt er die Gebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Jedoch wird die Gerichtsgebühr auf die Hälfte (1,0 Gebühren gem. Anlage 1 Nr. 4120 zu § 3 Abs. 2 GKG) ermäßigt. Außerdem trägt der Betroffene die Hälfte der Auslagen der Staatskasse in der Rechtsbeschwerdeinstanz. Die Hälfte der notwendigen Auslagen des Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeinstanz fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 07.11.2003 verhängte das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - gegen den Betroffenen wegen einer am 08.07.2003 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 29 km/h eine Geldbuße von 50,- € und ordnete ein Regelfahrverbot gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV für die Dauer von 1 Monat an.

Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen verurteilte das Amtsgericht Eisenach den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 05.08.2004 wegen fahrlässig begangener Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 500,- €.

Der Betroffene legte durch seinen Verteidiger am 09.08.2004 Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein und begründete diese, nachdem ihm das mit Gründen versehene Urteil am 28.08.2004 zugestellt worden war, am 27.09.2004. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Namentlich macht er geltend, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen und deshalb eine unangemessen hohe Geldbuße festgesetzt habe.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 25.11.2004, das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 05.08.2004 im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Eisenach zurückzuverweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.

Hinsichtlich des Schuldspruches ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden und wird vom Betroffenen, der ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung die Tat und seine Täterschaft eingeräumt hat, auch nicht beanstandet.

Bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs kann das Urteil dagegen keinen Bestand haben.

Das Amtsgericht hat der Rechtsfolgenbemessung einen unzutreffenden Strafrahmen zugrunde gelegt. Ausweislich der Ausführungen auf Seite 4 der Urteilsausfertigung ist das Amtsgericht von einem Bußgeldrahmen von mindestens 5,- € und höchstens 1.000,- € ausgegangen.

Den Rahmen der Geldbuße für Verkehrsordnungswidrigkeiten legt § 17 Abs. 1 und 2 OWiG fest, da das Straßenverkehrsgesetz nichts anderes bestimmt. Nach § 17 Abs. 1 OWiG beträgt die Geldbuße mindestens 5,- € und höchstens 1.000,- €. Gemäß § 17 Abs. 2 OWiG kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden, wenn das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Geldbuße androht, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn ein Verstoß gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung gem. § 41 Abs. 2 Nr. 7 Zeichen 274 StVO i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 Abs. 1 Satz 1 StVG stellt sowohl bei vorsätzlicher als auch bei fahrlässiger Tatbegehung eine Ordnungswidrigkeit dar und das Gesetz droht sowohl für vorsätzliches als auch für fahrlässiges Handeln eine Geldbuße an, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden. Demgemäß beträgt der Sanktionsrahmen bei fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung, wie sie das Amtsgericht hier angenommen hat, 5,- € bis 500,- € (vgl. Senatsbeschluss vom 10.11.2004, 1 Ss 264/04).

Auf diesem Fehler beruht das Urteil, weil nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Strafrahmens eine niedrigere Geldbuße festgesetzt hätte.

Ferner fehlen in dem Urteil hinreichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters.

Entbehrlich sind solche Feststellungen gem. § 17 Abs. 3 2. Hs. OWiG in der Regel bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten. Das ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Senats bei Ordnungswidrigkeiten, die im konkreten Fall mit einer Geldbuße von nicht mehr als 250,- € geahndet werden, der Fall (siehe etwa Senatsbeschlüsse vom 10.11.2004, 1 Ss 264/04; vom 04.11.2004, 1 Ss 21/03, vom 23.09.2003, 1 Ss 215/03). Das Amtsgericht hat jedoch eine Geldbuße von 500,- € festgesetzt.

Nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung des Senats sind konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ausnahmsweise auch bei einer Geldbuße bis 500,- € entbehrlich, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar vom Durchschnitt abweichen, weil Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte oder außergewöhnlich gute Wirtschaftsverhältnisse fehlen, und es sich bei der festgesetzten Geldbuße um den im Bußgeldkatalog bestimmten Regelsatz handelt (siehe Senatsbeschlüsse vom 23.09.2003, 1 Ss 215/03; vom 10.11.2004, 1 Ss 264/04).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, weil die vom Amtsgericht festgesetzte Geldbuße den Regelsatz gem. § 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3. BKat, Tabelle 1 c Nr. 11.3.5. von 50,- € weit übersteigt.

Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch führt nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, denn der Senat kann gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden.

Als Rechtsfolge für die zu ahndende Verkehrsordnungswidrigkeit hält der Senat in Anbetracht der Vorbelastungen des Betroffenen und des wegen des Verschlechterungsverbots nicht mehr revidierbaren Wegfalls des Fahrverbots (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 79 Rn. 37) eine Geldbuße von 250,- € für angemessen. Da die Geldbuße 250,- € nicht übersteigt, kommt es - auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Vorbringens in der Rechtsbeschwerdebegründung - gem. § 17 Abs. 3 2. Hs.OWiG auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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